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Sozialdemokrat
Zentralorgan ber Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republi
Erscheint mit Ausnahme bes Montag täglich früh
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Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub
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17. Jahrgang
Dienstag, 26. Jänner 1937
Einzelpreis 70 Heuer( einschließl. 5 Heller Porto)
Aus dem Inhalt:
Weitere Besserung
der Wirtschaftslage
Tolle Geständnisse im Moskauer Prozess
Nr. 22
Die Rundfunk- Rede des Ministerpräsidenten Die Götter dürsten
Regelung der Minderheitenfrage wünschenswert, ja direkt unvermeidlich Ausländische Einmischung entschiedenst verbeten
Ministerpräsident Dr. Hodža hielt Sonntag knapp nach zwölf Uhr mittags über alle tschechoslowakischen Sender eine politische Nede, die erfreulicherweise nach ein paar Minuten auch in deutscher Sprache wiedergegeben wurde. Der Regierungschef beschäftigte sich mit wirtschafts-, außen- und innenpolitischen Problemen, wobei das, was er über die kommenden Verhandlungen mit den deutschen Regierungsparteien sagte, auf deutscher Seite naturgemäß das stärkste Intereffe fand.
Der Ministerpräsident betonte den Willen der Regierung, die öffentliche Berwaltung in bezug auf die nationalen Angelegenheiten zu vervollkommnen", was bitter nottut und in der beutschen Bevölkerung Zustimmung finden wird. Hodža ging noch weiter und meinte, daß überhaupt die ganze Minderheitenpolitik vervollkommnet werden müsse. Das ist sicherlich eine Formel, welche die großen sozialen Sorgen der arbeiten den Klassen des Sudetendeutschtums mit einschließen fann und diese Auffassung findet eine Bestätigung in den Worten des Ministerpräsidenten, die tschechoslowakische Verfassung folle tein Stüd Papier bleiben.
Gerade weil wir das voll, anerkennen, möchten wir bemerken, daß bie Stelle, wo der Ministerpräsident von den Punktationen und nationalen Ausgleichsverhandlungen des alten Desterreich, deren Form Hodža verwirft, spricht, doch allzu sehr auf die tschechische Mentalität berechnet ist. Das wurde noch durch die ungenaue Uebersetzung verstärkt. In der deutschen Nebertragung spricht der Ministerpräsident abweisend(„ smiřovačky") von den Berföhnungsversuchen" in der Zeit der Monarchic, wobei der tschechische Ausdruck beffer durch„ Ausgleichsversuche“ hätte überscht werden können. Berföhnungsversuche le hnt der Premierminister sicherlich nicht ab, er wird im Gegenteil mit uns wünschen, daß diese Versuche mit einem beffern Ergebnis enden als in Altösterreich.
Im innerpolitischen Teil seiner bedeutsamen Nede führte der Ministerpräsident über die Minderheitenfragen der Republik
etwa folgendes aus:
Ich will niemanden darüber im Zweifel laffen, bag, wenn wir unfere Malaverhelpenpolitik auch
cines anderen.
vers
widlung der verschiedensten ethnischen Gruppen dieses Staates: Daher teine Bunkfation, teine Ausgleichsversuche.
ren, ob es möglich wäre, gemeine und allgemeine Kriterien zu finden, auf Grund deren wir das Vorgehen der einzelnen Regierungen zu den Minderhets ten parallel und gleichmäßig regeln würden. Ich erwarte daher, daß zu dieser Reziprozität die jenigen ihre Zustimmung geben werden, welche auf ihrem Staatsgebiete nationale Minderheiten haben und wo immer und wie immer Einwände gegen die tschechoslowakische Minderheitenpolitik vorbrachten.
Am 21. Jänner waren dreizehn Jahre seit dem Tode Lenins vergangen. Zwei Tage später, am 23. Jänner, begann in Moskau ein neuer Prozeß gegen bekannte Bolschetviki, gegen Na= det, Piatatow, Sotolnikow und vierzehn andere. Die Ausrottung der alten Bolschewili wird fortgesetzt. Noch harren diese Ange= flagten der Verurteilung und Hinrichtung und schon nennt man Namen anderer, denen das gleiche Schicksal droht, vor allem den Namen Bucharin 3, des auch den deutschen Sozialisten bekannten kommunistischen Theoretifers.
Noch ungeheuerlicher und deshalb noch viel weniger glaubhaft sind diesmal die Beschuldigun gen als im Sinowiew- Prozeß. Radek und seine In der Einleitung hatte der Ministerpräsident Mitangeklagten sind beschuldigt, nicht nur Terror= darauf hingewiesen, daß Prag im Jahre 1942 die atte gegen führende Männer des Sowjetstaates erite internationale Ausstellun vorbereitet zu haben, sondern im Einvernehmen in der Tschechoslowakei beherbergen wird die eine mit Trotti ein Uebereinkommen mit der NationalManifestation der tschechoslowakischen Arbeit und
Tüchtigkeit sein fou. Die Hauptstadt werde sich sicher sozialistischen Partei Deutschlands getroffen zu darauf vorbereiten, und ohne Untergrund haben. Erozti habe versprochen, im Falle der bahn werde sie wohl nicht das Auslangen finden. Wachtübernahme russisches Gebiet abzutreten, Auch die Regulierung der Moldau- Kais fei notwen- Wladivostok und das Amurgebiet an Japan , die. dig: ebenso müßte bis dahin der Plak der Repu= Utraine an Deutschland . Er habe auch blit" wie die Paradestube in unserer geordneten versprochen, daß Rußland neutral bleiben werde, Häuslichkeit aussehen. wenn Deutschland die Donauländer und den Bal
Im wirtschaftlichen Teil wies Dr. Hodža dar tan erobert und Japan China annettiert. Das auf hin, daß eine fonstruttive Handelspolitik die alles sei bei einer Zusammenkunft Troßkis mit Boraussetzung für den Ausgleich psychologister und dem Stellvertreter Hitlers , dem Reichsminister politischer Differenzen sei. Die tschechoslowakische Nee B, endgültig beschlossen worden. gierung hat sich von ihrer Linie der mitteleuropä Und wie im Sinovjet- Prozeß sind die Anfchen Busammenarbeit nicht abbringen lassen und Unter dem Gefichtspunkte ber demokratifchen hat aus eigener Initiative die Schwierigkeiten über- geklagten geständig, und wenn auch das nicht Kontrolle befteht einfach die Bflicht het einen ble felbständige wunden, die ihr eine Beitlang den Abschluß eines mehr überraschen kann, so doch die Seltsamkeit, Sorge bafür. Sandelsvertrages mit and unfere Berlarining, als winteren Stalo partoli. Bu bile sample latetten, bien forme en rien, bat fie tue of the brinete ben, als inen are
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vollkommnen wollen, es nicht beshalb gefchicht, well her and dauerhaft in ihrem vollen tmfange wit- gung mit efterreich entgegenstellten, wur- die Hauptrolle bei der Ermordung Kirows irgendjemand irgendwo im Auslan be unfere tenb, Lein Bapterfeten bleibe, baß unfere ben bezivungen. Die handelspolitische Annäherung gespielt. Minderheitenpolitik tritifiert hat. Die Minderheiten. Berfaffung, welche die große moralische Legitimation der Länder der Kleinen Entente an die Länder des politit ist eine Sache unferer staat. unferes Staates in der Welt darstellt, einen leben- römischen Protokolls entwidelt sich trotz allen stören limen Souveränität und nicht Sache bigen Beweis ber ftaatspolitischen und moralischen den Momenten politischer Art günstig. Wir unter Reife bes tschechoslowakischen Bolles bilde. Deshalb nehmen Hoffnungsvolle Vorbereitungen zur Bertiefoll fie auch zu den starken Garantien seiner Selb- fung und Konsolidierung unserer handelspolitischen ftändigkeit gehören. Beziehungen zu Italien und Deutsch= Der Standpunkt der Regierung aur Minders Ian b. heitenfrage ist sehr klar und einfach, sowohl in der Vergangenheit wie in der Gegenwart als auch Später stellte Dr. Hodža nachbrücklich fest, daß für die Zukunft. Wir verlangen teine Tschechisierung in der Tschechoslowakei die Demokratie bie und Globalisierung der Minderheiten und lehnen Form der Manifestation der Volkskraft bleibe und biefelbe dirett ab, ebenso wie wir in unserem Staate bas ieber Verfuch abgelehnt werden müsse, Demodie Germanisierung oder die Magyarisierung der Slawen verhindern werden.
Aber nicht nur aus diesem formalen Grunde Tehnen wir jeden Versuch um Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten ab, soweit er die internationale Sonvertion überſchreitet. Wir lehnen einen jeden derartigen Versuch auch hauptsächlich aus dem Grunde ab, weil es leinen Staatin Europa gibt, der der Tiche choslowakei in ihrer freisinnigen, demokratischen Minderheitenpolitik als Beispiel dienen tönnte. In der Schweiz und in Belgien handelt es sich nicht um Minderheiten. Wenn die Tschechoslowakei dem Beispiele so vieler europäischer Staaten folgen würde, auf deren Gebiet sich nationale Minderheiten befinden, dann könnten wir in Genf mit Recht anben Brangeraciellt werden.
Den ausländischen Kritikern unserer Minderheitenpolitik antworten wir nicht mit Worten. Wir antworten ihnen mit der Anregung, die zuständigen internationalen Fattoren mögen die Frage studie
Alexandrette- Kompromiß
.Ewige Freundschaft"
Presse nicht nur den Prozeß begleiten, sondern ihn Daß wütende Beschimpfungen der russischen einleiteten, daß die DBA Nadef ein falsches Reptil nannte, einen Erzgauner und abgefeunten Lügner, ist nicht verwunderlich. Nun, da der Prozeß begonnen hat, werden auch die Resolutionen der Betriebsbelegschaften, die stürmisch den Tod der Angeklagten fordern, nicht ausbleiben. Alles das gehört bereits zu den gewohnten Erscheinun gen sowjetrussischer politischer Prozesse. Kratie gegen bas Nationalgefühl oder die Nationali Uns sind nicht alle Angeklagten bekannt. tät gegen den Demokratismus auszuspielen. Die Nicht alle standen so im Vordergrunde wie Radek, tschechoslowakische Demokraite bildet einen Granit- Pjatatow und Sokolnikow. Nadel, den alle Welt blod, einen& elfen, auf dem unsere Staats- tennt als einen der gewandtesten kommunistischen verfassung, unfere Wehrhaftigkeit und unsere mora- Journalisten, der schon vor dem Kriege, als er in lische Selbständigkeit sicher aufruhen. Deutschland am Bremer sozialdemokratischen Blatte Redakteur war, auf dem linken Flügel der Wenn wir heute unsere administrative Bragis sozialistischen Bewegung stand und während des auch in den Minderheitenbeziehungen regeln, fo tun wir dies begreiflicher Weise in Nebereinstimmung mit Krieges zum Kreise Nosa Luxemburgs gehörte, iſt gewiß keine allzu sympathische Erscheinung. Aver allen, also auch mit den deutschen Koali tionsparteien, bie zugleich mit uns bie Genf . Experten der französischen und türgerade jene seiner Eigenschaften, die am wenigverfassungsmäßige Berantwortung tragen, der eine tischen Delegation arbeiten nunmehr an dem de= Belgrab. Sonntag traf der bulgarische Mi- sten gefielen, seine Sophistit, seine Skrupellosig= jebe verfassungsmäßige Regierung und jede Barla- finitiven Wortlaut des Vertrages, durch den die nisterpräsident Kjosseiwanow im Sonderzug hier keit, ſein überheblicher Hohn, ſeine Kunst des mentsmehrheit unterliegt. Frage des Sandschats Alegandrette gere- ein, um im Außenministerium in feierlicher Weise Jonglierens mit der Wahrheit, machten ihn viele Ich bin überzeugt, daß diefe Megelung vom gelt werden soll. Diefes Gebiet wird bolle den Freundschaftsvertrag zwischen Bulgarien und Jahre lang zum wertvollsten kommunistischen Standpunkte der demokratischen Ordnung in der Autonomie in der inneren Ver- Jugoslawien zu unterzeichnen. Dem Gast wurde Journalisten. Nadek iſt auch ein sehr kenntnisreiöffentlichen Verwaltung wünschenswert ist unb wa I tung erhalten, während es in außenpoli- ein herzlicher Empfang und große Ehrungen zu cher, vielbelesener Mann,- Eigenschaften, die ihn birekt unvermeidlich ist vom Standpunkt des tschechischen Nationalismus. tischen Angelegenheiten unter der Souveränität teil. 1. a. erhielt er auch vom Prinzregenten Paul dazu befähigten, der literarische Ratgeber Stalins des syrischen Staates bleibt. Das französisch- tür einen hohen Orden. Der Vertrag sett fest, daß zu sein. Das allein müßte freilich genügen, ihn Sawohl, vom Standpunkt des tschechischen Natio nalismus. Denn der Nationalismus fann nichttische Militärabkommen sichert den Sandschat ges zwischen den beiden Staaten unverlebbarer unmöglich zu machen es darf niemanden geben, anders als anerkennen, und an fennt auch ideologisch gen jeden Angriff. Die innere Autonomie wird Friede und aufrichtige und ewige Freundschaft" der einmal Lehrer des allwissenden Diktators war. folgerichtig den Nationalismus anderer Nationen. vom Völterbunde kontrolliert werden. ¡ besteht. Wenn schon jemand in der Welt, fo find es gerade die prinzipiellen Nationalisten. welche fehr genau wiffen, daß selbst die fleinsten Ahweichungen von der nationalen Freiheitsgesinnung eine Quelle fehr ern ster Staatstrifen au fein pflegen. Der tschechische und im gesamtstaatlichen Begriff tichechoslowakische Nationalismus hat sicher nicht das geringste Intereffe daran, daß unfer Staatswesen dauernd beunruhigt werde, indem sich ein Reim herb politischer
Krisen bilden würde. Auch der traditionelle tichechische Nationalismus ist somit an der richtigen Lösung der Minderheitenprobleme interessiert.
ftrativen Minderheitenpraxis teine Analogie deffen,
General Ugaki Ministerpräsident
Die militärischen Führer gegen, die politischen Partelen für Ihn Totio. Mit der Bildung des neuen Rabi- fchen Parteien die Wahl Ugatis in günstiger netts wurde der 70jährige General igati be- Weise. Die Parteien Minjeito und Sejufai sind traut, der sich vom Kaiser in einer nächtlichen geneigt, ihn zu unterstüben. Audienz eine mehrtägige Frist für die Berhand- Die Unterredung Ugatis mit den militäriBestimmt bedeutet die Regelung der admini- tungen ervat. General Ngali war fünf Jahre hin- fchen Führern Terauchi und Nagano brachte noch was in der Geschichte der tschechischen Bolitit als burch in früheren Kabinetten Kriegsminister und eine Entscheidung über die Frage, ob und obiose Erinnerung an Bunttationen, und Ausgleichs auch eine zeitlang Generalgouverneur von Korea . unter welchen Bedingungen sich die Wehrmacht bersuche weiterlebt. Bunttationen und Ausgleichs- Die militärischen Kreise, die die Negies an der Kabinettsbildung beteiligen werde. Tebersuche hatten ihre Begründung im Habsburger rungstrise herbeigeführt haben, sind mit seiner raucht soll den designierten Premier auf die geReiche, weil die Ronstitution des ehemaligen Reiches Designierung eine& falls einverstanden. gen ihn herrschende Stimmung in der Armee weber den bürgerlichen geschweige denn den Voraus- Man wirft ihm liberale Anschauungen vor; auch hingewiesen haben, der man Rechnung zu tragen febungen einer vernünftigen Staatspolitit entsprach. feien durch sein Rutun in den Jahren 1922 und habe. Deshalb aina auch das Reich unter.
Der tschechoslowaliſchen Berlaffung hat niemand
borgeworfen und wird auch niemals iemand vorwer
fen tönnen, daß fie der bollen nationalen C'erechtia Leit nicht genügend Maum lieke und daß sie nicht Garantien bieten würde für eine selbständige Ent
*) Tschechisch:..fmtkovačky".
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Wir haben für Nadet, einen der gehässig= sten Bekämpfer der Sozialdemokratie, feinerlei Sympathien. Aber die Stellungnahme zu den Mostauer Prozessen, zur Kittung der stalinichen Dittatur mit Blut, hat mit Sympathien und Antipathien nichts zu tun. Der Abschen vor diefem zweiten Schandprozeß wird allein diktiert durch den Schmerz über die Schändung der Arbeitersa che durch eine Anklage, die die Lüge ander Stirn trägt, durch einen Prozeß, in dem es teine Wahrheitssuche gibt, in dem das Urteil feststand, noch ehe der Verhandlungstermin bekannt war, und durch die neuerliche Offenbarung des entseßlich- grausamen Charakters der Stalinschen Dittatur als einer wahren Schredensherrschaft.
In seinem großen Revolutionsroman„ Die Götter dürsten" zeigt Anatol France , wie das Schreckensregime Robespierres und Saint Justs unheimlich gesetzmäßig den Kreis der Opfer
1925 vei Divifionen aus Ersparungsgründen Trotzdem glaubt man in politischen Kreifen, mehr und mehr erweiterte und den Kreis um aufgelöst worden. Er stand deshalb auch im Vor- ba die Armee namgeben Robespierre mehr und mehr berengte, bis die jahr bei dem niedergeschlagenen Militärputschmüte, wenn Ugali bestimmte Forderungen des Basis so schmal geworden war, daß niemand mehr auf der Liste derer, die ermordet werden sollten. Seeres annehme, und der kaiserliche Wille äußer- au den Sicheren, zu den Verläßlichen sich zählen Gegen General Ugati haben sich auch die indu- sten Falles nochmals zum Ausdruck gebracht konnte, bis- mie Robespierre so lange köpfen striellen Kreise ausgesprochen. werde. Tarauchi und Nagano werden Dienstag ließ, bis so ziemlich alle Feinde des Regimes beDagegen tommentiert die Breffe der politis ihre Entscheibung mitteilen. seitigt schienen. Dann aber stand er allein. Die