Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077, HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: KARL KERN, PRAG .

16. Jahrgang

An Hitlers Adresse:

Margate . Auf einer großen Volksversamm=| lung, die im Anschluß an die Konferenz der kon­servativen Partei stattfand, sagte Finanzminister Neville Chamberlain , der den Ministerprä sidenten Baldwin vertrat, u. a.:

Samstag, 3. Oktober 1936

Wirtschaftsminister prüfen

Währungslage der Tschechoslowakei

Pra g. Amtlich wird gemeldet: In der Freitag abends stattgefundenen Sitzung des Ministerrates wurde dem Komitee der Wirtschaftsminister auf­getragen, mit Beschleunigung den Einfluß der internationalen Währungsent. wicklung auf die Währungslage der Tschechoslowakei in Erwägung zu ziehen, insbesondere ob und bis zu welchem Maße es notwendig ist, Maßnahmen zu treffen, burch welche sich die Zschechoslowakei in die neuen handelspolitischen

Verhältnisse eingliedern würde.

Die Regierung ist fest entschlossen, die Ver­wirklichung ihres Planes der neuen Ausrüstung Großbritanniens fortzusehen. Bis die Durchfüh­rung dieses Planes abgeschlossen sein wird, wird Großbratinnien eine fo starte Krieg 8 flotte besitzen, daß es die gesamten britischen Ueberseeverbindungen mit Erfolg schützen kann. Wir werden zwar eine schwache Land= and armee hinsichtlich ihrer Effektivbestände im Vergleich zu den Nießenarmeen derjenigen Staa­ten besitzen, in welchen die allgemeine Wehrpflicht eingeführt ist, doch wird diese Armee mit den Im Nachtrag zu dem Beschlusse der letzten Nationalversammlung genehmigt. Weiter wurde modernsten und wirksamten Sihung des Ministerrates über die grundsäßliche der Bericht über die provisorische Regelung des Waffen ausgestattet lein. Sie wird das Genehmigung des Staatsvoranschlagsentwurfes gegenseitigen Waren- und Zahlungsaustausches gesamte modernste mechanische Material haben für das Jahr 1937 wurde ferner der Bericht des mit dem Königreich Italien mit Zustimmung und eine Luftwaffe besitzen, welche hinsicht- Finanzministers über die endgültig. vereinbarten zur Kenntnis genommen. lich Geschwindigkeit, Aktionsradius und Trag- ziffernmäßigen Vorschläge der Staatseinnahmen fähigkeit der Flugzeuge sowie hinsichtlich der und-Ausgaben bei allen Teilbudgets mit Bus Qualität des Fliegerpersonals hinter dem Luft- Stimmung zur Kenntnis genommen wefen jedes beliebigen andern Staates nicht um einen Schritt zurückstehen wird.

Deutschland stellt zwei neue

Armeekorps auf

Berlin . Mit Wirkung vom 1. Oktober sind eine ganze Anzahl von Ernennungen in der Generalität erfolgt. Aus diesen ist ersichtlich, daß mit dem 6. Oktober zwei neue Armeekorps auf­

gestellt werden, und zwar das 11. und 12. Armees forps. Damit wird die im ,, Gesetz für den Auf­

bau der Wehrmacht vom 16. März 1935 vorge sehene Anzahl von zwölf Armeekorps erreicht. Das neue Wehrfreiskommando 11 domiziliert in Hannover , das Wehrkreiskommando 12 in Koblenz .

Keine Schilling- Abwertung

Wien . Nach einem Referate des Finanz­miniſters ſtellte der Miniſterrat fest, daß sich aus den Währungsabwertungen in verschiedenen europäischen Staaten keinerlei Folgerunge. für die österreichische Währungspolitit ergeben, analoge Maßnahmen für Oesterreich entschieden abgelehnt werden und somit irgendeine Abwer­tung des österreichischen Schillings nicht in Be

tracht kommt.

Auch Ungarn devalviert nicht

Budapest . Der Ministerrat hat mit Beruhi­gung festgestellt, daß infolge der schon früher ge­troffenen Maßnahmen keine Notwendigkeit vor­handen sei, im Zusammenhang mit der Abwertung des Franc irgendwelche neuen valutarischen Maß­nahmen zu treffen. Auf handelspolitischem Ge­biete seien die notwendigen Verhandlungen bereits anhängig gemacht und alle Maßnahmen getroffen worden, um hinsichtlich der Ausfuhr gewisser un­garischer Exportartikel eventuell auftauchende Schwierigkeiten mit Berücksichtigung der Inter­essen der Produzenten zu beheben.

Die Spekulanten schreien auf

Baris. Information Financiere" verzeich net das Gerücht, daß hervorragende ausländische Handelshäuser, insbesondere englische, sich wei­gern werden, die Donnerstag vom französischen Parlament beschlossene 50prozentige Steuer von Finanz- Terminoperationen, die vom 20. bis 26. September in Frankreich durchgeführt wurden, zu bezahlen. Diese ungehaltenen ausländischen Ge­schäftshäuser beabsichtigen, wie es heißt, eventuell gegen die französische Regierung eine Be schwerde beim Internationalen Saager Schiedsgerichtshof ein­zubringen. Sie verweisen darauf, daß die genann­ten Finanzoperationen auf dem von der französi schen Regierung kontrollierten öffentlichen fran­ zösischen Markt durchgeführt wurden, was sie mit einem Maximum an rechtlicher Garantie ausge stattet habe.

Luxemburg . Der Regierung von Lugem burg erklärt nachdrücklich, daß sie nicht beabsich tige, den Luxemburger Franc zu devalvieren.

Der Minister für auswärtige Angelegenhei­ten erstattete Bericht über die letzten Beratungen des Völkerbundes in Genf sowie über die außen­politische Lage. Auf dem Gebiete der handels­politischen Beziehungen mit dem Auslande wurde der Handelsvertrag mit dem Australischen Bundesstaat und gleichzeitig die entspre­chende Regierungsvorlage für beide Kammern der

150.000 Mann

zur Einschließung Madrids ?

Paris . Wie der Sender Valladolid an­fündigt, werden 150.000 Mann und 100 Flug­zeuge der Militärgruppe für die Blockade von Madrid eingesetzt werden.

Schließlich wurden die auf der Tagesord­nung stehenden Verivaltungs-, Wirtschafts- und Personalangelegenheiten erledigt.

Wichtige Empfänge auf der Burg Der Präsident der Republik empfing am Freitag den Minister des Aeußern Dr. Krofta, den Gesandten beim Heiligen Stuhl Dr. Radim­ffy und schließlich den Finanzminister Dr. Kalfus und den Gouverneur der Nationalbank Dr. Englį š.

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Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 230

Abwertung

in der Schweiz

K. T., Bern . Die Nachricht, daß die Bundes­regierung beschlossen habe, den Schweizerfranken abzuwerten, ist allen Teilen der Oeffentlichkeit völlig überraschend gekommen. Während der französische Finanzminister Vincent Auriol sich in feinen Erklärungen zur Währungsfrage stets die Möglichkeit einer Devalvation auf Grund inter­nationaler Vereinbarung offen ließ, hat die all-> bürgerliche Koalitionsregierung in der Schweiz die Geldwertveränderung stets und noch in aller­jüngster Zeit fategoriſch verworfen. Sie hat im

bergangenen Jahr ein von den Sozialdemokraten, den Gewerkschaften und einer Reihe weiterer Ver­Methoden der skandinavischen Krisenbekämpfung bände unterstüßtes Wirtschaftsprogramm, das die der Schweiz angepaẞzt übernehmen wollte, gerade mit dem Argument befämpft, es müſſe zur Geld= wertſenkung führen, die geradezu als Verbrechen am Volksganzen hingestellt wurde. Noch in der vergangenen Woche hat der Volkswirtschaftsmini­ster Bundesrat Obrecht die Frankenabwertung berworfen. Man rechnete also allgemein damit, daß diese Saltung auch angesichts der französi schen Abwertung beibehalten werden würde, und wurde darin noch durch eine übereilte amtliche Mitteilung bestärkt, die Bundesregierung halte an der Goldwährung fest. Vier Stunden später war die Abwertung beschlossen...

Was ist in diesen vier Stunden geschehen? Man weiß heute, daß innerhalb der Bundesregie­rung vier Mitglieder für die Abwertung waren, drei dagegen. In der Mehrheit war der Volks­gegenüber Spanien aufzählt. Die spanische Regie- wirtschaftsminister, Bundesrat Obrecht, in der rung erklärt, daß den spanischen Aufständischen Minderheit der Finanzminister Bundespräsident aud nach dem Abschluß des Nichteinmischungs- Me ye r. Obrecht hat in den letzten Monaten abkommens von Deutschland , Italien eine außerordentlich schwere Stellung bei den und Portugal Kriegsmaterial geliefert werde. bürgerlichen Mehrheitsparteien gehabt. Sie er warteten von ihm eine scharfe, rücksichtslose An­Im Plenum der Völkerbundversammlung passungspolitik. Hinter diesem Titel verbarg sich erwähnte der megikanische Delegierte Bassols die die Forderung nach einem Lohn- und Preisabbau, spanischen Ereignisse und erklärte, es sei absolut der der Schweiz den Anschluß an den Weltmarkt, notwendig, die Regeln der internationalen Ord- also ungefähr die Preise des Pfundblocks ermög nung genau einzuhalten, da sich sonst die Staaten lichen sollte. Aber ein Abbau solchen Ausmaßes der Gefahr ausseßen, daß sie die Angelegenheit- die Preisdifferenzen zwischen der Schweiz und so ungerecht lösen werden, wie dies der Fall wäre, dem Pfundblock betragen im Durchschnitt gegen wenn man die legitime Regierung der Ver- dreißig Prozent wäre ohne schwerste soziale teidigungsmöglichkeit berauben würde, gegen Erschütterungen nicht durchführbar gewesen. Und welche sich die Kräfte gestellt haben, die sich auch da die große Masse der Bauernschaft in diesem der normalen Entwicklung der Nation entgegen Kampf auf der Seite der Arbeiter zu finden ge­stellen. Dies dürfe nicht geschehen, auch nicht, wenn wesen wäre, hätte man auf ernste politische über die ,, Neutralität der faschistischen einige Staaten sich bemühen, vermeintliche Kom- Stämpfe gefaßt sein müssen, sind doch die Bauern plitationen internationalen Charakters auszu- das Bünglein an der politischen Waage: stellen Staaten schalten. Die Regierung von Meriko habe bereits sie sich an die Seite der Arbeiter, so ist eine all­zu Beginn des ſpaniſchen Aufruhrs öffentlich ihre politische und materielle Zusammenarbeit mit der legitimen spanischen Regierung verkündet, welche gegen die militärische Verschwörung kämpft.

Nach Berichten aus Madrider Quellen, die Informationen von den verschiedenen Fronten verzeichnen, sei es offensichtliche Absicht, der Auf­ſtändischen, Madrid einzuschließen. Die Aufstän­dischen entfalten zu diesem Zwecke große Anstren­haupt gungen; sie wurden jedoch vielerorts fächlich im Abschnitt Siguenza zurückge­schlagen.

Neues Material

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Gen f. Die ſpaniſche Regierung veröffent. lichte am Freitag durch Vermittlung ihrer Dele­gation in Genf ein Memorandum, in dem sie wei­tere 15 Fälle der Verlegung der Neutralität

Fey fliegt hinaus

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bürgerliche Mehrheit nicht mehr gesichert. So hat die Schweiz in den letzten Monaten praktisch über­haupt keine Wirtschaftspolitik gehabt: die Abbau­politik war politisch unmöglich, eine andere Wirt­schaftspolitik fonnte und wollte der Bürgerblock nicht durchführen. Die Abwertung schien in dieser Situation der einzige Ausweg aus der Sackgasse.

Innerhalb der Arbeiterbewegung sind die Ansichten über die Abivertung geteilt. Der Ge­Starhemberg vorläufig Sieger werkschaftsflügel bejaht sie und manche Getvert­schaftsführer haben sie seit langem offen gefor Wien . Die Pressestelle des österreichischen grüßt. In der diesbezüglichen Verlautbarung dert. Die Sozialdemokratische Partei dagegen Heimatschußes veröffentlicht einen Befehl Star- heißt es: folgte zögernd. Man nahm einerseits an, daß in hembergs, in welchem es u. a. heißt: Bereits im Jahre 1930 ist Major Fey gele- einem Land wie der Schweiz , die für alle Roh= gentlich der Nationalratswahlen eigene Wege ge- stoffe und einen großen Teil der Nahrungsmittel­gangen und hat dadurch dem Heimatschuß schwe- versorgung vom Ausland abhängt, es zu einer ren Schaden zugefügt. In lebendiger Erinnerung Verteuerung der Lebenskosten kommen könnte. steht außerdem das bis heute nicht aufgeklärte Aber die Sozialdemokratie erkennt, daß dieser Verhalten des Majors Fey gelegentlich der Er- Nachteil bei geschickter Wirtschaftspolitik durch eigniffe am 25. Juli 1935 am Ballhausplatz und eine Vergrößerung des Beschäftigungsumfangs, der Ermordung des Bundeskanzlers Dr. Dollfuß. also den Rückgang der Arbeitslosigkeit, aufgewo­In Berücksichtigung dieser Umstände erscheint der gen werden kann. Alles hängt in der Tat davon Ausschluß des Majors Fey allen anwesenden ab, ob nun, nach vollzogener Abwertung, die bis­Führern des Heimatschußes vollauf gerechtfertigt. Ebenso wird einstimmig der Ausschluß des Vize­bürgermeisters Major Lahr gebilligt, dessen vollständiges Versagen auf seinem Posten bereits wiederholt augenfällig in Erscheinung getreten ist.

Wegen seiner zersetzenden Tätigkeit ge­gen die Einigkeit und Gefchloffenheit des öfter­reichischen Heimatschutzes, die in der letzten Zeit besonders arge und sichtbare Formen an genommen hat, sehe ich mich veranlaßt, den Major der Reserve Fe y hiemit aus dem öfter­reichischen Heimatschutz auszuschließen. Ebenso fchließte ich den Vizebürgermeister von Wien Major a. D. Fris Lahr wegen Beteiligung an diefer Tätigkeit und wegen wiederholt be­wiesener Unfähigkeit aus dem österrei chifchen Heimatschutze aus. Ich verbiete auch jebem Angehörigen des Heimatschutes jed­wede Art von Verkehr oder Verbindung mit Fey, oder Lahr . Wer in Zukunft irgendwelche Beziehungen zu den beiden Genannten auf. rechterhält, wird ebenfalls ausgefchloffen

werben."

In der Führertagung wurde der Ausschluß des Majors Fey angeblich ein hellig bes

Wiener Konferenz

anfangs November

Wien . Es bestätigen sich die Meldungen, daß die Konferenz der Außenminister der Staaten des Römischen Protokolls anfangs November d. J. stattfinden werden.

herige Abbaupolitik preisgegeben und bewußt die Wirtschaftsexpansion verfolgt wird. Das bedeutet einerseits die Verringerung der bisher im Schuße der Zölle und Kontingente gedeihenden Gewinne der Zwischenhändler, andererseits die Senkung des Binsfußes. Anders ausgedrückt: die Händler= und Rentnerinteressen müssen zugunsten der In­dustrie und der Konsumentenschaft zurückgedrängt werden. Aber Händler- und Rentnerinteressen sind bisher für den regierenden Bürgerblock maß­gebend gewesen. Wird es gelingen, sie künftig von der Führung der schweizerischen Wirtschaftspoli­tit zu berdrängen?