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Sonntag, 30. August 1936
,, Sozialdemokrat" Nr. 202
Angestellte in Wirtschaft und
Gesellschaft
Generalsekretär
Abg. Genosse Robert Klein
Im Verlaufe der seit 1929 andauernden Welt wirtschaftskrise sind bedeutsame Veränderungen in der Struktur des fapi= talistischen Systems in die Erscheinung getreten. Vor allem hat sich in der Zusammensetzung der Arbeiterklasse eine sichtbare Umschich= tung vollzogen. Die
Nationalisierung, die Technisierung und die Reform der Betriebsorganisation hat bei den
manuellen Arbeitern eine großze, wachsende Zahl an menschlichen Arbeitskräften frei gesetzt, so daß sich das Gewicht der Angestellten innerhalb der gesamten Arbeitnehmerschaft wesentlich verstärkt hat. Die Einführung von Büromaschinen hat
wohl auch bei den ausgesprochenen Angestelltenbetrieben, wie den Banken und Versicherungs gesellschaften Menschen verdrängt, dagegen ist die wachsende Bedeutung der Angestellten im Han del und in der Industrie unverkennbar. Die ge= waltige Ausbreitung des Handels, die Intensivierung des Verkehrs, der Reklame und der auffichtsführenden Tätigkeit in der Industrie hat das Anwachsen der kaufmännisch, administrativ und konstruktiv arbeitenden Angestellten in den lezten Jahren außerordentlich beschleunigt. Mit den Wandlungen der Fabrikations- und Verkaufsmethoden ist das Heer der Angestellten nicht nur zahlenmäßig angestiegen, sondern es, hat auch eine erhöhte volkswirtschaftliche, soziale und fulturelle Bedeutung in Staat und Gesellschaft gewonnen. Für die ganze Arbeiterschaft ist an= gesichts dieser veränderten Zusammensetzung ihrer folleftiven Kräfte die Entwicklung der freigewerk schaftlichen Angestelltenbewegung zum maßgeblichen Faktor für die Entfaltung ihrer organisatorischen Gesamtkraft geworden.
Gleich den Arbeitergewerkschaften und teils in erhöhtem Maße sind daher den Angestelltengewerkschaften große und neue Aufgaben zur
Reberwindung überholter und zur ite
Heuer höherer Gesellschaftsformen
Weit über den Rahmen einzelner sozialer Reformen hinaus hat es sich der Einheitsverband der Privatangestellten in der Tschechoslowakei zum
Ziel gesetzt, dieſer wichtigen Volksschicht ihren Platz an der Sonne zu erkämpfen und die rund 500,000 Privatangestellten dieses Landes in engster Wechselwirkung mit der internationalen Gewerkschaftsbewegung zu befähigen, entscheidend an der Neuordnung der Wirtschaftsorganisation mitzuwirken.
Organisationsentwicklung
-
Gewerkschaftsfragen sind Machtfragen von dieser Erkenntnis ausgehend hat der Einheitsverband seit seinem Bestehen Organisationsgrundsäße befolgt, die es den Angestellten ermöglichen sollen, der geschlossenen Unternehmerfront die zielbewußte Einheitsgewerkschaft der Angestellten entgegenzustellen. Ohne Rücksicht auf Rasse, Konfession, Geschlecht und Nationalität hat sich die Armee der Angestellten formiert. Die Privatangestellten, die im Zeichen des Großbetriebs von den patriarchalischen Dienstverhält nissen ihrer Vorgänger, für die das Arbeitnehmerverhältnis einst nur ein Uebergangsstadium zur späteren Selbständigkeit sein sollte, längst los= gelöst sind, sind organisationsbewußt und klassen= bewußt geworden. Sie sind es den Arbeitern der Industrie schuldig, als wichtige Schicht des arbeitenden Volkes nicht nur an der Arbeitsstätte, sondern auch im organisierten Arbeitskampf ein
65.000 Mitglieder,
machtvoller Bundesgenosse zu werden. Falsch| Wirtschaftsgetriebe einzugreifen. Mit einem mit der Arbeitsmarktregelung in einen sinnvollen verstandener Individualismus und Standesdüns eigenen Wirtschaftsplan für die Tschechoslowakei Zusammenhang gebracht. Die neueren Forderun fel twurden übertvunden. Zählte der Einheitsverzeigt der Verband den Weg durch planvolle und gen des Verbandstags auf diesem Gebiet be band 1918 nur 1500 Mitglieder, so zeigt die gemeinwirtschaftlich orientierte Organisation von treffen den Ausbau der Sozialrente, die Einfüh folgende Entwicklungsreihe im raschen Aufstieg Produktion und Absaß den Reichtum an Natur- rung der Geschtvisterrenten, die Anrechnung der den Erfolg des Organisationsgedankens. 1929: fchäßen, an technischem Fortschritt und an Millios zweiten Hälfte der nicht versicherten Dienstzeit, 34.000 Mitglieder, und der letzte Verbandston- nen von menschlichen Arbeitskräften zu gestalten, die Erweiterung des Personenkreises der Pflichtgreß des EVP fonnte eine Heerschau von über um Produktionskraft und Massentauftraft in versicherten und das Verschwinden der ErsatzEinklang, den Menschen Brot und Arbeit, Wohl- institute. Der Abschluß von Gegenseitigkeitsvers stand und Lebensfreude zu bringen, Die Bes trägen mit anderen Staaten wird als unerläßlich foll einer staatlich gelenkten und von den Arbei- die Angestellten sind zu vereinheitlichen. Der herrschung des Staates durch die Privatwirtschaft erklärt. Die Rtveige der Sozialversicherung für tern, Angestellten und Konsumenten getragenen Verband fordert, daß der Kreis der Betriebe, auf Wirtschaftsorganisation weichen. Unter dem die das Gesez für die Betriebsvertretungen Ans maßgeblichen Einfluß der Gewerkschaften foll alle wendung findet, erweitert wird, unter Vermeh Wirtschaft und alle Arbeit nur um der Menschen rung der Befugnisse der Betriebsausschüsse. Die willen geführt und geleistet werden. Die Pro- Gewerkschaften sollen in den Betriebsausschüffen buktion hat dem Bedarf der Menschen zu dienen. wie in den, Gehilfenausschüssen unmittelbar vers treten sein.
darunter 16.000 Frauen, abhalten. In den leßten drei Jahren war die Zahl der männlichen um 63, die der weiblichen Mitglieder um mehr als 120 Prozent gewachsen.
Sozialpolitik
Es entspricht den Grundrechten der demo
Die Sonderinteressen der einzelnen Berufsgruppen werden durch die Fachsektionen für Industrie, Handel, Geschäftsreisende, Versicherungswesen, Genossenschaften, Advokatenbüros, Zahntechniker und Filmindustrie wahrgenommen, die großen sozialen Probleme aber sind Aufgabe der gecinten Gesamtorganisation. Eine aufstrebende Jugendorganisation und ein besonderer ,, Gewerks schaftlicher Studentenverband" pflegen fachliche, soziale, wirtschaftliche und allgemein- kulturelle fraft unter dem besonderen und erhöhten Schußz Bildungarbeit. Die Zugehörigkeit zur gewerk- des Staates stehen muß. Der parlamentarische schaftlichen Landeszentrale sorgt für die Ver- Wortführer des Einheitsverbandes, Abg. No wirklichung der Solidarität zwischen Arbeiter- bert Klein, hat mit Unterſtüßung der sozial Demokratischen Parteien in jahrelanger, mühevoller Arbeit 1934 im neuen Privatangestelltengeset das einheitliche, soziale und autonome An
und Angestelltenschaft.
Die organisierte Selbsthilfe des Verbandes findet ihren lebendigen Ausdruck in zahlreichen
Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wer den u. a. die Verlängerung der Schulpflicht, Ums Schulungsmaßnahmen und besondere die Nationa gen des Sozialschutes gefordert.
kratischen Republik , daß die menschliche Arbeits- liſierung betreffenden geſetzgeberiſche Anordnun
THE
Auf Grund einer umfangreichen Enquete über das kaufmännische Unterrichtswesen hat der sam durchgearbeitetes Fortbildungs-, Fach- und Verband den gesetzgebenden Behörden ein sorgallgemeines Schulprogramm unterbreitet. Für die Regelung der Gehaltsverhältnisse vertritt der Verband das gefeßlich gewährleistete System der Kollektivverträge unter Sicherung ihrer Unabdingbarkeit und Ausdehnung der Geltung auf alle Betriebe. Zur Austragung aller Arbeitsund Dienstvertragsstreitigkeiten sollen die Sozialgerichte durch Errichtung besonderer Abteilungen an die Bedürfnisse der Privatangestellten anges paßt werden. Im Zusammenhang mit den Vors gängen bei Phönix" sind besondere Vorschläge für die Neuregelung des privaten Versicherungswesens ausgearbeitet worden. Es wird vor allem eine besondere selbständige Abteilung in der zu= ständigen Aussichtsbehörde verlangt, deren Wirs fungsfreis verfassungsmäßig zu verankern wäre.
Nach dem sozialen Programm des Einheitsberbandes müssen die Gewerkschaften an allen bestehenden und noch zu errichtenden Körperschaf ten der sozialen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung direkt und gleichberechtigt beteiligt werden. Sie haben die attive Mitarbeit an der Errichtung von Arbeitskammern zu fordern.
Einrichtungen, die dem Mitglied in den Wechselgestelltenrecht zur Kodifizierung gebracht. Und Der Einheitsverband bekennt sich freudig fällen des Arbeitslebens Schutz, Recht und Hilfe schon hat das Ringen um den weiteren Ausbau zur demokratischen Staatsverfassung und erblickt Hier seien die Stellenvermittlung, dieses Gesetzes eingefeßt. Ungleiche Kündi- in der Demokratie die vornehmste Art des Ru bringen. Rechtsberatung und Rechtsschuß, Unfallversiche= gungsfristen sollen die ungleichen Kräfteverhält sammenlebens der Menschen. Er hält jedoch die rung, Unterſtübung bei längerer Krankheit, Bade- nisse zwischen Unternehmer und Angestellten Demokratie nicht nur für ein Kennzeichen der fur. Erholungsheime in B.- Sternberg, Rožnov ausgleichen. Ein nach der Dienstzeit abgeſtuf- äußeren Staatsform, sondern sieht in ihr die und das Sanatorium Prag - Smichowo erwähnt. tes Abkehrgeld soll den aus dem Betriebe aus- soziale, wirtschaftliche und kulturelle Grundlage Der Verband hat als eine zum Genter System scheidenden Angestellten gesetzlich gesichert wer- für das Gemeinschaftsleben des ganzen Volkes. gehörende Organisation im letzten Berichts- den. Der Verband tritt dafür ein, daß durch Die Ordnung eines demokratischen Wirtschaftsabschnitt von 1930-1936 allein an Arbeits- weitgehende Verkürzung der Arbeitszeit diese lebens muß den Grundsäßen der Gerechtigkeit mit losenunterstützung 24 Millionen Kč zur Auszah einer gerechten Verteilung der vorhandenen dem Ziel der Gewährleistung eines menschen24 Millionen Klientu su Urbeitsmenge angepakt, wird, ohne daß, damit die der eines gendzeitschriften, Funktionärturse, eine umfas- eine Gehaltkürzung verbunden sein darf. Arbeitskraft zum besonderen und höchsten RechtsDemokratie wird der Schuß der menschlichen
sende Kulturabteilung und Fortbildungs- Ver- örtlichen und bezirklichen Erfolge auf dem Geanstaltungen bezeugen das rege geistige Leben biete der Sonntagsruhe und der Ladensperre soldes Verbandes. Es ist der Sinn dieser modernen len unter Festsetzung der Sonntags- und FeierGewerkschaftstätigkeit, den Menschen im ganzen tagsruhe, der Zeit des Deffnens und Schließens zu erfassen. Aus der sozialen Berufsorganisa- der Geschäfte und der Mittagsruhe für das getion ist im Einheitsverband die echte Lebens- samte Staatsgebiet eine einheitliche Regelung er gemeinschaft der Schicksalsgenossen gewachsen, die heute gezwungen find, im Schatten der Gesellschaft zu leben und gemeinsam den Weg ins Freie angetreten haben.
Wirtschaftspolitik
Je mehr die Träger des herrschenden kapita listischen Systems in der Ueberwindung der Krise, der Arbeitslosigkeit und der Arbeitsnot versagen. umso mehr wurde sich der Einheitsverband seiner Mission bewußt, aktiv, positiv und konkret in das
fahren. Die Provisionsreisenden werden nach den dem Parlament vorliegenden Gefeßentwurf in den Genuß des Angestelltenrechts und der Pensionsversicherung gefeßt. Die Rechtslage der Zivilmusiker soll geklärt werden. Für die Zahntechmiter verlangt der Verband einen schnellen Erlaß der Regierung.
gut der Nation. Die Arbeiter und Angestellten haben deshalb ein unveräußerliches Recht auf attive Mitwirkung und Mitentscheidung im Wirts fchaftsleben. Ihre Voraussetzung, ist die volle Anerkennung der Gewerkschaften und die Ges wertschaftsfreiheit. Die demokratische Republit bedarf zur Erfüllung ihrer sozialen Sendung einer demokratischen Wirtschaftsverfassung, die das Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaften sicherstellt. Mitbestimmung bedeutet auch Mita verantwortung. Der Einheitsverband ist sich dieser Mitverantwortungspflicht bewußt. Seine Bei der letzten Novelle zur Pensionsversiches ganze Tätigkeit beweist, daß er mit dem Recht rung konnte neben anderen Fortschritten die auf Anteilnahme an der Wirtschaftsführung Schaffung der Sozialrente für langfristige Er- auch den Wirtschaftswillen hat, die Angestellten werbslose erreicht werden. Dieser grundsäßliche aus dem heutigen Elend herauszuführen, einer Erfolg hat die Sozialversicherung zum erstenmal befferen Rutunft entgegen.
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