Scite A
Tagesneuigkeiten
Der Zaun ums Wissen
Der Verlag Neue Erziehung"( Aussig ) kündigt ein demnächst erscheinendes Buch an, das in seiner Art einzig sein dürfte. Es ist nicht mehr und nicht weniger als eine Geschichte des Bildungsmonopols in den ver. schiedenen Gesellschaftsformen. Es gibt zwar verschiedene Darstellungen der Bildungsprivilegien einzelner. Epochen, aber eine zusammenfassende historische Darstellung des Kampfes der jeweils herrschenden Klassen um das Monopol auf Bildung, der jeweils unterdrückten Klassen gegen dieses Monopol hat es bisher kaum gegeben. Der Autor des Buches, Otto Friedrich, ist durch sein Buch ,, Weise von Zion, Juden als Baumeister der Menschheit" und durch verschiedene kleinere Schriften bekannt geworden. Ueber das Buch wird nach seinem Erscheinen noch verschiedenes zu sagen sein. Hier sei nur auf das verdienstvolle Vorhaben der sozialdemokratischen Lehrer hingewiesen, in ihrem Verlag Beiträge herauszubringen, die geeignet sind, dem Kampf der Sozialisten in dieser Zeit wertvolle Impulse zu geben. Gerade heute wird es deutlich, daß der Kampf um den Sozia Iismus mehr ist als nur eine Magenfrage, daß es sich um den Kampf um die Kultur, um den Sinn des Lebens überhaupt handelt. Der Zaun, den die Herrschenden um das Wissen gezogen haben und den sie heute wieder höher und höher, enger und enger aufrichten, trennt den Großteil der Menschheit von den wertvollsten Gütern. In diesen Zaun Bresche zu schlagen, ihn niederzureißen, ist ein uraltes Stampfziel der Menschheit. Die Form des Kampfes hat sich vielleicht geändert, sein Inhalt und sein Ethos sind sich gleich geblieben, seitdem die ersten kühnen Revolutionäre gegen die Privilegien von Priestern und Medizinmännern anstürmten, bis in unsere Tage, da es den Zaun niederzureißen gilt, den die raffinierten Ingenieure der Gleichschaltung in den Diktatur. ländern um den Geist aufrichten.
Ein Opfer der Arbeit.( b) Bei der Arbeit getötet wurde, wie uns gemeldet wird, in Bud weis beim Umbau des dortigen Krankenhauses der 21jährige Arbeiter Wenzel Schim on durch Einsturz einer Grundmauer. Der Verunglückte starb turze Zeit, nachdem er von seinen Arbeitskameraden aus dem Trümmerfeld befreit worden
Donnerstag, 31. Dezember 1936
DEUTSCHE RE
G
FRAU A.G.
Das geheimnisvolle Großfeuer am S- Bahn - Tunnel am Potsdamer Platz Am Abend des dritten Weihnachtsfeiertages brach in den unterirdischen Bahnhofsanlagen der noch im Bau befindlichen Nord- Süd- Bahn am Potsdamer Play in Berlin ein Großfeuer aus, bei dem nicht weniger als 19 Löschzüge eingesetzt werden mußten. In den ersten Morgenstunden konnte der Brand eingekreist und die Gefahr beseitigt werden.
Nr. 303
beren Waren. Das ganz und gar nicht fürstliche Geschäftemachen hatte ihm schon Franz Ferdinand übel genommen, es tostete den zum Feldmarschall ers nannten, wenig martialisch aussehenden kleinen und biden Mann nun vollends sein Ansehen. Als Kaiser Karl persönlich den Oberbefehl des Heeres übernahm, mußte Friedrich aus dem aktiven Dienst scheis den. Er konnte sich nun ganz seinen Geschäften wid men. Auch die Nachkriegszeit verbrachte er amit, bon seinen ungeheuren Reichtümern so viel als mög lich vor der Konfistation zu retten. Friedrich war mit einer Prinzessin Croy vermählt und hinterläßt neben einer Reihe von Töchtern einen Sohn, den bekannten ungarischen Thronprätendenten AIbrecht, der von den freien Königswählern der Gömbös- Partei wiederholt gegen Otto von Habs. burg ausgespielt wurde und zuletzt durch seinen Bes such bei Hitler unter den Legitimisten unliebsames Aufsehen erregte. Ein Bruder Friedrichs ist der in Desterreich lebende Feldmarschall Erzherzog Eugen, der aber schon äußerlich mit dem Buttermarschall wenig gemein zu haben scheint.
Wahrscheinliches Wetter heute: In den böhmis fchen Ländern vorwiegend bis wechselnd bewölkt und in den Niederungen vom Westen her allmähliche Erwärmung. Im Karpathengebiet noch keine wesent liche Aenderung, in Gebirgstälern und-Kesseln stren ger Frost. Wetteraussichten für Sam 8- tag: Andauern der ruhigen Witterung. Im Karpathengebiet stellenweise noch scharfer Frost, sonst Temperaturen nahe Null Grad.
-
Vom Rundfunk Empfehlenswertes aus den Programmens Freitag
Prag. Sender I: 8: Festkonzert, 12 20: Mittagskonzert, Orchester Fot, 15: Aus dem Nationaltheater: Verkaufte Braut" von Smetana, 17.35: Deutsche Sendung: Dr. Oskar Franti: Bum neuen Jahre ein fröhliches Neujahr! Minnesänger". Mandolinen- und Gitarrenquintett, 18.05 Deutsche Presse, 18.55: Aus dem deutschen Kulturleben. 21.15: Aus dem Smetanasaal: tschechische Philhars monie. Sender II: 14.30: Deutsche Sendung: Ins neue Jahr, neueste Schlager. Brünn: 17.85: Breßburg: 10.35: Kompositionen von
renden Lokomotive erfaßt und 150 Meter weit mit- I villano", ein Fünfpesetenstück( Duro) aus dem lez- Deutsche Sendung. Für die Jugend, 20.30: Voltsgeschleift. Zwei Insassen wurden getötet, die brei ten Jahrhundert. Er ist eine amtlich herausgegeben. tonzert anderen schwer verletzt. Der Bahnwärter ist verhaftet Münze und enthält nicht mehr Silber als das mass Dvořák. worden, da er die Schranken zu spät herunterge fenhaft umlaufende Falschgeld, sondern auch mehr lassen hatte. als die anderen staatlichen Stüde. Ausländer lernen nie, ihn zu erkennen; Inländer identifizieren ihn 1ofort und weisen ihn zurück warum, weiß der Himmel.
Auf dem Weg zur Arbeit erfroren. Auf der Rag wurde die Wiener Dienstmagd Serp tot aufgefunden. Sie war vor einigen Tagen fortgegangen, um auf der Rag in einer Berghütte den Dienst anzutreten. Unterwegs verirrte sie sich, geriet in einen Schneesturm und erfror.
Die fogenannte ,, Kanzler- Mühle" in Liezen, die größte Mühle Tirols, ist in der Nacht auf Mittwoch mit dem gesamten Inventar und mit großen Vorräten niedergebrannt. Der Schaden beziffert sich auf 100.000 Schilling. Der Brand ist durch Kura
schluß entstanden.
Mostwa ist in Angriff genommen worden. Nach Der Bau von fünf neuen Brücken über den Fluß Vollendung des Mostwa- Wolga- Kanals werden die großen Wolgadampfer unter den neuen Brücken, die die alten ersetzen werden, ungehindert passieren
-
Erzherzog Friedrich gestorben. Das älteste Mitglied der ehemaligen Herrscherfamilie HabsburgLothringen, der Erzherzog Friedrich, t. u. t. Feldmarschall, ist im Alter von mehr als 80 Jahren in Ungarn gestorben. 1856 geboren, war Friedrich ein Enkel des Erzherzogs Carl, des Siegers von Aspern. und ein Neffe des Erzherzogs Albrecht, der 1866 die jes Bwvelges der habsburgischen Familie( der zu Italiener bei Custoza schlug. In der Tradition diegleich mit dem Vermögen den Titel der Herzöge Rostbare Sammlung. Scotland Yard läßt fo» von Teschen" erbte), wurde Friedrich der militäriwar, an den erlittenen schweren Verlegungen. eben ein neues feuersicheres Gebäude für die Archive fchen Laufbahn bestimmt, in der er als faiserlicher der Londoner Polizei und ihre weltbekannte Samm Prinz rasch avancierte. Lange Jahre war er Stom Grauenvoller Selbstmord eines Liebespaars. Tung von 5,000.000 Fingerabdrüden englischer und mandant des V. Korps in Preßburg, dann ArmeeIn der Nähe der Eisenbahnstation Svinov- Wit- internationaler Verbrecher errichten. Inspektor und Kommandant der Landwehr. Die fowitz wurden auf dem Geleise die Leichen eines Tage seiner militärischen Glorie schienen gezählt, jungen Mannes und einer jungen Frau gefunden war ein persönlicher Feind seines Teschener Vetters denn der Erzherzog- Thronfolger Franz Ferdinand Ihre Körper waren bis zur Unkenntnis vom Zug verstümmelt worden. Es wurde festgestellt, daß und diesem wie anderen Bringen drohte für den Fall es sich um den Fleischergehilfen Mois Vláčil und des Thronwechsels allerhöchste Ungnade. Da eröff feine Geliebte Zdenka Hudková handelt, die aus nete der Mord von Sarajewo dem fast sechzigjährigen und reichlich unbedeutenden Erzherzog die Bahn zu unglücklicher Liebe gemeinsam Selbstmord verübden höchsten militärischen Würden. Er wurde Geten. Die Leichen wurden in die Totentammer Zu gutes Geld.( mb.) In Paris ist Louis neralinspektor der Wehrmacht und, als der Krieg bon Svinov gebracht. Chesny zu zwei Jahren verurteilt worden, weil er ausbrach. Kommandant der Feldarmee. Faktisch Wieder Neise- Postsparkassebücheln im Ver- falsche Zwanzigfrankſtüde ausgegeben hatte. Seführte Conrad von Sözendorf den Oberbefehl und tehr. Die am 5. Oftober 1936 bis auf weiteres zeichneten sich durch die interessante Eigenschaft aus, der Erzherzog verhielt sich soweit forrett, als er den eingeſtellten gegenseitigen Ginzahlungen in daß sie mehr. Gilber enthielten, als die von der Stabs- Chef gewähren ließ. But, wo es galt, jeine Reiseverkehr auf Grund von Einlagebüchern der staatlichen Münze hergestellten. Uebrigens gibt es in Privatrache zu fühlen, wie bei der Verfolgung des aweifellos bedeutenden Generals Auffenberg, griff Postsparkassen in Prag und in Wien wurden Spanien ein überwertiges Silberſtück, das von den Friedrich persönlich ein. Einen üblen Ruf erwarb am 21. Dezember 1936 wieder aufgenommen, meisten Privatleuten und vielen amtlichen Stellen sich der eraherzogliche Kommandant aber vor allem und zwar vorläufig nur bis Ende April 1937. Für nicht angenommen wird: es ist der sogenannte Se- burch seine Geschäfte mit Holz, Butter und anden Reiseverkehr gelten die bisherigen Bedingun= gen mit der einzigen Ausnahme, daß der tschecho= flowatische Reisende nur einen Betrag von 1600 Kč pro Monat( bisher 4000 Kč) auf ein Ein
tönnen.
"
Eine interessante
freundet. In einer olivenumivaldeten Villa der Avenue de Cimiez waren schon viele Berühmt zu
Silvestergeschichte eitenau Gaſt. Nicht weiter erstaunlich deshalb
Tagebuch, und zwar bis Ende April 1987, nut Silvestergeschichte
zweimal immer nach Ablauf eines Monats ( insgesamt 3200 Kč) einzahlen darf. Näheres ist bei der Postspartasse in Prag und in Brünn und bei sämtlichen Postämtern zu erfragen.
Der kühne Seefahrer. Der französische Ka pitan Bernicot, der im Auguſt ſeine bretonische
Von Josef Wechsberg
Ich traf mit Luschny vor dem Eingang des Hotels Negresee in Nizza zusammen, als er sich gerade von einem unverkennbar britischen Gentle man mit angegrauten Schläfen verabschiedete, der kurz darauf in einer von zwei Chauffeuren flantierten Rolls- Royce- Limousine fortfuhr.
,, Das ist Mr. Wood", sagte Luschny, als er den andächtigen Blid sah, mit dem ich dem MollsRoyce nachschaute, ich kenne ihn jetzt über, acht Jahre und verdanke ihm das originellite Silvester erlebnis meines Lebens."
Das war wieder charakteristisch für Luschny. Drei Jahre lang hatten wir uns nicht gesehen, seit wir die leßte große Reise gemacht hatten, aber in diesem Augenblick schien ihn ein Silvestererlebnis mit einem gewissen Mr. Wood mehr zu interessieren als die unvermutete Begegnung mit einem alten Freund.
Salvar la coseche
Salvarecha
ES TANTO COMO GANAR UNA BATALLA
AL ENEMIGO
Werbeplakat der spanischen Regierung ( ,, Die Ernte retten ist soviel wie eine Schlacht vor dem Feind gewinnen")
buch. Als leßter fam der glaßköpfige Fremde, den Wood hergebracht hatte, an die Reihe.
Er sprach schlecht französisch, aber schon mit diese Bekanntschaft mit dem smarten Mr. Wood. den ersten Worten hatte er das Interesse des gander einen Rolls- Royce mit zwei Chauffeuren hat. zen Streises gefesselt. Es war ein feltsames Ge„ Ein Silvestererlebnis?". misch von Spannung und Sensation, das er da " Ja. Dieser Mr. Wood heißt gar nicht vorbrachte. Man lauschte atemlos, die AmeriWood, mußt du wissen. Er ist ein reicher eng- taner hörten auf, ihren Kaugummi zu lutschen liſcher Aristokrat, der seine alljährlichen vier und die Italienerinnen unterbrachen ihren Flirt Monate Riviera unter der Maste der Anonymität mit den Parisern. Wir wußten gar nicht, daß verbringt. Ich lernte ihn an jenem Silvesterabend braußen auf den Kriegsschiffen zwölf Glockenvor neun Jahren kennen. Oder sind es nur fie- schläge ertönten, daß es längst zwölf Uhr war ben? Ich weiß es nicht mehr so genau. und daß wir den Uebergang ins neue Jahr ver
Wir waren damals alle bei Courteline ge- geffen hatten. Wir mertten es erst, als der Dies Taben, dem großen Marseiller Humoristen. Von ner zu Courteline tam und ihn flüsternd fragte, den Fenstern seiner Villa auf Cap Ferrat hatt: ob er benn an die Mitternachtsbowle vergessen man eine herrliche Weitsicht auf die Bucht von habe. Villefranche, wo auf zwei großen Kriegsschiffen Die Uhr zeigte zwanzig Minuten nach zwölf. gerade die leßte Jahresnacht gefeiert wurde. Wir Der fremde Engländer batte uns mit feiner Senwaren eine bunte Gesellschaft: ein paar Pariser fationserzählung um das Ende eines traurigen Schriftsteller, der Nomancier Willy, Jacques Thi- Jahres gebracht. baud, der große Geiger, einige Amerikaner, ein Filmregisseur aus Hollywood, zwei Genueserin nen. Später erschien auch Wood, in Gesellschaft eines mittelgroßen glaßlöpfigen Herrn. Auf Namen wurde bei der Vorstellung wenig Wert gelegt; wer fam, war gern gesehen.
Heimat auf einem kleinen Segelboot verlassen hat, um eine Weltreise zu unternehmen, von der er im Frühjahr 1938 wieder zurück sein will, ist Mitte Dezember in Mar del Plata angekommen und dort von der französischen Kolonie enthusia: stisch gefeiert worden. Er hat während seiner Ueberfahrt ein Abenteuer erlebt, das in den besten Romanen seinen Plaz finden könnte. Volle 20 Tage lang folgte nämlich ein Saifisch seinem Boot und der geringste Windstoß hätte dem tühnen Seefahrer verhängnisvoll werden können. Aber das Meer scheint das Element des braven Kapitäns Bernicot zu sein, denn obwohl seine Landsleute in Mar del Plata ihm in ihrer Mitte sehen wollten, ließ sich Bernicot nicht davon abLuschny wird sich wohl nie ändern. Ein ger halten, am 24. Dezember mittags in See zu bürtiger Wiener, war er in der Zeit der großen stechen. Er hat den Weihnachtsabend irgendwo Nachkriegsnot in das reiche und sattere Paris mitten im Ozean in völliger Einsamkeit verbracht. Durchgebrannt, hatte sich in den ersten beiden JahEin Orden für Greta Garbo. Der König ren mit Geigenspiel und französischen Ueberseßun von Schweden verlieh der Filmschauspielerin gen durchgeschlagen, bis er feiner Jeanne begegGreta Garbo die höchste Auszeichnung für fünft- nete, einer reichen jungen Französin, die ihn vom lerische Arbeiten, die Medaille Litterie et artiled weg heiratete. Seither lebte er in Nizza bus". offiziell ist er in der Weingroßhandlung seines Es waren, wie gesagt. viele Literaten bar. Das tägliche Unglück am Bahnschranken. In Schwiegervaters tätig, in Wirklichkeit aber inter- unter und jeder hatte Lust auf fünfundzwanzig der Nähe des Berliner Vorortes Hoppegarten wurde essiert er sich doch nur für Kunst und Mufit, spielt Flaschen Champagner. Alle erzählten. Anet eine mit fünf Personen besetzte Berliner Kraft eine Rolle im Festausschuß des Karnevals vor boten und Erlebnisse, Willy dichtete einen Roman droschke auf einem Bahnübergang von einer rangie Nizza und ist mit allen Nivierastammgästen be- und der Amerikaner aus Hollywood ein Drehs
Ilm elf Uhr brachte ein Diener eine verschloss sene Kiste mit fünfundzwanzig Flaschen Veub Cliquit. Sie würde demjenigen gehören, fagt: Courteline, der die beste Silvestergeschichte ers zähle.
Wir ahnten allerdings nicht, daß er mit ebenderselben Geschichte einmal ein Vermögen verdie nen werde und sie in zwanzig oder dreißig Spra chen erscheinen sollte...
Natürlich bekam er einstimmig den Preis zu gesprochen. Wir tranten die fünfundzwanzig Flaschen Veuve Cliquit noch in derselben Nacht aus."
,, Und wer war..."
Natürlich, daran habe ich vergessen. Die Geschichte, die den ersten Preis erhalten hat, hieß Der Herer". Und ihr Autor, der glaßtöpfige Herr, den Mr. Wood mitgebracht hatte, war damals noch keine Berühmtheit- Mr. Edgar Wallace."
-