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Sonntag, 17. Jänner 1937
Die spanische Frau
Vor dem Aufstand
Die spanische Frau das war kein sonderlich leuchtendes Kapitel. Unter einer um Jahrhunderte hinter der Zeit zurückgebliebenen Gesellschaftsordnung, die in vielem noch durch die Ueberreste orientalischer Weltauffassung versteift und verhärtet war, gab es für die Frau nur drei Berufe: Ehefrau oder Nonne. Beide hatten das Eine gemeinsam, daß sie die Frau nicht nur indi viduell entrechteten, sondern auch in eine Art Klassensituation brachten, insofern nämlich als das ganze Geschlecht rechtlos, also von der Einflußnahme auf die Gesellschaft und sein eigenes
allen Gegenbeteuerungen derer, die nicht aus Erfahrung wissen, was für Anforderung die Kriegstätigkeit an den Menschen stellt, zum Troß, förperlich ungeeigneter ist als der Mann.
epischer Kraft der Brief eines Aufständischen an seine Frau in Olite ( Aragón ):., Es waren aud) vier Frauen dabei, sicher Dirnen, und als wir
Nr. 15
1931 bis Sommer 1936, in einem Spanien , in dem noch immer die Kirche eine despotische Herr schaft über die Geister ausübte, haben sich mir die Unabhängigeren, Entwickelteren entschlossen, von der Möglichkeit der Scheidung Gebrauch zu machen. Jetzt, da die Macht des finsteren Klüngels gebrochen ist, gibt es geradezu eine Art Ansturm auf die Scheidungsinstanzen: man sieht aus sie gefangen nahmen, weinten sie nicht und flagTroßdem kann in einem Aufschwung großer ten nicht; sie waren ruhiger als ich weiß nicht stände, die hemmend und energiezerstörend wirversichtlich in die Zukunft und entschließt sich, Bus Begeisterung die einzelne Frau oder für eine ge- ivas; auch als wir sie zur Erſchießung führten. fen, zu beseitigen. Man hat den Mut zu sich selbst wisse Zeit auch die Frauenschaft überhaupt im weinten sie nicht. Wir tamen auf den Friedhof und den Mut zum Leben; man resigniert nicht, Krieg, und noch mehr im Bürgerkrieg, eine wich- und sagten ihnen, sie sollten sich ausziehen; unter tige. ja unentbehrliche Funktion erfüllen. In den Kleidern trugen sie Badeanzüge. Wir stellten sondern sieht die Möglichkeit, mit Unfruchtbarem Spanien ist der Bürgerkrieg das Mittel und der sie mit dem Sintern zu uns und gaben auf jebe Schluß zu machen und etwas Neues aufzubauen, Weg der Emanzipierung der Frau geworden, eine fieben Schüsse ab, ebenso wie wir auch einen ſein Leben neu zu gestalten. Tatsache, die viel wichtiger ist als aller militä- Mann, den wir gefangen hatten. erschossen." rischer Wert, den die Einsaß- und Opferbereit Viele spanische Frauen haben mit dem schaft der Frau während ihrer kriegerischen Reben für die Befreiung ihres Geschlechtes aus
Eine junge Andalusierin meldet sich zum Eintritt in die Miliz. Geschick ausgeschlossen war, und wie eine be herrschte Stlaſſe, nicht am Bildungsmoncpol teilhatte. Die Frauen waren Ziveckobjette, die beiden Typen Ehefrau und Nonne lebten in klösterlicher Abgeschlossenheit.
Die Spanierin, die auf sich hielt, durfte sich nur zu bestimmten Anlässen auf der Straße zeigen: zu Besuchs, Kirch, Einkaufsgängen, an Festtagen, zur offiziellen Spazierstunde usw. War sie nicht in Begleitung ihres Mannes, so mußte eine Verwandte oder eine Dienerin mit ihr sein. Dieſe Strenge der Sitte oder vielmehr der Unjitte ist im Laufe der Jahre in weiten Gesell
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Die friegerische Tätiateit war eine Episode ( eine notwendige und fruchtbare) im Entwic tigter Eintritt in die Gesellschaft ist der Beginn Tungsgang der spanischen Frau; ihr gleichberech= der Reifeperiode der spanischen Frauenwelt. Mar Barth.
Briten und Deutsche Schwarz- und Braunhemden In Spanien
..Die deutsche Revolution" Otto Straffers befchäftigt sich in einem Leitartikel ihres Lon= doner Korrespondenten Stephan Fattinger mit dem italienisch- deutschen Verhältnis und behaup tet, daß die Achse Rom- Berlin bereits gründlich ,, b er bogen" sei. Dabei entwickelt das Blatt über die Entsendung der italienischen Truppen nach Abschluß des Gentlemens Agree= ment folgende gerüchtweise in jüngster Zeit auch sonst in der Presse aufgetauchte Version. die gewiß interessant und beachtenswert ist, ohne daß sie freilich völlig zwingend wäre:
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Auf dem Kontinent hat man wieder einmal nicht begriffen, was gespielt wurde, als furz nach dem Abschluß des Agreement die neuen italienischen Truppensendungen in Cadig eintrafen und die enga lische Presse selbst sehr ungnädig gegen Mr. Eden, sehr erzürnt gegen die römischen Vertragspartner tat. Spielt England ein gefährliches Doppelspiel. berrät es seinen französischen Trabanten? Ist Mr. Eden ein ahnungsloser Anfänger, der sich übers Ohr hauen ließ? Keines von beiden trifft zu. Der Dü
pierte ist nicht England, sondern Deutschland , und nur die Rolle Italiens als des Treuloſen und Listenreichen wird richtig gesehen.
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Waffenausgabe an soeben eingekleidete Milizionärinnen. Tätigkeit gehabt hat. Wie in den revolutionären einer entwürdigenden Stellung in der Gesellschaft Bewegungen anderer Länder waren in vorderster bezahlt. Im Verlauf des Bürgerkrieges, besonders Linie auch in Spanien von jeher Frauen. Unter als man vom Milizsystem zur Schaffung eines Es ist für England kein Geheimnis und hat den afturischen Bergarbeitern fämpften im Otto- wirklichen Heeres überging, wurden die Frauen- sich in London sehr rasch herumgesprochen, daß die ber 1934 Frauen mit; ein junges Mädchen war bataillone abgebaut. Die allgemeine Erfahrung italienischen Truppensendungen in Asturien allgemein unter dem Namen der Li- läßt sich so formulieren: im Angriff waren die nach Spanien nicht eine Hilfe für bertaria" bekannt; eines der eindrucksvollsten Frauen vor allem weil sie körperlich weniger itler, sondern eine Vorsichtsmaßregel gegen ihn Wilder aus dem Aufstand war das, auf dem man leistungsfähiger waren, nicht vollwertig; in der sind. Die Italiener kommen freilich, um General die Abführung einer Gruppe von Freiheits- Verteidigung standen sie den Männern in nichts Franco zu helfen und London braucht wahrscheinlich fämpfern sab: an der Spize schritt eine unter- nach. gewisse Erfolge Francos, um den beiden fämpfenden setzte, stattliche Arbeiterin, eine Frau von viel- Die Epoche der Frauenmilizen im spanischen Parteien, sobald sich die eine auf Madrid , die an leicht vierzig Jahren, Mutter von Kindern, im Bürgerkrieg darf als abgeschlossen gelten; die dere auf Barcelona ſtüßen wird, jene dritte Lösung" zu diftieren, die den Briten seit dem Gesicht die Spuren eines arbeitsreichen Lebens. Frauen werden wieder in Betätigungen eingesetzt, Sommer als die wünschenswerte und vielleicht eine die ihrer Natur mehr entsprechen als die des zig tragbare vorschwebt, die Lösung Weder Fa tämpfenden Soldaten. Sie dienen in den Laza- schismus noch Bolschetismus, weder Franco noch retten und Spitälern, arbeiten in den Fürsorge- Largo Caballero , weder deutsch - italienische noch organisationen für die aus der Kriegszone Ge- russische Vorherrschaft", sondern ein an die flüchteten, unterhalten für deren Kinder Horte, Westmächte sich anlehnendes Regime betätigen sich in den überall entstehenden Kinder- der Mitte, wahrscheinlich eine Monarchie mit heimen und Kinderschulen, übernehmen Posten in dem farliſtiſchen Kandidaten, dem Prinzen René von Bourbon( einem Bruder der Kaiserin Zita ) an der Büros, Aemtern, in Verwaltung und Organi- Spike. Aber die Hilfe, die von den italienischen- sation der Kommunen, Provinzen und Ländern, von den Balearen abgezogenen und nach dem Fest ersetzen in der Kriegsindustrie männliche Arbei- land verschobenen- Trappen dem General Franco ter; daß unlängst eine Frau in den diplomàti- gegen die spanisch- russische Armee geleistet wird, ist schen Außendienst aufgenommen und als Ge- faum ihre entscheidende Aufgabe. Sie haben viel sandtin nach Schweden geschickt worden ist, ist mehr im Sinne Roms wie Londons die Mission, ein bekannt. Gegengewicht gegen die deutsche Expeditionsarmee zu fchaffen, die im gegebenen Augenblid wie in einer Mausefalle in Spanien gefangen sißen wird. Die Entsendung der Italiener nach Der Bürgerkrieg bedeutete für die Spa- Spanien ist für die englische Politik. im Augenblick nierin den Durchbruch zur Gleichberechtigung, doch die denkbar bequemste und ungefährlichste Methode zur Kontrolle der deutschen Guerrilla in Andalusien : eine grauhaarige Bäuerin mit dem Gewehr im Anschlag. zur Anerkennung ihrer Menschenwürde. Erst jetzt abenteuer in Spanien und Marolto! Es fann sich die spanische Frau entwickeln und geistig ist, im Grunde genommen, das Ei des Columbus schaftstreifen gebrochen worden; aber selbst im Als die Francorebellion in Spanien auf- und moralisch aus dem Mittelalter lösen. Der( nicht nur weil es sich um die Wahlheimat des freien, industrialisierten und aufgeschlossenen flammte, strömten die Frauen und Mädchen in Gleichberechtigung in beruflicher und gefeßlicher großen Genuesen handelt). Jede Einmischung Katalanien blieben noch bis zum Umsturz zahl- Scharen zu den Waffen. Hier war ein Ventil Hinsicht wird sich die in den Dingen des privaten Frankreichs in Spanien würde Hitler den bequemen reiche Reste der alten Anschauung zurück.. Noch aufgetan; hier war der Weg zur Freiheit, zur Lebens anschließen. Die Ersetzung der alten, Vorwand liefern, sich gegen den Angriff" der immer war es strenges Gesetz, daß das Mädchen Gleichberechtigung. Die Frauen Spaniens erober- orientalisch aufgefaßten Ehe durch eine zeitge- franto- russischen Koalition zu wehren. Es würden Gefahren und Verwicklungen entstehen, die London als Jungfrau in die Ehe treten müsse. Noch im- ten sich ihre Anerkennung als vollberechtigte Mit- mäße Form ergibt ſich von ſelbſt. Man muß be noch einige Monate hinausschieben möchte. Was liegt mer war es Sitte, daß die jungen Männer auf der glieder der neuen Gesellschaft buchstäblich auf den denken, daß bis zum Jahre 1931 in Spanien näher, als daß man die Kontrolle Hitlers burch Straße hinter den Mädchen und Frauen herſtri- Schlachtfeldern des Bürgerkrieges. Die Jung. überhaupt keine Ehescheidung zulässig war, um zu eine Macht ausüben läßt, mit der er befreundet ist, chen und ihnen Liebesworte und drastisch- erotische arbeiterin, die Studentin, die politisch bewußte verstehen, wieviel Unglück und wieviel Lüge sich mit der er doch gemeinsam die Intervention in Spa Anträge zuflüsterten und die Frauen und Mäd- Frau intellektueller Streise wie die Bäuerin trat ins Privatleben eingenistet hatte. In den Jahren nien durchgeführt hat!" chen, strenge Haltung bewahrend, scheinbar unge- neben den Mann in Reih und Glied, legte neben rührt ihres Weges gingen, ohne im geringsten zu ihm ihr Gewehr an die Wange. reagieren. Sie mußten die Rolle der Unwissenden, der zu hundertfünfzig Prozent Keuschen spielen, die überhaupt nicht verstanden, was man ihnen ins Ohr raunte. In den Kreisen der Studentinnen und Arbeiterinnen hatte man aber immerhin schon eine gewisse Bewegungsfreiheit und Dentfreiheit erobert.
Frauen in Waffen
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Die Frauen haben sich der Sache geopfert, mit dem gleichen Elan wie die Männer. Sie haben gekämpft und gelitten. Ihr Los war nicht leichter als das der Männer, im Gegenteil: sie hatten's schwerer, und das besonders, wenn sie das Unglück hatten, den Rebellen in die Hände zu fallen. Gab es schon für die männlichen Verteidiger des Rechtes bei den Franquisten grund= fäßlich keine Gnade- besonders in den ersten Monaten des Krieges so für die Frauen schon gar nicht. Daß sie vor der Erschießung vergewaltigt wurden, daß sie andere Demütigungen durchmachen mußten, kam oft genug vor. Der Bürgerfrieg in Spanien ist, vor allem in seinen ersten Phasen, mit den Kriegen des Mittelalters zu vergleichen. Beutemachen. Brennen und Plündern, Frauenschändung gehörten zum selbstverständ lichen Recht der Francosoldateska, wie sie zum Recht der Landsknechte gehörten.
Der Aufstand der Faschisten rief nicht nur die Männer auf den Plan, sondern auch die Frauen. Die Frauenschaft Spaniens erivachte und warf das Joch der Tradition ab. Daß sich das zunächst in einer Form äußerte, die alles andere als aufbauend, human und vositiv war, lag an den Umständen. Ich bin der altmodischen Ansicht, daß der Krieg, selbst da, wo er notwendig und von einem allgemeinen, überpersönlichen Standpunkt aus gerechtfertigt ist, zweierlei Eigenschaf= ten nicht verliert: er bleibt eine schmußige Sache, und er bleibt eine Sache für Männer. Im allge- teine Illusionen. Sie wukten, daß sie, falls sie in meinen ist die Frau ihrer Natur nach für anderc, positivere Aufgaben bestimmt als das Abschlachten von Menschen. Das gilt nun freilich auch für den Mann; aber bei der Frau kommt hinzu, daß sie,
Die Frauen, die sich auf der Seite des Volkes einreihten, machten sich über ihr Schicksal
die Gewalt der Rebellen gerieten, verloren waren. Eine der zahlreichen Episoden, in denen Frauen unter den Kugeln eines Mebellen- Eyefutionsfommandos fielen, schildert in derber und geradezu
Die neue Frau