Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik

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17. Jahrgang

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Herausgeber: Siegfried Taub Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag

Sonntag, 17. Jänner 1937

Niederlage der Goebbels- Propaganda

Das Märchen von den Sowjetflughäfen" wird zerstört

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Hitlers Attaché im Schmollwinkel

Die Reife des britischen Militär- Attachés durch die Tschechoslowakei , wo der Vertreter der englischen Regierung die Flugpläge und militär- aviatischen Einrichtungen der Republik besichti­gen wird, ist eine der empfindlichsten politischen Niederlagen, die das Hitlersystem bisher er­litten hat.

Die russischen Flugplätze in der CSN" waren seit Monaten der große Propaganda­fchlager des Dritten Neiches. Man versuchte der Welt einzureden, Deutschland sei gefährdet, weil die rote Luftflotte wenige Flugminuten von den deutschen Grenzen entfernt nicht weniger als ein rundes Hundert von Flugplätzen mit Bombern, mit russischen Piloten und Offizieren unter­halte. Der Zweck dieser Propaganda war durchsichtig: der Westen sollte die deutsche Rüstung und die deutsche Nußlandhezze als Abwehrmaßnahmen gegen die bolfchewistische Offensive Lerstehen und im Falle eines Konfliktes Deutschland als den Ueberfallenen ansehen. In weiterer Folge konnte sich aus der Legende sogar ein recht brauchbaret d e ich stags brand" als Kriegs. anlaf etwa ein Angriff russischer Bomber auf eine deutsche Stadt" ergeben. Die Nazi haben die Lüge von den roten Flugpläyen ganz offiziell vertreten. In Nürnberg haben Rosenberg und Goebbels konkrete Behauptungen über die roten Flugplätze aufgestellt. Die Militärwissenschaftliche. Rundschau" hat sich mit diesen Flug­plätzen beschäftigt und das Gebiet Prag - Budweis - Iglau als Zentrum der russischen Luft­macht angegeben. Nunmehr wird dieses Märchen gründlich zerstört.

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Die englische Deffentlichkeit hat in diefem Fall gemerkt, was gespielt wird und es ist nicht zu befürchten, daß sie sich weiter blödmachen läßt. Die Neise des britischen Attachés wird ein gutes Stück Goebbels 'scher Arbeit zunichtemachen und die Absage des deutschen Attachés unter­streicht nur die Blamage. Die englischen Blätter, sogar die Morningpost" schreiben übrigens ganz offen, daß Gefahr im Verzuge war und es galt, einen Gewaltstreich der Nazi gegen die Tschechoslowakei abzuwehren!

Um dem Dementi mehr Nachdruck zu verleihen...

Par i s. Der Londoner Berichterstatter des Havasbüros erfährt, daß die engliſche Regierung die Einladung der tschechoslowakischen Regierung zur Teilnahme an der Untersuchung auf dem Ge biete der Tschechoslowakischen Republit ange nommen hat, um festzustellen, daß die kürz lichen Behauptungen der deutschen Presse über den Sowjeteinfluß in der Tschechoslowakei vo II. tommen falsch sind.

An britischen Stellen macht man darauf aufmerksam, daß die Annahme der tschechoslowa­fischen Einladung in London absolut nicht be­deutet, daß London irgetidwie daran zweifeln

würde, daß die Nachrichten der deutschen Preffe irrig feien. Im Gegenteil, diese Annahme bedeu tet den Willen, dem Dementi mehr Nach brud zu verleihen. Gleichzeitig bemerkt die gleiche Quelle, daß die Deutschen noch nicht auf die Einladung zur Zeitnahme in der Unter fuchung geantwortet haben, die ihnen von Prag aus zugegangen ist..

Ginzelpreis 70 Heller( einschließt. 5 Heller Porto)

Aus dem Inhalt:

Die spanische Frau

Schwere Spannungen in der SdP

Die neue..Rundschau"

Wirtschaft der Welt

Nr. 15

flowakei foll fich nach einigen Flugsentren bege. Der Geist der Hauptstadt

Der englische Militärattaché in der Tschecho­ben, von denen die deutsche Presse erklärt hat, sie unterlägen ben direkten Befehlen der Sowietregierung.

Faule Ausreden

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Die Berliner Börsenzeitung", bekanntlich ein dem Auswärtigen Amt nahestehendes Organ, polémisiert gegen die von der tschechischen Presse wiedergegebene Meldung der Times", wonach der deutsche Militärattaché in der Tschechoslowakei der Aufforderung der tschechoslowakischen Regierung, sich persönlich davon zu überzeugen, daß es in der Tschechoslowakei feine sowjetrussischen Flugplätze gebe, nicht nachgekommen sei. Das Berliner Blatt erklärt demgegenüber, der deutsche Militärattaché habe die an ihn ergangene Einladung nicht ab= gelehnt, sondern nur erklärt, daß er aus nahelie= genden Gründen vorläufig daraufver zichten müsse, davon Gebrauch zu machen. Es liege ja auch für jeden Kenner solcher Dinge nahe, daß derartige offizielle flüchtige und sicherlich gut vorbereitete Besuche nicht zu zeigen pflegen, was ste zeigen fönnten, daß durch sie der Sachverhalt nicht geflärt werden können und daß in diesem Falle vor allem die Zweckbestimmung der betref fenden Flugpläke keineswegs in Erscheinung tre­ten würde.

Keine Betriebsbesetzung mehr im Pariser Gebiet

Ein bedauerlicher Beschluß

Die deutsche Verständnispolitik in der Tsche­ choslowakei kämpft schwer gegen den Pessimismus der eigenen Landsleute. Immer wieder stößt sie auf den skeptischen Einwand, daß die versöhn­lichen Kundgebungen der führenden Staatsmän ner in den Handlungen der Bürokratie, aber auch in der praktischen Haltung der einzelnen politis schen Gruppen zu wenig Widerhall finden. Vor wenigen Tagen ist eine Entscheidung auf tom munalem Gebiete gefallen, welche leider wie­derum Wasser auf die Mühlen derjenigen treibt, die an einen ehrlichen Verständigungswillen auf tschechischer Seite nicht glauben wollen.

In der Prager Stadtvertretung wurde Mon­tag ein Regulativ beschlossen, welches die Bedin­gungen zur Bewilligung von Geschäftsauslagen festsetzt. Darin iſt auch die Vorschrift enthalten, daß alle Beschriftungen in einwandfreiem Tsche= chisch gehalten sein müssen. Bei der Veratung wurde von dem deutschen sozialdemokratischen Vertreter darauf hingewiesen, daß die beantragte Fassung als ein indirektes Verbot jeder deutschen oder anderssprachigen Aufschrift in den Geschäfts­auslagen der Hauptstadt Prag aufzufassen sei. Eine solche Beschränkung widerspricht sowohl der Verfassung als auch dem Minderheitsschutzvertrag von St. Germain. Diese vernünftige Argumen­tation fand aber nur bei den tschechischen Sozial­demokraten, den Kommunisten und der kleinen Fraktion der Mieter Verständnis. Alle anderen Rathausparteien, einschließlich der tschechischen Nationalsozialisten, brachten einen entsprechenden Abänderungsantrag unseres Genossen Doktor

Paris . Der französische Innenminister hat erklärt, daß in Paris und Umgebung tein Unter­nehmen mehr von streikenden Arbeitern besetzt werben wird. Heute nachmittags haben die Arbei­feltvillig das lebte beſeptgeballene Internéh- we I b zu Fall. men, eine große Seifenfabrik in einer Pariser Vorstadt, geräumt.

Weiterer Geländegewinn bei Madrid

Wäre diese peinliche Sache in Beraun oder Humpolet passiert, so könnte man über eine der= artige lokalpatriotische Engleisung zur Tages­ordnung übergehen. Der seltsame Beschluß bezieht sich jedoch auf die Hauptstadt Prag , die in ihren Mauern eine ansehnliche deutsche Minderheit be­herbergt und die immerhin auch ein politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum für die breieinviertel Millionen Sudetendeutschen ist. Daraus ergibt sich die Frage, ob

Schwere Kämpfe vor Malaga Franco- Hafen Algeciras bombardiert Madrid . Nach einer Mitteilung der Ver- weit des Hotels Königin Christine", in wel die demokratische Repräsentanz teidigungsjunta haben die Aufständischen Sams- chem General Queipo de Llano fein Hauptquarder Hauptstadt Prag auf die Ge= tag nachts an verschiedenen Frontabschnitten, tier aufgeschlagen haben soll.

fühle der deutschen Mitbürger, fo bei Carabanchel und im Universitätsviertel, Der amerikanische Konsul in Gibraltar a uf die Bestimmungen der Ver­Angriffe unternommen, die jedoch zurückgeschla- teilte dem Staatsdepartement in Washington fassung und auf den Geist der gen wurden. Von der Gestapo ermordet! angriff an einigen Punkten Terrain gewinnen. über Malaga das Gebäude des dortigen ameri- icht zu nehmen braucht. Man muß Die Milizen konnten im Gegen- telegraphisch mit, daß bei dem letzten Luftlampf Sta at 3 politit gar teine Rück­Der sozialdemokratische Funktionär und Se- Havas meldet, daß die Milizen nach dem Schei- tanischen Konsulats zerstört wurde, ohne daß je kretär des Deutschen Metallarbeiterverbandes Otto tern der Aufständischen Offensive im Abschnitt mand verletzt worden wäre. Hampel aus Staßfurt bei Magdeburg ist, wie der Aravaca und Las Rozas zum Gegenan= Neue Vorwärts" berichtet, von der Gestapo ergriff übergingen und nunmehr die früher be­mordet worden. Hampel war führendes Mitglied drohten strategisch wichtigen Punkten beherr­der SPD , Leiter der Eisernen Front und Stadt- fchen. Aus einigen Dörfern in der Madri­verordneter in Staßfurt . Durch seine energisch: der Umgebung wurden die Aufständischen newerkschaftliche und politische Arbeit war der Er- vertrieben. Der Vormarsch der republi­mordete in der ganzen Arbeiterschaft des Gebietes kanischen Truppen schreitet fort. sehr beliebt.

Von der Südfront meldet Havas, daß die In den ersten Monaten der Machtergreifung Aufständischen auf den Frontabschnitt bei Este durch die Nazis wurden die Industriestädte Staß pona einen starken Druck ausüben, wobei In furt und Schönebeck bei Magdeburg , die beide eine fanterie, Artillerie, Flieger und Kriegsschiffe sichere sozialdemokratische Mehrheit hatten, vor Hand in Hand arbeiten. Die ebenfalls von Flug­brutalstem Terror ortsfremder Nazistürme heim- zeugen unterſtüßten republikanischen Truppen nesucht. Anfang Feber 1933 wurde von einem setzten sich hartnäckig zur Wehr. Nazigymnasiasten der Staßfurter Bürgermeister Zwei Negierungsflugzeuge berichtet und Abgeordnete Hermann Sa sten durch. Nevol Menter warfen Samstag über Algeciras verschüsse ermordet. Bomben ab. Eine dieser Bomben explodierte un

Otto Hampel gehörte zur Leitung der riesigen Massendemonstrationen, die gegen diesen Mord an seinem persönlichen Freund im ganzen Gebie durchgeführt wurden. Bald darauf wurde von den SA- Mördern der Kollege Hampels in Schönebed. Sekretär des Deutschen Metallarbeiterverbandes und Stadtrat, Otto Kresse, ermordet. Die Nazistürme hausten in Schönebeck und Staßfurt vie die Vandalen. Alle Familien führender So­zialdemokraten wurden heimgesucht, die Wohnun en wurden verwüstet und die gertrummerten Möbel auf die Straße geworfen. Zu Dußenden mußten die Genossen sich an allen möglichen Orten bei guten Freunden einen Unterschlupf suchen. Otto Hampel hat sich so bei Bekannten und Ver wandten bis zum Sommer 1935 dem Zugriff der Nazis entzogen. Dann wurde er von der Gestapo aus der Wohnung feiner Tochter in Harburg vers haftet und nach 14 Tagen war er ermordet! Seine Tochter durfte nur noch die Leiche bei der Polizei sehen. In der Arbeiterschaft seines lang jährigen Wirkungskreises lebt er als Mahnung weiter.

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Cordoba

GUADALQUIVIR

Sevilla

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Linares

Porcuna Valenzuela Jaén AN ID ALWISIENV

Granada

Antequera

Ronda

Estepona Malaga

Marbella

Algeciras La Linea Gibraltar

Almeria

Zu den Kämpfen um Malaga Die Rebellen führen den Angriff über Estepona

Faschistische Gruppe

doch einmal daran erinnern, daß Prag seinen großartigen Aufschwung nach dem Kriege nicht Von der bastischen Front wird nur gemel zum geringsten Teil auch deutschen Steuergeldern det, daß Regierungsartillerie einige Front- verdankt, die vor Beginn der Kriſe reichlich aus abschnitte beschossen hat, ohne daß die Aufstän- unseren gewerbefleißigen Exportzentren in die dischen geantwortet hätten. In Bilbao sind fünf Staatstassen geflossen sind und zur Finanzierung und Kohle löschten. Gleichzeitig wird aus Lon- ten. Prag beherbergt ein ansehnliches Heer von Handelsfchiffe eingetroffen, die Nahrungsmittel so mancher Staatsbauten am Moldaustrand dien­don gemeldet, daß der Dampfer Cabo Sil- Staats- und Landesbeamten, zu deren Besoldung liero" welcher für ungefähr 7 Millionen Francs die deutschen Steuerträger zu einem Viertel oder Waren, hauptsächlich Lebenbedürfnisse, geladen cinem Drittel beitragen. Täglich bringen die hat, nicht, wie angegeben, nach Tajen, sondern Eisenbahnen und Autolinien hunderte von deut­nach Bilbao fährt. schen Besuchern aus der Provinz, die in der Hauptstadt ihr Geld verzehren und Einkäufe be­sorgen. Nicht zuletzt soll daran erinnert werden, in Barcelona entdeckt daß nach dem Kriege große industrielle Unterneh­mungen ihren administrativen Hauptsiß nach Prag Barcelona. ( Havas.) Die Mitglieder der verlegt haben und hier Millionen an Umlagen be= politischen Sonderpolizei tamen einer Bewegung zahlen, welche deutschen Städten( z. B. Auſſig auf die Spur, die in Barcelona für die Auf- und Teplitz ) schmerzlich zum Fehlen kommen. ständischen gearbeitet hat. In dem amtlichen Be- Kann angesichts solcher Tatsachen die Prager richt heißt es, daß die Mitglieder der Bewegung Stadtvertretung die Beziehungen der Hauptstadt die eventuelle Landung und Ausschiffung einer zur deutschen Landesbevölkerung nicht anders zum Armee der Aufständischen in Katalonien in der Ausdruck bringen, als durch ein kleinliches Auf­Weise vorbereiteten, daß sie durch Ueberfall wich- fchriftenverbot in den Geschäftsauslagen? tige Strategische Punkte in der Stadt und öffent liche Gebäude besetzten. Es wurden 14 Perso­nen verhaftet, darunter drei Kapitäne der In fanterie, die die Haupturheber waren. Sämtliche Personen haben ein Geständnis abgelegt. Auf dem Weg zu Franco notgelandet?

Amiens . Ein Flugzeug unbekannten Typs ist, Dienstag nachmittags auf dem Flugplak in Meaulte gelandet. Das Flugzeug befand sich in gutem Zustand, aber der Pilot war verschwunden. Man nimmt an, daß er nach Albertville gegangen ist und mit dem Zuge in unbekannter Richtung wegfuhr. Bei der Durchsuchung des Flugzeuges wurden teine Papiere gefunden.

Der Vorfall hat noch eine andere Seite. Seit Jahr und Tag wird viel über die Förderung des Fremdenverkehrs gesprochen. Es gibt aber fein besseres Mittel, fremden Besuchern ein Gefühl gaftlicher Geborgenheit zu vermitteln, als sie in ihrer Sprache zu empfangen und zu bedienen. Desterreichische, baherische und selbstverständlich aud, die schweizerischen Fremdenverkehrs- Gebiete haben sich darauf eingestellt, jeden Engländer, Amerikaner oder Franzosen in seiner Sprache zu begrüßen und zu bewirten. In der Wiener Innenstadt ist in jeder zweiten Auslage die Ankün­digung zu finden, daß Kunden englisch oder fran­zösisch bedient werden. In Budapeſt z. V. wird mit deutschen Aufschriften nicht getargt. Die Prager Stadtväter mögen einmal das St. Gellert­