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Samstag, 14. November 1936

Der letzte Ziehungstag der 35. Klassenlotterie

Ein Blick in den Ziehungssaal

sen. Sie würden sich durch reichliche Zuwendun gen für wohltätige Zwecke u. dgl. revanchieren. Es muß festgestellt werden, daß bei unserer Staats­Totterie

ein aufs vollkommenste durchgebildetes Kontroll. system dafür bürgt, daß das Resultat der Zie­hung nur dem Zufall überlassen ist und keinerlei Möglichkeit besteht, daß die Ziehung von wem im­mer beeinflußt werde.

-rb- Der letzte Ziehungstag der fünften) Daß hie und da merkwürdige Ansichten über Klasse einer jeden Klassenlotterie ist von besonderer den Vorgang bei der Ziehung herrschen, geht aus Bedeutung. Denn an diesem Tag wird die Prä- einer Bemerkung des Vorsitzenden der Ziehungskom­mie von einer Million Ke ausgelost, die mission hervor, der in seiner Eröffnungsansprache dem zuletzt gezogenen Treffer von mindestens erwähnte, daß der Direktion der Staatslotterie mehr­2000 zufällt, was neben dem Haupttreffer( der fach zuschriften zugingen, die das bescheidene An­in der fünften Klasse gleichfalls eine Million suchen enthielten, de n- Absendern doch einen beträgt), die höchste Gewinnchance unserer Klassen- größeren Treffer zukommen zu Las- auch Totterie bedeutet. Der glückliche Gewinner eines Haupttreffers, der gleichzeitig der letzte Treffer in der Kategorie der Gewinste über 2000 wäre, tönnte also zwei Millionen nach Hause tragen.

Bei der gestrigen Ziehung, bei der die letzten Treffer der fünften Stlasse unserer 35. Klassenlotterie gezogen wurden, bestand diese Möglichkeit nicht mehr. denn der Haupttreffer war bereits ausgelost. Das tat indessen dem Interesse der Lotteriefiebige keinen Eintrag. Der Saal war lange vor Beginn der Zie­hung bis auf den letzten Platz gefüllt. Schließlich füllt sich auch die Estrade, auf welcher sich der Zie­hungsaft vollzieht. Im Hintergrund nehmen vier Vertreter des Finanzministeriums Platz, neben ihnen der Vorstand der Staatslottericdirektion Regierungs­rat Dr. Krátký. Mehr im Vordergrund sißt am Präsidententisch der Vorsitzende der Ziehungskommis­sion Rat J. Růžek und ganz vorn an der Brü stung der Estrade die dreigliedrige Kommission, die den eigentlichen Ziehungsatt vornimmt. Rechts von ihr steht die große gläserne 3ichungstrom­me I, in welcher die weißen mit einer roten Papier­banderole umschlossenen Papierröllchen mit den Los­nummern liegen, links die kleinere Gewinst

urne, die die roten, mit grünem Papierband ver­tapselten Röllchen enthält, auf denen die auszu= Tosenden Gewinste verzeichnet sind.

Nach der Begrüßungsansprache des Regierungs­rates Dr. Krátký erklärt der Vorsitzende der Zie­hungskommission den Ziehungsaft für eröffnet. Zwei Angestellte drehen die Kurbeln der beiden Glastrommeln, die Papierröllchen wirbeln durchein­ander und werden gründlich gemischt. Dann treten die Waisenmädchen, die nach altem Herkom­men die Lose aus den Urnen zu ziehen haben, in Funktion. Festlich gekleidet, mit Schärpen in den Staatsfarben von der Schulter zur Hälfte, sind sie sich ihrer Bedeutung sichtlich bewußt.

Nicht nur die Ziehung ist öffentlich, sondern die Füllung der Urnen.

Auszahlung eines Haupttreffers in der Staatslotterie

Jagesneuigkeiten

Der Kinderluftballon entschwebt

Nach einer aus Berlin   kommenden Mit­Die Ziehung geht schnell von statten. Das teilung der reichsdeutschen Wirtschaftsgruppe eine Mädchen zieht aus der Losurne ein Röllchen, Einzelhandel" ist nach den neuen Bestimmungen entfaltet es und reicht es dem rechts sitzenden Beam- über die Verwendung von Kautschuk, die die ten, der die Nummer des gezogenen Loses laut ver- Ueberwachungsstelle für Kautschuk und Asbest der Gewinsturne den entfallenden Treffer gezogen, angeordnet hat, u. a. auch die Verwendung von der von dem links sißenden Beamten verkündet wird. Kautschuk zur Herstellung von Luft Der in der Mitte sigende Kommissär konstatiert: ballons für Spiel-, Reklame- und Aus­ Los Nr..... wurde gezogen mit.... ſtattungszwecke vom 1. Jänner 1937 an ver­." Dann spießt er den weißen Los- und den boten.

Tiest. Gleichzeitig hat das andere Mädchen aus

roten Trefferzettel aufeinandergelegt auf einen lan- Das Dritte Reich, das vom ersten Tage an gen Dorn, der vor ihm auf dem Tisch steht. Auf eifrig bestrebt gewesen ist, Symbole zu schaffen, einen Draht aufgefädelt und mit einem Bleiſiegel wird neuerdings in zunehmendem Maße durch versehen, wandern später die nach der Aufeinander­folge aufgereihten roten und weißen Papiere ine Symbole charakterisiert, die darin bestehen, daß

schwunden ist als nur ein buntes Kinderspielzeug. Es ist die Sorglosigkeit, die mit ihm entschwebt. Und sie werden begreifen: Wenn es die kleinen Ueberflüssigkeiten nicht mehr geben darf, so steht es schlimm...

Um das Karlsbader Smetanadenkmal. Am 24. November wird eine künstlerische Jury der Vereinigung zur Errichtung von Smetanabent= mälern über die Entwürfe für ein Smetanadenk­mal in Karlsbad   entscheiden. Es liegen eiwa 60 rag im Myslbeck- Pavillon am Graben zur Entwürfe vor, die vom 24. bis 30. November in Ausstellung gelangen.

Gattenmordversuch sieben Jahre Kerker. Freitag stand der 34jährige Maurer Josef Veran vor dem Pilsner Schwurgericht weil er am 28. August 1936 aus einer automatischen Pistole in Soběsuky gegen seine Gattin Božena fünf Schüsse abgegeben hat. Seine Tat hat er deshalb begangen, weil seine Gattin wegen seines rohen Verhaltens weggezogen war. Beran hatte sie bei ihrem Vater aufgesucht und als sie es ablehnte,

den gemeinsamen Haushalt wieder aufzunehmen, schoß er und fügte der Frau schwere Verletzun­gen zu, welche deren Verstümmelung und Be­rufsunfähigkeit zur Folge hatten. Die Frage, ob Beran einen Mordversuch begannen habe, vejah­ten die Geschworenen mit acht Stimmen. Der Beschuldigte wurde sodann zu sieben Jahren schweren Kerkers, verschärft durch vierteljährliche Fasten und Dunkelhaft an dem Jahrestage der

Archiv, als Dokumente der geschehenen Ziehung. es dies und das nicht mehr gibt oder nicht mehr Von Zeit zu Zeit werden die beiden Ziehungsurnen geben darf. Und wie man das Ticken einer Uhr neuerlich gedreht und die Loszettel gemischt. im Zimmer nicht mehr beachtet, solange die Uhr Bei diesem letzten Ziehungstag waren meist eben wie immer tickt, aber sofort qushorcht, wenn 600-- Treffer auszulosen und zehn Treffer von die Uhr stehen bleibt und das leise Geräusch ver­2000 und darüber. Der letzte von diesen zehn stummt, so können solche kleine Dinge, die es gewinnt die Prämie von einer Mil- plötzlich nicht mehr gibt, die Menschen doch zum Tion. Große Spannung herrscht im Saal, als Aufhorchen bringen. Das Verbot der harmlosen der Vorsitzende nach Ziehung von neun dieser Tref- Luftballons ist solch ein Symbol. Diese bunten Tat verurteilt. fer verkündet, daß das nächste, mit mindestens 2000 Dinger, leichter als Luft, bedeuten gewiß nicht gezogene Loz die Prämie von einer Willion ge- viel im Leben. Ein Kinderspielzeug sind sie oder winne. Es folgen etliche Sechshunderter und schließlich kommt das große Ereignis: das 203 ein luſtiger Feſtſchmuck. Aber gerade weil sie so Nummer 77.637 wurde mit 10.000 ge- nichtig, so unwichtig sind, fragen sich bei ihrem 30 gen. Sein( oder seine) Besitzer, denn vielleicht Verschwinden die Menschen vielleicht doch: ist dieses Glücklos zu Vierteln oder Achteln verkauft Warum? Wo treiben wir hin? Wohin treibt worden, haben eine Million gewonnen... man uns? Und wenn sie den letzten Kinderluft­Der Höhepunkt ist überschritten und das Inter- ballon, den es noch gab, als buntes Pünktchen esse der Siebige erlahmt. Der Saal lehrt sich, noch am Himmel entschweben sehen, so werden sie che die verbleibenden fleinen Treffer ausgelost find wohl bange ahnen, daß ihnen damit mehr ent­

Die Zugangsbrücke zum Flughafen Getafe  bei Madrid   wurde während der Kämpfe zerstört

Nr. 265

Ziehung der Klassenlotterie

Unverbindlich.

Prag  . Bei der Freitag Bichung der 85. tschechoslowakischen Klassenlotterie wurden nach­stehende Gewinste gezogen:

1 Million Prämie und 10.000 gewinnt Los Nr. 77.637.

100.000 das Los Nr. 29.029.

20.000 die Lose Nr. 35.863, 110.563. 10.000 die Lose Nr. 29.224, 46.167. 5000 die Lose Nr. 74.575, 72.070, 47.057, 82.244, 80.083, 6793, 12.991.

2000 die Lose Nr. 29.093, 19.980, 7864, 3256, 91.740, 61.021. 21.450, 54.407, 5885, 100.902, 86.713, 9003, 26.695, 111.623, 99.929 30.649, 26.014, 22.751, 105.305, 85.136, 25.668, 110.115, 11.723, 13.344, 43.985, 54.180, 25.008, 76.484, 60.480, 19.233, 76.244.

In Bombay kam es am Donnerstag zu neuen Zusammenstößen, bei denen vier Personen getötet und 12 verletzt wurden. Britische Infan= terie wurde eingesetzt, um die Ruhe wieder her­zustellen.

Shaw überwindet die Seekrankheit.( mh.) Im , Britischen Medizinischen Journal" berichtet ein Dr. Hill, Schiffsarzt der Aquitania", wie er der Seekrankheit mit Erfolg zu Leibe geht. Er läßt die Passagiere seines Schiffes Choräle singen, und das wirkt so besänftigend auf die Magennerven sei­ner Schüßlinge, daß selbst der fürchterlichste Sturm ihnen nichts anhaben kann. Diese originelle Heil­methode, die jetzt in England wissenschaftlich ausge­baut( und unterbaut) werden soll, hat natürlich der erfinderische Bernard Shaw   schon vor langen Jah­ren selbst entdeckt und angewandt. Stets erregte er das neidvolle Staunen seiner Freunde, wenn er nach langen Seereisen fröhlich und rosig ans Land stieg, als ob nichts gewesen wäre. Freilich pflegt der alte Steptiter nicht Kirchenlieder zu singen, aber er rezi­tiert Gedichte, erst auf Englisch  , dann auf Fran­zösisch, Lateinisch und Griechisch. Ob die Variierung der Sprachen besonders zweckmäßig ist oder ob sie nur Shaws Bildungsgrad dokumentieren soll, ist nicht bekannt wohlbehalten an Englands Küsten an. Nur einmal jedenfalls langte Shaw immer

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geschah es, daß er, nach einem fürchterlichen Sturm, freidebleich und mit den Spuren der überstandenen Seekrankheit sichtbar behaftet, vom Deck wankte. Was tvar geschehen? Shaw hatte stundenlang auf den Planten gestanden und seine Gedichte aufgesagt.

Alles ging aufs beste. Da nahte der Kapitän, an feinem Arm hing ein heroisches Mädchen, das den andern Wunsch besaß, als ihm vorgestellt zu werden.

Dichter erkannt hatte und bei Windstärke 12 keinen

Shaw, von soviel Opfermut bezwungen, ließ sich in eine Sonversation mit dem Mädchen ein- freilich nicht auf lange. Aus dem Rhythmus seiner Poetit gerissen, fiel er jäh und ausgiebig der schrecklichen Krankheit anheim. Seither, so wird berichtet, sieht es selbst Bernard Shaw   vor Seefahrten bei ruhigem Wetter zu unternehmen.

Von der Jacht auf das Flugzeug. Ein inter­essanter radiophonischer Versuch wurde am Don­

nerstag auf der Jacht Marconis ,, Elektra" unter

nommen. Anläßlich der Feiern des zehnten Jah­restages der amerikanischen   National Broad­aus mit dem Direktor dieser Gesellschaft in Ver­casting Company trat Marroni von seiner Jacht bindung, der sich zur selben Zeit in einem Flug­zeug über New York   befand, ferner mit dem fran­ zösischen   Poſtminister, der gleichfalls in einem Flugzeug über New York   treuzte und schließlich mit einem amerikanischen   Rundfunk- Magnaten, der in seinem New Yorker Arbeitszmmer saß. Mit diesen 3 Personen führte Marconi gleichzeitig ein etwa halbſtändiges Geſpräch. Der Empfang war an allen vier Stellen äußerst gut und die Unter­redung wurde durch eine Reihe amerikanischer Sendestationen übertragen.

Hochschulsperre in Wilna  . Der Rektor der Universität Wi In a hat wegen Zusammenstößen, die sich zwischen Studentenden ereignet haben, die Vorlesungen eingestellt.

Der Tabakschmuggel in Jugoslawien   ver­ursacht dem jugoslawischen Staat ungeheuere Verluste. Der amtliche Anzeiger der Staatsmono­pole ruft die Bevölkerung auf, im Kampfe gegen den Krebs der Staatsfinanzen" mitzuhelfen, be­senders wenn die Tabakernte so groß ist wie im heurigen Jahre und 20 Millionen Kilogramm be­trägt. Der Tabakschmuggel nimmt immer größe ren Umfang an, besonders in den Banaten, in welchem Tabak angebaut wird. Im Jahre 1933 Regen im Anzug? Der Südwind hat im mit­wurden in Jugoslawien   19.328 Verbrechen und teleuropäischen Binnenland einen beträchtlichen lebertretungen gegen das Gesetz über das Tabat- Temperaturanstieg gebracht. Am stärksten hat es sich monopol und im Jahre 1935 bereits 77.606 der in der Slowakei   und in der ungarischen Tiefebene er= artige Vergehen begangen. Im Strafregister wärmt, wo heute nachmittag 14 bis 17 Grad Celsius werden 35.239 Personen als Schmuggler geführt. berzeichnet wurden. Auch in den höchsten Lagen der Die Staatsverwaltung verschärft und vervoll- Republik herrscht Tauwetter. Die Wetterlage ist ständigt nunmehr das Vorgehen gegen die wenig günstig, da vom Westen her sich etwas kühlere Schmuggler, da der Staat durch den Tabat- Luft über das Festland ausbreitet. Hiedurch kann schmuggel jährlich einen Schaden von 600 Mil- fich gerade über dem Staatsgebiet ein stärkerer lionen Dinar erleidet. Nach den festgestellten Wärmeunterschied ausbilden, was stärkere Neigung Schmuggelfällen wurde der jugoslawische Staat zu Regenfällen zur Folge haben würde. Wahrschein­während der letzten vier Jahre um 4 Milliarden liches Wetter heute: Im Osten der Republit rela­Dinar geschädigt. tiv warm, im Westen später wieder etwas fühler. Mit dem Kinde in den Tod. Im 16. Wiener   Wechselnd bis vorwiegend betwölft, allmähliche Bus Bezirk hat sich die Beamtensfrau Marie Prinz( nahme der Neigung zu Niederschlägen. Wetteraus­mit ihrem achtjährigen Sohne gasvergiftet. Der sichten für morgen: Wetterlage unsicher; strich­Ehemann fand beide bereits tot vor. Aus einem weise Regen.

von der Frau zurückgelassenen Briefe geht hervor, daß sie die Tat wegen Krankheit verübte und ihr Kind mit in den Tod nahm, damit es nicht mut­terlos fei.

Eine Riefenbrücke. Präsident Roosevelt   er öffnete Donnerstag abends den Verkehr auf der neuen Riesenbrücke zwischen San Francisco   und Datland, indem er im Weißen Haus   in Washing­ ton   die neuartigen Brückenbeleuchtungsanlagen durch Drücken eines Knopfes einschaltete. Die San- Francisco- Bay- Brüde hat eine Gesamtlänge von über 17.5 Kilometer. Die Brückenanlage be­steht aus mehreren Viadukten, einer Hängebrücke, die von San Francisco   zu der in der Bah liegen­den Insel führt und einer Auslegebrücke, die die Insel mit Dakland verbindet. Die Baukosten be­laufen sich auf 77 Millionen Dollar.

Vom Rundfunk Empfehlenswertes aus den Programmen

Gonntag

lisch- Kurs. 9.25 Mujits Salonquartett. 10.80 Bruds Brag I: 8.00 Konzert aus Karlsbad  . 9.10 Engs ner: Siebente Sinfonie. 12.20 Aus tschechischen Ope retten. 15.45 Populäres Konzert. 17.35 Deutsche Sendung: Klassische Beugen. 17.40 Funkwochenschau. 17.50 Rundfunkorchester. 18.50 Deutsche Presse. 19.80 Aus dem Nationaltheater: Bizet  : Carmen  ". bung: Arbeiterfunk: Baul Malles: Warum ift ber 28.05 Tanamufit.- Brag II: 14.80 Deutsche   Sen Norden demokratisch? 14.45 Lob der Kleinstadt, Brünn  : 9.00 Schallplatten. 11.15 Hörfolge. Rundfunkorchesterkonzert.- Breßburg: 16.40 Beet­hooven: Drittes Konzert für Klavier,

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