Sonderbeilage Spanien

IV

Spanische Lyrik

I 19

nicht; die Tanks haben keinen sonderlichen Wert, und werden in manchen Fällen durch das heroische Vorgehen eines einzelnen Mannes außer Gefecht gefeßt; die Mannschaften sind dem Gefechtswert Die nachfolgende kleine Auswahl aus zeitgenössischen spanischen   Dichtern ist nicht nach ihren Gegnern offenbar nicht überlegen, oft unterlegen; es gibt das steht, auch wenn man nach langem, sorgfältigem Suchen in den vollständigen Lyrikbänden der Autoren, sondern manche Zahlen für übertrieben hält, festzahl mit einer gewissen Hast durch schnelles Durchstöbern spanischer Anthologien zustande­reiche Desertionen. In letzter Zeit laufen übrigekommen. Es lag an äußeren Umständen. Aus der Auslese, die in den zur Verfügung gens auch viele Marottaner und spanische Stegu stehenden Sammlungen an Einzeldichtungen vereinigt war, mußte gewählt werden, was läre über. Auch das widerliche System, die Zivil­bevölkerung der Hauptstadt durch Bombardierun ungefähr dem Zweck entsprach: Gedichte, die nicht zu lang, nicht zu artistisch waren gen zu demoralisieren, hat versagt: Die Berteidis und nicht inhaltlich zu sehr außerhalb unseres Interessenbereiches lagen. So war es zum gung und ihre Organisation hat keinen Moment Beispiel nicht möglich, ein sehr langes, eigenartiges Gedicht von Alberti zu nehmen, ausgefebt; die städtischen Betriebe funktionieren das noch mehr als das knapp und deutlich politische hier abgedruckte kürzere- weiter; die Feuerwehr und die Sanitätsmann­schaften arbeiten unter dem Bombardement an der spiel seiner revolutionären Inbrunst gegeben hätte. Von García Lorca   war kein Gedicht Rettung von Menschenleben und der Berhinde- mit politischer Tendenz vorhanden. Immerhin gibt aber ,, Das Weinen" ein Beispiel seines rung von Bränden.  ( Die Feuerwehr hat beceits starken Gefühls für das Leiden der Menschheit. Zum Formalen ist zu sagen: Daran, eine lange Liste von Toten.) Und die Bevölkes daß, außer einem, alle abgedruckten Gedichte ohne Reim sind, ist nicht etwa meine Be­rung selbst bleibt und muß zum Auszug aequemlichkeit schuld, die mich veranlaßt hätte, kurz und bündig nur den Inhalt zu über­3 wungen werden. Am 17. Dezember hat ber Evaluierungsrat befohlen, daß alle Personen, die tragen, sondern die Tatsache, daß der Reim bei den spanischen Dichtern zumal den mo­erst nach dem 19. Juli augezogen sind, die Stadt dernen, viel seltener angewendet wird, als bei den deutschen. berlassen müssen, sofern sie nicht Kriegs-, Sani­täts- oder andere öffentliche Dienste verrichten.

Die Deutschen   haben bisher einen Ers folg gehabt. Ihre Zahl wächst jedoch, und tat­sächlich ist das Heer Frances trotzdem es den zahlenmäßig stärksten Teil de bellenarmee aus­macht- heute ein Teil des deutschen Expedi tionstorps. Die Deutschen   führen den Krieg und kommandieren; von den verschiedensten Front­abschnitten werden bereits Konflikte zwischen den deutschen Befehlshabern und ihren spanischen Ge­folgsmännern berichtet. Nach einem sehr sachlichen und mit genauen Angaben versehenen Bericht eines aus Marotto zurückgekehrten Franzosen haben sie auch in Spanisch- Marotto die Leitung übernom men.

1. Unter ihrer Direktion werden zur Zeit die Stämme an der Grenze von Französisch- Marottc mit Waffen und Munition ausgerüstet und an der Grenze selbst militärische Arbeiten vorge

nommen.

Frederico Garcia Lorca

Geboren Ende des letzten Jahrhunderts, wahrscheinlich 1899, in Frentevaqueros( Pro­ vinz Granada  ), Zeichner, Maler, Dichter. Als

LORCA  

Der spanische Bürgerkrieg ist heute eigent: lich schon ein deutscher   Feldzug in Spanien   gegen die legale Regierung und das Bolt, bei dem auf seiten des Invasionsstaats gewisse Formationen Dichter der Liebling des spanischen   Volkes. aus Spaniern oder Marottanern stehen. Die Nie einer politischen Organisation zugehörig, deutschen Verluste an Toten betragen zur Zeit etiva 1200. Wenn Franco Madrid nicht er­obern tann, so heißt das, daß die Deutschen   es nicht erobern tönnen, daß Madrid   das zweite Verdun der Deutschen   geworden ist.

Während zweifellos der Kampf um Madrid  zur Zeit Zentrum und Gipfelpunkt der spanischen  Situation bildet, sind doch auch die Vorgänge im Norden nicht univichtig. Dort kämpfen die Basten und Asturier in aller Ruhe, aber bis jest ohne Rückschläge, und erobern langjam, Schritt für Schritt, Gelände in den angrenzenden Land­schaften Altkastilien, León und Galicia  . Auch an dieser Front gibt es zahlreiche Ueberläufer und vor allem einen ziemlich beträchtlichen Auszug der Zivilisten aus dem von den Rebellen gehaltenen Gebiet. Es wird sogar berichtet, daß selbst gut­situierte Bürger, die politisch rechts stehen, sich schon unter denen finden, die ins Regierungs­gebiet flüchten. Seit turzem haben die Rebellen auch an dieser Front Deutsche   eingeseßt.

An der Aragónfront, der Domäne der katas lanischen Milizen, herrscht, von Einzelaktionen ab= gesehen, Ruhe. Dieser Zustand befremdet nicht nur unsereinen, sondern auch fatalanische Streise. Vor allem die linksrepublikanische Presse, so der " Diluvio  " und die Humanitat", beide in Barce= Iona, fragt nach den Gründen dieser Inaktivität. Die Humanitat" sagt mit Recht:" Die Front von Madrid   ist in Madrid   und in Asturias   und in Cantabria   und in Andalusien   und in Ara­ gon  ." Der betreffende Artikel trägt die Ueber­schrift: Warum?" Da es notwendig wäre, die Gründe dieser Zurückhaltung an der aragonesi schen Front in innerfatalanischen politischen Ver­hältnissen zu suchen, würde ihre Untersuchung zu iveit von dem hier gesezten Thema abführen.

aber leidenschaftlicher Revolutionär. Im Sommer 1936 von den Rebellen ermordet. Die Mörder gehörten der faschistischen Falange" an. Reiterlied

Córdoba,

fern und einsam.

Schwarzer Klepper, großer Mond, und Oliven in meiner Satteltasche. Und ob ich auch die Wege kenne, komm ich doch nimmermehr nach Córdoba  ..

Durch die Ebene, durch den Wind, schwarzer Klepper, roter Mond. Stumm schaut der Tod mich an von ferne,

von den Türmen von Córdoba  .

Weh, wie lang ist der Weg! Weh, mein schwarzer Klepper! Wehe, der Tod wartet mein, eh ich nach Córdoba   komme.

Córdoba  ,

fern und einsam.

Das Weinen

Ich habe die Tür meines Balkons geschlossen, well ich das Weinen nicht hören will. Aber durch die grauen Mauern hört man nichts anderes als das Weinen, Wenig Engel gibt's, die singen; wenig Hunde gibt's, die bellen;

Ueber den weiteren Verlauf der Dinge fann tausend Geigen faßt die hohle Hand: man natürlich keine detaillierten Vermutungen aufstellen. Die Entwicklung wird davon abhän- aber das Weinen ist ein ungeheurer Engel, gen, wie weit sich Deutschland   durch iveitere Sen- das Weinen ist eine ungeheure Geige, dung von Material und Truppenteilen engagiert die Tränen ersticken den Ruf des Windes, - und welche Hilfe von anderer Seite den Lega- und nichts anderes hört man als nur das Weinen. Ten zuteil wird. Man darf wohl annehmen, daß sich Italien   vorsichtig aus dem spanischen Aben­teuer zurückzieht; die Bereitschaft dazu ist be= stimmt eine wenn auch nur stillschweigend ge­

--

*

Rafael Alberti  

machte Voraussetzung für das Zustandekoms Geboren am 16. Dezember 1902, Zögling men des englisch  - italienischen Mittelmeerabtom des Jesuitenkollegs in Puerto   Santa Maria, mens gewesen. Hitler   dürfte tatsächlich in die Provinz Cádiz  . Aus angesehener bürgerlicher peinliche Lage geraten, allein auslöffeln zu müs jund betont katholischer Familie, wollte ur­sen. was er gemeinsam mit Mussolini   einge­brodt hat. sprünglich kubistischer Maler werden, wurde

,, Peñaranda de Duero" ist ein Ortsname. Peñaranda de Duero

Auf eine Aufhebung des Waffenlieferungss der entschiedenste, kämpferischste und popu­verbots durch die demokratischen Staaten ist taum lärste der Revolutionäre in der jungen Dich­zu hoffen. Die Vermittlungs- und Waffenstill- tergeneration. Der Titel des hier folgenden, standsangebote haben von der spanischen   Regie scharf pointierten, aufstachelnden Gedichts: rung die verdiente Ablehnung erhalten. Was günstigstenfalls zu erreichen wäre, das wäre eine wirksame, wenn auch nicht vollständige, o doch starte Verhinderung der Einfuhr von Material und Truppen. Mehr wird taum zu erreichen sein. Die spanische Regierung hält natürlich ihren Standpunkt, nach dem sie völkerrechtlich Anspruch auf Waffenlieferungen hat, aufrecht; sie wird aber vermutlich eine eventuelle scharfe Kontrolle der Grenzen billigen, denn wenn den Rebellen tatsächlich die Zufuhr von Waffen und Menschen nennenswert unterbunden werden könnte, wäre der Sieg der Regierung und des Voltes gelviß.

Warum schaust du mich so ernst an, Fuhrmann?

Du hast vier graue Maulesel, ein Pferd davor,

einen Wagen mit grünen Rädern, und die ganze Landstraße für dich, Fuhrmann.

Was willst du mehr?

-

ein Bei­

M. B.

Antonio Machado  Geboren 1875 in Sevilla  . Das geliebte Haus

Das geliebte Haus, in dem sie wohnte,

zeigt jetzt, zerstört, vernichtet, auf einem Trümmerhaufen das schwarze, wurmstichige, schlecht gezimmerte Skelett aus Holz.

Durch die Fenster gießt der Mond träumerisch sein klares Licht,

das alles übersilbert.

In schäbigem Rock und traurig

geh ich meinen Weg durch die alte Straße.

Ich träume Wege

Ich träume Wege, gestreckt im Abend. Goldenes Glühn der Hügel, dle Pinien grün, die Eichen staubbedeckt Wohin der Weg? Wer weiß? Ich gehe mit Gesang einsam den Pfad entlang... Schon fällt der Abend leis.

-

,, Einst quälte im Herzen mich sehr der Leidenschaft scharfer Dorn; ich riß ihn aus voll Zorn nun fühl ich das Herz nicht mehr." Und einen Atemzug sinnt verstummt und düster das Land. In den Pappeln an Flusses Rand klingt murmelnd nur der Wind. Im Dämmer ertrinkt aller Glanz; es schlängelt ins Dunkel hinein der Weg sich mit bleichem Scheln, verblaßt und verliert sich ganz.

Von neuem klagt voll Schmerz mein Lied: O goldener Dorn,

o fühlte, du scharfer Sporn, deinen Stachel wieder das Herz!"

Freitag, 25. Dezember 1936

Pastorale

Da sind schon die Wagen...

es haben's Wind und Pinlenhain gesagt, cs hat's der gold'ne Mond gesagt,

es haben's Rauch und Echo uns gesagt... Es sind die Wagen, die vorüberziehn des Abends, wenn die Sonne untersinkt, die Wagen, die vom Berge die toten Stämme bringen. Wie sie weinen, die Wagen, auf dem Weg nach Pueblo Nuevo!

Die Ochsen kehren verträumt heim beim Licht der Sterne, zurück zum warmen Stall,

der nach Mutter und Heu schmeckt. Und hinter den Ochsenwagen schreiten die Fu

à Fuhrleute,

den Stab mit der eisernen Spitze auf der Schulter und den Blick im Abendhimmel.

Wie sie weinen, die Wagen,

auf dem Weg nach Pueblo Nuevo!

Dahinten, Im Frieden des Feldes, lassen die toten Stämme

elnen frischen, reinen Geruch zurück,

Geruch aus innerstem Innern, weltoffnem Herzen. Und das Läuten des Angelus fällt vom Turm des alten Dorfes über die abgeholzten Felder, die nach Friedhof riechen.

Wie sie weinen, die Wagen, auf dem Weg nach Pueblo Nuevo!

,, Rauch und Echo": der Herdrauch; das Abendessen wird bereitet; das Echo des Tales  . ,, Pueblo Nuevo"( auf deutsch  : Neudorf): Name eines Ortes. ,, Stab mit der eisernen Spitze"( spa­nisch: ,, aijada"): ein mit Widerhaken versehener Stab, mit dem die Ochsen gelenkt werden. ,, An­gelus": das Abendläuten.

Der Eindringling

Von Blasco Ibañez  

In dem Noman., Der Eindringling", er­schienen in der Büchergilde Gutenberg. schildert der große spanische Dichter Blasco Ibañez   das Wirken der spanischen   Jesuiten  . Wir bruden aus dem Roman eine Stelle ab, die ein Ges spräch zwischen dem fortschrittlichen Arzt Aresti und seinem Better Sanchez Morueta wieders gibt. geht von dem Versuch der.

vies Geſpraetorueta. den Be

aus,

herrscher der Industrie von Bilbao  , mit Hilfe seiner Frau Einfluß zu gewinnen; sein Inhalt hat angesichts der Ereignisse in Spanien   be sondere Attualität.

Sanchez Morueta brach in ein schallendes Gelächter aus.

,, Du bist verrückt, Quis, total verrüdt! Das Kurzgedicht, das in wenigen Silben nal. Die Lektüre hat dir den Kopf verdreht. Wozu Umsonst nennt man dich ja auch nicht ein Origi einen Gedanken, ein Gefühl, eine Stimmung all dies Gerede von Phantasmen, Dramen, Ein­abgerundet und vollendet ausdrückt, wird in bringlingen und Teufeln mit Tonsur? Es rührt

den östlichen Literaturen mit besonderer

Liebe und Sorgfalt gepflegt. Solche Gedichte doch alles nur daher, weil ich meiner Familie die gehören sowohl in der ostasiatischen als auch Freiheit lasse, sich in praktischen Religionsübun in der arabischen   und persischen Literatur gen zu ergehen und sich mit der hübschen, von zum Schönsten ihres Bestands. In Spanien  , as fann ich machen, wenn sie Vergnügen daran den Jesuiten   erfundenen Devotion zu zerstreuen. wo sie sich als Erbe und Frucht der Araber- finden? Willst du, daß ich ihnen wie ein Thrann zeit besonders in Andalusien   erhalten haben, aus einem Theaterstück meinen Willen auf­versteht man sie ebenso zu würdigen, wie irgendein anderes, umfänglicheres Gedicht. vinge und befehle: Schluß mit allen Beziehun­Machado hat sehr viele solcher Kurzgedichte messe, die der Pfarrer von Portugalete   in gen zu den Patres; hinfort gibt es nur noch die geschaffen. Ein Beispiel: unserer Haustapelle liest! Nein, Luis, das tue ich nicht. Ich bin sehr liberal, vielleicht liberaler als du."

Stunde meines Herzens: die Stunde einer Hoffnung und einer Verzweiflung.

Juan Ramón Jiménez Geboren am 24. Dezember 1881, jetzt also genau 55 Jahre alt. Erzogen im Colegio de Jesuítas von Puerto de Santa Maria  , Provinz Cádiz  .

Die Silberpappel Droben singt der Vogel, und drunten singt das Wasser. Lied von oben, Lied von unten öffnen meine Seele. Zwischen zwel Liedern die silberne Säule. Blätter, Vogel, Stern; Zweige, Wurzeln, Wasser.

Zwischen zwel Schwingungen die silberne Säule.

Und du, unvergleichlicher Stamm, zwischen meiner Seele und meiner Seele. Schaukelnd schwingt sich zum Stern das Lied, die Welle zum hängenden Zwelg. Oben und unten zittert meine Seele,

Mit der Ueberzeugung eines Briten   be= tonte er seinen Respekt vor der Freiheit des In­dividuums und seinen Abscheu gegen jeden Ge­wissenszivang.

,, Wie viel Familien gibt es nicht in Eng­land, deren Mitglieder verschiedenen Religionen angehören, ohne daß sie sich deswegen feindlich gegenüberstehen. Nein, Luis, Gewissensfreiheit. für alle!"

Aresti wurde erregt angesichts der heiteren Nuhe, mit der sein Better von der Freiheit sprach. ..Ich pflichte dir vollkommen bei, wenn es sich um ein Land handelt wie das, von dem du sprichst!", rief er aus. ,, Gin Land, das weder An­dersgläubige verfolgt, noch religiöse Intoleranz getannt hat. Wie aber kann man hier bei uns bon Freiheit reden, in diesem Spanien  , das der gangen Welt als das Land der Inquisition und Heimat des Ignatius von Loyola   bekannt ist!.. Seit vier Jahrhunderten lastet die leritale Thrannei auf unseren Schultern. Der einheitliche fatholische Glaube steht keineswegs in der Vers faffung, doch die Machthaber sorgen dafür, ihn als Sitte und Gewohnheit zu verewigen. Und da willst du mit britischem Phlegma von Freiheit und Achtung für undere Stulte sprechen?... Das wird in dem neuen Spanien   möglich sein, dessen Geburt wir seit Jahrzehnten erwarten, das den Kopf hebt und sich gleich darauf wieder verbirgt, im­Imer noch unschlüssig, ob es ganz aus den Einges