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Sonntag, 30. August 1936

Sudetendeutsche Landschaft

,, Sozialdemokrat" Nr. 202

in die ganz anders gestimmte Felsenszenerie des Die Graphitgruben und Torfftiche des südlichen Elbesandsteingebirges, aus dessen dunklen Nadel- Böhmerwaldes, die westböhmische Porzellanindus wäldern sich der Wall des Erzgebirges erhebt, der strie, die Braunkohlengruben im Brüger, Durer, nun in langem Zuge die Grenze Böhmens gegen Teplizer Revier, der Hopfenbau im Saazer Ges Seinen Namen hat der Landstrich von den toresten Szenerien der Sächsisch- Böhmischen Westen trägt. Mit feinen langen Straßendörfern, biet, die Waldwirtschaft in den Gebirgswäldern, Sudeten , jenem 300 Kilometer lang sich erstret- Schweiz auf kleinerem Raum wiederholen und die mit den Streusiedlungen auf den Kammflächen, die Obstplantagen und Weinberge des Mittelge= fenden Gebirgszuge, der sich in reicher Gliedes von der Volksphantasie oder auch von trinkgeld- mit seinen ernsten Fichtenwäldern, mit den alten birges sind ebenso wie die heilkräftigen Thermen rung, von Tälern und alten Paßstraßen durch heischend.n Fremdenführern mit allen nur er- Bergstädten inmitten verwachsener Halden bietet und Säuerlinge von Marienbad , Karlsbad , schnitten, aus dem Mährischen Gesente( von Je- dentlichen Benennungen bedacht worden sind. es ein gänzlich anderes Landschaftsbild als das Franzensbad , Gießhübel, Bilin , Teplik und die fenity= Eschengebirge abgeleitet) mit dem Alt- Längst aber hat das Riesengebirge den Blick vater, aus dem Adler, Heuscheuer-, Riesen- und auf sich gezogen. Als hohe Scheidemauer zwischen Isergebirge zusammensetzt und dem sich der Preußisch- Schlesien und Böhmen erhebt es sei­Jeschtenzug und das Lausißer Gebirge an- nen langgestreckten Kamm über die Baumgrenze. schließen. Im Laufe der Zeit aber ist es Von den Gletschern der Eiszeit tief eingefräste üblich geworden, von den deutschbesiedelten Grenz- Kartäler geben den steilen Gebirgsflanken den gebieten Böhmens , Mährens und Schlesiens ganz Charnkter alpiner Landschaftsszenerien. Als tan­allgemein als vom Sudetendeutschtum" zu tige Pyramide überragt die Schneekoppe den sprechen, worunter nun auch die Bewohner Nord- breitrückigen Kamm noch um zweihundert Meter. west- und Westböhmens längs des Erz- Ueber 1600 Meter hoch gipfelt sie sich auf; es ist gebirges und auch des Böhmerwaldgebietes die höchste Erhebung im weiten Raume zwischen mitverstanden werden. Es ist also ein weitaus- der Hohen Tatra und dem Dachstein in den Salz­gedehnter Landschaftsraum, der als sude- burger Alpen. Knieholzpelze bedecken die weiten

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Im Altvatergebirge

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Riesengebirge . Aber auch über seine Kämme ge-| Radiumerze von Joachimsthal samt und sonders hen die Winde rauh und auch hier schneit wie im Gaben der schicksalsreichen böhmischen Erde. be­Adlergebirge der Hafer oft auf dem Halme ein. reitet und aufgespeichert in unterirdischen Schatz­Auf den Kammwegen zaust der Sturm die zähen kammern oder vorbereitet in der Fruchtbarkeit des Ebereschen, die ,, Vuglbeerbaame" des erzgebirgi- Bodens, in der C'unst des Klimas. Andere Er­schen Volksliedes. Ihre korallenroten Beeren- werbszweige sind entstanden als Haus- und Not­trauben sind der einzige Schmuck der einsamen arbeit in Gegenden. in denen voraufgegangene Höhe welcher Gegensatz zu dem doch so nahen Erwerbstätigkeiten ersiegten wie der erzgebir Mittelgebirge , an dessen Südhängen um Lobosit gische Zinn- und Sierbergbau. Dort verwan­die Mandelbäume blühen. delten sich brotlos gewordene Bergarbeiter, an­Zwischen Mittelgebirge und Erzgebirge lang derswo darbende Waldarbeiter allmählich in Blick auf das Mittel- hingezogen erstreckt sich das nordwestböhmische Sielzeugs inser und Musikinstrumentenbauer gebirge Braunkohlenbecken mit seinen Schächten und Gru- und ihre Frauen beugten sich über den Klöppel­ben um Teplit, Dur, Brür. Glashütten flam- sack, lernten Handschuhe nähen und künstliche men, Schächte rauchen, Förderbahnen kreisen um Blumen machen. Not macht für niedrige Löhne sperrige Gestänge. Kohlenzüge kriechen wie eiserne willig; die Lehr solcher Kunstfertigteiten waren Raupen mit weißem Atem; sie streben zur Elbe oft findige 1..ternehmer, die vor allem auch Neh= hin, und do.t liegt Ausfig wie eine rauchge- mer waren. schwärzte Pforte. Dort hat das nordwestböhmische In anderen Gegenden drängte die Kargheit Industriegebiet seinen wichtigen Umschlaghafen. der Natur die Bewohner an den Webstuhl. Und Mittelgebirge und Duppauer Gebirge flan- auch zugewanderte Gewerbe wie die Glasindu­tieren das wellige Saazer Land, den Hopfengar- strie des Böhmerwaldes, der Tepliẞer Pflege, des ten Böhmens . Es ist das Gebiet, in dem Boden Haidaer Gebiets, des Jsergebirges tamen nicht und Klima die günstigsten Vorbedingungen für wahllos und zufällig in diese Gegenden, sondern den stellenweise auch im Elbegebiet, um Melnit siedelten sich dort an, weil sie ursprünglich auf die und Raudniß betriebenen Hopfenbau bieten. Es reichen Holzvorräte angewiesen waren, die ihnen ist eine eigenartige Landschaft, in der die berant- die Gebirgswälder boten. ten Stangengerüste in regelmäßigen Gevierten die Wälder ersetzen.

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tendeutsche Landschaft" zu betrachten ist, ein Rammflächen, in deren Wollgraswiesen die Grenzgebiet, das sich aus sehr verschieden gee Duellbäche der Elbe entspringen. Oft noch lie­arteten Landschaften zusammenseßt. Es stellt gen sie unter meterhohem Schnee begraben, wenn sich reihum vorwiegend als Gebirgsland oder doch unten um Hohenelbe schon die Obstbäume blühen. Gebirgsvorland dar, denn auch dort, wo das Und an sonnigen Wintertagen prangt und funfelt Gebiet sich als Niederland " ausbreitet, ist es weißer Glanz über blendenden Flächen, über noch hügelig bewegt und bildet oftmals nur den Gipfeln, deren Namen schon Verheißungen sind: Uebergang zu anderen gebirgigen Gestaltungen. Geiergude und Sturmhaube, Hohes Rad und Die Grenzgebirge sind ja nicht einfach eine hohe Reifträger, Planur und Silberkamm- das Wort gleichmäßige Mauer, sondern in langen geologi- funfelt wie sonniger Winter. Aber das Riesen­schen Prozessen sind da und dort Teile ihrer ur- gebirge ist auch launisch,' wetterwendisch und ge­alten Stöde abgerissen worden, die nun wie das fährlich. Mit jähen Schneestürmen überfällt den Tepler Hochland und der Kaiserwald bei Karles untundigen Stiläufer der weiße Tod, und jeder bad inselartig vom Muttergebirge getrennt ihr Winter fügt der Todeschronik des Niesengebirges eigenes Dasein führen. Anderswo sind ihnen an- neue Tragödien hinzu. dere Gebirgsgruppen vorgelagert, die späteren Im landschaftlichen Bilde ähnlich, aber mil Die Eger, die das Hopfenland durchfließt, Vorgängen ihre Entstehung verdanken, wie die der, von raunenden Wäldern umhüllt schließt sich kommt aus dem in aller Welt bekannten ,, Bäder­Sandsteinfelsen der Daubaer Schweiz , der Aders- dem Riesengebirge das sergebirge an, das zu der dreieck": Karlsbad , Marienbad , Franzensbad. bacher und Weckelsdorfer Felsenlabyrinthe, wie hohen Spitze des Jeschtens hinüberschaut. An Dort sind wir im eigentlichen Egerland mit der die rotvioletten Hügel des Rotliegenden, die das seinem Fuße liegt Reichenberg im Neißetal aus- alten Wallensteinstadt Eger dicht an der Landes­Riefengebirge auf der Linie Eisenbrod- Freiheit gebreitet. In welliger Senkung schimmert Ga- grenze. In der Nähe von Eger erhebt sich der

und in der Breite zwischen Hohenelbe und Arnau als Vorgebirge begleiten, und die vulkanischen Bergscharen des Böhmischen Mittelgebirges und des Duppauer Gebirges. Auch die Flüsse und Ströme, die Iser, die Eger, die unzähligen klei­neren Flüsse und Gebirgsbäche, vor allem aber die Elbe haben bei der Landschaftsgestaltung tätig mitgewirkt und das bewegte Relief noch reicher modelliert.

So ist im sudetendeutschen Raume ein äußerst vielgestaltiges Landschaftsbild entstanden, das sich in einem Begriffe nicht erschöpft. Selbst in sich einigermaßen geschlossene Landschaften lö­sen sich in ein lokal sehr unterschiedliches Ge­sprentel auf, da ja die wechselnden geologischen Baustoffe gestaltgebend sind; man braucht nur einmal die geologische Karte des Böhmischen Mittelgebirges zu betrachten, auf der die Farb­markierungen der Gesteinsarten so wirr durch­einandergemengt sind, daß es den Eindruck macht, als habe ein Maler seine in alle Farben getauch= ten Pinsel übermütig über der Karte ausgespritzt.

Die gestaltenreiche Reihe sudetendeutscher Landschaftsbilder beginnt an der Mährischen

Die Bösige von der

Terrasse des Heimes

der Arbeiter fürsorge in Hirschberg

Pforte. Dort erstreckt sich das Mährische Gesente, Honz. Und dort funkeln alle Wege bunt von den Tillenberg als nördlicher Vorposten des Böhmer­ein hohes Waldgebirge, über dessen breite Masse Splittern und Scherben aus den Hütten und waldes, auf dessen Nüden entlang die Grenze der Altvater, das schlesische Grenzland beherr- Werkstätten der Glasindustrie. zwischen Böhmen und Bayern verläuft. Und schend, 1490 Meter hoch aufragt. Ein dichtbesie- Unter den hohen Wällen dieser Gebirge wieder ist es eine gänzlich andere Gebirgsland­deltes Industriegebiet mit den Städten Freital - reitet sich das nordböhmische Kreidebecken aus. schaft. Ein Urwaldgebirge mit sagenhaften Ein­dau, Jägerndorf , Troppau , Sternberg, Schöns 58 begleitet die Elbe auf ihrem Laufe von Köni samkeiten, mit verborgenen Moorfilzen und ab= berg umgibt franzartig das Gebirge. ginhof bis Leitmerit als das einzige ausgedehnte grundtiefen Bergseen, an deren Ufern gespen­Vom Gesente durch einen Sattel getrennt, Flachland, in das das sudetendeutsche Gebiet in stische Baumleichen bleichen. Ein Waldgebirge, erhebt sich aus telligem Kuppenland der rauhe einen Ausläufern hineinragt. Von der Elbe in aus dem nur die höchsten Gipfel gleich nadten Kamm des Adlergebirges . Auf seinen einsamen aielfach gewundenem Lauf durchschnitten, erstrect Steinhäuptern aufragen, als tahle Klippen wie Hochflächen, über die die hohe Mense hinwegs sih längs der Sprachgrenze eines der landschaft der Plöckenstein, der zweigipflige Offer, den ber blickt, in den sumpfigen Seefeldern entspringt die lih reizvollsten Gebiete der sudetendeutschen tschechische Volksmund in frömmig- naiver An­Adler, die dem Gebirge den Namen gegeben hat. Landschaft: das Böhmische Mittelgebirge . Mit schauung ,, die Brüste der Mutter Gottes" nennt, In seinem Bereiche besiedelt die deutsche Bevöl- senen Schwärmen von runden und spißen Bas als zersplitterte Trümmerklippe wie der Lusen. ferung, arme Gebirgler in weltfernen Dörfern, fat- und Klingsteinkuppen, mit Tufftegeln, mit Das ist, in flüchtigen Bildern lose aneinan­nur einen schmalen Grenzstreifen, der sich übers rauschenden Bächen in schattigen Tälern, mit dergereiht, die sudetendeutsche Landschaft in ihrer Heuscheuergebirge ins Braunauer Ländchen hins frundlichen Ortschaften an Ufern und Hängen, unerschöpflichen Vielfalt, die auch im Wesen der abzieht. In diesem Winkel, bekannt durch die mt dem Blütenschnee der Obstbäume im Früh- Menschen, in ihren Sitten und Gebräuchen, in fulturgeschichtlich bedeutsame Benediktinerabtei in Th und dem Ernteſegen im Herbst gleicht es berber Verſchloſſenheit oder regsamer Lebhaftig­Braunau, taucht inmitten der umrahmenden eher sonnigen Gartenlandschaft. Vom schönges feit ihren Ausdruck findet und in der Sprache Gebirgslandschaft der Quadersandsteinzug wieder fremten Rollberg, vom spißen Kleis, von den wiederklingt. Aus bayrischem und fränkischem An­auf, der sich vom Elbesandsteingebirge her, teil- Geespiegeln um Hirschberg im Osten erstrect sie flang im Böhmerwald und Egerland bis zum weise unterbrochen und verborgen, am Riesen- ih bis zum Löwenhaupt des Borschen, bis zu den schlesisch gefärbten Laut sprechen die Mundarten gebirge entlang zieht und nur stellenweise wie im uner Bergen im Westen, von den Granitrüden ein vielerlei Deutsch, aus dem die Sprachfor­Königreichwald zwischen Arnau und Königinhof ds Lausißer Verglandes bis zur flachen Aue des schung die verschiedenen Stammesverwandtschaf einmal zum Vorschein kommt. In den romantis interen Egerlaufes, über der sich die blaue Glocke ten heraushört. Und vielfältig wie die Lands schen..Felsenstädten" von Adersbach und Weckels- Le Rip erhebt. schaft ist auch die wirtschaftliche Betätigung der dorf hat die Verwitterung des leicht zerstörbaren Aus dem hellen Raume dieser anmutigen Bevölkerung. Den landschaftlichen Gegebenheiten Gesteins Gestaltungen hervorgebracht, die die pita Berglandschaft bricht bei Bodenbach die Elbe ein entsprechen ja die alteingesessenen Guverbszweige.

Waren derartige Erwerbszweige von Anfang an Notindustrie, weil die Not nach dem Versiegen bisheriger Erwerbsquellen sie den Gebirgsbewoh­nern aufztvang, so sind sie vielfach durch alle Zeiten auch in anderem Sinne Notinduſtrien ge­blieben. Ja, auch die Not ist eine Gabe der hei­matlichen Erde. Die armen Spanschachtelmacher

im Adlergebirge , deren Spanschachteln, Siebe und Schindeln niemand mehr begehrt, wissen ein bit­teres Lieb davon zu singen. Es ist eine ,, Gabe". die immer mehr feiernden Händen verabreicht wird, nachdem die Wirtschaftskrise soviele Spinn­maschinen und Webstühle, Glashütten und Koh­lengruben stillgelegt und besonders in den sude­ tendeutschen Gebieten zu einem Grad der Not lage geführt hat, der ja auch schon politisch ver­heerend und unheilstiftend gewirkt hat.

So schön die sudetendeutsche Landschaft in allen ihren einzelnen Gebieten ist, so erschütternd sind die sozialen Bilder, denen der Wanderer be­gegnet. Und so reich das Füllhorn landschaftlicher Reize ausgeschüttet ist, so bedrückend sind die Ge­danten und Empfindungen. die sich allerorten aufdrängen. Daran zu erinnern ist unumgäng­lich am Jubiläumstage dieser Zeitung, die seit ihrem Bestehen der Aufgabe dient, Mittel und. Wege zur Wandlung ausfindig zu machen, Kritik zu üben, Forderungen zur Linderung und Ueber­windung sozialer Not zu stellen, Widerstände zu bekämpfen und Kräfte des Willens und der Ge­finnung zu sammeln und zu stärken. Edgar Hahnewald .

Prometheus

Prometheus hatte kaum herab in Erdennacht den Duell des Lichts, der Wärm' und alles Lebens,

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das Feuer, vom Olymp gebracht, fich, da verbrannte sich denn Warnen war bergebens manch dummes Jüngelchen die Faust ans Unbedacht. Mein Gott! Was für Geschrei erhuben nicht da so manche dummen Buben

erzbummer Papa, ergbumme Mama, erzdumme Leibs- und Seelenamme! Welch Gänsegeschnatter die Klerisei, welch Truthahngekoller die Polizei!- Ist's weise, daß man dich verdamme, gebenedeite Gottesflamme, allfreie Dent- und Druckerei?

Gottfried August Bürger .