Nr. 279

Volkswirtschaft und Sozialpolitik

Tschechoslowakische

Wirtschaftsnachrichten

Erhöhte Kohlenförderung. Seit Jahresbe­ginn sind in der Tschechoslowakei   9,785.000 Ton­nen Steinkohle gefördert worden, gegenüber 8,850.000 Tonnen in der gleichen Vorjahrszeit. Die Braunkohlenförderung betrug in derselben Vergleichszeit 12,871.000 Tonnen beziehungs­weise 12,846,000 Tonnen.

Neuer Handelsvertrag in Bolivien  . Eine tschechoslowakische Handelsdelegation hat nach Verhandlungen, die in La Paz  , der Hauptstadt Boliviens  , geführt worden sind, soeben einen neuen Handelsvertrag unterzeichnet, der am 1. Jänner 1987 provisorisch in Kraft tritt.

Schuhausfuhr gestiegen. In den Monaten Jänner bis September 1936 wurden fast zehn Millionen Paar Schuhe im Werte von 187.2 Millionen ausgeführt. Im Vorjahre waren es fast 800.000 Paar weniger und ihr Wert be­trug 142,8 Millionen.

Die Autoproduktion. In den ersten zehn Monaten 1936 wurden insgesamt 9213 Kraft­wagen abgesetzt. Gegenüber dem Vorjahre ist das eine Zunahme um zwölf Prozent.

Zunahme der Pensionsversicherten. Die Zahl der bei der Allgemeinen Pensionsanstalt in Prag   Versicherten ist in der Zeit vom 1. Jänner bis 1. November gegenüber dem Vorjahre um 6164 gestiegen und beträgt 161.761.

Dienstag, 1. Dezember 1936

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geführt haben, soll mit dem Bau des Fernheiz­wertes demnächst begonnen werden.

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Erhöhte Baumwollwaren Ausfuhr nach Aegypten  . Im Laufe des heurigen Jahres gelang es unserer Textilindustrie, die Baumwollwaren­lieferungen nach Aegypten   um 60 Prozent zu

macht die Arbeit leicht

Ausland

Der Blutstrom in Deutschland  

Berlin  . Freitag fanden in Berlin   zwei Hin­Der Zuckerverbrauch. Im ersten Monat des steigern. In den ersten acht Monaten stieg die richtungen statt. Außer der Hinrichtung des 32­neuen Buderjahres lieferten die Zuckerraffine Ausfuhr von 23.328 2. E. in der gleichen Vor- jährigen Walter Wobbrod, der wegen Lan­rien für den Inlandsbedarf 283.557 Meterzent- jahrszeit auf 38.337 2. E. desverrat zum Tode verurteilt worden wor, wurde ner. Das sind 2,1 Prozent mehr als im Vor­auch an dem 25jährigen Albert Rüdiger das jahre. Todesurteil vollstreckt, der ein zwölfjähriges Mädchen vergewaltigt und sodann ermordet hatte.

Nückgängige Arbeitslosigkeit in Belgien  . Fernheizwerk in Karlsbad  . Nachdem die Nach den Aufstellungen der kommunalen Kon­Verhandlungen zwischen der Karlsbader Stadt- trollämter gab es in Belgien   Ende Oktober gemeinde und der Böhmisch- Mährischen Kolben 193.671 Arbeitslose gegen 196.812 im Sep­Danět A. G. zu einem befriedigenden Ergebnis| tember.

Die angebliche Amnestie in Oesterreich  

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bant faß der 21jährige Dietrich Gerhard Wedeking. von Beruf Lehrling, geboren in Defiau, gulegt wohnhaft in startendorf in Sachsen  . Dieser junge Reichsdeutsche kam ohne Grenzausweise am 8. September d. J. bei Wiesen= thal im Erzgebirge   heimlich über die Grenze, beglei= tet von seinem Vetter, der noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und daher nach unserem Gesez über die Jugendgerichte nicht mit Namen ges nannt werden darf. Der Jugendliche wird sich wegen Mitschuld an dem gestern verhandelten Verbrechen vor dem Jugendgericht zu verantworten haben. Der junge Mann, der gestern vor den Geschwo­renen stand, behauptet, er sei aus Deutschland   ent wichen, weil er mit den politischen Ansichten seines Waters nicht übereinstimmte und es daher zu fort­gefeßten Streitigkeiten gekommen sei, was auch für feinen Vetter gelte. Wahrscheinlich aber ist dieser Wedeking, der wegen Eigentumsdelikten bereits Яchn Monate verbüßt hat, bloß eines iener ziveifelhaften Glemente, die der reaktionären Bresse willkommene Gelegenheit gaben, gegen die politischen Flüchtlinge aus dem Dritten Reich   scharf zu machen.

Wedeting und sein Vetter tamen also über die Grenze und gingen aufuß bis Schladenwert. von wo sie mit der Bahn nach Karlsbad   fuhren. In Fischern bei Karlsbad   bot ihnen eine Frau Ella Heinrich, bei der sie sich nach dem Weg erkundigten. ein Quartier an. Die beiden Burschen hatten nur einige Mart bei sich und waren ausgehungert. Wie Frau Heinrich bei der Polizei zu Protokoll gab. haben sie mächtig eingehauen", als sie ihnen etwas zum Essen vorsezte. Nach Bezahlung des Quartiers hatten fie fein Geld mehr. Ihr Plan war, nach ihrer Aussage, sich nach Prag   durchzuschlagen und sich dort irgendwie fortzubringen.

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Am 12. September liefen sie planlos in Karls­ bad   herum und gelangten schließlich in die Waldun gen, von denen die Stadt umgeben ist. Auf einem einsamen Weg tam ihnen eine elegant angezogene Dame entgegen, die ein ebenso elegantes Sandtäſch­feitigem Geständnis, der Gedanke aufgestiegen, sich chen trug. In diesem Moment sei ihnen, nach beider­durch einen Naubüberfall zu Geld zu verhelfen. Komm, die sandtasche ziehen wir hr!" habe sich der Angeklagte geäußert. Sie traten auseinander und ließen die Passantin Fran Zweierlei Maß.( mb.) In der Schiveiz steht Mené Termát, Gattin eines Oberfektionsrates der Prozeß gegen den jungen Frankfurter, der den in der Mitte durchgehen. Plößlich packte sie Wede­Naziagenten Gustloff erschossen hat, bevor. 34 tete, als die Ueberfallene um Hilfe rief ihr Gesicht ting am Hals, begann sie zu würgen und bearbei­diesem Fall Gustloff hat Emil Ludwig  , der seit mit der Haust, bis sie das Bewußtsein verlor. Sein einer längeren Reihe von Jahren Schweizer   Bür jugendlicher Komplice entriß ihr inzwischen das ger ist, ein Buch geschrieben: Mord in Davos  ". Täschchen und entfloh. Wedeking ist geständig, die Er versucht darin, Frankfurter   und seine Tat blutüberströmte Frau auch noch geschlagen zu haben, pinchologisch aufzuhellen. Aber Ludwigs Heimat als sie bereits hilflos auf der Erde lag und der land wünscht die Unabhängigkeit seiner Gerichte Raub bereits vollendet war. Auf die Frage, warum zu bewahren; Richter dürfen nicht durch psycholo- er sich diese überflüssigen Mißhandlungen zuſchulden gische Erwägungen in der strammen Handhabung gericht: Das kann ich nicht sagen, es ging alles sehr fommen ließ, erklärte Wedeking vor dem Schwur­der Paragraphen beeinträchtigt werden. Also hat schnell."" Und als ihm der Vorsibende bei Verlesung die Schweiz   die Einfuhr des Buches verboten. Da- des ärztlichen Befundes die außerordentliche Ro für erhält das schweizerische Volk und der Grau- heit feines Vorgehenz vor Augen hielt, fagte er mit bündner Straffenat einen Ersatz: was dem niedergeschlagenem Blid: Es tut mir sehr Schweizer   Ludwig nicht gestattet ist, wird leid." korrigiert die Polizei die Urteile der Gerichte. dem Deutschen   Wolfgang Diewerge  , einem und so wird die von Schuschniga öffentlich ver- waschechten Nazi, erlaubt. Er hat auch ein Werk" Den Vorſis führte Rre i 3ger i dt 3 brä­sprochene Amnestie durchgeführt. über den Fall Gustloff, Vorgeschichte und Sin- sident Dostál, die Anttage vertrat Staatss Ebenso ist es, um noch ein zweites Beispiel tergründe der Bluttat von Davos" geschrieben. Außer dem Hauptdelikt führt die Anklage noch anzuführen, dem Gewerkschaftssekretär Holon ihm wird das Judentum als Ganzes, werden einige weniger bedeutende Straftaten an. Nach dem wathi ergangen. Er ist wegen Verbreitung ferner die schweizerische Preſſe, die öffentlich: vollbrachien Raub, der au Bargeld 90 einbrachte, einiger illegaler Gewerkschaftsblätter zu zehn Meinung der Schweiz  , die schweizerischen Behör- begaben sich die beiden Täter auf den Weg nach Jahren schweren Kerkers verurteilt worden. Unter den so angegriffen, daß die freisinnige..Thurgauer Brag. Zuvor lockte Wedeking seiner Quartiersfrau dem Eindruck der Proteste der Gewerkschaften aller Beitung" es ein wirkliches Sudelwert gegen die noch ein Paar Schuhe ihres Mannes heraus, unter Länder hat der Oberste Gerichtshof   die Strafe Schweiz  " bezeichnet. Dieses Buch darf nach fuhren die beiden mit dem Autobus nach Buch a u, der Vorspiegelung, er wolle tanzen gehen. Dann auf sechs Jahre schweren Kerker herabgesetzt. der Schweiz   eingeführt werden. um von hier aus zu Fuß die Wanderung fortzusehen. Auch Schwerkranke werden trok dem öffentlichen Unterwegs erbrachen sie noch zwei Holzbuden, in Versprechen Schuschniggs in Wöllersdorf   fest­denen Werkzeug der Straßenarbeiter aufbewahrt ist. gehalten. Da sie dort nichts fanden, was des Mitnehmens wert gewesen wäre, stahlen sie zwei Pädchen Tabak, die einer der Arbeiter dort aufbewahrte.

Wie Schuschnigg   Versprechungen hält Nationalsozialisten bevorzugt Nach dem Friedensschluß zwischen Deutsch  -| der Verbüßung seiner gerichtlichen Strafe wurde land und Desterreich durch den Pakt vom 11. Juli Rauscher aber nicht in Freiheit gesetzt, sondern hat Schuschnigg   eine allgemeine Amnestie ange von der Polizei zu sechs Monaten Konzentra­fündigt. In dem Paft mit Hitler- Deutschland[ tionslager verurteilt. Als die sechs Monate ab­hat die österreichische Regierung versprochen, die gelaufen waren, hat die Polizei ohne jede Begrün­österreichischen Nazi zu amnestieren; aus Rücksicht dung die Dauer seiner Haft im Konzentrations­auf die öffentliche Meinung in Desterreich und im lager bis Mitte 1937 verlängert. So Auslande hat die Regierung aber die Amnestie nicht auf die Nazi beſchränken wollen, sondern versprochen, zugleich auch die wegen politischer Delitte verurteilten Sozialisten und Kommunisten zu amnestieren. Am 24. Juli erklärte Schusch nigg öffentlich im Rundfunk, daß die Amnestie ſich auf alle politischen Gefangenen ohne Unterschied Dieses öffentlich gegebene Versprechen ist ge­

der Partei erstrecken werde.

brochen worden.

Zunächst wurde die Amnestie derjenigen poli­tischen Gefangenen durchgeführt, die von den Ge­richten verurteilt worden tvaren. Dabei wurden diejenigen ausgeschlossen, die sich mit Blutschuld" beladen hätten. Man hat Kampfhandlungen, die während der Feberkämpfe geschehen waren, als So wurde zum Beispiel dem sozialistischen   Arbei­Mord oder als Verbrechen nach dem Sprengstoff- ter Franz Sautny, einem 58jährigen Mann, gefeß qualifiziert und die wegen dieser Handlun der an angina pectoris und an einem schweren nen verurteilten, seit dem Feber 1984 in den Bruch leidet, tros der Befürwortung des Lager Buchthäusern fißenden Schußbündler mit dieser arztes nicht nur die Entlassung aus Wöllersdorf  , Begründung von der Amnestie ausgeschlossen. So sondern auch die Vornahme der vom Lagerarzi sist heute noch eine Anzahl dieser Schußbündler für notwendig erklärten Bruchoperation vom Bun­im Serter. deskanzleramt verweigert.

Hierauf kam die sogenannte Verwaltungs­amnestie" an die Reihe, das heißt die Amnestie derjenigen, die ohne gerichtliches Verfahren von der Polizei zu Gefängnisstrafen verurteilt wor­den find.

Soweit es sich um Nazi handelt, wurde diese Amnestie tatsächlich durchgeführt. Dagegen wurden trotz dem von Schuschnigg   öffentlich ge­gebenen Verfprechen nur ganz wenige Soziali­ten von diefer Amuteſtie erfaßt. Die Nazi werden in Freiheit gesetzt; die Soziali sten und Kommunisten sißen weiter.

wenn ihre

Ueberdies wurde das Regime, dem die Kon­zentrationslagerhäftlinge in Wöllersdorf   unter worfen sind, in den letzten Monaten verschärft. Die Häftlinge werden zu Erdarbeiten verwendet. Da Wöllersdorf   in der Kriegszeit die Hauptpro­duktionsstätte der österreichischen   Sprengstoff- und Munitionsindustrie war, stoßen die Häftlinge bei den Erdarbeiten immer wieder auf Sprengstücke. In letter Zeit haben sich daher in Wöllersdorf  einige tödliche Unfälle ereignet.

sprechen, die Amnestie auf alle politischen Gefan­Daß Schuschnigg   das öffentlich gegebene Ver­Am schlimmsten hat sich dieses Verfahren in genen ohne Unterschied der Parteizugehörigkeit zu dem Konzentrationslager wöllersdorf aus- erstrecken, gebrochen hat, ist offenbar eine Wirkung gewirkt. Die Nazi, die in dem Konzentrations- des Anschlusses Desterreichs an den antiboliche= lager faßen, werden vor Ablauf der Frist, die sie wistischen Kreuzzug" Hitlers  . Der Geist dieses gemäß der Polizeientscheidung dort verbringen der Justiz des österreichischen Faschismus aus. " Kreuzzuges" drückt sich auch immer schärfer in sollten, allmählich entlassen. Die Sozialisten und Kommunisten dagegen werden keiner Amnestie Bergarbeiter, der ein paar Schilling für die Wit­Das Kreisgericht in Leoben   hat einen arbeitslosen teilhaftig, sie werden bestenfalls dann entlaffen, wen und Waisen der spanischen   Freiheitskämpfer re Friſt abgelaufen ist. gesammelt hatte, zu atvei Jahren schweren Ster­Am 1. September waren im Konzentrations- ters verurteilt; die Sammlung für die Opfer des Inger Wöllersdorf 200 Nasi und 135 Note, am spanischen Freiheitstampfes wurde für Hochberrat 28. Oftober 48 Nazi und 99 Note. gegen den österreichischen Staat erklärt. Dasselbe Waren vor der Amnestie im Konzentrationslager Gericht hat einen arbeitslosen Chauffeur, der kom­biel mehr Nazi als Note, so sind jetzt dort doppelt munistische Flugblätter verbreitet hat, wegen so viel Note als Nazi. Hochberrats zu fünf Jahren schweren Sterkers ver­In vielen Fällen werden Sozialisten und urteilt. An demselben Tage hat dasselbe Gericht Kommunisten aus dem Konzentrationslager auch Nazi, die illegale Naziorganisationen geleitet und dann nicht entlassen, wenn ihre Frist abgelaufen illegale Flugschriften der Nazi verbreitet hatten. ist. Charakteristisch ist der Fall des Sozialisten zu Strafen von vier bis sechs Monaten Arrest vers Rauscher. Eisenbahner von Beruf, war Rau- urteilt. Für dasselbe Delitt, für das Sozialisten fcher einer der Angeklagten in dein großen Prozeß und Kommunisten fünf Jahre Kerkers bekommen, gegen die Wiener   Revolutionären Sozialisten. bekommen Nazi vier bis Monate Arrest. Er wurde vom Gericht im März 1986 zu zehn Monaten Kerkers verurteilt. Infolge der langen Untersuchungshaft, die in die Strafdauer einges rechnet wurde, ist die Strafe längst verbüßt. Nach

Die verschiedene Behandlung von National­fozialisten und Sozialdemokraten sagt über die politische Haltung der österreichischen   Regierung mehr aus als alle Neden Schuschniggs.

Gerichtssaal

Unter der Maske eines politischen Emigranten

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anwalt Dr. Lánh.

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Die Geschworenen bejahten die Schuld­fragen ein it immig. Der Schwurgerichtshof ber= urteilte den Angeklagten zu fünf Jahren schweren Raubüberfall bei Karlsbad   verhandelt terkers und Ausweisung aus dem vor dem delegierten Prager   Schwurgericht Staatsgebiet nach verbüßter Strafe. Bemerkenswert ist, daß dieser Prozeß. der Prag.( rb.) Der erste Prozeß der gestern er- eigentlich in die Kompetenz des Egerer Schwur­öffneten fünften Schvurgerichtsperiode betraf eine gerichtes gefallen wäre, nach Prag   delegiert wor Antlage wegen Staubes. Auf der Anklage- den ist.

Der große Projektor des Planetariums in Berlin  , ein Wunderwerk der Technik.