Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN_______

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI 1900-190IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

16. Jahrgang

Sonntag, 26. Juli 1936

Regierungssieg in den Pässen der Guadarrama

Madrid entlastet- aber noch keine Entscheidung

Die beiden kämpfenden Parteien in Spanien | len tämpfen nur noch, um ihr Leben so teuer als Großes Aufsehen erregt der Rücktritt des fahren fort, eigene Siege und gegnerische Nieder- möglich zu verkaufen. Was nach dem Sieg der spanischen Botschafters Cristobal de Castillo lagen zu melden. Da beide Teile, die legale Regie- Regierung komme, stehe aber dahin, da auf der in Paris , der sich geweigert hat, einen rung wie die Generals- Junta, über Radiosender andern Seite schon eine Volksrevolution Scheck der Regierung zur Bezahlung in Frank­verfügen, beide gewisse Verbindungen im Ausland im Gangesei. reich gekauften Materials zu bezahlen. Im haben und mit jeder Partei gewisse ausländische Anschluß an diese Insubordination hat die Nachrichtenbüros sympathisieren, wird der Kampf Die faschistischen Blätter Deutschlands und französische Rechtspresse eine Heßze gegen die nicht nur mit Kanonen und Gewehren, Kreuzern Italiens verbreiten weiter Greuelmeldun Regierung eröffnet, die angeblich die Neutra­und Flugzeugen, sondern auch im Aether und in en über den bolschewistischen Terror. Anschei- lität verletzt, indem sie der spanischen Regierung der Weltpresse ausgetragen, wobei jede Partei nend unter dem Einfluß der Panikmeldungen Waffen liefert. Der französische Ministerrat vom bestrebt ist, die andere moralisch zu erschüttern, haben verschiedene Staaten Schiffe in die spani- Samstag stellt übrigens solche Lieferungen in indem sie ihr die Aussichtslosigkeit weiteren schen Gewässer entsandt. Die Hitlerregierung hat Abrede. Auffällig ist, daß auch die Radikalen Kampfes, die Notwendigkeit rascher Kapitulation den abwegigen Standpunkt vertreten, die Liefe­vor Augen führt. rung von Waffen an die legale Regierung wäre Einmischung in die inneren Verhältnisse Spa­ niens . Dagegen melden Linksblätter, daß die Aufständischen 24 Flugzeuge von Italien gekauft" haben.

Die Regierung erklärt wiederholt, sie ver­füge über 22 von den 49 Provinzen und vor allem über die drei größten Städte Madrid , Bar­ celona und Bilbao . Die Generale erklären, gerade das sei die Schwäche der Voltsfront­Regierung, denn man werde sie in den Städten aushungern. Zweifelsfrei im Besitz der Regierung ist Asturien mit dem Hafen von Santander. Dagegen scheinen dieselben asturischen Bergarbei­ter, die 1934, als sie in ihren Revieren von der Reattion angegriffen wurden, sich in der Defen­sive so heldenmütig schlugen, bisher keine stärkere Stoßtruppe gebildet zu haben, die über Asturien

die beiden Panzerschiffe" Deutschland " und ,, Admiral Scheer" nach Spanien dirigiert. Außer gewissen Ausschreitungen gegen nazistische und faschistische Propagandastellen in Barcelona sind aber feine Terroratte gegen Ausländer bekannt geworden.

Ein Dolchstoß gegen Henlein

Ehrengericht droht mit der Veröffentlichung des gesamten Zeugenmaterials!

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Der erste Beweis für unsere Annahme, daß durch das Verschwinden Doktor Brands der Brand der SdP keineswegs gelöscht ist, sondern daß er immer ärger weiterschwelen wird, ist bereits da: das bekannte Ehren­gericht( Safum, Greger, Bernhard und Alter Wehrenfennig ist außer Landes) hat gestern der Deffentlichkeit ein Dokument übergeben, mit dem die Ehrenrichter den gegen sie gerichteten Angriffen aus SDP- Kreisen ent. gegentreten wollen. Tatsächlich ist diese Antwort der Ehrenrichter weit mehr, nämlich eine durch nichts wiedergutzumachende Bloßstellung Henlein , der darin als willenlos Geführter in seiner ganzen Unmännlichkeit entlarvt wird, und eine ultimative Drohung mit weiteren Veröffentlichungen, die zweifellos geeignet wären, als zweiter, unabsehbar starker Dolchstoß Henlein und die SdP politisch lebensgefährlich zu treffen.

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Nr. 173

gegen die Ehrenrichter schwer beleidigt wurde, ist es bereit, seinen Abwehrkampf einzustellen, falls seitens der SdP

mit dem heutigen Tage in der Presse, in den Parteibekanntmachungen, in Versammlungen und Privatgesprächen alles vermieden wird, was die Tätigkeit und die persönliche Ehrenhaf­tigkeit der Ehrenrichter herabzusetzen geeignet ist und falls dem Ehrengericht vollkom mene Genugtuung gegeben wird.

Sollte dieser Forderung nicht Rechnung ge= tragen werden, dann

würde sich das Ehrengericht gezwungen sehen, das Material seiner Verhandlung mit allen für die Entscheidung des Ehrengerichtes wichtigen Zeugenaussagen zu veröffentlichen.

Die Verantwortung hiefür muß der Haupt­leitung der SdP allerdings schon heute angelastet werden.

Diese Erklärung der Ehrenrichter ist in vieler Hinsicht aufschlußreich und politisch be­deutend.

Vor allem entlarvt sie die ,, Persönlich. feit" Henlein , den ,, autoritären" Stam­mesführer, als eine Null ohne das Mindeſt­maß jener Männlichkeit und, Verantwortungs­fähigkeit, die man schon im privaten, geschweige denn im politischen Leben von jedermann zu fordern berechtigt, ja verpflichtet ist. Der Führer, der den von ihm selber eingesetzten Ehrenrich­tern das a wort zur Veröffentlichung eines Kommuniqués gibt und eine Stunde später, von den Freunderln umgestimmt, dieses Wort nicht mehr hält, erscheint uns als so trauriger Ge­selle, daß man ihm bestenfalls die Rück­fehr zu Reck und Barren gestatten sollte; und es wäre dann nur Sache der deutschen Turner, zu entscheiden, ob sie den Mann, der die von ihm bestimmten Ehrenrichter zwei Stunden vergeb­lich warten läßt, während er wie ein Schul­junge a ustne ift, noch als Turn wart be­schäftigen wollen.

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Unseres Erachtens müßte Herr Henlein für einen Politiker haben wir ihn nie gehal­nun auch sonst öffentlich ausgespielt

ten

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haben.

Welche Folgen die Erklärung für die Su.

Die genannten Herren erzählen über das Ehrengericht Folgendes: Nach der Fällung der Entscheidung wurde| Sasum erklärte, daß es im Deutschen Hause anzu­Senlein nach Prag gebeten. Das Ehrengericht treffen fei. Das war um dreiviertel 7 Uhr abends. gab ihm um 5 Uhr nachmittags die Entscheidung_im Das Ehrengericht wartete nun auf die Entscheidetendeutsche Partei haben wird, vollen Wortlaute befannt und legte ihm dung Senleins bis dreiviertel 9 Uhr. Um diese Zeit gleichzeitig einen Vorschlag für die Veröffent- wurde das Ehrengericht von Außenstehenden direkt lichung in der Beit" vor, der lediglich lautete: und telephonisch von einer

in der Zwischenzeit bereits erschienenen Breffe­Erklärung

das hängt natürlich vor allem mit der Rolle zu­sammen, die eben Henlein in ihr auch weiterhin noch spielen dürfte. Aber abgesehen davon, be­deutet die Enthüllung über die Unan­ständigkeit des Klüngels um Henlein eine weitere,

Ten und Grareviers am Atlantischen Ozean haben die Rebellen in dem Gebiet von Pamplona Viktoria Burgos Palencia- Zamora eine größere Streitmacht aufstellen und equipieren können, mit der General Mola den Vormarsch gegen Madrid antrat, das er durch Abschneiden der beiden Wasserleitungen bezwingen wollte. Während er einen Sieg bei Guadalajara meldete, bestätigten sich Samstag spät abends die gegen teiligen Meldungen über einen großen Er­folg der republikanischen Armee in den Pässen der Sierra de Gudarrama, welche die Straßen von Burgos , Segovia und Valladolid nach der Hauptstadt beherrschen. Die Regierung meldet, daß ihre Kräfte vom Paz Alta de Léon bis zu der großen, nach Norden zur französischen Grenze führenden Straße( was bedeuten würde, daß die Operation sich auf einer Front von etwa 200 Kilometer entwickelt hätte) die Truppen Molas eingetreist und sich den Zugang zu den Provinzen nördlich der Sierra Guadarrama er­fämpft hätten. Das wäre allerdings ein ganz großer Erfolg, dessen Umfang aber doch nicht sicher steht. Vor allem stehen die Truppenzahlen, ,, Das über Ersuchen Dr. Walter Brands von die genannt werden, in keinem Verhältnis zu dem Konrad Heulein berufene Ehrengericht hat in sei­Raum, auf dem sich die Kämpfe abgespielt haben ner Schlußsizung vom 10. Juli 1986 auun sollen. Mehr Wahrscheinlichkeit besteht für jene gunsten Dr. Walter Brands entschieden." Version der Meldungen, die davon spricht, daß die Nach langer Ueberlegung erhob sich enlein Regierungstruppen sich in den Pässen von Alta mit einem einfachen, träftigen" da", bankte de Leon( Navacerrada) und Somosierra in ver- den Ehrenrichtern für die Arbeit, wobei er die er schanzten Stellungen behauptet und die Angriffe wähnte Presseerklärung Safum zurückgab. Die der Gruppe Mola abgeschlagen haben, wodurch Ehrenrichter nahmen an, daß damit die Angelegen­die Waſſerzufuhr für Madrid gesichert und dieses heit für fie erledigt ſei. von der unmittelbaren Gefahr einer Ueberrum- Doch na ch dh etwa einer Stunde wurden pelung von Nordwesten her befreit ist. Die Regie- der. Vorsißende Sasum und Dr. Greger in die Die kurze und entstellende Presse rungsarmee soll in letter Stunde zwei Batterien analei senleins gebeten. Sie wurden in notia Senleins, die den Ehrengerichtsspruch mittelschwerer Haubißen als Sukkurs erhalten das Vorzimmer des Amtsraumes Henleins geführt. au bagatelliſieren versuchte, awang nun das Ehren­haben, wodurch sie sich der Artillerie Molas ge- N. H. Frant tam aus diesem Amtsraume, wobei gericht, den vollen Wortlaut seiner Entscheidung zu wachsen erwies. Dr. Brandim Bimmer zu sehen war, und veröffentlichen. Erst daraufhin erinnerte sich Doktor Aber auch im Süden hat die Regie führte beide in fein eigenes Bimmer. Dahin kam kurz Brand am nächsten Tage feines Ehrentvortes, daß er rung durch die Besetzung von Albaceta nachher Henlein mit Dr. Köllner und Ing. Künzel. sich dem Spruche des Ehrengerichtes unterwerfe. Das ein Keulenschlag gegen die SdP. einen bedeutenden Erfolg errungen, Ehrengericht hatte überdies. H. Frank nach sei- Was sie sich unter vollkommener Ge. 3 und die einzelnen Beugen darauf aufmerksam gemacht, daß indem sie vollkommen zu sein hätte, könnte ner ersten Sizung bekanntgegeben und auch jeden nugtuung" vorstellen, wissen wir nicht. Aber der Spruch des Ehrengerichtes für alle Parteimitglie- fie nur ein elendes Zukreuzekriechen Henleins der und Parteigliederungen verbindlich sei. Dies und der Seinen, also eine weitere politisch- mora­wurde von K. H. Frant als Bevollmächtigten der lische Niederlage bedeuten. Schon die Drehung Partei zur Kenntnis genommen. Mit dieser beleidigenden Behandlung des Ehren­mit der Veröffentlichung des Materials, das gerichtes, das von Konrad Henlein ſelbſt eingesetzt also ohne Zweifel er drückend für die SdP war, begann der Kampf, von den Ehrenrichtern un- ist, ist ein noch nicht dagewesener Affront. Beugt gelvollt und tief bedauert:.. Seitdem arbeitet die sich jedoch die SdP nicht, dann steht ihr wohl Sauptleitung der SdP mit Preffenachrichten und in das ergste bevor. Versammlungen gegen das. Ehrengericht in under­antwortlicher Weise. Und ob nun die SdP den Ehren­

denn diese Stadt beherrscht die Banalen

Straßen nach dem Küstengebiet

Henlein erklärte nun, daß er die Wiederaufnahme des Verfahrens verlange, denn er bede das alles, was Dr. Brand zum Vorwurfe gemacht werde.

cia, woher Madrid , vom Süden und Norden des Landes abgeschnitten, bisher seine dringend Konrad Henlein wurde darauf aufmerksam gemacht, nötige Lebensmittelaufuhr gedeckt hat. daß die Entscheidung des Ehrengerichtes auf die In schwieriger Lage scheint sich die Flotte unter Ehrenwort abgegebenen und im Proto­zu befinden, die Mangel an Brennstoff, Trint- toll unterfertigten Aussagen Dr. Brands aufgebaut baffer und Lebensmitteln wohl auch an Mu- iſt. Konrad Senlein llaminerte fich daran, daß die nition leidet da ihre füdspanische Basis von Satisfattionsfähigkeit Dr. Brands nicht defi Rebellen besetzt ist. Es ist allerdings nicht ausgesprochen wurde. Saſum äußerte sich hiezu, daß recht erklärlich, warum die Schiffe nicht auf die die Frage der sogenannten Satisfaktionsfähigkeit mittelſpaniſchen Häfen zurückgehen, von denen nicht berührt worden sei. Als beim Weggehen doch mindestens Valencia und Barcelona in den Ing. Künzel Henlein drängte, die Wiederaufnahme Händen der Regierung und vermutlich mit Kohle des Verfahrens sofort zu verlangen, ersuchte Dr. Gre­und Del versorgt sind. An Flugzeugen scheint die ger en lein, sich das noch einmal zu über­Regierung überlegen zu sein. Tegen. Das Ehrengericht warte auf seine Entschei dung, die aber noch heute fallen müsse. Henlein fragte, wo er das Ehrengericht erreichen könne,

Ministerpräsident Giral erklärte, der Aufstand müsse zusammenbrechen und die Rebei

unterrichtet, die Henlein veröffentlicht hat, ohne das Ehrengerichtauberständigen. Diese unwürdige Behandlung des Ehren­aerichtes mußte alle Beteiligten tief kränken, um so mehr, als sie hörten, daß Henlein auch von Prag bereits wie der weggefahren sei.

Henlein ließ das Ehrengericht zwei Stunden war­ten und nicht einmal von einem seiner Mitarbeiter .benachrichtigen.

außergewöhnliche moralische Schwächung der SdP- Leitung und damit der Partei selbst. Denn dieser Klüngel hat zweifellos Henlein zu seiner kompromittierenden, inkonsequenten Hal­tung und zu der entstellenden" Presseerklärung geraten; dieser Klüngel hat sich über die eigene Verbindlichkeitserklärung des Ehrengerichts­Entscheids hinweggesezt und damit sich, Henlein und die Partei in die Situation gejagt, aus der die Ehrenrichter sie nun nicht entrinnen lassen.

Was aber diese Richter selber anlangt, so ist ihre ultimative Forderung und Drohung

Deffentlichkeit folgendes: Das Ehrengericht scheut zweiten Dolchstoß nicht sie dem

Das Ehrengericht erklärt heute vor aller richtern gehorsamet

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entrinnen

den Kampf nicht. Troßdem es durch den Kampf der vermögen wird der Anfang Hauptleitung und der Führung der SdP gegen vom Ende der S1P ist ge feine Entscheidung, gegen seine Tätigkeit und kommen.