Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077 HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: KARL RL KERN, PRAG .

16. Jahrgang

Donnerstag, 24. Dezember 1936

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 299

Patschelder und Lamatsch Die Westmächte warnen England und Italien

freigelassen

Nach gnadenweiser Einrechnung der Untersuchungshaft

Ribbentrop fährt zu Hitler

Deutschland

Mährisch Ostra u.( Tſch. P.-B.) London.( Reuter.) Der diplomatische Neuter- Berichterstatter erfährt, daß Außenmini­

Am Mittwoch wurde der deutsche Mittelschulpro­feffor Dr. Richard Patscheider aus Troppau und der Prokurist Paul Lamatsch aus Tsche­chisch Teschen in Freiheit gesetzt. Die beiden wa ren als Hauptbeschuldigte in einem fast vier Mo­nate bauernden Hochverratsprozeß von dem Kreisstrafgerichtshof in Märisch- Ostrau am 24. März 1936 wegen des Verbrechens nach§ 2 des Schutzgesetzes zu je vier Jahren schweren Kerkers verurteilt worden. Die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen, die sie nach der Verurteilung einbrachten, zogen sie dann zurück. Im Gnaden­tvege wurde ihnen die Untersuchungshaft in die Strafe eingerechnet und nach Abbüßung von zwei Dritteln der Strafe wurde ihnen auf ihr Gefuch bas verbleibende Drittel bedingt nachgesehen.

Doch Kontrolle der Nichteinmischung?

London . Der Nichteinmischungsausschuß ver­handelte Mittwoch nachmittags die Antworten der zivet lämpfenden spanischen Parteien betreffend das Projekt der Kontrolle und genehmigte den detaillierten Vorschlag für die Kontrolle in Spas nien zu Wasser und zu Lande. Es wurden einige Heinere Aenderungen vorgenommen, durch die den Beobachtern des Ausschusses eine größere Beweg­lichkeit garantiert wird. Das Projekt wird den Ne­gierungen zur Genehmigung vorgelegt; die Ants wort wurde bis spätestens 1. Jänner angefordert. Wenn das Projekt bis zu diesem Reitpunkte ge­nehmigt wird, wird es den beiden spanischen La­gern binnen zehn Tagen übermittelt werden.

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Ueber die Freiwilligen Frage wurde teine Entscheidung getroffen, doch kursiert unter den Mitgliedern des Ausschusses das britische Me­morandum, das sich über den britischen Stand­punkt zu dieser Frage äußert. Schließlich wurde eine Resolution angenommen, die neuerlich die Nichteinmischungsverpflichtungen bestätigt.

ster Anthony Eden den deutschen Botschafter von Ribbentrop bei der letzten Unterredung ver­ständigt habe, daß Großbritannien die Entsendung von Freiwilligen von Deutschland nach Spa­ nien mit Ernst und großer Besorgnis verfolge.

Man erwartet, daß Botschafter von Ribbentrop während seines gegenwärtigen Aufenthaltes in Berlin diese britische Ansicht dem Neichskanzler Hitler persönlich vermitteln wird.

Der Pariser Berichterstatter der Time 8" meldet, daß auch der französische Außenmini­fter Delbos die deutsche Regierung verständigt habe, daß Frankreich die Politik der Nichtein­mischung in Spanien nicht fortsetzen könnte, wenn die von Deutschland den Aufständischen ge= währte Hilfe größere Ausmaße annehmen würde.

Hitler in einem schweren Dilemma

Die englischen Korrespondenten in Berlin | mein der Ansicht, daß sich Dr. Schacht und der berichten bereits seit einigen Tagen, daß in der deutsche Generalstab zufrieden geben würden, Reichshauptstadt der Eindruck vorherrsche, daß die wenn Deutschland irgendeine Kolonie nationalsozialistische Regierung wenn nicht einem ziemlich untergeordneter Bedeutung zurückgegeben entschiedenen Wendepunkt, so doch wenigstens würde, da das Rohstoffproblem definitiv cher durch einem Dilemma Aug in Aug gegen ein internationales Abkommen als überstehe, dem sie nicht ausweichen könne: dadurch einer Lösung zugeführt werden solle, daß Entweder die bisherige Politik der ständigen Ves Deutschland irgendein Territorium zur freien schränkungen der Lebensmittel zugunsten einer Verfügung übergeben würde. mächtigen Rüstung weiter fortzusetzen oder diese Der Pariser Times- Korrespondent schreibt Politik aufzugeben und mit Paris und London hiezu: Bevor nur ein Zollbreit von Frankreich über ein Abkommen zu verhandeln, das, wie verwalteten Bodens in deutsche Verwaltung über­sich der Korrespondent der" Times" ausdrückt, gehe, müsse sich nach der französischen Ansicht die die Hauptforderungen Deutschlands nur im Aus gesamte politische Orienti e tausch gegen den rückhaltslosen Beitritt aur wirte una Deutſchlands ändern. Drohung schaftlichen und politischen Zusammenarbeit und Igen müßten Versicherungen und Garantien Plab das Aufgeben aller Abenteuer befries| machen. Die ungeheuere Rüstung müsse einer digen würde". Serabjegung oder wenigstens einer Begrenzung Die englischen Korrespondenten find allge- und Kontrolle der Rüstungen den Platz räumen.

Generelle Bereinigung

Es ist also notwendig, daß beide Parteien, fobald fie fich für diesen Grundsatz ausgesprochen haben, mit gutem Willen darangehen, fämt­liche Duellen der verschiedenen Mißverständnisse und Differen zen zu prüfen. Die jüngste Entwicklung der Ereignisse sowohl im östlichen als auch im west­lichen Teile des Mittelmeeres hat keineswegs die Anzahl der Fragen vermindert, bezüglich deren

im Mittelmeer

Deutschland neuerlich isoliert

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Das zwischen England und Italien dieser Tage nahezu abgeschlossene Mittelmeer - Abkommen - die endgültige Tegtierung wird nach Weihnach ten erfolgen- ist für die Weltpolitik schon des= wegen von Bedeutung, weil es eine neuer= liche außenpolitische Niederlage Deutschlands bedeutet. Nachdem Außen­minister Eden in seiner letzten Rede dem nach dem Often schielenden deutschen Imperialismus ein drohendes Halt zugerufen hatte, führt Großbri= tannien jetzt einen zweiten Schlag gegen das Dritte Reich diesmal im Mittelmeer .

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Die Beziehungen Englands und Italiens waren vor dem Feldzug Mussolinis in Abessinien Jahrzehnte lang freundschaftlich. Die Zugehörig teit Italiens zum Dreibunde hinderte das Land bor dem Weltkrieg durchaus nicht, zu England außerordentlich gute Beziehungen zu unterhalten, schon deswegen, weil Italiens geographische Lage es nicht buldete, sich gegen die das Mittelmeer ( das Italien von drei Seiten bespült) beherr­schende Macht feindselig einzustellen. Ein Krieg Italiens an der Seite der Mittelmächte war ichon deswegen nicht möglich, große Städte wären von den englischen Schiffsgeschüßen zerstört. ein gro= ßer Teil des Landes besetzt worden. Auch nach dem Weltkriege hielt Italien an der traditionellen englischen Freundschaft fest, noch 1926 schlossen die beiden Länder einen Vertrag über Abessinien.

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Die industrielle Entwicklung Italiens im lebten Jahrzehnt hat nun die bisher bestandenen machtpolitischen Verhältnisse geändert. Italien hat zum Unterschied von Deutschland durch Jahre unbehindert von internationalen Einschrän= fungen zielbewußt aufgerüstet, es hat di: Armee motorisiert, es hat eine gewaltige Luft­flotte geschaffen, während Englands Rüstung zu Beit dahinter zurückblieb. So konnte Italien Land, zu Wasser und in der Luft bis vor kurzer eine Expansive Politik beginnen und seinen Ein­fluß über die bisherigen 1919 geschaffenen Gren­zen hinaustragen.

aller britisch- italienischen Differenzen London. ( AN) In informierten Londoner feitig ergänzen. Die Anerkennung dieser These soll Kreisen wird erklärt, daß die Voraussagen be- auch in formaler Hinsicht ihren Ausdruck treffend den baldigen Abschluß der Unterredun- finden. gen, die gegenwärtig in Nom über die britischen und italienischen Interessen im Mittelmeer ge= führt werden, eher verfrüht als optis Der englische Hof mistisch sind. Der Fortschritt in diesen Vera­wird wieder puritanisch tungen tvird solvohl in Rom als auch in London zivar als völlig befriedigend angesehen. Geschiedene Frauen haben keinen Zutritt aber weder die eine noch die andere Partei beab­London. König Georg VI. wird mit zwei sichtigt, die Verhandlungen, die nach ihrem gan­Kronen getrönt werden, u. zw. mit der St. Ben Charakter die größte Sorgfalt und die britische Regierung volle Aufkläruns durch welche Desterreich und Ungarn in den Wagen Standpunkte erfordern, mit allzu großer Gile zu genauen Standpunkt der italienischen Regierung eine gründliche Ueberprüfung der beiderseitigen verlangt. Außerdem hegt sie den Wunsch, über den betreiben. informiert zu werden und zugleich auch ihren eigenen Standpunkt so klar darzulegen, damit nie mg 18 mehr irgendwelche 3 wei fel auftauchen könnten.

Eduards- Krone und mit der Neichskrone als Ne­gent der Dominien. Die Krönungsfleinodien wur­den dieser Tage unter starter Bewachung aus der Schattammer im Tower behoben und von den Re- Die Grundlage der Verhandlungen bildet gierungsjuwelieren besichtigt, um festzustellen, ob die gegenseitige Anerkennung, daß die Interessen eine Reparatur oder Reinigung notwendig ist. Die der beiden Regierungen im Mittelmeer sich gegen­britische Reichstrone gehört zu den Krönungs­wundern der Welt. Sie enthält 3000 Gdelsteine und in der Mitte ist der Cullinan- Diamant ein­gefeßt, dessen Wert unschäßbar ist.

Die Königin Elisabeth, die den Wunsch ausgesprochen hat, daß am englischen Hofe wieder das Vittorianische Beremoniell eingeführt werde, hat bereits den Hofmarschall, dem Herzog von Norfolk , die Weisung erteilt, bei den Vorbereitungen für die Krönungsfeierlichkei­ten, soweit es sich um die Einladung von Damen zu Hofe handelt, nach den Instruktionen vorzu gehen, die für das Hofzeremoniell unter Königin Mary in Geltung waren. Brattisch bedeutet das, daß fünftighin zum St. James- Hof geschiedene Frauen nicht Zutritt haben werden, gleichgültig, ob sie den Kreisen des diplomatischen Korps oder der höheren Beamtenschaft des Reiches angehören.

Trotzki nach Mexiko unterwegs

Oslo . Nach der Beitung Tidens Tegn" tourbe Trotti, bevor seine Aufenthaltsbewilli­gung in Norwegen ablief, an Bord eines norive­gifchen Dampfers gebracht, der nach Merito be­stimmt war. Das Schiff, auf dem sich Trobki be­findet, wird seine Reise ohne Zwischen Tandung durchführen.

Heftige Angriffe abgewiesen

Auch Fliegerangriff auf Madrid abgewehrt

Die italienische Expansion geht nach drei Michtungen: nach Norden, Westen und Osten. Im Norden ist Italien politisch im Donaubecken ein­gebrochen; ohne an Stalien eine Stüße zu finden, hätte Dollfuk im Feber 1984 die österreichische Sozialdemokratie nicht niederwerfen können. Der italienische Einfluß hat seine internationale Be­stätigung in den römischen Protokollen gefunden, der italienischen Politik eingespannt wurden. Die Beschäftigung Italiens in Östafrika und die Be­drohung durch England im Mittelmeer ( man dente nur an die Sommerreise Eduards VIII . nach Jugoslawien , Griechenland und die Türkei ) hat allerdings Italiens Stellung in Desterreich geschwächt und die österreichisch- deutschen Verein­barungen bom 11. Juli 1936 möglich gemacht. Italien hat dafür versucht, seinen Einfluß in Ungarn zu stärken, indem Mussolini in seiner Mailänder Rebe im November die ungarischen Revisionstvünsche als gerecht anerkannte.

Madrid.( Fabra.) Republikanische Ab- der Regierung kehrten alle ohne Beschädigung dehnungsdranges ist Ostafrika . Italien hat in

Neuer Zwischenfall

teilungen schlugen Mittwoch vormittags an der zurück. Madrider Front einen heftigen Angriff der Auf­ständischen im Abschnitt Monclova ab, wobei sic dem Feinde schwere Verluste beibrachten. Eine mit Dynamit ausgerüstete Gruppe hat das Fort Billa Verde in die Luft gesprengt, wo die Aufständischen eine starte Position ausgebaut hatten. Dabei tamen 60 Mann auf feiten der Aufständischen ums Leben. Nach der Abwehr des Angriffes wurden die Positionen der Regierungs. truppen gründlich befestigt.

Aufständische Flugzeuge versuchten am Mitt­woch neuerdings, das Dorf Villema an der Strede von Jagdflugzeugen der Regierung zur Flucht ge­Alicante Madrid zu bombardieren, wurden aber zwungen. Dabei wurde ein Flugzeug der Auf­ftändischen von Schüffen getroffen und ist wahr. fcheinlich abgestürzt.

einen Anflug auf Madrid , wurde aber von Die aufständische Flugwaffe versuchte auch Megierungsflugzeugen daran gehindert, welche zwei Heindelapparate abfchoffen. Die Apparate

Valencia . Das amtliche Breffebureau Fabra bringt die Meldung, daß der sowjetruf­fifche Naphthadampfer" So i uz Bebnitow" von aufständischen Schiffen angehalten wurde. Auf den Dampfer wurde aus Kanonen geschoffen, worauf an Bord Fener entstand. Sovann wurde er gezwungen, nach Ceuta abzudampfen, wo er sechs Tage zurückbehalten und einer eingehenden Untersuchung unterworfen wurde. Als nicht efunden wurde, erhielt der Kapitän ble Be willigung, die. Reise fortzusehen.

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Die zweite Richtung des italienischen Aus: einigen Monaten einen großen Teil Abessiniens unterworfen, ist im Frühjahr in dessen Haupt­stadt einmarschiert und ist jebt dabei, das letzte Stüd des ehemaligen Neiches des Negus zu bes feßen. Diejenigen, welche dachten. England werde nicht dulden, daß die Italiener sich am Tanasee festießen und so die Nilquellen kontrollieren, haben Inrecht behalten, die Sanktionspolitik des Völkers bundes ist zusammengebrochen, Italien behält bessinien.

Die dritte Richtung der italienischen Ausdeh­nungsbestrebungen ist das östliche Mittelmeer und Mussolini hat die spanischen Wirren dazu benüßt, um einen Teil der Balearen zu befeßen. Das iſi aber eine Bedrohung der Verbindung Frankreichs und feines nordafrikanischen Meiches sowie eine Gefährdung des englischen Seewveges nach Indien . England und Frankreich suchen nun dieser Gefahr durch ein Uebereinkommen mit Italien zu be

Außenminister Del Bayo ersuchte den spanie Ichen Botschafter in Moskau . telegraphisch, dem Außenkommiffär die Erbitterung zu ver­als die Meldung über die Verfentung des So- gegnen. dolmetschen, welche in Spanien platgegriffen hat, wjetbampfers om fomol" durch spanische Der Preis, den insbesondere England den Aufständische eingetroffen ist. Italienern für ihren Rückzug von den Balearen