SPANIEN Spanien

in der Weltpolitik

Invasionen

Spanien erduldet heute nicht zum ersten Male die Invasion fremder Heere. Etwa ums Jahr 1000 vor Christus drangen die Kelten von Nor­den her auf der iberischen Halbinsel ein und ver­mischten sich mit den dort wohnenden Iberern zu dem, was man Keltiberer nennt. Schon vor dem Eindringen der Welten hatten aber die von Asien her übers Mittelmeer gekommenen Phönizier in großen Gebieten des überischen Küstenlands ge­siedelt. In der Folgezeit war die Halbinsel Er­oberungsziel der Punier, tie von Karthago aus ein nordafrikanisches Reich gegründet hatten, dann der Römer, der Germanen und schließlich der Araber. Das politische Aktionszentrum Europas lag damals am Mittelmeer ; die iberische Halbinsel wurde allen Mittelmeermächten, die nacheinander entstanden und einander ablösten. ein wichtiger Stüßpunkt. Das änderte sich, als sich das Schwergewicht der Politik mit der Herausbildung Frankreichs und Deutschlands . nach Norden verschob: Mit dem Sieg, den Karl Martell 732 über die bis nach Mittelfrankreich vorgedrungenen Araber zwischen Tours und Poitiers errang, verlief die Invasionsrichtung endgültig in entgegengesetter Richtung. Schon einmal, als das römische Reich zu verfallen be gann, hatte Spanien Einfälle von Norden her durchgemacht; germanische Stämme waren ein­gedrungen und hatten eine Zeitlang in Spanien geherrscht, wurden zum Teil aufgesaugt, zum Teil zogen sie nach Nordafrika weiter, wo sie turze Zeit eigene Reiche gründeten, um bald stär­feren Gegnern zu unterliegen und unterzugehen. Von Karl Martell ab war Spanien definitiv nicht mehr Landungsstelle der Mittelmeervölker, die Europa erobern wollten, sondern ein ins Mittel­ meer vorgeschobener Posten Europas . Karl der Großze zog über die Pyrenäen ; die Unterwerfung der Halbinsel glückte ihm aber nicht; er mußte fich mit der Begründung der Spanischen Mark, des unmittelbar südlich der Pyrenäen liegenden Gebietes, begnügen.

Entstehung einer Nation

In Spanien selbst setzte der Prozeß der Entstehung einer Nation ein, der sich über mehrere Jahrhunderte hinzog und sich vor allem in der N e conquista, d. h. der Wieder­eroberung des von den Arabern noch gehaltenen Landes äußerte. Fragt man sich, wer denn eigent= lich gegen die Araber, die dem Lande eine in der Geschichte einzig dastehende politische, soziale und geistige Hochkultur und Blüte geschenkt hatten, aufstand, so findet man, daß aus dem Gemisch aus Keltiberern, semitischen Völkerschaften( Phö nizier, Punier, Araber), Römern und Germanen ( Alanen, Vandalen, Westgoter) eine Rasse mit eigenem Typus entstanden war die sich durch ihre römisch- katholische Religion, durch ihre romani­schen Sprach- und Dentformen von den Arabern deutlich unterschied, obwohl ihre Bestandteile unter sich wieder sehr verschieden waren. Diese Rasse ohne nationale Einheit leitete durch den Kampf gegen die Araber ihre Zusammenschmel zung zur Nation ein. Staatliche Form erreichte sie erst, als 1469 durch die Heirat Ferdinands von Aragón mit Isabella von Kastilien der Kern des spanischen Reiches entstand.

Diese beiden Herrscher leiteten die große Epoche Spaniens ein und zu gleicher Zeit säte

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die sonst so weitsichtige und befähigte fins

durch die Einführung der Inquisition

iteren Fanatismus, jene Unduldsamkeit, fenen Obsturantismus, die so hemmend auf die Ent­widlung Spaniens eingewirkt haben. Dieser von Frankreich her eingeschleppte Geist, eine furchtbar: Neaktion auf die heitere, von aufgeklärter Gei­stigkeit und religiöser. Duldsamkeit erfüllte Araberzeit, ist Spanien zum Verhängnis ge­Ivorden.

tandidaten durch; aber Spanien bezahlte( 1713) die Rechunng: es verlor Neapel , Sardinien , Mais land und die südlichen Niederlande an Dester­reich, Sizilien an Savoyen, Gibraltar und Me­ norca an England. Später, 1808, eroberte Na poleon das Land und setzte seinen Bruder zum König ein; damals führten die Spanier ihre be­rühmt gewordene ,, Guerilla"( Kleinfrieg); 1913 verließen die letzten Franzosen das Land. Rehn Jahre später waren sie wieder da: 1823 rückten 100.000 Mann ein, auf Befehl der Heiligen Allianz ", die Frankreich den Auftrag gegeben hatte, die liberale Regierung zu stürzen und die Neaktion wieder einzusetzen. Es geschah; der

Zweihundert Jahre lang war Spanien groß; nach dem Dreißigjährigen Krieg fallen die Nie- liberale Führer Niego wurde gehängt. Der derlande ab, zu Beginn des 19. Jahrhunderts nächste liberale Schlag erfolgte schon 1840. Das machen sich die amerikanischen Kolonien selb- neunzehnte Jahrhundert ist von Hin und Her der ständig, 1898 nehmen die Vereinigten Staaten liberalen und reaktionären Aufstände erfüllt: ich Kuba , Puerto Rico und die Philippinen. Spas Spanien ringt um die ihm gemäße nien bleiben an Kolonien nur noch einige Gebiete staatliche und gesellschaftliche in Nordafrika .

Form.

Wieder Invasionen, Die Unheilige Allianz von 1936 Im Laufe dieser Jahrhunderte hatte das In Spanien , das bis vor kurzem abseits lan Land immer wieder Invasionen zu erleiden. und für die europäische Entwicklung belanglos Im vierzehnten Jahrhundert kämpften Gualänder schien, auf diesem Vorposten Europas , der, durch und Franzosen für den König Pedro den Grau- die Pyrenäen vom Herentessel europäischer Er­samen, beziehungsweise seinen Gegentönig Heins eignisse getrennt, nicht einmal im Großen rien rich von Trastamara . Als sich 1640 Katalanien ins europäische Schicksal einbezogen wurde, fallen aur unabhängigen Republit erklärt hatte, unter- heute Entscheidungen über zwei politische Fats nahm Frankreich eine Intervention zu feinen toren: über den Soaialismus und über Gunsten. Im Spanischen Erbfolgefrieg lämpf Europa . Die Front des spanischen Bürgers ten auf spanischem Boden Frankreich auf der triegs ist zugleich die Front des Maffentriegs und einen, England, Desterreich, Holland auf der die Front zwischen europäischer Demokratie und anderen Seite. Frankreich setzte seinen Thron- Fascismus. Die spanischen Ereignisse sind ein

Kapitel der Geschichte der Arbeiterbewegung und der Geschichte des europäischen Kontinents( und als solche der Geschichte jeder europäischen Na tion).

ein strategisches Plus für Deutschland . Und schließlich soll Spanien das Sprungbrett nach Afrika werden, Ausgangspunkt für den Er­werb von Kolonien und Ausfallstor für die Attacke auf Englands Weltvorherrschaft.( Daß auch der isolierte Posten Gibraltar in wesentlich schwierigerer Lage ist, sofern ein von Deutschlanz beeinflußtes, womöglich gar organisiertes, fascht­stisches Spanien sein Hinterland bildet, als wenn er ein demokratisches, sozialistisches im Rücken hat, ist flar. Ein kleiner Nebengewinn für Hit­

Wie vor hundert Jahren sehen wir das Ein­greifen reaktionärer Staaten in die innere Aus­einanderseßung. Aber während 1823 die Aftion der Heiligen Allianz nichts weiter war als die Diebshilfe, die einige reaktionäre Dynastien ihrem svanischen Zunftgenossen leisteten, damit er seine Beute festhalten konnte, hat die Intervention der Unheiligen Allianz von 1986 viel weiter reichende lers Pläne.) Ziele. Für sie ist Spanien ein vorgeschobener Punkt, der im Intereſſe ihrer imperialistischen Biele und der Faschisierung des Kontinents zu Es ist selbstverständlich, daß diese beiden einem Fort ausgebaut werden soll, das für Frank- Ausdehnungstendenzen, die mussolinische und reich und das englische Empire eine ernsthafte Be- die hitlerische, einmal in Kollision geraten müs drohung bedeutet. So kommt es, daß Spanien sen. Aber vorerst machen die beiden faschisti­

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Arbeitsteilung

schen Mächte gemeinsame Sache. Es ist nicht uninteressant, die Arbeitsteilung zu betrachten: Hitler hat die Arbeit auf der iberischen Halbinsel übernommen, während Mussolini sich dort nur schwach, fast nur der Form halber. betätigt und sich in der Hauptsache mit der Fest= setzung auf den Balearen begnügt. Der Ita­Tiener hat vor dem Deutschen , wie man seit lan gem weiß, voraus, daß er ein Staatsmann und ein Stopf ist; er hat sich weise die weniger fost­spielige und träfteverbrauchende Aufgabe ge= wählt. Die Balearen zu halten- militärisch oder politisch ist weniger schwer, als das iberische Festland zu erobern und niederzuhalten und seinen Besit diplomatisch gegen Europa durchzufechten. Und im Falle eines enttäuschen­den Ausgangs ist es weitaus einfacher und dem Prestige taum abträglich, auf die Balearen zu verzichten( von denen man ohnehin immer be­teuert hat, man denke nicht daran, sie zu annek tieren), als geschlagen aus Spanien abzuziehen, das ersehnte Kolonialgebiet wieder dem Volk und seiner Regierung zu überlassen. Der wirkliche Gewinner bei einem Sieg Francos wäre Musso­ lini . Der wirkliche Verlierer bei einem Sieg des Volkes wird Hitler sein.

Was die beiden Diktatoren zur derzeitigen Zusammenarbeit bringt, ist in erster Linie das Ziel, Frankreich zu schwächen. Eine Besetzung der Balearen durch Italien oder ein Franco- Re­gime würde Frankreichs Verbindung mit seinen nordafrikanischen Besizungen ernstlich gefährden und seine Mittelmeerhäfen entwerten. Wäre die Bedrohung der Pyrenäenfront nicht zugleich eine Schwächung der französischen Rheinfront, so müßte einem der spanische Feldzug Deutschlands ebenso ungesund und phantastisch vorkommen wie der Versuch, England während des Weltkriegs in Palästina und Mesopotamien zu erledigen, in Jerusalem pern zu erobern. Ein afrikanisches Kolonialreich ist, auch wenn Spanien und die Kanarischen Inseln als Stützpunkte gegeben sind, nicht so leicht zu schaffen noch zu halten, wie man sich's in Berlin vorzustellen scheint. Da man aber gewiß sein darf, daß Deutschland , wenn der Franco- Hitler- Mussolini- Plan gelingen würde, mit fanatischer Entschlossenheit alle nötigen Auf­wendungen machen würde, ist der deutsche Vor­stoß nach Spanien - Afrika von England durchaus ernst zu nehmen.

Die Nichtintervention

Nun erleben wir, daß England und Frank­ reich in der spanischen Angelegenheit offensichtlich ihren eigenen Interessen zuwiderhandeln. Frank­ reich ist in der sogenannten Nichtinterventions­politik, die praktisch auf eine Unterstützung der Rebellen hinausläuft, nur Gefolgsmann Eng­lands. Der Schlüssel liegt bei England. Die Gründe für diese Politik sind: Erstens die Be-; sorgnis, aus dem Spanienkonflikt fönne ein allge meiner europäischer Krieg entstehen. Zweitens Englands Desinteressement am westlichen Mittel­ meer . Seit dem Fall Abessiniens hat man sich in London entschlossen, das westliche e Mittelmeer Italien zu überlassen und dafür die englische Po= sition in den östlichen Mittelmeergebieten zu festigen. Dieser Politik sind nun unter anderem auch die französischen Mittelmeer - und Nord­afritaintereffen geopfert worden. England duldet sogar, daß das von London recht abhängige Por­ tugal bei dem Versuch, Spanien zu vergewal= tigen, eine Hauptrolle spielt. Mit Rom einigt sich London im Guten, und tatsächlich hat es er reicht, daß Mussolini nicht nur seine diplomati schen Offensiven auf dem Valtan bald nach dem Posaunenstoß der Mailänder Allerheiligenrede stillschweigend abſtoppte, sondern sogar, daß er sich in den spanischen Dingen etwas zurückhalten­der verhält und Hitler sich allein exponieren läßt.

heute zu gleicher Zeit das Riel bei der histori­schen Invasionstendenzen ist: der vom Mittelmeer und der vom Norden her. Für Mussolini liegt der Vorstoß nach der iberischen Halbinsel selbst verständlich im Nahmen seiner Konzeption, die darauf ausgeht, das Mittelmeer wieder zu einem römischen Binnensee zu machen. Hitlers Drang nach Spanien enthält zunächst einmal das Stre­ben nach dem Mittelmeer , das die Kaiser des Mittelalters nach Italien führte. Ueber die Alpen vorzustoßen, kann heute nicht in Betracht kommen, da dort ein zeitweiliger Bundesgenosse Der Ausbruch des europäischen Kriegs ist sitzt, der zudem militärisch erheblich ernster zu angeblich durch die englisch - französische Politik nehmen ist als das zerrissene Italien der Stau- verhindert worden. In Wirklichkeit hat er nie ferzeit. Der Rug nach dem Süden erleidet darum gedroht. 1. Es iſt Muſſolini gar nicht, Hitler zur eine leine Richtungsveränderung. Der Einfall Beit noch nicht darum zu tun, militärisch zu und die Feſtſebung in Spanien oder die Gleich ſiegen. Sie haben nur die Drohung mit dem schaltung Spaniens bedroht aber außerdem Schwert benutzt, um sich freie Hand in Spanien Deutschlands Erbfeind" Frankreich an zu erpressen. Gegen die Koalition England­einer bisher nicht gefährdeten Front. Das be- Frankreich- USSR und ihrer Verbündeten hätten deutet: Schwächung der französischen Ostfront: sie nie aufzutreten gewagt. Der Erfolg ihres