Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

16. Jahrgang

Freitag, 4. September 1936

Spanien - Neutralität

Neue Italienische Kriegschiffe vor Barcelona Besorgnis wegen Portugals

bedroht

Aus Nom wird gemeldet, daß in Barcelona ein italienischer Arbeiter namens Umberto Fasanella ermordet worden sei. Der vom italienischen Generalkonsul erhobene Protest erscheint der halbamtlichen Giornale d'Italia" als un zulänglich. Es wurden weitere italienische Kriegsschiffe nach den Gewässern von Barcelona beordert, außerdem wurde mitgeteilt, daß man in Italien den Vorfall als sehr ern st ansehe. Diese Meldungen klingen wie eine Interven­tionsvorbereitung.

In Frankreich und England ist man wegen des Verhaltens Portuga Is beunruhigt. Dieses von Faschisten regierte Land hat wegen des Beitrittes zur Neutralitätsverpflichtung so weitgehende Vorbehalte gemacht, daß man den Pakt als bedroht ansieht.

In London ist man vor allem von den An­griffen überrascht, die in reichsdeutschen Blättern gegen die Haltung Frankreichs in der spanischen Frage gerichtet werden und das Ziel verfolgen, das Neutralitätsabkommen zu torpedieren. Man nimmt ein Zusammenspiel Berlin - Lissabon an und sagt, daß Lissabon der Mittelpunkt der Aufständischen sei, die außerdem mit deutschen Regierungsagenten in Verbindung seien.

Daily Herald" greift, wie die Prager

Presse" meldet, Deutschland und Portugal heftig an, weil sie wegen des Verbotes der Waffenlie ferungen an die Aufständischen Vorbehalte machen. Das Blatt sagt: Wenn die weiterhin fortfahren, das Doppelten Nationen zu treiben und nach Annahme des Prinzips der Nichtinter­vention sich weigern, die notwendigen Maßnah­men zur Durchführung dieses Prinzips zu ergrei fen, so bleibt den demokratischen Nationen nichts anderes übrig, als das Verbot der Waffenaus­

Rumäniens Absage an die Faschisten

Bukarest . Donnerstag hat im Bukarester Innenministerium unter dem Vorsitz des Innen­ministers Ju ca eine Konferenz der Bezirksprä­fekten stattgefunden, Der Unterstaatssekretär

Bentoiu erklärte u. a.:

Wir haben die Pflicht, das Erbe der Be­mühungen von Generationen zu verteidigen und die Ersetzung der bürgerlichen Freiheiten durch Gewalt zu verhindern. Kundgebungen im öffent­lichen Leben sind unzulässig, wenn sie den be­

fuhr zugunsten der spanischen Tegalen Regierung aufzuheben.

Deutsche Flieger bel Franco

Paris. Anschließend an den allgemeinen Presseempfang bei der hier weilenden spanischen Delegation erklärte die Abgeordnete 3barruri

( La Pasionaria ) nach der Prager Presse":

Wir besitzen Aktenstücke von ungefähr 5000 Dokumenten, die über die Rolle der Nationalso= zialisten in Spanien eine deutliche Sprache spre= chen. Wir haben diese Aktenstücke durch unsere Pariser Botschaft dem Quai d'Orsay und dem Foreign Office unterbreitet, eine Kopie wird auh der deutschen Regierung zugestellt. Wir haben seit drei Wochen jeden Tag alle Regierungen ein gehend über die Transporte deutscher Waffen nach Portugal informiert. Wir wissen, daß über 100 deutsche Piloten im Dienste von Burgos stehen und Bernichtung über Spanien fäen. Wir haben Deutschland gegenüber fair gehandelt, aber das Reich hat unsere heiligsten Hoheitsrechte verletzt. 24 Italienische Flugzeuge

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Nr. 206

Verfall der politischen Moral

Das gab seit jeher den sozialdemokratischen Arbeitern moralische Kraft, ihrer Bewegung den mitreißenden Schwung, daß sie gegen eine un gerechte und unsittliche Gesellschafts­ordnung kämpfen, daß ihr Kampfziel nicht nur eine vernünftigere und allen Menschen Brot sichernde Produktionsordnung ist, sondern auch eine höhere sittliche Menschenge meinschaft, in der der Mensch nicht mehr Mittel zum Zweck ist, nicht mehr die Gewalt das Leben des Menschen regiert. Die von der großen französischen Revoution proklamierten Men= Paris.( Reuter.) Die französische Regie- chenrechte, die in der bürgerlichen Gesell­rung hat von der Madrider Regierung eine auch schaft nie volle Wirklichkeit werden können, schrie anderen Mächten übersandte Mitteilung erhalten, ben die Arbeiter auf ihre Fahnen, sie trugen sie in welcher behauptet wird, daß in Vigo 24 Flug- in ihren Herzen, und das gab ihnen die starte zeuge italienischer Herkunft gelandet ſeien. innere Ueberlegenheit über ihre Heinde, daß sie sich des sittlichen Gehalts der sozialistischen Bewegung bewußt waren.

Iruns Helden ergeben sich nicht

Furchtbarer Kampf Mann gegen Mann

Die Nachrichten über die Kämpfe um Irun lassen erkennen, daß das Schicksal der Stadt besiegelt ist. Die wichtigsten strategischen Höhen rings um die Stadt sind nach erbittertem nes gelungen iſt, Ringen in die Hände der übermächtigen Aufständischen gefallen, denen große erstärkungen herbeizuschaffen. Die Stadt wurde den ganzen Tag von dem Fort San Marcial aus bombardiert, die Verteidiger haben sich jedoch darauf eingerichtet, jede Straße und jedes Haus bis zum letzten Bints tropfen zu verteidigen. Sie leiden unter Mu­nitionsmangel, außerdem ist ihnen die Lebensmittelzufuhr nunmehr fast abgeschnitten. Jedes Haus eine Festung

Der Kampf um Irun hat furchtbare For­men angenommen. In den Straßen von Spanisch Behobie, das Irun vorgelagert ist, wird noch immer gekämpft, die Regierungstruppen haben jedes Haus zu einer Festung ausgebaut. Gnade wird nicht gefordert und nicht gewehrt. Die Berteidiger, die in den letzten Stunden Verstär­

fungen aus San Sebastian bekamen, wissen, daß sie verloren sind. Mit einem Heldenmut ohnegleichen, der nur dem Glauben an die große Sache der Freiheit der Nation entspringt, gehen fie in den Tod. Die langfam vorbringenden Truppen der Aufständischen wurden fast den ganzen Tag über von der Regierungsartilleric unter schweres Feuer genommen, auch Regie­rungsflugzeuge unterstützten die Abwehr. Gegenangriff der Miligen auf San Marcial wurde zurückgeworfen.

Prieto mahnt

Ein

Madrid . Das Blatt ,, El Liberal" veröffent­

Dieser sittliche Gehalt der sozia Listischen Bewegung führte auch im= mer wieder Männer und Frauen aus dem Bür­gertum, die ihrer Klassenlage nach keineswegs an der Beseitigung des Privateigentums an den Produktionsmitteln interessiert waren, an die Seite und in die Reihen der Arbeiter.

Dieſes moralische Ueberlegenheitsgefühl gab und gibt den Sozialisten in den faschistischen Län­dern die Kraft, die unsäglichen Leiden zu ertra­gen, der Kerkerpein und den Dualen der Konzens trationslager zu widerstehen, sich selber treu zu bleiben. Und alle Antifaschisten in aller Welt nischen Regierung. Prieto betont, er sei in der Beurteilung der Situation kein Pessimist, man serrschaftssystem doch wahrlich nicht so sehr mit führen den Kampf gegen Mussolinis und Hitlers müsse sich aber klar die Gefahr vergegenwärtigen, ökonomischen Argumentation, als mit sittlichen. die den Regierungstruppen in Estremadura droht, Als barbarisch, als kulturfeindlich, als zutiefst un­wo die Aufständischen ihre besten Kräfte konzen- ittlich, den Menschen entwürdigend brandmarten trieren. Nur wenn der Umfang der Gefahr be= sie immer wieder den Faschismus. fannt sein wird, der die spanische Regierung mit

ihren Truppen ausgesetzt sein wird, wird es mög­lich sein, alle notwendigen Verteidigungsmaßnah= men gegen die sie bedrohende Lawine zu ergreifen. Gesamtlage günstig

Madrid . Das Kriegsministerium meldet, daß die Lage der Regierungstruppen an allen Fronten günstig ist. Die Regierungsflieger haben Sevilla , Cordoba , Granada und Codic bombardiert. An der Estremadura - und an der Guadarrama- Front kam es zu Gefechten, die einen für die Regierungsfronten günstigen Ver­lauf nahmen. Im Abschnitt von Irun haben die Regierungstruppen die Angriffe der Aufstän­dischen abgewehrt und halten ihre Positionen. 80.000 Tote

stimmten Aspekt einer Schule des Mordes anneh- licht einen Artikel des ehemaligen spanischen so­men. Wir können nicht glauben, daß die Erfehung zialistischen Ministers Prieto, über dessen star­cines Regimes der Meinungsfreiheit und der un- ken Einfluß auf die Madrider Regierung kein Paris . Der Figaro" veröffent unterbrochenen Kontrolle durch ein Regime der Zweifel besteht. Prieto macht darauf aufmerksam, licht eine Lissaboner Meldung, wonach Aufhebung der bürgerlichen Freiheiten und der daß es sehr unangebracht sei, wenn das spanische auf Grund von Nachrichten aus gut Unterdrückung der Gewiffen durch einen Gewalt. Regierungslager über die Situation des Bürger- unterrichteter Quelle die Bilanz der frieges übertrieben optimistische Meldungen ver­glauben zu guten Ergebnissen führen kann. Böl öffentlicht, während es notwendig sei, die ganze Opfer des spanischen Bürgerkrieges, lige Freiheit für jenen, der im Sinne des Geſetzes, Aufmerksamkeit der Vereinheitlichung der Füh- wie folgt, sei: Auf feiten der Regie­der Moral und der Menschlichkeit manifestiert; rung und der ganzen militärischen Regierungs- rungstruppen 34.000 Tote, 5000 Ber größte Strenge gegenüber allem, was eine Ver- aktion zu widmen. Derartige allzu optimistische lente, auf feiten der Aufständischen: Meldungen schaden der eigenen Position der spa- 46.000 Tote und 8000 Verletzte. lehung des Gesetzes darstellt!"

Neue Spannungen im Fernen Osten Sowjetkonsulate werden ausgehungert

Frankreichs Kommunisten immer weiter rechts

Thorez will sich auch mit Hitler einigen

Wie die Telegraphenagentur der Sowjet­ union meldet, verbieten die japanisch- mandschu- Der franzöfifche Kommunistenführer Thomunisten nicht gehindert, im Falle Troßki- Sinow­rischen Behörden in verschiedenen mandschurischen rez feht die Bemühungen fort, die darauf ge- jew die von Stalin veranlaßte Seße mitzumachen Städten den Händlern, Lebensmittel und Be- richtet find, die sogenannte Boltsfront durch die und die von der Sozialistischen Arbeiter- Interna­darfsartikel an die Sowjetkonsulate und deren franzöfifche Front" zu ersetzen, also tionale erhobene Forderung nach Beiziehung un­Angestellte zu verkaufen. Die Konfulate haben durch die Zusammenfassung aller Parteien von abhängiger Verteidiger in dein gleichen Tone ab­Schwierigkeiten in der Lebensmittelversorgung. ganz links bis ganz auch die zuwehren wie Moskau . Soeben hat Thorez in stadt erklärt, Frankreich inüsse sich auch mit Hitler einigen, wenn dieser die in Mein Kampf " ent­haltenen Drohungen gegen Frankreich widerrufe.

Wenn wir nicht nur wir Sozialdemokra

ten, sondern wir Antifaschisten aller politische:

Lager

-

Anklage erheben wegen der Gefangen­haltung Ossiettys, wegen der Festhaltung Hun­derttausender in Konzentrationslagern, wegen der Mißhandlungen von Systemfeinden, wegen der vielen Morde, wegen der Blutnacht vom 30. Juni, so im Namen der Menschlichkeit, im Namen einer höheren Sittlichkeit.

Weiß nicht jeder Antifaschist, daß er mit dem Appell an die Sittlichkeit nicht die Herzen der Stnechter und Henker der verstlabten Völker rührt, nicht die herrschenden Macchiavellisten? Weiß er nicht, daß wir in einer Zeit des entsetzlichen

erfalles der politischen Moral, die freilich nur ein Teil der Moral überhaupt ist, Leben? In einer Zeit, in der es fast als selbst­verständlich erscheint, daß die Macht strupellos wir den Kampf im Namen der Menschlichkeit! Und ausnüßt, wer die Macht hat? Und doch führen doch wenden wir uns an das sittliche Empfinden der Menschen! Denn wir wissen, daß keine Diktatur es ganz auslöschen tann, daß es lebendig bleibt in den Herzen vieler und daß es, heute zurückgedrängt, heute in den faschistischen Ländern zum Schweigen gezwungen, wieder zu einer Macht werden wird! Denn es sind nicht allein die ökonomischen Ver­hältnisse, die Menschen zu politischem Handeln führen, es sind nicht minder die moralischen Sträfte, die sittlichen Erkenntnisse.

-XGO

Und nun hat der Antifaschismus den denkbar schwersten Schlag bekommen von Antifaschi sten! Wie soll man im Namen der Menschlichkeit gegen faschistische Willkür, gegen faschistische Bluturteile tämpfen, wenn im Namen des So zialismus, dessen ethischer Gehalt damit einfach verleugnet wird, gleiches getan wird?

Ein Konsul, der protestieren wollte, wurde von ganze bisherigist beniftischen einer großen Versammlung in einer Pariser Vor- bündeten. Auch wenn die Schuld der Hingerich

den Behörden unter allerlei Vorwänden nicht Bewegung über Bord zu werfen und erklärte vor empfangen. Der von den Japanern angehaltene ungefähr zwei Wochen vor Parifer Arbeitern, daß Sowjetbampfer iſt noch nicht freigegeben, unter die geballte Fauſt nicht mehr der Gruß der Kom­der Befaßung find Krankheiten ausgebrochen, da muniften fei, denn dieser Gruß enthalte zuviel auf dem Schiff kein Trinkwasser und teine Lebens- Drohendes; es gelte in der Gegenwart vielmehr. mittel mehr vorhanden sind. Der Sowjettonful den Menschen die offene Bruderhand" entgegen­Sto be wurde zur Mastuschaft des Schiffes nicht zustrecken. vorgelaffen.

"

Man rechnet in Frankreich nun nicht mehr damit, daß eine Erhöhung der Dienstzeit befchlof­fen werden wird, hingegen ist eine ausreichende Diese neue Taftit hat die französischen Kom-| Vermehrung der technischen Nüstung geplant.

Es ist niederträchtige Entstellung und Uns terschiebung der Stalin- Presse, wenn sie behaup tet, die Sozialdemokratie mache sich, indem sie das Moskauer Bluturteil als solches brandmarkt. zu Schüßlingen von Mördern und Gestapo - Ver­teten erwiesen wäre, bliebe noch immer unser Bedenken gegen das Todesurteil wegen einer bloß geplanten, nicht ausgeführten Tat. Aber- und das ist das Entscheidende! die Schuldist nichterivie fent Geständnisse der Angeklag­ten vor dem Gerichte eines diktatorischen Staates allein sind dieser Beweis wahrlich nicht! Und da es keinen Schuldbeiveis gibt, sind diese Hinrichtun

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