Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077 HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: KARL KERN, PRAG .
16. Jahrgang
Dienstag, 8. Dezember 1936
Einzelpreis 70 Heller
( einschließlich 5 Heller Porto)
Nr. 285
Wieder ein entsetzliches Bauunglück in Prag SdP im Rückgang
Einsturz der Riesendecke des Börsen- Baues 11 Schwer- und 10 Leichtverletzte Ein Arbeiter noch unter den Trümmern
Gestern um siebzehn Uhr fünfzig brach in dem bis zum Dach rohfertigen Bau des Börsenpalais in der Hooverstraße in Prag ( neben dem Deutschen Theater) die Betondecke des großen Börsensaales in ihrem gesamten kolos falen Umfang ein, riß im Sturz alles Baugerüst dreier Stockwerke unter sich mit in die Tiefe und schlug die zwei unterirdisch fertiggestellten Stockwerke durch. Das fürchterliche Unglück hat leider eine große Zahl von Arbeitern betroffen.
Es wurden insgesamt 21 Personen, hievon 11 schwer, verletzt. Der Arbeiter Johann Pohorskh aus Vonoklash, der an der Beton maschine arbeitete, wird noch vermißt. An der Unfallſtätte wird angestrengt nach ihm geforscht.
Behn Minuten vor sechs Uhr abends hörten die in der Nähe des Börsenbaues anwesenden Menschen eine o hrenbetäubende De to nation. In wenigen Sekunden war die Betondecke des Börsenbaues, in einem Umfang von 23 mal 15 Metern, völlig eingestürzt. Im Nu umlagerten Hunderte, dann Tausende Menschen den Ort der Katastrophe, im bangen Entsetzen bei der Vorstellung der Massen Menschen opfer, die dieses Bau- Unglück gefordert haben mußte. Der Alarm brachte sofort die ersten Feuerwehrmannschaften zur Stelle, die sich mit den am Bauplab anwesenden, vom Unglück nicht betroffenen Arbeiter sofort an die Bergung der
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Opfer machten. Innerhalb ganz kurzer Zeit wurs
den von rasch angefahrenen Nettungsautos die ersten Verletzten fortgeschafft. Die Namen dieser ersten Geborgenen lauten:
Bambousek, Stašek, Pokorny, Prochazka Josef, Hyka, Krym, Petrášek, Kopecky, Khsela, Mra
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Zum erstenmal seit den Parlamentswahlen vom 19. Mai 1935 hatten Wähler in verschie denden Gegenden mit überwiegend deutscher Be völkerung Gelegenheit, ein politisches Bekenntnis abzulegen. Wird die so rasch entstandene und entweder nicht genügend gutes Baus gewachsene Sudetendeutsche Partei Konrad Henmaterial verwendet oder daß zu raschleins, so fragte man sich in den letzten Tagen, zu gebaut worden wäre- oder daß beide den Maſſen von Wählern, die sie im Vorjahre schwere und nicht rechtfertigende Fehler vorlägen. unter ihren Fahnen sammeln konnte, neue hin den sei, drängt sich dem Beurteiler der Situation wachsen, wird sie ihren Stand behalten oder aber Daß an dieser Börse schlecht gebaut wor- zufügen, wird sie über das vorhandene Maß noch als fast unbestreitbar auf, auch wenn er nicht mit hat der Abbröckelungsprozeß in ihren Reihen eigenen Augen gesehen hat, wie die Decke sich schon begonnen? In der SdP selbst war die einfach wegrasiert hat. sichere Ueberzeugung vorhanden, daß man der angestrebten Totalität, d. h. dem Ziel, die gefreis der aus Deutschland importierten Propa samte sudetendeutsche Wählerschaft in den Bann ganda zu bringen, am Sonntage näherkommen werde und im Parlamente brüstete sich ein SDPAbgeordneter damit, daß 80 bis 85 Prozent aller Sudetendeutschen für seine Partei stimmen wer den. Aber die Blütenträume der Henlein - Männer sind nicht in Erfüllung gegangen und die Sd P hat einen Rückschlagerlitten. Der große Schwung, mit dem Konrad Henlein einen Teil der sudetendeutschen Bevölkerung gewann, ist ausgelaufen, die Wellen, welche der Stainwurf der Gründung einer hitleristisch eingeDie Unternehmer- Tafel stellten judetendeutscher Partei ausgelöst hat, vor dem Neubau, der sich an der Stelle des ehe- haben die Ufer erreicht. Während im Vorjahr maligen, vom Deutfchen Theaterverein vor Jahren beiter mit trititloser Begeisterung, rein aus unBürger und Bauern, Kleinbürger und auch Arveräußerten Deutschen Theatergarten erhebt, trägt an der Spike folgende Namen: Arch. Ing. flarem Gefühl heraus den Stimmzettel für HenGs versteht sich von selbst, daß jeder, der er als Projektanten. Arch. Foehr als ein abgegeben haben, zeigen die sonntägigen Wahlen, daß die Henleintwähler zu denken und zu Zeuge der unmittelbaren Wirkung dieser Ein- Bauverwalter, Ing. Anton No ed I als verantsturzkatastrophe war, sofort die Frage nach dem wortlicher für die Bau- Aufsicht, und als ausfüh- überlegen beginnen. Sie fangen an, ihre Be= oder den Schuldigen aufwarf. Und die gesamte rende Firmen die Baugefellschaft Nekvafil wegung nüchtern und kritisch zu betrachten und Oeffentlichkeit über Prag hinaus wird gleichfalls und die Prager Betonbau- Gefell- fragen sich, was die SdP außer großen Phraſen.
den Journalisten, daß nicht die Decke, sondern Der Bauführer Ing. Mazura erklärte bloß das Stü gerüst des Hauptfaales, auf Den Bemühungen der Feuerwehren und des welchem die eigentliche Deckenverschalung ruhte, Militärs gelang es, die Balten aus der Um- eingestürzt ist. Es sei undenkbar, daß der Eingebung der Stelle wegzuräumen, wo die Beton- fturz diefer Holzkonstruktion infolge Ueberlastung mischmaschine verschüttet liegt. Dieſe ganze oder durch ungenügende Dimenſionierung verurStelle ist jedoch von einer schweren Masse nassen sacht werden konnte. Wahrscheinlich sei irgend Betons bedestt, aus welcher Stücke von Eisen- eine nebensächliche, bisher nicht festgestellte Urstäben und ein Gewirr von Drähten herausragen. fache, voraussichtlich das Um sto se kleiner E3 erweist sich daher als notwendig, diese Beton- Pfeiler bei der Beförderung des Materials, masse zu durchbrechen. Die langen Eisenstangen schuld an dem Unglück. werden mit autogenen Schweißbrennern oder mit großen Eisenscheren zerschnitten. Diese Ars beiten werden noch eine geraume Zeit in Anspruch nehmen.
Wer trägt die Schuld?
fchaft.
Versprechungen, Aufmärschen, Führerreden, žek, Boháč, Papoušek, Sarkisow, Prochazka vor allem diese Frage beantwortet wissen wollen, Verhebung, Auslandsreisen, Anschaffung von Václav, Vyhnatek und Charvát. zumal die Hauptstadterstvoracht Jah- Das öffentliche Gewissen schreit diesmal Autos und Klubmöbeln für die neue Bonzokratie ren Schauplaß einer fürchter mehr noch als nach der Katastrophe auf dem Po- geschaffen hat. Das Erwachen der Kriti: innerMindestens vier von diesen Arbeitern waren auflichen Baukatastrophe war. Damals, čič nach einer fofortigen, strengen Unhalb der SdP- Wähler ist das bedeutsamste den ersten Blick als schwerverlet anzu- nach dem unvergeßlichen grauenerregenden Untersuchung in aller effent Kennzeichen der Wahlen, ein verheißungsvoller sehen. Wieviele Arbeiter zur Unglücksstunde am glück auf dem Požič, hoffte man, daß eine lichkeit und nach einer drakonisch en Bau waren, ließ sich zunächst nicht feſtſtellen, weil Sühne geschaffen werden würde, die eine Barriere Bestrafung der Schuldigen. Auch wenn sich die Katastrophe für mögliche Wiederholungen bilden würde. Die nicht ein Mann getötet, nicht einer verletzt worden um die Stunde des Schichtwechsels Deffentlichteit weiß, wie gelinde damals mit den wäre, müßte das gefordert werden. Es hat aber Schuldigen oder doch zumindest Verantwortlichen den Anschein, als ob das Unglück, hätte es sich bei ereignet hatte. Vorläufige Angaben sprachen von verfahren wurde. Heute also steht wiederum ein Tage und nicht just um die Zeit des Schichtwech etwa fecha und zwanzig Arbeitern, folcher Fall zur Untersuchung. Das Laienhirn wird fels ereignet, noch mehr und noch fürchterliche die verunglückt sein mußten. Die genannten sech es nicht fassen, daß da vielleicht niemand die Opfer gefordert hätte, als sie auch so zu beklagen zehn Arbeiter konnten deshalb rasch geborgen Schuld tragen solle, daß alles in schönster find. Seit Monaten wurde an diesem Bau bei werden, weil sie oben beim Dach beschäftigt ge- Ordnung war und daß es sich vielleicht nur Tag und Nacht, in drei Schichten, ge wesen waren und also nach dem Einsturz zum um jene höhere Gewalt" gehandelt hätte, arbeitet. Die Vermutung liegt also nahe, daß da großen Teil ganz oben in den Trümmern zu lieber einmal bei Bauten nicht auszuweichen wäre. Tempo, Tempo!" bei der Arbeit galt. Jegen famen. Man kann es sich nicht anders denken, als daß denfalls muß nun etwas geschehen!
Die Rettungsarbeiten setzten unter Zuhilfenahme der modernsten Maschinen und Geräte im Schein von Reflektoren ein. Einen der Arbeiter fand man bald nach der Katastrophe wie durch ein Wunder gerettet und fast unverlegt auf: die Balken hatten im Sturz eine Art schützenden Dach über ihn gebildet.
Wie viele Arbeiter unter den Trümmern begraben wurden, ließ sich am Unglücksabend kaum vermuten. Man nimmt an, daß im Keller des Neubaues zumindest ein oder zwei Arbeiter mit ten in der Arbeit von der Katastrophe ereilt und dann wohl getötet wurden. Die Katastrophe bildet
Artillerie- und Luftkämpfe
Die Ueberlegenheit der Regierung wächst
Madrid.( Havas.) Der Madrider Ver-| mächtigte sich mit Hilfe von Tanks unter sehr unteidigungsrat gibt bekannt: Im Abschnitt der Uni- günſtigen Witterungsverhältnissen in tiefem versitätsstadt haben die Regierungsabteilungen Schnee des Berges San Pedro, der ein ziemlich die Angriffe der Aufständischen abgewiesen. Ne- ausgedehntes Gebiet beherrscht. Die Aufständi gierungsflugzeuge hinderten 14 große Flugzeuge fchen haben schwere Berlufte erlitten. An der daran. Madrid zu bombadieren. Aragon - Front spielten sich kleinere Artilleriegefechte ab.
Die Artillerie der Regierung bombardiert ununterbrochen die Gräben und das Hinterland der Aufständischen, wobei fie von der Luftwaffe ausgiebig unterstützt wird. Das Hauptquartier erhielt die Meldung über neue Truppenbewegun gen des Gegners in der Umgebung von Carabanhel, Brunete und Billa Bicioda, weittragende Geschütze bombardierten die festgestellten Truppenzentren. In den letzten drei Tagen erhielt die Infanterie der Aufständischen Verstärkungn an Mannschaften und Material.
aus guten Quellen follen am 4. Dezember 2500 Valencia. ( Fabra.) Nach Nachrichten Italiener in Algeciras gelandet sein, um sich den Truppen der Aufständischen anzuschließen.
Anfang, eine Aufgabe für die deutschen Attiviſten ebenso wie die verantwortlichen Politiker der Tschechen. Hat es in der letzten Zeit schüchterne Ansätze gegeben, den Deutschen entgegenzukom men, so mußießt der große Schritt gemacht werden, um das Sudeten deutschtum national, sozial und tulturell zu sichern, die dringendsten Forderungen der Deutschen in diesem Lande zu befriedigen. Die Stimmung dazu ist da, auf beiden Seiten. Werden die deutschen Wähler erfennen, daß diesmal wirklich etwas geschehen und daß der zähen Arbeit der Aktivisten Erfolg be= schieden sein wird, dann wird die Front der SdP nicht mehr nur an einigen Stellen ge= schwächt, wie nach dem letzten Sonntag, sondern die Abwanderung der Wähler wird erst richtig einsetzen.
Die deutsche Sozialdemokra tie gewinnt wieder an Boden- das ist der zweite Eindruck des Wahlsonntags. Langsam und nicht überall, aber im Durchschnitt iſt der Aufstieg unverkennbar. Die Partei führt seit Jahren einen schweren Kampf nach zwei Seiten. Wir waren seit der Entstehung der SdP, bei den Wahlen von 1935 ebenso wie bei jenen vom Sonntag die unbeugsamsten Bekämpfer der faschis stischen Seuche, die sich unter dem glibernden Mantel der Voltsgemeinschaft im Sudetens deutschtum eingeschlichen hat. Während die der SdP Kompromisse zu schließen und in ein übrigen deutschen Parteien geneigt waren, mit erträgliches Verhältnis zu ihr zu treten, haben wir- die reichsdeutschen Erfahrungen nikend
ein grauenhaftes Bild der Zerstörung Die Balten, Trümmer, Blöcke, die ja bis zu etwa fünfzehn Meter tief zur ebenen Erde gestürzt sind, liegen in einen schier unentwirrbaren Chaos über- und durcheinander und bededen den Boden an den meisten Stellen bis zu einer gewußt, daß es mit einer totalitären Partei Höhe von fünf bis sechs Metern. Obwohl unge Hinrichtungen und Meuterelen fein Pattieren gibt. In diesem harten Kampf fähr eine Stunde nach dem Unglück die FeuerBalencia.( Fabra.) Aus Galicien und vies nach rechts sind wir aber von den Kommunisten wehr und die Arbeiter, die in das Wirrsal vors Ten anderen Gebieten treffen Nachrichten ein, daß immer wieder angefallen worden und trop dem brangen, von Soldaten des fünften Genie Sonntag entspann die Aufständischen viele Menschen, darunter auch Abwehrkampfe gegen den Sudetofaschismus haben regiments afftitiert wurden, batte man den sich über Madrid ein Gefecht mit 26 Bombarbie Beamte, Aerzte und Migeordnete, hingerichtet die Kommunisten noch immer Reit und Lust geGindrud, daß die Räumungs- und etwaigen Net- rungsflugzeugen und 14 Erkundungsflugzeugen haben. Die Hinrichtung der Berurteilten hat unter funden, ihre Redner in unsere Versammlungen tungsarbeiten mehr als Nacht und Tag in An- der Aufständischen vom Typ Heinkel . Bei dem der Bevölkerung ungewöhnliche Erregung hervor au schicken und haben so die Abwehr gegen die spruch nehmen würden. Und völlig verbietet sich Luftgefecht wurden brei Apparate der Aufständigerufen. Die Aufständischen sind gegen jebe die Vorstellung, daß Menschen, die unter dieſem ſchen abgefchoffen. Die Negierungsescadrille Kundgebung des Unmutes in sehr unerbittlicher beispiellosen Trümmerhaufen noch gefunden wer- tehrte ohne Verlufte nach ihrer Basis zurük. Weise eingeschritten. Es wird die Nachricht beden sollten, das schreckliche Unalück nicht mit dem Valencia.( Fabra.) Die Negierungsstätigt, daß in La Coruna einige Kompanien der Leben bezahlt hätten. infanterie eröffnete Sonntag den Angriff und be. Infanterie gemeutert haben.
Madrid.( Fabra.)
penleinnazi ebenso geschwächt wie die Anziehungskraft des Sozialismus. Troßdem sind die Kerntruppen unserer Bewegung ungeichwächt und wir gewinnen langsam und mühevoll verlorenes Gelände zurück. Haben wir auch hier oder dort