Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077, HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: KARL KERN, PRAG .

16. Jahrgang

Freitag, 23. Oktober 1936

Krofta: Kein Grund zur Aenderung Hasardspiel

Belgien für uns kein Vorbild Gegen jede Blockpolitik

unserer Außenpolitik

Ergänzung des Kleinen- Entente- Paktes, falls ein Vertragspartner angegriffen wird

Bemerkenswert war die offene Feststellung, daß eine gewisse Sorte von feindseliger Propa­ganda gegen unseren Staat auf das Verhältnis zu Deutschland ihre Schatten werke. Der Minister hat auch nicht ermangelt, die Märchen von der ,, B of chewisierung" der Tsche

Den deutsch - österreichischen Vertrag vom 11. Juli

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 247

mit deutschem Kulturgut

An der deutschen Universität in Prag ist es gestern wieder einmal zu jenen wüsten Prügel­izenen gekommen, die nachgerade eine europäische Berühmtheit erlangt haben. Den Anlaß zu den Strawallen bot die Antrittsvorlesung des Profes sors Hans Nelsen. Dieser Gelehrte ist vont

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Das Exposé, das Außenminister Dr. 1 gegangen find, richtete der Minister die dringende und ihre gegenseitigen Verpflichtungen für den Fall Präsidenten der Republik zum ordentlichen Pro­Krofta am Donnerstag in den Außenaus- Aufforderung, nicht die Interessen des Staates zu der Gefährdung ihrer Sicherheit genauer prä= fessor des Völkerrechts an der deutschen Universi schüssen der beiden Kammern erstattete, wurde schädigen. Er habe in der Diskussion nichts ent- 3ifieren. tät ernannt worden und soll die Nachfolge des namentlich auch in innenpolitischen Kreifen mit decken können, was ihm eine Aenderung der bis­Professors Rauchberg antreten. Professor Kelsen großer Spannung erwartet, da ja bekanntlich herigen Außenpolitik in ihren Grundlinien hätte ist ein Völkerrechtler von Weltruf. Seine wissen­gerade in der letzten Zeit jener Flügel der tsche- plausibel machen können. Das ist gewiß deut= schaftlichen Arbeiten, aber auch seine praktische chifchen Agrarier, der den Venkov" be- lich genug. Andererseits kann man dem Mi- bezeichnet der Minister als einen erfreulichen Be- Betätigung er war der Schöpfer der Verfas= herrscht, an der Grundlinie der tschechoslowaki- nister beipflichten, wenn er sagt, daß unsere weis dafür, daß die Ueberzeugung von der Fähig- fung der österreichischen Republik seine Lehr­schen Außenpolitik allerhand scharfe Kritik übf Außenpolitik nicht in geistiger Starrheit die Ver- keit des heutigen Desterreich zu einem selbständigen tätigkeit in Wien , wo Kelsen durch viele Jahre und eine Neuorientierung im Sinne einer stär- änderungen im Leben der Staaten und Völker Leben Boden gewinne. Die Tragweite der Ver- einer der meist gehörten und meistbeachteten Vor­feren Anlehnung an den großen faschistischen übersehen darf". pflichtung Desterreichs, sich in seiner Politik von Nachbarn und einer Lockerung des Bündnisses der Tatsache leiten zu lassen, daß es sich als einen tragenden war, qualifizieren ihn ohne Zweifel für deutschen Staat erachtet". werde auch dadurch die höchsten akademischen Stellen und es war ge­mit Rußland verlangt. Das Vorgehen Bel= giens, das sich aufchickt, sich auf einen völligen start eingeschränkt, daß Oesterreich in allem Freiheit radezu als ein Glücksfall für die Prager Univer­Neutralitätsstandpunkt zurückzuziehen, wurde in gegeben wird, was mit ſeiner Beteiligung am Röſität zu bezeichnen, daß Kelsen , der einige Jahre mischen Bloc zusammenhängt. In dem Ver- zuvor von Wien nach Köln gegangen war und diesem Zusammenhang vielfach auch als Vorbild trag halten sich die Einflüsse zweier Großmächte, als Demokrat und Jude das Reich der Streicher Deutschlands und Italiens , das Gleichgewicht; sie und Rosenberg verlassen mußte, so als Nachfolger haben offensichtlich das Bestreben, Desterreich Rauchbergs zu gewinnen war, für den unter an Darauf hat nun der Außenminister ganz eindeutig erklärt, daß wir dem Beispiel Belgiens choslowakei, die von gewiffer Seite immer noch in seiner derzeitigen Gestalt zu er deren Umständen ja nur schwer ein würdiger und nicht folgen können, da uns kaum ein halten und seinen Untergang nicht zuzulaffen. Staat in Europa gegen einen Angreifer bei­Durch ihn find wenigstens temporär zwei Haupt- bollwertiger Nachfolger hätte gefunden werden Anschluß und Restauration fönnen. stehen würde, wenn wir uns nicht auch umgekehrt quellen der Unruhe verpflichteten, bem au tommen, falls er angegriffen wird. In dem konfe= quenten Ausbau unserer Bünd nispolitik sieht der Minister darum eine wichtige Aufgabe. Höchst bemerkenswert ist daher auch seine Ankündigung, daß eine Ergänzung des Pattes der Kleinen Entente für den Fall eines Angriffes auf irgendeinen der drei Staaten in Vorbereitung sei.

für die Tschechoslowakei angeführt.

verbreitet werden, auf das entſchiedenste zurück­zuweisen. Hoffentlich werden gewiffe leichtgläubige Stellen im Ausland diese Feststellung endlich ein­mal zur Kenntnis nehmen.

Die Aussprache über das Exposé wurde in beiden Ausschüssen auf die nächste Situng, vor aussichtlich auf den 29. Oktober, verschoben. Hoffentlich werden bis dahin die Bemühungen des Ministerpräsidenten, in Besprechungen mit den Koalitionsführern gewiffe bestehende Differenzen zu überbrücken, schon ihre Früchte getragen haben, damit die Debatte das Bild einer gerade in An diejenigen Faktoren, die in der Presse- anßenpolitischen Fragen gefchloffen hinter der polemik vielfach weit über die gezogenen Grenzen| Regierung stehenden Koalition ergebe.

beten Staat außnüben könnten oder wollten. Eben­

zum Versiegen gebracht. Diese Beruhigung ist Es muß nun gerade nach den würdelosen amný für uns ein Gewinn. Prügeleien und standalösen hakenkreuzlerischen Man brauche aber gar nicht die Befürchtungen Demonstrationen der Studenten betont werden, zu widerlegen, daß die Staaten, die fich einander daß sich schon das Professorenkolle= durch das Abkommen genähert haben, ihr Freiwer- gium der deutschen Universität höchst merkwür­den auf der einen Seite zu einem Angriff auf dig und unsachlich benommen hat, als die Frage unseren Staat oder einen mit und befreunder Berufung Kelsens an die Herren herantrat. fo könne man die Gerüchte zurückweisen, als ob nun Statt die gebotene Gelegenheit, eine Weltkapazi­fchon vor unseren Blicken ein mächtiger und ein- tät zu gewinnen, mit Freuden zu ergreifen, mach­heitlicher Block von Staaten, die uns ober ten die Hüter, der deutschen Kultur Ausflüchte den uns nahestehenden Staaten grundfählich feind über Ausflüchte, Schwierigkeiten über Schwierig= lich gegenüberständen, entstehen und daraus die Ge- keiten und nur der entschiedene Wille des Schul­fahr eines völligen Umsturzes der mitteleuropäischen ministeriums, den berühmten Gelehrten für Prag Verhältnisse drohen würde. Einleitend verweist der Minister darauf hin, I tives Abgehen Belgiens von seinen Bündnisverträ­daß er während einer unsicheren und unaufgeklärten gen, vom Völkerbund und als formelle Erklärung der land und Italien den Aufbau einer mittel- Vorschlag aufzunehmen. Die Intriguen, die da= Eher könnte die Annäherung zwischen Deutsch Universität schließlich bewogen, Kelsen in den zu gewinnen, hat die Herren von der deutschen Situation zu einer Darlegung über unsere Außen- Neutralität Belgiens ausgelegt wurde. hat später europäischen Wirtschaftsorganisa=| mals endlos gesponnen wurden, sind natürlich be­politit schreite. Der Horizont ist durch den Bür eine ruhigere Anschauung über die Beden- tion erleichtern. gertrieg in Spanien und durch die Un- tung und Reichweite der Erklärungen des Königs sicherheit über das Geschick der geplanten Beratun- überwogen, in welchem angeblich eher nur Richt Die feindliche Propaganda gen über die internationale Sicherheit getrübt. Iinien als eine definitive Entscheidung zu erblik­Zu dem abessinischen Konflitt gibt fen sind. Daraus würde hervorgehen, daß Belgien ist bereits längere Zeit bemüht, der öffentlichen der Miniſter eine chronologische Darstellung der Gr - weiterhin durch alle seine Verträge gebunden ist, daß Weltmeinung eine ungünstige Meinung über die eignisse feit Ende Mai. Sehr ausführlich befaßte es jedoch eine solche Abänderung derselben an Tschechoslowakei einzuimpfen, zum Beispiel dura sich der Miniſter dann mit der Reform des streben werde, um in Zukunft selbst nicht zur Meldungen, daß wir einen militärischen Angriff Kulturintereſſen ſchädigende Raufszene, die von Völkerbundes. Die Herbsttagung des Völker- Hilfeleistung für einen angegriffenen Staat ver- gegen Nachbarstaaten vorbereiten, daß wir eine den Henleinstudenten gestern aufgeführt wurde, bundes bot Gelegenheit, die Ansichten der Miniſter öflichtet au sein, selbst aber die Silfe der Luftbasis für die Sowjetluftflotte ausbauen und soll nicht beschönigt, Die Berantwortlichtete, Eden, Delbos und Litwinow zu hören. Dr. Krofta anderen garantiert zu haben für den überhaupt ein Sprungbrett für die bolschewistischen studentischen Rädelsführer und Rowdies nicht ver­Wehrkräfte" bilden. Diese Kampagne sei avar geschickt und ihre Tendenz sehr durch=

stände, unter denen fie geltend gemacht werden fol­

Ten". Diese Erklärung Edens sei keine geringe Ge nugtuung für unsere langjährigen Bestrebungen nach

Geltendmachung des Gedantens der Regionalpatte. Keine Revisionsdebatten!

Belgien kein Vorbild

fannt geworden. Wen wundert es, daß die nazi­stischen Studenten sich ermuntert fühlten, die Stampagne ihrer nazistischen Lehrer mit stärteren Waffen fortzusetzen? Die kulturlose, blamable und die deutschen

Stärkung der gemeinsamen Sicherheit den Ab= aweifellos eine wesentliche Aenderung des bisherigen schluß von Regional patten empfahl, deren Verteidigungssystems von Locarno bedeuten. Doktori tig, aber wenn sie längere Zeit hindurch Verantwortung der Professo= immer dieselben Schlagworte wiederhole, so könne ren festzustellen, derselben Herren, die eben ein­großer Vorteil darin liege, daß ihre Bestimmun- Strofta erklärte hiezu wörtlich: gen bereits vorher ebenso bekannt sind, wie die Um­sie ihren Auswirkungen für uns nicht ungefährlich stimmig die Regierungsvorlage des neuen Hoch­fein. schulgesetes abgelehnt haben, weil sie in die Als Gegenbeweis für die Unsinnigkeit Autonomie der Universität( lies: Alleinherrschaft Es iſt, wie ich glaube, nicht notwendig dar- der Behauptung, als ob die Tschechoslowakei einer der Professorenzirfel!) eingreift und die durch zulegen, warum wir dem Beispiele Belgiens nicht Ansteckung durch den Bolschewismus unterliegen ihre praktische Arbeit immer wieder die Unhalt­tönnte, zitiert Dr. Krofta die Rede des Staatsprä- barkeit der jetzigen Verhältnisse an den Hochschu= folgen tönnen und nicht folgen wer= ben. Infere geographische Bofition ist sicherlich fidenten in Reichenberg, daß die Tschechoslowakei un­eine ganz andere als die Position Belgiens. nachgiebig zwischen der äußersten Linten und der len unter Beweis stellen. Zu Edens Ausführungen über Artikel 19 des Wir haben nicht nur teine Sicherheit, sondern auch äußersten Rechten eine mittlere Ent= Paltes betreffend die Möglichkeit der Regar teine befondere Soffnung, daß sich unfer irgend- wilungslinie einhalten werde, und die Professoren, hat sich in erster Linie der Dekan Auch während der Krawalle haben sich die vision undurchführbarer Bestimmungen der Fries ein Staat Europas militärisch ernsthaft gegen Aeußerung des Ministerpräsidenten vor den Aus- Professor Foltin, sonderbar genug benommen. densverträge erklärt Dr. Krofta, es sei der Kleinen irgendeinen Angreifer annehmen würde, wenn wir landsjournalisten: es gebe nicht 3 Lächerli Entente bekannt und bestätigt worden, daß diese uns feine pilfe nicht vorher durch die Berpflichtung de re 3, als wenn iemand im Ausland über die Nachdem man vorher schon mit den Naziſtudenten Darlegung Edens eine Gebietsrevision sichern würden, daß auch wir ihm nach unseren Tschechoslowakei wie über ein bolschewisiertes behandel t" hatte, statt ihnen die geplanten im Sinne habe. Die Kleine Entente habe niemals Seräften eine ähnliche Hilfe bieten werben, wenn er Land" ſpreche. Endlich nimmt der Miniſter auch die Demonstrationen kategorisch zu untersagen und die Anschauung vertreten, daß die durch die Frie angegriffen würde. Deshalb müffen wir nicht nur Gelegenheit wahr. darzustellen, daß unser Gesetz Mittel zur Abwehr vorzukehren, begnügte man densverträge geschaffene Rechtsordnung absolut voll auf unseren bisherigen Bündnis über die Staatsverteidigung kein sich während der Prügelei, im Professorenzimmer tommen, fachlich und unabänderlich wäre; sie fönne berträgen beharren, sondern müffen uns dar- Ausnahmsgesez sei, sondern daß auch andere Staa- zu beraten", wie man die Herren Raufbolde jedoch nicht zulaffen, daß sich die Völlerbundver- über hinaus um deren Festigung und Erweiteten ähnliche Vorschriften kennen nur mit dem besänftigen könne. Der Dekan redete ihnen fammlung auf Grund des Artikels 19 das Recht rung bemühen. Und wir müssen auch nicht nur Unterschied, daß diefe Materie bei ihnen durch bloßze schließlich gut zu und, da ein Opfer der Streicher= anmaße, die territoriale Integrität unserer aus ideellen und moralischen Gründen, sondern Verordnungen, häufig geheimer Natur, geregelt ist, schen Helden ohnmächtig geschlagen auf dem Bo­Staaten, wenn auch nur durch theoretische Diskus- hauptsächlich mit Rüdficht auf unser eigenes Lebens. während dies bei uns durch ein parlamentarises den lag, raffte er sich sogar zu der vernichtenden fionen, anzutasten. intereffe fener Bolitik die Treue halten, beren her- Gesetz erfolgte. Die Verhandlungen der Weſtmächte mit Deutsch - vorragender Ausdruck der Völkerbundpakt ist. Stritit auf, diese Kampfmethoden seien unafa­Unsere Beziehungen Iand über ein neues Locarno find über einen vor Der Bericht über die Kleine Entente umfaßt demisch"( wobei es einen nicht wundern dürfte, bereitenden Austausch der Anschauungen nicht hin- die Tagungen in Preßburg und Genf . Viele Leute, zu den einzelnen Staaten wenn in den Kneipen der Prager Peripherie ausgekommen. In der leßten Zeit schien es, daß fagte der Minister, können oder wollen nicht be­weitere Verschiebungen der geplanten Konferenz der greifen, daß die Kleine Entente ein aus beſtimmten ten nicht nur vollständig forrekt, sondern auch nach- rohes Benehmen werden sollte). Statt Ordnung Die Beziehungen zu Deutschland fönn akademisch" bald ein Ausdruck für besonders Locarno - Mächte nicht mehr möglich sein werden, da politischen Tatsachen entstandenes politisches Gebilde barlich freundschaftlich" sein, wenn es nicht die Schatzu schaffen und staatliche Ordnungsorgane herbei­Die Zusammenarbeit der Westmächte durch eine foli- ist und daß die Kleine Entente solange beſtehen wird. ten gäbe, die im Gefolge der oben besprochenen Bro- zurufen, beschönigte Dekan Foltin auch dem Mini­barische Währungspolitit, die auch eine wichtige als eine reale Grundlage für ihre Eriſtena vaganda darauf fallen. Verschiedene unwesentliche sterium gegenüber die tatsächliche Situation, politiidje Seite aufweist, neue Impulse erhal vorhanden ist. Die Staaten der Kleinen Entente Mißverständnisse" werden in der Regel ruhig aus- stellte den Terror der Studenten in seinen Aeuße= ten het. Die Situation hat sich allerdings durch die haben sich entschloſſen ſelbſt einen weiteren Schritt getragen, aus die Regelung der Wirtschaftsbezie- rungen zur Deffentlichkeit als eine verhältnis­Erklärungen des belgischen Königs vom 14. Oktober auf dem Wege der Organisation der Sicherheit da hungen pflegt glatt zu erfolgen. ziemlich bedeutend geändert. Während diese Er- durch zu unternehmen, daß sie ihre Kräftel mäßig harmlose Demonstration dar und gab, ohne tlärung anfangs zumeist als vollständiges und definis enger und tatkräftiger verbinden

( Fortsetzung auf Seite 2.).

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daß er dafür, wie es scheint, Beweise hätte, dem