16. Jahrgang Mittwoch, 9. Dezember 1936 Nr. 286 lENTRALOgGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DIR TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DIS MONTAG TÄGLICH PRUH. Redaktion uno Verwaltung frag xil., fochova er. telefon sjotf HERAUSGEBER. SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR KARL KERN, FRAG. Einzelpreis 70 Hsim (etnichlMlich 5 Heller Fotta» Pr. No<lia I Senat» Das Minderheitenproblem reift heran Die tschechische Oeffentllchkelt vorbereitet/ Zlffernmaterlal als feste Basis Nationaler Schlüssel nur sehr einseitiger Lösungsversuch Prag  . Ministerpräsident Dr. H o b J o beschäftigte sich Montag abends im BudgetanS- i schuß des Senats im Anschluß an eine Rede desSdP-SenatorSPfrogner(bekanntlicheines ehemalig«» LandbündlerS) mit dem Mlnderheitenprobleni, an dessen Lösung nunmehr die Re- gierung im Weg« do» Verhandlungen mit den deutschen   aktivistischen Parteien herangeht. Der . Ministerpräsident sagte hiezu u. a.r Wenn die sehr geehrten Herren meinen, daß sich die Tschechoslowakei   noch nicht auf dem Gipfel der wirtschaftlichen Konsolidierung befinde, so möchte ich die Herren ersuchen, mir ein Beispiel eines europäi­ schen   Staates zu zeigen, welcher wirtschaftlich bes­ser stünde, welcher glücklicher und konsolidierter wäre als wirl(Sehr richtigI) Wir würden uns selbst be­lügen, wenn wir nicht, anerkennen wollten, daß die Tschechoslowakei  «in« schwere wirtschaftliche Krankheit überwunden hat. Unser Staat stellt aber einen Re­konvaleszenten dar, welcher seine ursprüngliche Kraft sicher wiedergewinnen wird. Dies wird umso früher erfolgen, je reiner die politische Atmosphäre sein wird und je weniger Miasmen des Mißtrauens zu ihr Zutritt finden.(Sehr richttgl) ES wär« ei» verhängnisvoller Irrtum, wollt« jemand in dieser»der jener Komponente der deutsche» »der übrrhaupt der tschechoslowakischen Oeffentlich- ktlt angebliche Gegensätze zwischen den Ansichten»der de« Tendenzen, welch««wische» dem Präsident«» der Republik und dem Mlnisterprä- sldenten einerseits und zwischen irgmdwrlchen Kom­ponente« der tschechoflowakische» Oeffentlichkeit ande­rerseits bestehen, konstruieren. I» einem Irrtum würde besonder» derjenige leben, welcher auf dl« Fiktion tauen wollt«, daß die veranrworUichen Faktoren und der Präsident der Re­publik de» gute» Willen haben, da» Minoritäten­problem zu lösen, aber daß vielleicht irgendein Unverantwortlicher Ihre Absichten durchkreuze» könnte. Man möge zur Kenntnis«eh men, daß wir alle fest entschlossen sind, die einbeimi­schen Probleme zu lösen, solange diese noch nicht ge­löst sind, und daß wir in diesem Schluffe nicht wan­ke« werde». Die Regierung wird die Initiative er­greifen, für jegliche Verhandlungen in dieser Rich­tung hin ein« fest« zahlenmäßige Grundlag« zu schäfte». Ach geb« zu, daß e» einig« Gebiete der Staat». Verwaltung gibt, wo da» deuftch« Element in der völlige» Proporz zu der Anzahl der deutsche» Bevöl­kerung nicht vertrete» ist. Ach spreche darüber «ei» Bedauern au».. Ach srage aber zu­gleich, o» in dem Falle, daß Senator Pfrogner und seine politischen Freunde für diesen Staat ver­antwortlich wären und ihnen di» Aufgabe zu­fiele, die Staatsverwaltung mit verautwortlicheu Beamten zu besetze», sie die Beamten im Staats­dienste nur von dem Gesichtspunkte beschäftigen würden» daß die Proporz gewahrt bleibe, ohne au, die inner« Einstellung dieser Beamte» zum Staat« zu achten! Ich bin überzeugt, daß sich diese» Verhältnis »nm Staate ändern wird, daß«» sich positiver gestalte» wird als bisher, weil da» tfchechoslowaftfche Staatsgefüge«in historisches ist, das fein« Wider­stands- und schöpferische Kraft erwiesen hat. Herr Senator Pfrogner muß zur Kenntnis neh­men, paß dl« Proportionalität an und für sich ein f:,br einseitiger Versuch bei der Äsung de» Minderheiten Problem» wäre. Ach nehme sie deshalb»lSGrundlageder Dis­kuss i» n nur im Zusammenhang mit der w trt  - fchaftlichen Beziehung de» Staate» zu unse­rer deutschen   Minderheit. Der Finanzminister kann zahlenmäßig Nachwei­sen, daß der Staat relativ m e h r Staatsgaran­tien zugunsten der deutschen   als der tschechischen Unternehmungen übernimmt. Aehnlich verhält e» sich auch bei den Sten e.r.er.lei chterungen und fast mit. allen induftriepoliftschen Vorkehrungen der Regierung, welche auch die deutschen Unterneh­mungen betreffen^ Damit ist der Beweis erbracht, daß die Staatsverwaltung In ihrer Wirftchaftkiolitik voll­kommen den Grundsatz einer nationalen Diskriminie­rung^ ablehnt. Diese Ding« wolle»'wie später a U fG rn.n d der Zahlen.besprechen.. Wir werd«» sie lösen, keinehtpeg» aber le«ach dem Temperament oder der Stimmung, sondern aus Grund der harten Wirklich- kett. Jede» Vroblem, welche» richtig gelöst werde» soll, muß zuerft heranreifen. Gerade ist dieser Mit reift d«SM t« d e-rhriten'pr» bl e mh«an. - Die Regierung muß aus dem Verlauf her Dit- ruffiow-in der Oesfentlichke.it und sn den gesetzgeben­den Körperschaften die Stimmung und Ansichten der repräsentativen tschechoslowakischen Demokraten her- auSfühlen. Sie muß in diesen Kundgebungen eine teil» ausgesprochene, teils bloß an« gedeutete Zustimmung mit der Regie- rungSinnitiative zur Lösung von Minderheitenfra­gen erblicken, soweit sie vielleicht noch nicht zu Ende .gelöst worden sind. Dies bildet ein großes Memento auch für eine Opposi­tionspartei, welche die Interessen ihres BollStumS wahre» will..- Verwaltungsreform und Generationen Problem Ausführlich befaßte sich Dr. Hodja ferner mit der Reform der öffentlichen Ver­waltung. Ihre Voraussetzung sei die Dezentra­lisierung; diese setze ein hohe» Niveau de» Beamten­körper» voraus. Zu den formalen Voraussetzungen einer VerwaltungSresorm. gehört die Respstemi- s i e r u ti g, hj  « aber mit den finanziellen Möglichkei­ten in Einklang gebracht«erden muh; sie wird des­halb mit einer R at i q n'a l i T i etf'UTts'iätt. J vundtn sein müssen. Da» bedeute aber nicht die Ablehnung der bisherigen Kräfte oder vielleicht einen Borwand gegen die Aufnahme neuer notwendiger Kräfte. Dr. Hodjia ging dann ausführlich auf das Pro­blem des Austausches der Generationen im Orga­nismus der öffentlichen Verwaltung ein. Die Regie­rung will bei der VerwaltungSresorm neuen Kräften einen Platz an der Sonne bieten. Kräften, die in der Nachkriegszeit herangereift sind und die ein erhöhtes Verantwortungsgefühl und einen erweiterten Kultur­horizont besitzen und für den staatlichen Aufgaben- kreis sozialpolitischen und wirtschaftlichen Charak, ters ein erhöhtes Verständnis haben.. Zwischen der aktiven und der kommenden Generation soll sich iedoch kein Abgrund auftun. Die Verpflichtungen gegenüber den öffentlichen Angestellten hinsichtlich de» Abbaue» der GehaltS- Balenria. DaS spalnische Presse-Büro Fair» teilt mit: Nachrichten aus verläßlicher Quelle scheinen darauf hinzudeuten, daß die Auf­ständischen an der Madrider   Front sehr bald zu elwer heftigenOffensive übergehen wer, den. ES wird behauptet, daß zahlreiche d e u t sch e Abteilungen, die unter dem Kommando eines nationalsozialistisch«» Führer» stehen, als Sturmtrupp«» eingesetzt worden. Augenblicklich herrscht an der Front Ruhe und beide Parteien treffen Borboreitungen zu der Aktion. Rur   in beit Abschnitten Moneloa und Billa Berde habm die Aufständischen einen Angriff unternommen, wur­de» aber mit großen Verluste» zurückgeschlagen. Am Hafen von Bilbao   ist däS SchiffBIrgm Hel.varmen" eingetroffen, dessen Besatzung sich der regierungSt-euen Flotte anschließt. DieBir­gen del Carmen" bringt ein«»eiche Bente mit; Flugzeugabwehrgeschütze, Maschinengewehre und andere Waffen, die durchweg» deutsche   Er­zeugnisse sind. Madrid   forciert Abberufung des finnischen   Vertreters DaS Komitee zur Verteidigung Madrid» teilt mit, daß in einem der finnischenGe- s a n d t s ch a f t gehörenden Gebäude 600 Per- sonen gefunden wurdm,. welch« d«n. Rechtspar­teien angehSren. Auch in einem andern Gebäude, da» gleichfalls der' finnischen Gesandtschaft ge­hört, wurde bei einer späteren Untersuch«»- ei» ähnlicher Fall seftgestellt. Infolgedessen hat der spastische Minister für auswärtige" Angelegenhei-- te» Del Bayo an den stnnischen-Außenminister eine Rote gesandt, in der er di« in den beiden Gebäuden sestgestellten Tatbestände zusammen­faßt und erklärt: Hier liegt«in f k an d a l S s e r abzüge werden erfüllt werden. Die Negierung wird mit dem Antrag auf teilweisen Abbau der Gehalts­abzüge indererstenFeberhälfte kom­men; die vorgeschlagene Bedeckung wird keine neue Besteuerung bedeuten. Vie Stabilisierung 6er Preise Die zweite Devalvation mußte in einer Zeit de» PrelSaufftiegeS durchgeführt werden; die Einhaltung de» Preisniveau» ist darum eine überau» schwierige Aufgabe. Es bleibt auch weiterhin der feste Entschluß der Regierung, auf der Basis der festgesetzten Preise zu verharren und gegen unbegründete Teuerung streng, ja wenn die» unausweichlich sein sollte, grau­sam vorzugehen. Wenn importiert« Leben»mittel verteuert werden und dies formal begründet Ist, hat die Regierung in der Han­delspolitik ein Mittel, um dem Einhalt zu gebieten; sie ist bei Handelsvertragsverhandlungen auch zu einer Senkung des Zollniveaus bereit. Bei Fertig­waren. die aus importierten Rohstoffen erzeugt wer­den, beträgt der Rohstoff nur wenige Prozent der Erzeugungskosten. Daher kann auch die Verteuerung beispielsweise in der Textilindustrie höchstens drei hil fünf Prozent betragen. ., Handelspolitik. Zu den Beschwerden, baß Im Gefolge der letzten Währunglmaßnahmen die Erleichterungen in der Handelspolitik nicht in dem gewünschten Tempo er­folgen, erklärte Dr. HodZa, die Tschechoslowakei   sei geneigt, dem internationalen Handel in dem Maße Erleichterungen zu gewähren, in dem-er Handel auch in den anderen Ländern erleich­tert wird. ES kommt und nicht zu, den Ereignissen worauSzueilen. Wir werden aber auch niemandem nachhinken. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit der mittel­europäischen Staaten wird sübst dann vorbereitet, wenn auch in der letzten Zeit in ihre Entwicklung einige Eingriffe politischen Charak­ters erfolgten. Die Vorbereitungen wurden im Rahmen der Kleinen Entente   bereits getroffen und e» können auch bereit» günstig« Ergebnisse konstatiert werden. Mißbrauch der diplomatischen Vorrecht« vor, für welchen e» keine Entschuldigung gibt. Der spanische Außenministar erhebt energischen Pro­test und fordert, daß im Anteresse deS Fortbestan­des de« fteeundschastlichen Beziehungen zwischen de» beiden Ländern die varantwortlichrn Beam­ten Unverzüglich abbernfen werden.. Neue Beschießung Madrids Zwischen 23 Uhr und Mitternacht auf Dienstag wurde Madrid   neuerlich von den Bat­terien der Aufständischen beschossen. Großkali­brige Granaten schlugen ist den Madrider Haupt­straßen, einige auch in der unmittelbaren Nähe der britischen Botschaft«in. Die Zahl der Opfer ist noch nicht bekannt. Weiterer Vormarsch der Basken Mad r i d. Einer Meldung aus Bilbao   zu­folge haben die RegierungStruppcn am Montag im Abschnitt von Orduna   einen Angriff unter­nommen und wichtige strategische Positionen, nämlich die Dörfer Sobrehaja und Earda, besetzt. Di« Regierungstruppen sindaufder Straße nach Murcia   insgesamt um 4 Kilometer vorgerückt. ! Bombe' trifft norwegischen Dampfer Oslo  . NorSk Telegräm Byraa teilt mit/ daß' der norwegische FrachtdampferG ü l n e 8* am Montag bei einem FliegHangriff in der Nähe von Sevilla   von einer Fliegerbombe getroffen wurde. Ein norwegischer Seemann, wurde hiebei getötet; sechs Seeleute wurden verletzt und der Dampfer ernstlich beschädigt. Russische Schaukel oder franzffisische Volksfront? Was will die kommunistische Partei Frank­ reichs   eigentlich? Diese Frage werden sich in den letzten Wochen sehr verschiedenartige Leute, rechts und links von der KPF  , gestellt haben, aber eS fragt sich auch, ob einer sie beantworten konnte. Wahrscheinlich weiß auch Herr Thorez   nicht, was er und seine Partei in Wahrheit wollen. Stalin  , der es wissen dürfte, wird eS weiter als tiefes Geheimnis wahren. Ms nach dem Wahlsieg vom Frühjahr 198b das Kabinett Blum gebildet wurde, haben die Kommunisten sich allen Aufforderungen zur Teil­nahme an der Negierung entzogen. Sie würden die Regierung stützen, sie würden loyal sein, aber sie könnten aus grundsätzlichen Erwägungen doch nicht die volle Verantwortung übernehmen. Das Manöver war durchsichtig. Die Kommunisten wollten lizitieren, wie sie eS seit 1929 in so vielen Ländern getan haben. Sie wollten die Vorteile und Erfolge der Bollsfront auch für sich nützen, aber jederzeit in der Lage sein, den Mas­sen durch höhere Forderungen, durch Kritik und Opposition gefallen zu können, sie wollten sich als Erben und Nachfolger in Bereitschaft halten und hätten'wahrscheinlich schon die Etikette»Kerenski  " für Lsön Blum vorbereitet, da sie ja ohne starre Schablonen nicht mehr zu denken vermögen., Die Kommunisten täuschten sich in zweier« lei Hinsicht. Die Persönlichkeit Lson BlumS setzte sich in einem Grade durch, seine Führer-Autorität ist so stark, daß mit lleinen Lizitationsmanövern, Verdächtigungen und Stänkereien gegen das Ka­binett Blum nicht anzukämpfen war. Die Mas­senkontrolle aber, die Rolle des notwendigen Kor­rektivs der Kabinettsentscheidungen durch den Willen des Volkes, ging auf die Gewerkschaften über und das Sprachrohr der Massen wurde, so­weit eben nicht Blum selbst es war, zweifellos Iouhaux und nicht Maurice Thorez  . So fügten sich die Kommunisten zunächst der Disziplin, weil ihnen kaum etwas anders Lürig- blieb. In der Frage der Außenpolitik, in der Frage der Franc-Abwertung, in der Frage der Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Radikalen, verzichteten sie auf eine grundsätzliche Opposition. Sie haben die Nichteinmischung gebilligt, sie haben für die Devalvation gestimmt, sie haben den Ra­dikalen vor dem Parteitag in Biarritz  «inen Brief geschrieben, in dem sie sich für das Privateigen­tum und für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung einsetzten. Herr Thorez   wollte sogar die Bollsfront weit nach rechts erweitern, sie zur Französischen Front", einer Art nationaler Ein­heitsfront, umgestalten. Durch all das haben sich die Kommunisten nicht gerade als die berufenen Wortführer einer grundsätzlichen Opposition legitimiert. Um so mehr schien es sie aber nach den Erfolgen einer tak- tischenOppositionundErpresser- P o l i t i k zu gelüsten. Bei verschiedenen An­lässen begannen sie, Blüm Knüppel zwischen die Beine zu werfen, irgendwelche Parteiforderün« gen als Prestige-Fragen der Volksfront auszu­geben und mit dem Sturze der Regierung zu drohen. Auf den radikalen Pendelschlag folgte aber jeweils ein opportunistischer. Es war die richtig« russische Schaukel geworden, die man aus der Geschichte der Komintern zur Genüg« kennt. Blum hat es bisher verstanden, die Diszi­plinlosigkeiten und gehässigen Quertreibereien der Kommunisten abzuwehren. Die Kommunisten sind,, wenn es hart auf hart ging, immer wieder um-, gefallen. Wenn sie 89 Versammlungen im Elsaß  verlangten und. die Negierung ihüen zehn anbot, kam es zu demKompromiß", daß tatsächlich nur zehn, stattfanden. Neuerdings haben die Kommu­nisten gegen das Budget, gegen die Steuerreform,, gegen das neue Prehgesetz und gegen die Fortset­zung der Außenpolitik im Sinne der Nichtinter­vention in Spanien   opponiert. Was Blum tun soll, um bei den jetzigen Machtverhältnissen, also mit den Radikalen als Partnern, die Außenpoli­tik ,und die Finanzpolitik im Sinne Thorez  ' zu andern, hat dieser nicht verraten. Bezeichnend ist nur, daß Thorez   seinen Kampf.nicht ettva in erster Linie gegen die bürgerlichen Radi­kalen richtet, sondern vor allem gegenBlum. Vor Einem deutschen   Ingriff auf Madrid  ?