Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

16. Jahrgang

Donnerstag, 20. August 1936

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 193

Der Präsident bei den Deutschen

Ueberaus herzlicher Empfang- Eine Eine bedeutende politische Rede

Die Begrüßung in Reichenberg

Reichenberg. Die Bevölkerung und die ganze Stadt, hatten große Vorbereitungen getroffen für den würdigen Empfang des verehrten Gastes, des Staatspräsidenten. Fast alle Häufer der Straßen, die der Präsident passierte, trugen eichen& eft fch mu d. Ueberall wehten Fahnen in den Farben der Republik   und der Stadt. Zu Behntausenden waren die Angehörigen beider Nationen aus fern und nah erschienen, um dem. Staatsoberhaupt, als dem Verkörperer des demokratischen Staatsgedankens, in Vertrauen und Liebe zu Hulbigen. Die Stadt war von Festtagsstimmung erfüllt. Der aufrichtigen Freube über die Ehre, die der Stadt und der ganzen norbböhmischen Bevölkerung durch den Besuch des Staats. oberhauptes zuteil wurde, konnte auch die Tatsache nicht Abbruch tun, daß sich ein Teil der in der SDP

organifierten, Bölkischen", betont reserviert verhielt und die Stimmung durch eifrig kolportierte Flüſter

parolen zu beeinträchtigen versuchte.

In besonders großer Zahl nahm die Arbeiterschaft an der Huldigung teil. Als der Bräfi. bent im offenen blumengeschmückten Wagen durch die Wiener Straße fuhr, jubelten ihm viele hun.

erte blauseteibete atbeiterfinber unb erwadfene Mitglieder der sozialistischen   Arbeiterbewegung zu. Ein Regen roter Nelken ging auf das Auto nieber, tief bewegt dankten der Präsident und seine Gemahlin für die herzlichen Freund fchaft Ruf.e...

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Auf dem Plaß hatten die uniformierten Vereine, darunter eine Hundertschaft NW, Auf­stellung genommen. Vor dem Rathans waren die Vertreter und Abordnungen verschiedener Vereine ver­fammelt, auch waren hier die Bertreter der sozialiſtiſmen Arbeiterbew sung anwesend. Den Blah umgaben viele hunderte froh bewegter Menschen, die dem kurz nach halb elf Ühr eintreffenden Präsidenten stürmisch zujubelten. Unter den Klängen des Fanfarenchors aus Libuda" fuhr der Präsident auf dem Plaz cin. Dann ertönten die Staatshymnen, worauf der Präsident die ( the humprofile abjørit, edlichlich) wandte er fich, sum Nathaus, wo ihn der 8 är ser me ift er Compagnie Colisen hieß. Diefer nam bonnes Wort au einer Ansprache, bie tot en anderer Stelle wiebergeben. Für die tschechische Minderheit sprach Stadtrat& ögler, der insbesondere die Notwendigkeit der Zusammenarbeit beider Nationen betonte und die Friedensarbeit des Präsidenten und fein Wirken für die Demokratie entsprechend wüt bigte. Für die deutschen Mitglieder der Bezirks­bertretung sprach dann ber deutsche   Sozialdemokrat Drbahla v. An seine Ausführün­gen schloß sich die Ansprache des Vertreters ber tschechischen Mitglieder des Bezirksausschusses, Doktor Hanzal. Zwei Kinder entboten dann in deutscher und tschechischer Sprache bie Willkommensgrüße der Schuljugend.

Die Nebe des Staatspräsidenten wurde mit großer Aufmerksamkeit angehört und zum Schluß öfter durch Beifallskundgebungen unterbrochen, insbesondere an den Stellen, in denen er Bertrauen für fich und feine Arbeit forderte.

Nach seiner Rebe begab sich der Präsident zu den Deputationen und dann zu den Rindern, die auf bem Theaterplah Aufstellung genommen hatten. Auch hier wurden ihm stürmische Ovationen bereitet. Auf seiner Fahrt zum Messegelände wurde der Präfident wiederum von den in dichtem Spalier stehenden Menschen begeistert begrüßt. Des öfteren durchbrach die Menge den Polizeifordon, um ben burchfahrenden Präsidenten beffer sehen und begrüßen zu können. In der großen Meffehalle hielt Präsident Liebieg eine Ansprache. Auch hier waren viele Arbeiter versammelt, um das Staats­oberhaupt zu begrüßen. Der Präfident besuchte dann einen Teil der Meffe. Beim Mittagessen emb­fing er eine Reihe von Abordnungen und viele einzelne Bürger, die das Bedürfnis hatten, ihm ble Hand zu drücken.

An das Mittagessen-fchloß sich die Besichtigung der neuen tschechischen Schule und der Textilschule an, dann ging die Fahrt in das Liebieg- Viertel. Zuerst fang ein Kinderchor die Staatshymnen in boulder. Spade abbie Arbeiter des stebles Betriebes bilbeten, in Arbeitskleidung Spalier. In ber Liebieg- Siedlung wurde dem Präsidenten von den Arbeitern eine Reihe von Gefchenken überreicht, welche alle Erzeugnisse des Liebieg Betriebes. find. Tief bewegt dankte, der Präsident den Arbeitern und der Jugend. Dann verabschiebete er von den Mitgliedern ber, Stadtvertretung und der Arbeiterschaft. Sun Auto Reljen erwiderte et ununterbrochen bie begeisterten Grüße der Menge. Die Fahrt ging dann

nach Gablon z, wo ihm ein ebenfo herzlicher Empfang zuteil wurde wie in Reichenberg.

die

Die Rede, mit der Präsident Dr. Beneš   auf Reichenberger Bevölkerung antwortete, ist in viel= facher Beziehung von großer Bedeutung. Der Staatspräsident sprach als Staatsbürger zu Staatsbürgern, als ein die Schwierigkeiten unse rer nationalen und wirtschaftlichen Probleme ge­nau tennender, aber auch um ihre Lösung bemüh ter Führer beider Völker, der Tschechen   und der Deutschen  . Die Rede ist von so großer Bedeutung, daß sie noch eingehend gewürdigt werden muß.

Der Präsident, der seine Rede mit einigen tschechischen Sätzen begann, dann aber bis auf die Schlußfäße deutsch   sprach, führte aus:.

Nach dem überall anerkannten Völker­rechte, sind die nationalen Fragen für alle Staaten ohne Ausnahme eine innerpolitische Angelegenheit. Auf diesem Grundsatze be­harrt unbedingt auch die Tschechoslowakei  . Es hat sohin kein europäischer Staat das Recht, sich in diese Fragen einzumengen, und die Tschechoslowakei   wird dies auch als souveräner Staat in keinem Falle zulassen.

Der einzige Einfluß vom Auslande her ist die Kontrolle des Völkerbundes. Wir lassen keinen anderen Druck, keinen anderen Eingriff in recht­licher wie politischer Hinsicht zu und können folg Ich danke Ihnen und der gesamten Bevöl- lich mit niemand anderem über unsere nationalen ferung für Ihren freundlichen Empfang. Ich bin Fragen verhandeln. Wenn sich die tschechoslowa­gern zu Ihnen gekommen. Der freundliche fische Regierung in der Vergangenheit manchmal Empfang, welchen mir Ihre schöne Stadt bereitet entschlossen hat, über diese Frage mit einem ande= hat, hat auf mich einen tiefen Eindruck gemacht ren Staate zu verhandeln, so geschah dies stets und ich danke Ihnen, Herr Bürgermeister, allen nur auf der Grundlage volle Reziprozität. Anwesenden und der gesamten Bevölkerung der Das ist der rein rechtliche Stand des natio Stadt und der Gegend. nalen Problems und der Minderheitenpolitik in

Sie haben in Ihrer Ansprache die Lohalität und Europa  Treue unſerer beniſchen debiterung derenüber ber ſichert Republit betont, haben die Arbeit des Präsidenten kulturelle Existenz. Ich betone, daß die Tschechos Masarnt und meine eigene solvie unseren Sinn für nationale und soziale Gerechtigkeit rühmend erwähnt. Slowakei   ein Staat ist, in welchem teine Für das alles dante ich Ihnen vom Herzen. Aufrich Nation in ihrer Eristenz und tul tig haben Sie die Wünsche der hiesigen Bevölkerung turell bedroht ist, daß der Kampf der Min­ in   den beiden wichtigsten Belangen zum Ausdruck ge- derheitsnationen bei uns tein Existenzkampf, son­bracht in der Frage des Zusammenlebens dern lediglich der Tschechoslowaten und Deutschen   und in der An­gelegenheit der Wirtschaftstrise. Sie haben stande. Ich will Ihnen mit gleicher Aufrichtigkeit und mit Gefühl gesprochen, zum Herzen und zum Ver­gleichem Vertrauen antworten.

Deutsche   und Tschechen  

ein Kampf um die politische Macht und um ist. Das bringen Tschechoslowaken und Deutsche die Mitregierung im Staate badurch zum Ausdruck, daß bei uns von den Deutschen   wie von Gleichen unter Gleichen ge­sprochen wird. Ich halte es für notwendig, daß in hin durch irgendeine Auslandspropaganda ober dieser Hinsicht weder im Inland noch nach außen irgend eine andere politische Aktion irgendjemand in Irrtum geführt wird.

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Die heutige Rechtslage bloß Ausganspunkt für die Innenpolitik

Deutsche   seit Jahrhunderten nebeneinander. Das 1. In diesem Lande leben Tschechen   und neunzehnte Jahrhundert brachte mit der Entwvids Tung der nationalen Idee den nationalen Kampf im modernen Sinne dieses Wortes. Neben ideellen, politischen Fehden war es vor allem ein Stellungskampf um die Seelen der Einzelnen. Es wäre interessant, festzu­stellen, welches Ergebnis dieser Kampf in den ein­zelnen Perioden hatte. Ich dürfte mich kaum irren, Wenn ich behaupte, daß in den letzten Jahrzehnten die Anzahl der wirklich Tschechisierten und der Ger­irgendwelche weitreichenden Schlüsse auf die Ge­manifierten teine berartige war, daß aus ihr jamtposition der beiden Völker bei uns gezogen werden könnten. Die amtliche Statistik liefert in en fönnten. Die Statifit, beit bilin( tominiſtrativen Begriffen operiert en winbereiten Bei uns ihre nationale werden muß, welche das wirkliche Leben nicht im­mer genau erfassen können. Die nationalen Strei­tigkeiten an allen ethnischen Grenzen sind natur­gemäß und unausweichlich,

aber

unsere Bölker sind heute beide so reif, daß sie fich nicht entnationalisieren lassen. Das ist meine erste Konstatierung und der Schluß daraus: arbeiten wir in politischer und wirt­schaftlicher Hinsicht zusammen, übertreiben wir die nationalen Kämpfe und Differenzen nicht, halten wir sie in vernünftigen Grenzen und vernünftigen Formen!

Die nationale Frage eine innerpolitische Angelegenheit eine Innerpolitische

tischen Seite unseres nationalen Problems. 3. Damit gelangen wir zur inner polis Ich war stets der Ansicht, daß die Tschecho­ slowakei   ihre nationalen Probleme auf ihrem eigenen Wege und nach ihrer eigenen Methode lösen wird, daß die Nechtsgrundlage, von welcher ich eben gesprochen habe, immer nur ein gewisses rechtliches Minimum sein Grundlage, welche stets

Existenz garantiert, daß unsere Konstitu­tion und unsere praktische Innenpolitik weitergehen und diese Angelegenheiten nach unseren inneren staatlichen Bedürfnissen regeln wird. Das find ansschließlich unsere inneren Angelegen­heiten, in welche wir uns von niemandem hineinreden lassen und welche ausschließlich von unserem wechselseitigen Einvernehmen und der Zusammenarbeit zwischen Tschechen  und Deutschen  , von unserer direkten, offenen, aufrichtigen und loyalen Diskussion ab hängen, ohne Druck, ohne Drohun gen, ohne Nervosität und Ra dikalismus, ohne starke Worte und Uebertreibungen und ohne tendenziöse. Schil derung der Dinge, wie sie nicht sind.

2. Die Fragen unserer nationalen Politit find in der letzten Zeit im Inlande und auch jen­seits der Grenzen Gegenstand der Aufmerkſam­davon in den zerfahrenen internationalen Ver- Vorjahre und heuer mehrmals in Brüg, in Aussig  , feit: Sagen pir gerade heraus, daß die Ursachen Ich selbst habe mich über diese Fragen im hältnissen, in der Hochspannung des nationalen in Teplit, in Prag  , gegenüber Vertretern Empfindens in De u by Ian D und in einer ge- bes De utfden Geberti daft wissen Radikalisierung bei den nationalen Mins bundes und einer Delegation des Bundes der derheiten in a Ilen Staaten zu suchen sind: Dies Deutschen  " klar und aufrichtig ausgesprochen. Ich hat auch auf tschechoslowakischer Seite eine größere füge ausdrücklich bei, daß ich auch mit dem, was Aufmerksamkeit gegenüber diesen Saften zur in der lesten Zeit Herr Ministerpräsident Hodġa, Folge gehabt. der Herr Minister für auswärtige Angelegenhei