Mr. 187.

Ein Krisenproblem:

Mittwoch, 12. August 1936

Arbeitslosigkeit und Auswanderung

Geite 5

Grundsätzlich sei folgendes gesagt: Die Ge-[ hat. Nur eine verstärkte Kapitalflucht könnte schichte der Menschheit lehrt uns, daß am Ende einen Zusammenbruch der Peseta herbeiführen. aller bisher bekannten Wirtschaftskrisen immer Gefährlich ist jedoch das rasch anwachsende Defizit die Neuverteilung der Menschen über die Erde, des Staatshaushaltes, das in den letzten Wochen also die Wanderung gestanden hat. In solchen außerordentlich gestiegen tst. Dies Moment ist Ein tschechisches Blatt berichtete vor einigen Die Schweiz   ist noch weiter gegangen. Sie Beiten wird der Mensch zum Ausfuhrprodukt, so jedenfalls viel bedrohlicher als die Devisen­Tagen über den Rückgang der Arbeitslosigtet fördert die Auswanderung durch finanzielle Un- unmenschlich dies scheinbar klingen mag. Weiters: knappheit. Alles hängt davon ab, wie lange der Kampf und knüpfte daran die Bemerkung, daß der Stand terstüßung. Zuerst wurde eine Expertenkommission Die Konjitmfähigkeit des Menschen wird beſtimmt unserer Beschäftigungslosen, der derzeit noch in verschiedene Länder des amerikanischen   und durch das Wachsen der Bedürfnisse von Gemein- noch andauern wird und wie er ausgeht, wie sich immer 504.000 Personen ausweist, um 300.000 afrikanischen Kontinentes entsandt, die die Nie- schaften, die zum Wohlstand gelangten, die in die Verhältnisse anschließend gestalten werden. geringer wäre, wenn die Auswanderung in den berlassungsmöglichkeiten unterſuchte. Der Bund neuen Ländern Wurzel gefaßt haben und im Daß der Bürgerkrieg dem Lande tiefe Wunden letzten sechs Jahren jenen Umfang gehabt hätte, stellte etiva zwei Millionen Franken zur Verfü- Laufe der Entwicklung ihre Lebensansprüche er- schlägt, ist nicht zu bezweifeln. wie in den Jahren nach dem Kriege bis 1930. gung, wobei auch die einzelnen Kantone einen höhen. Ein klassisches Beispiel dafür ist die jüngste Wenn man die statistischen Ziffern über die Aus- entsprechenden Betrag widmen. Nach der bereits Entwicklung von Kanada  . Seine Bevölkerung wanderung durchgeht, wird man die Ueberzeu erfolgten Rückkehr der Experten wird nun mit der hat sich in der Zeit von 1871 bis 1930 verdrei gung gewinnen, daß an dieser Behauptung etwas Organisierung der Auswanderung begonnen, di: facht, während die Einfuhr in der gleichen Zeit um Wahres ist. sich den Schweizer   Zeitungen zufolge auf 4000 das Fünfzehnfache gestiegen ist. Auswander- Interessenten erstrecken soll.

Darnach sind ausgewandert: mit Auswandererpaß

54.878 Personen 19.350

im Jahre

1924

1925

1926

26.129

1927

23.569

1928

24.540

1929

30.715

1930

25.712

1981

9.567

1932

5.165

1988

4.785

1984

1985

5,065 5.686

"

Von einer Stelle, die sich seit Jahren mit dem Studium der Auswandererfragen befaßt, wurde unserem zuständigen Amte ein ähnlicher Vorschlag unterbreitet, der die Beistellung von fünf Millionen vorsicht zur Unterstützung von 500 Familien, die auswandern wollen. Diese Unterstüßung soll nur zum Ankauf von Ge­brauchsgegenständen in der Tschechoslowakei   ver­wendet werden, so daß dieser Betrag unserer in­ländischen Industrie zugute käme. G3 wäre wün­schenswert, wenn diesem Vorschlage Beachtung ge­

schenkt würde.

Es wird vielfach gegen die Förderung der Auswanderung argumentiert, daß auch in den Einwanderungsländern Wirtschaftskrise herrsche.

ohne Auswandererpaß( kollektive Saisonaus die ein Fortkommen nicht möglich mache, daß wei­wanderung)

1924-1927

55.176 Personen

1928

18.827

1929

20.119

1930

22.306

1981

19.378

1 1982

18.688

1988

9.043

1984

1985

6.996 5.054

Bei den Personen mit Auswandererpaß ist anzunehmen, daß sie sich dauernd im Auslande niedergelassen haben, während es sich bei jenen ohne Paß vorwiegend um Saisoyarbeiter handelt, die wieder zurückgekehrt sind. Immerhin ist aus den Zahlen der beiden Kategorien ersichtlich, welche bedeutende Entlastung der Arbeitsmarkt durch die Wanderung bis zum Jahre 1930 erfahren hat.

Die Rückwanderung ist demgegenüber flein. Sie betrug 8 bis 10 Prozent der jährlichen Auswan= derungsziffern bis zum Jahre 1930. Ab 1981 verändert sich dieses Verhältnis. Die Auswande rungsziffer sinkt bedeutend, während die Rück­wanderung gleich bleibt, ja zeitweise die Auswan derungsziffer übertrifft, insoweit Auswanderer mit Baß in Betracht kommen.

Rüdwanderung:

6258 Personen

1981

1982

4742

1983

3624

1984

2119

1985

1800

Die Annahme, daß die Arbeitslosigkeit bei uns um 300.000 Personen geringer wäre, wenn die Auswanderung auf die Höhe der Jahre vor 1980 geblieben wäre, trifft zumindestens ans nähernd zu.

Daraus geht nun hervor, daß

die Auswanderung ein Problem bleibt, dessen organisatorische Lösung eine erhebliche Erleich­terung unserer durch die Krise heraufbeschwo­renen sozialen und wirtschaftlichen Schwierig­teiten bringen würde.

Welche Folgen die andauernde Hartnäckigkeit der Arbeitslosigkeit mit sich bringt, wurde vor einiger Beit im Sozialdemokrat" besprochen.. Dort wurde nachgewiesen, daß jene, die bei den Som­mersaisonarbeiten Beschäftigung fanden, einem erheblichen Lohndruck ausgesezt sind: 65.1 Pro­zent aller Beschäftigten, also etwa 1,298.000 Personen, verdienen bis höchstens 18 täglich Kein Wunder, wenn vor den Arbeitspläßen noch immer über 500.000 Personen auf Arbeit war­ten, von denen tausende bereit sind, auch um den färglichsten Lohn zu schuften und so auf den Lohn drücken.

Zu den zweifellos großen und teilweise er­folgreichen Bemühungen unserer Regierung im Inlande, Arbeit zu schaffen, muß daher eine groß­zügige Organisation der Auswanderungsförde rung treten. Unser Auswanderungsgeseß, das bisher die Auswanderung stark gehemmt hat, ist vor einiger Zeit novelliert worden. Die Novellie: rung sieht Erleichterungen hinsichtlich der Geneh­migung durch das zuständige Ministerium vor bet der Ansverbung von Ansiedlern für das Ausland und bei der Bildung von Geſellſchaften, die sich mit der Anwerbung befaffen. Diese, wenn auch ettvas targen Erleichterungen dürften einiger maßen belebend auf die Auswanderung wirken.

Dabei kann es aber nicht bleiben. Wir haben ein Exportinstitut, dessen Aufgabe es ist, Absatz­märkte für unsere Induſtrieprodukte ausfindig zu machen. Gerade dieses Institut eignet sich vorzüg­

lich zur

Austundschaftung von Arbeitsplähen und Rolonisierungsmöglichkeiten im Auslande,

vor allem in den überseeischen Staaten. Es sollte ihm daher von staatswegen dieses Arbeitsgebiet pflichtgemäß übertragen werden.

ters die Auswanderung Arbeitsloser nicht immer möglich sei, da arbeitslose Personen das Reise­geld hiezu meistens nicht aufbrächten. Unsere Fa schistenpresse hat gar die Bestrebungen nach einer Förderung der Auswanderung mit dem Schlag­worte vom Menschenerport" verhöhnt. Mit der

Für die Richtigkeit dieser Auffassung seien noch zwei Beispiele angeführt: Die starke Zuwan­berung nach Palästina hat in den letzten zehn Jahren zu einer Vervielfachung der Einfuhr europäischer Industrieartikel geführt und die eigentlich noch bescheidene Zuwanderung tschecho= flowakischer Staatsangehöriger nach Paraguay  ( Südamerika  ) hatte zur Folge, daß bereits einige tschechoslowakische Industriefirmen neue Vertre­tungen dort eingerichtet haben...

Die ganzen Bemühungen unserer Volks­wirtschaftler und Staatsmänner nach Steigerung des Erportes müssen versagen, wenn es nicht ge­lingt,

Die kroatische Frage. In Kürze wird ein Prozeß gegen 29 kroatische Bauern aus der Um gegend von Sombor   ſtattfinden, die angeklagt sind, an der Vernichtung einer Abteilung der ter­roristischen Cetnici, die in der letzten Zeit nach längerer Pause wieder zahlreiche Aktionen unter­nahmen, mitgewirkt zu haben. Die Verteidigung liegt in den Händen des Führers der Vereinig­ten Opposition, Dr. Ma čet, sowie des ehe­maligen Außenministers und Kroatenführers Trumbi č. Dem Prozeß, der mehrere Wochen dauern wird, wird in der Oeffentlichkeit großes Interesse entgegengebracht.

Nach berühmten Mustern. Der griechische Diktator General Metaras hat eine Sonderkom mission mit der Ausarbeitung des Dekrets über die Auflösung der kommunistischen   Partei be= traut, deren Abgeordnete und Führer verhaftet in den Ländern mit landwirtschaftlichen Kolo- orden sind. Alle Abgeordneten, die am 1. August ihre Diäten behoben haben, wurden aufgefordert, nisationsmöglichkeiten Menschen anzusiedeln. sie unverzüglich der Staatskasse zu retournieren. deren Bedürfnisse eine Steigerung unseres Diese Gelder werden zur Errichtung von Volks Exportes herbeiführen. küchen benützt werden. Es wurden alle Maß­Daher ist einer der wichtigsten Auswege ausnahmen getroffen, um jegliche Tätigkeit sämt­unserer wirtschaftlichen Not, wenn der Mensch licher politischer Parteien unmöglich zu machen. neuen Boden, Neuland, in Besitz nimmt und in Den Ministern wurde aufgetragen, Pläne tief­Wirtschaftswerte umwandelt. greifender wirtschaftlicher, finanzieller und ad­ministrativer Reformen" auszuarbeiten. Metagas erklärte, daß er mindestens vier Jahre ( wie Adolf!) für die Verwirklichung brauchen werde, woraus man allgemein schließt, daß wäh= rend dieser Zeit die Diktatur andauern wird.

Alle Erwägungen solcher Art führen daher letzten Argumentation gibt es teine Auseinander immer wieder zur Auffassung, daß die Förderung febung, denn für diese Sorte von Menschen gelten der Auswanderung ein Problem ist, das noch mit weder geschichtliche noch wirtschaftliche Tatsachen. anderen Mitteln, als es die jüngst erfolgte No­sondern nur Verdummungsmanöver. Was aber vellierung des Auswanderergesetzes ist, seiner die Existenzmöglichkeiten in den verschiedenen dringlichen Lösung zugeführt werden muß, damit überseeischen Einwanderungsländern anbelangt. es gelingt, auch von dieser Seite her der Kriſe an so sei bemerkt, daß in den meisten Ländern Süd- den Leib zu rücken. Nicht zuletzt deshalb, weil amerikas  , und auch in Kanada   die Krise zum diefe Lösung gegenüber einer Lichtung der euro­Großteil oder ganz überwunden ist und die Ein- päischen Bevölkerung durch einen neuen Krieg auf manderung bedeutend erleichtert wurde. Darüber jeden Fall vorzuziehen ist. soll später noch berichtet werden.

Ausland

=

Adolf Schmidt.

In der Eiswelt des Montblanc  

In den letzten Tagen häuften sich wieder die tödlichen Un­glücksfälle in den Bergen. Dies ses Bild von dem Gletscherfeld des Montblanc   veranschaulicht die Schönheit der ewigen Berg­welt, die so viele anlockt, zeigt aber auch gleichzeitig die Schwierigkeiten des Geländes, in dem der Tod auf den Un­vorsichtigen und Ehrgeizigen

Iauert.

Ein tiefer Denker! Der ehemalige Präsi dent von Spanien, 3 a m or a, der vorübergehend in Paris   weilte, erklärte in einem den Vertretern der Presse gewährten Interview, daß es das größte Unglück bei der Schaffung der spa= nischen republikanischen Verfassung war, daß nur eine Rammer gebildet wurde. Wenn auch ein Senat geschaffen worden wäre, wäre es möglich gewesen, dem Bürgerkriege auszuwei­chen. Sozusagen das Ei des Zamora  !

-

Mexiko   und die Kirche. Die merikanische Res gierung genehmigte das Gesetz über die Vers staatlichung des Vermögens der Frauen flöste r. Konfisziert wird lediglich das im mobile Vermögen.

Gestapo. wütet in Köln  . In den letzten Wochen hat der Terror der Gestapo   in Köln   wieder unge­heure Formen angenommen. Am Appellhofplatz, mitten in der Neustadt, wurde von der Gestapo   ein neues Haus eingerichtet, das in wenigen Tagen einen Schreckensruf erlangte. In der letzten Zeit fam es zu Massenverhaftungen. Festgenommen wurde u. a. der frühere Sekretär des Holzarbeiterverbandes, Christian er st e n, der seitdem verschollen ist. Auch der frühere sozialdemokratische Abgeordnete Riedmiller und der sozialdemokratische ehe­malige Parteisekretär Specht   wurden verhaftet. Der Kommunist Mieves wurde in das neue Gestapo­haus gebracht, und kurz danach wurde seiner Frau mitgeteilt, daß er an- Herzschlag gestorben sei.

Volkswirtschaft und Sozialpolitik

Ein sozialpolitischer Fortschritt in USA  

In den Vereinigten Staaten   von Amerika  wurde bekanntlich die dem Präsidenten durch das Gesetz über den wirtschaftlichen Wiederaufbau übertragene Befugnis, Wettbewerbsordnungen zu erlassen, die u. a. auch die Arbeitsbedingun gen regeln, vom Obersten Gerichtshof für ver fassungswidrig erklärt. Am 30. Juni 1936 ist nunmehr ein Geſetz in Kraft getreten, durch das für einen begrenzten Kreis von Arbeitern und im Rahmen der Verfassung die durch die Wettbe werbsordnungen eingeführten Arbeitsbedingun handelt sich in diesem Gesez um Verträge über gen erneut in Kraft gesetzt werden können. Gs die Vergebung von Staatsaufträgen.

Nicht unbedenklich sind die Rückwirkungen auf den Bergbau. Im eigentlichen Bergbau­gebiet haben zwar keine Kämpfe stattgefunden, Das Gesetz schreibt vor, daß alle Verträge doch sind in Asturien   zahlreiche Arbeiter in die Milizen eingetreten, und außerdem tam es zu über öffentliche Aufträge, die den Betrag von umfangreichen Streits. Am schwersten ist jedoch 10.000 Dollar übersteigen, die folgenden Be­die spanische Industrie betroffen, insbesondere die Stimmungen enthalten müssen: 1. Die Arbeitneh junge Textilindustrie von Katalonien  , die immer müssen zu den tarifmäßigen Löhnen einge­ohstoffbezug ganz vom Ausiand abhängig und stellt werden 2. der Acht- Stundentag und die 40­im Absatz stark auf den Export angewiesen ist. Stundenwoche sind einzuhalten. 3. männliche Sie konnte die Ganttionen benutzen, um einen Jugendliche unter 16 Jahren und weibliche Ju­Teil der italienischen Märkte für sich zu erobern. Bendliche unter 18 Jahren dürfen nicht eingeſtelt Nach Aufhebung der Sanktionen trat ein ver- werden. 4. Die Arbeiten dürfen nicht in Betrie­schärfter Wettbewerb mit Italien   ein, den Spa­ nien   unter den gegenwärtigen Umständen natur- die ungeſund oder zu gefährlich sind.

ben oder unter Umständen ausgeführt werden,

Die Folgen des Aufstandes für die spanische Wirtschaft ( AP) Angesichts der Länge des spanischen  Bürgerkrieges machen sich schon erhebliche wirt­schaftliche Folgen bemerkbar. Was die Land wirtschaft anbelangt, so ist allerdings wesentlich, daß die für den Export wichtigsten landwirtschaftlichen Gebiete im Osten, am Mit­ telmeer  , am wenigsten von den Unruhen berührt worden sind. Die Südfrüchtekultur hat bisher taum gelitten, und das gleiche kann auch vom gemäß nicht durchhalten kann. Weinbau gesagt werden. Schwierig ist dagegen Umsatzsteigerung bei den westböhmischen Die Ereignisse haben auf den Besetaturs Konsumgenossenschaften. Die Umfäße der sechs bereits die Lage der Viehzucht auf der spanischen bis jetzt keinen großen Einfluß ausgeübt. Dem großen Konsumgenossenschaften in Westböhmen Meseta, da gerade dort, nördlich der Guadar- stehen zunächst einmal die Devisenbestimmungen find von 119,0 Millionen im Geschäftsjahr rama, die eigentlichen Kämpfe stattgefunden entgegen. Außerdem würden die Goldvorräte noch 1934/35 auf 125.7 Millionen im Geschäfts­haben. Wie weit die Schafherden gelitten haben, mehrere Jahre hindurch das Passivum der Han- jahr 1985/86 gestiegen. Das ist eine Zunahme steht noch nicht fest. Groß dürften die Schäden delsbilanz decken. Dazu kommen in normalen von 5,57 Prozent. Die größte Steigerung hat in dem landwirtschaftlich reichen Andalusien   fein, Beiten auch die Eingänge aus dem Ausland, ins- die Saazer Konsumgenoffenfchaft mit 9,75 Pro­so daß hier die Folgen für den spanischen Export besondere von Saisonarbeitern, ein Posten, der zent zu verzeichnen. Ihr folgt Komotau   mit empfindlich sein tönnen. lauch für Italien   stets ziemlich viel ausgemacht 7,91 und Karlsb mit 5,16 Prozent.