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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077, HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: KARL KERN, PRAG .

16. Jahrgang

Donnerstag, 12. November 1936

Dr. Hodža geht an die Lösung

des Minderheitenproblems

In Uebereinstimmung mit den aktivistischen Parteien Jede Diskussion mit der totalitären SdP unmöglich

Prag . In seiner großen staatsmännischen Nede im Budgetausschuß hat Ministerpräsident Dr. Hodža zunächst mit Befriedigung eine Besserung unserer Wirtschaft konstatieren können, die für uns freilich erst recht der Ansporn zur weiteren systematischen Arbeitsbeschaffung fein fann. Sein Versprechen, dabei die deutschen Motstandsgebiete besonders zu berücksichtigen, wird sicher allgemein mit Befriedigung aufgenommen werden.

Nationalpolitisch eröffnet seine Erklärung, daß nunmehr die Zeit gekommen sei, um an die ungelösten Minderheitenprobleme ernsthaft heranzugehen, Perspektiven, die derzeit noch fast unabsehbar sind. Die deutschen Regierungsparteien und vor allem auch unsere Partei werden sicher alle ihre Kräfte einsetzen, um in diesen Verhandlungen als Treuhänder der gesamten deutschen Bevölkerung dieses Staates vor der Geschichte zu bestehen.

Die Sop erhielt vom Ministerpräsidenten eine gründliche, aber vollauf verdiente Lektion über demokratisches Verhalten. Ihr Doppelspiel im Parlament vor den tschechischen Parteien und in den Versammlungen draußen vor den radikalisierten Anhängern hat ihr nicht nur nichts geholfen, sondern sie in eine derartige Isolierung hineingeritten, daß die SdP- Führung der­zeit wohl selbst nicht den geringsten Ausweg sieht. Ihr Totalitätsanspruch hat durch den Mini­sterpräsidenten eine scharfe Zurückweisung erfahren und gleichzeitig hat Hodža erklärt, daß die Soalition fe ft und gesund und auch gewillt sei, mit den von der SdP so verächtlich als Splitterparteien" bezeichneten aktivistischen deutschen Parteien an dem großen Konsolidierungs­programm raftlos weiterzuarbeiten.

Damit ist auf lange Sicht hinaus die weitere politische Richtung in der Tschechoslowakei abgestedt, und zwar von einem Manne, der in dem verflossenen einen Jahr seiner Ministerprä­fibentfchaft bewiesen hat, daß er für diefes höchst verantwortliche Amt geschaffen ist wie felten ciner

Dr. Hodža stellte fest, daß der Verlauf der De­batte, ob sich nun die Koalition durch Jatsch, Remeš, Polach, Dr. Macet, Ostrý oder die Opposi­tion durch Spačel uſtv. beteiligte, für die Regierung lehrreich und erwünscht gewesen sei. Es liegt kein Grund vor, in der Lösung des Problems der inneren Verwaltung, der regionalen und Min­

wonnen, viel Mißtrauen abgebaut und schließlich, weil fie die Erfahrungen haben, die sie in erster Reihe dazu qualifizieren, um gemeinsam mit uns an die Lösung fo ernster Probleme heranzu­gehen. Das bedeutet nicht den Ausschluß der Op­pofition.

derheitsfragen nicht ein schnelleres Tempo Verdiente Lektion

einzuschlagen..

für Henlein

Wir( b. h. die Tschechen und Slowaken) find nationalpolitisch genug start dafür, daß unser nationales Fühlen mit der loyalen Zufam- Dem SdP- Abgeordneten Dr. Rosche antwor­menarbeit mit den Minderheiten nicht tet der Ministerpräsident, daß im Sinne der demo

unvereinbar ift. Der erste Schrift zu biefer Sufam menarbeit wurde im Jahre 1926 von ausgeprägten nationalen Staatsmännern getan. Seit 1929 fteht bie ganze tschechoslowakische Demokratie auf einer

Linie in der Ueberzeugung, daß in der Staatsver­waltung auch unseren deutschen Mitbürgern der An­teil an der Verantwortlichkeit gegeben werben muß. Wir treten in einen Zeitraum ein, wo auch of ycho­logisch die Lösung unserer noch nicht vollgelöften Minderheitenprobleme heranreift. Die Negierung ergreift die Initiative. Erleichterungen

der Sprachenpraxis

Sie ist an die Beseitigung eines ernten Mißverständnisses in der Sprachen­politik herangetreten. Wie wir bereits berichteten, handelt es sich um die Korrespondenz gewisser Zen­tralen, hauptsächlich der Bezirksämter, mit den Ge­meinden. Die Zweckmäßigkeit und der praktische Verstand gebieten es, daß Gemeinden, deren Vor­steher fein Wort tschechisch verstehen, den Erlaß vom Bezirksamt auch in Uebersezung in der eigenen Sprache erhalten müssen. Allerdings enthält das Sprachengeset in feinem, alveiten Paragraphen eine anscheinend gegenteilige Bestimmung und es besteht

nicht die Absicht, die gefeßliche und verfassungs: gemäße Struttur des Staates zu ändern. Doch haben wir, erklärte der Ministerpräsident, aus Gründen der Zweckmäßigkeit. teine Einwände,

fratiſchen bie datteren ter a priori eine im ganzen die Faktoren der Mehrheit a priori eine Diskussion mit der SdP abgelehnt haben.

Diese Distuffionen konnten allerdings nicht zum Riele führen, weil es nicht möglich war, ben Grundfah ber SdB anzunehmen, die sich als die einzige Repräsentantin der deutschen Minderheit be­trachtete und die Splitterparteien" ausschloßt, fene übrigen politischen Parteigebilde, welche schon lange egiftieren und bis in alle Konsequenzen das demo­fratische Syftem in unserer Staatspolitik übernom men und vervollkommnet haben. Diese Minderheits­

parteien auszuschließen, wäre mit den demokratischen

Grundsätzen unvereinbar gewesen.

Besonders auch deshalb, weil der anerkannte Führer und Vorsitzende der großen Oppositionspartei nicht Mitglied des Parlaments ist. Das wäre fein Hindernis, wenn er ein mehr oder weniger dekorativer Vorsitzender wäre, aber sobald er lange Monate hindurch autoritative und richtung gebende Kundgebungen im Namen der Partei außerhalb des Parlaments vorbrachte, war jede Diskussion und Beziehung zu dieser Opposition sehr schwierig.

Dr. Hodža erinnert daran, daß es bei der Be­ratung der Verteidigungsanleihe in einer Diskussion zwischen Koalitionsfaktoren und der Sd zu einem Ginvernehmen fam, aus welchem die Resolu­tion erfloß, die die proportionelle Aufteilung der In bestitionen auf das deutsche Gebiet beinhaltete. Die Idylle dauerte nicht lange. Es folgte die Egerer Kundgebung des Vorsitzenden der SdP, welche voll­Tommen die guten Absichten desavonierte, die sich bei der vorerwähnten Diskussion gezeigt hatten. Aber nicht genug daran. Nach den Erfahrungen, daß mit der Regierung eine Diskussion über ernste Fragen der deutschen Minderheit möglich ist,

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Nr. 263

Das Wunder von Madrid

Am 15. August, dem Tag Mariae Himmel­ fahrt , hat General Franco in Madrid einziehen wollen. Damit war es nichts. Dann hatte der für bestimmte Termine schwärmende General der Marokkaner den 12. Oktober als Termin der Er­

oberung der Hauptstadt genannt. Auch diesen Termin hat er nicht einhalten können. Zuletzt war es der 7. November, der russische National­feiertag, den sich Franco erkoren hatte. Aber am 11. November war er, nach einer Woche mörderi­scher Kämpfe dicht unter den Mauern von Mad­ rid , noch immer nicht in die Stadt eingezogen. Die letzten Meldungen sprechen von erfolgreichen Gegenstößen der Belagerten über den Manzana­res und in den weiten Pack von Casa di Campo, der sich auf dem linken Flußufer ausdehnt. Zwar behaupten die Rebellen, den Rand des Nord­bahnhofs" erreicht zu haben, aber sie erklären ihren Anhängern, man müsse noch zwei Tage Geduld haben.

Der Kampf, der jetzt um Madrid geführt wird, stellt kriegsgeschichtlich ein Novum dar und darum ist es schwer, zu prophezeien. Noch nie vor dieser Schlacht ist eine große Stadt zugleich von einer Landarmee und einer Flotte von Bombern angegriffen worden, so daß die Verteidiger zu­gleich von ihren unmittelbaren Gegnern und von folgten die Reifen des Vorsitzenden der SdP ins den Gefahren in ihrem Rücken, der Panik der Ausland, als ob die Annahme gültig wäre, daß Bevölkerung, der Unterbrechung des Nachschubs der kürzeste Weg aus Eger nach Prag über Genf , und der Verbindungen und nicht zuletzt der Londen oder Berlin führen würde. Welch ein furchtbaren Angst um das Leben ihrer Kinder, solchen Amweg berloren. Bett geben auf eine Frauen und Eltern bedrängt werden, Ge lägst fir

Wieviel Werte

genden tönnen auf einer so langen Meise be- nicht sagen, ob die Nerven der Verteidiger die broht werden! Und was für überflüffige Aus- gewaltige Belastungsprobe auf die Dauer aus­lagen und Risken, wenn doch der direkte Verkehr halten können, ob nicht nach einem besonders Egers mit Prag so leicht ist! furchtbaren Bombardement der Stadt die Wider­Einst wurde der Grundfaß aufgestellt, daß standskraft der heldenmütigen Avantgarde am die Sb die Brüde zwifchen Prag und Berlin Manzanares zusammenbricht. Aber von dieser fein wolle, ficher nicht in diplomatischer, fondern Eventualität abgesehen, könnten sich die zwei Tage in psychologischer Hinsicht. Dieser Fall war fo schwer, daß unter feiner Last diefe Brücke Frist, die Franco sich und Madrid gewähren will, zufammen ftürzte. vielleicht noch recht lange hinziehen.

Keine Angstpsychose"

Der so plöglich zu Tage tretende heroische und eherne Widerstand der Verteidiger scheint Sebr entschieden weist der Ministerpräsident den mancherlei Wundern", von denen die bann den Ausdruck Anaſtyſychoſe" zurück, in der fich Kriegsgeschichte meldet, ein neues hinzuzufügen. nach Dr. Rosche angeblich die Tschechen und Slowaken Da es sich bei militärischen Entscheidungen nie­befinden, wenn sie an das Deutsche Reich denken. mals allein um den Vergleich zwischen rechen= früher einmal habe es vielleicht in manchen Kreiſen baren Größen handelt, sondern sehr oft lnbe= in gewiffes Gefühl der Unsicherheit gegeben, aber rechenbares und Univägbares, wie Mut und Hoff­heute bestehe dies nicht mehr. Heute sind wir in bezug auf die Wehrkraft moralisch und wirtschaftlich nung, Leidenschaft und Todesverachtung, mit­ein tonfolibierter Staat, mit welchem in ſpielen, so mag man bei überraschenden friege­den internationalen Beziehungen gerechnet werden rischen Erscheinungen nicht ganz zu Unrecht von einem Wunder" sprechen, nämlich von einer Wendung, die sich mit rein materiellen Daten nicht erklären läßt. So ist es auch bei dem über­raschenden Widerstand, den Madrid , schon auf­gegeben und für verloren gehalten, nun leistet.

fann und muß!

( Fortsetzung auf Seite 2.)

Verteidigung ungebrochen

Madrid.( Havas.) Der Verteidigungsrat von Madrid teilt mit: Dienstag kämpf­ten die Regierungsabteilungen mit Erfolg und hartnäckig an allen Abschnitten der Madrider Front. Regierungsabteilungen halten das Vor gelände der Brücke über den Fluß Manzanares. Achtzehn Regierungsflugzeuge beschossen aus Maschinengewehren die feindlichen Positionen. Ein anderes Regierungsflugzeug zerstreute Abteilungen der Aufständischen bei Fuenlabrada und Naval Carnero. Regierungsabteilungen griffen auch die marokkanischen und Legionär­Abteilungen an, welche in Caso del Campo konzentriert sind.

Madrid.( Reuter.) Die Beschießung der Hauptstadt durch die Artillerie der Auf­ständischen war Dienstag viel schwächer als Montag Abend und Sonntag. Der Rat für die wird als Aufständischer angesehen.

beba biti belt bestiegen, Gemeinden forte nouns at bie Boliger. Eet biefer Auffordern her lidt volgerſchaft die Ablieferung fämtlicher Waffen

denz den deutschen stenlos an Wer nicht ohne daß sie darum eigens ersucht werden, eine Seit Dienstag Mittag warfen die Flugzeuge der Aufständischen Bomben auf Madrid . Drei deutsche Ueberseßung beifügen. Das bes zieht sich auf Gemeinden bis zu 8000 Einwohnern, große Flugzeuge der Aufständischen wurden in der Umgebung der Toledobrücke abgeschossen.

in denen die tschechische Minderheit nicht 20 Pro zeit überschreitet. In den Gebieten der ungari fchen Minderheit will die Regierung analog vor­gehen, wie in den Gebieten der deutschen Minder­heit.

Im Einvernehmen

mit den Aktivisten

In Nebereinstimmung und gemeinsam mit unferen Kollegen in der Regierung und in der Re­gierungsmehrheit, bie fich Attiviften nennen, treten wir in ben Zeitraum ber Lifung bes Minderheitenproblemes. Deshalb im Ginvernehmen mit ihnen, weil sie bereits durch bas bisherige Borgehen viel und viel blychologische Er leichterungen und unfere öffentliche Meinung ge­

Das Gewissen stärker

als der Befehl! Madrid.( Tſch. P.-B.) Nach Rundfunkmel­dungen ist ein dreimotoriges Junkersflugzeug der Aufständischen mit einer Bombenladung auf dem Flugplatz in Alcala de Menares gelandet. Der Pilot erklärte, er habe den Befehl gehabt, Madrid zu bombardieren, habe jedoch, die Havas sagt, beschlossen, seine Mission zu ändern und sich den Regierungstruppen zur Verfügung zu stellen. Der Bericht wurde von der Bevölkerung Madrids mit Begeisterung aufgenommen und hat eine optimi­stische Stimmung hervorgerufen.

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Gewiß spielt eine Rolle, daß der Nach= fchub an modernem Kriegsmaterial in den letz= ten Tagen größer war als vorher, daß sich eine digen läßt, als eine Linie im freien Felde, daß Stadt von wenig geschulten Milizen besser vertei= die Tants der Angreifer in der Stadt schwerer zu verwenden sind, daß die spanischen Arbeiter im Straßen- und Barrikadenkampf Erfahrungen haben, die ihnen für die Bewegung und die Tak­tif im freien Felde abgingen. Dennoch bleibt ein Rest von Wunderbarem, bleibt die Tatsache, daß dieselben Milizionäre, deren Stampf in den Tagen feit Toledo gefährlich nachgelassen zu haben schien, die seit Wochen Schritt um Schritt vor den Ma­roffanern zurückwichen, an den Mauern von Madrid , an den Ufern des heimatlichen Manza­nares mit einer Erbitterung und einer Kraft kämpfen, die für die Welt so überraschend sind wie für die Feinde, die sich schon im feierlichen Ein­London.( Reuter.) Die spanische Ge- marsch auf die Puerta del Sol gesehen hatten. fandtschaft hatte Mittwoch eine telephonische Es sind also in entscheidender Weise hoch mora Unterredung mit dem spanischen Außenminister lische Qualitäten, die das Wunder von Madrid Delva yo, welcher erklärte, daß er mit der bewirken( wobei die Erkenntnis von der inter­Entwicklung der Ereigniffe vollauf zufrieden fei. nationalen Bedeutung ihres Kampfes, der durch Er fügte hinzu, daß an den Fronten hinsichtlich die Anwesenheit eines internationalen, aus Deut­einer Wendung zugunsten der Reschen , Franzosen , Italienern und anderen Natio­gierungstruppen nicht gezweifelt werden nen zusammengesetzten Freiwilligen- Regimentes erhärtet wird, auf die Milizionäre anfeuernd ge= wirkt haben mag). Die Strategie des Bürger­trieges hat niit merkwürdigen Fatten zu rechnen. Die Verteidigung einer großen, von drei Seiten eingeschlossenen nicht befestigten Stadt, ist mili­tärisch gesehen eigentlich ein Widersinn. Im Welt­frieg hat man selbst befestigte Großstädte nicht

fönne.

Die Bombardierung Madrids wurde Mitt­woch mit erhöhter Heftigkeit fortgesetzt. Die Granaten und Schrapnells schlugen in allen Tei­len der Hauptstadt ein. Die Batterien der Auf­ftändischen befinden sich in den gleichen Positionen wie vor zwei Tagen.