Sozialdemokrat Aentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Änonahme de« Montag tSglich früh ^Rebaftion und Verwaltung: Prag XL, Fochpva 62 Telephon 53077 Herausgeber: SiegfriebTaub Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag 17. Jahrgang. Mittwoch,. Feber 1S37

«nzelpreleiüAkllkk(einschließk. 5 Heller Porto)

Aus dem Inhalt: Institut für deutsche Volksbildung gegründet Goabbafi* Lügenpropa­ganda neuerdings angeprangert ein Bischot, der Mut sur Wahrheit hat

Nr. 35

Geordneter Rückzug Neue Front bei Almeria 20.000 Italiener mit 100 Tanks an dem Großangriff beteiligt I Die Niederlage der Regierungstruppen bei Malaga stellt sich angesichts der Berichte vom DienStag nicht alS katastrophal dar. Sie ist zwar«Ine moralische Schlappe und da der Großteil der Zivilbevölkerung in der Stadt bleiben mußte, so werden leider Metzeleien unter den Republikanern nicht aubbleiben, aber eine Vernichtung der südspanischen Streitkraft der Republik hat Franko nicht erreicht. Dir rechtzeitige Mumnng beweist, daß die militürische Führung sicherer war, alS etwa im Falle vöN/Jrnn, daß wirklich militärische Gesichtspunkt« be­stimmend blieben. So hat man nach zuverlässigen Berichten den größten Teil der Truppe« und zahlreiches Material zurückfiihren könne». Obwohl die Straße nach Alme­ ria unter dem Feuer der feindlichen Schiffe-liegt, steht bei Almeria , also 170 Kilometer östlich von Malaga , am der strategisch günstige« Linie, die da- Tal deS Almeria -FluffeS in daS Ge­birge rknfchneidet, eine neue Schlacht bevor», die von den Regierungstruppe» unter wesentlich günstigeren Bedingungen geschlagen werden und wo sich ei» langwieriger, für de» Angreifer ver­lustreicher Stellungskrieg wie bei Madrid entwickeln kann.

Ribbentrops Vorsprache ohne besondere Bedeutung** London.(Reuter.) Der deutsche Bot­schafter von R i b b«'n t r o p wird Donnerstag nachmittags Lord H a l i f a j Int Ministerium für auswärtige Angelegenheiten einen Besuch ab- stattrn. Britische politische Kreise messe» diesem Be­suche keineswegs irgendein« besondere Be­deutung bei. Unbegründete deutsche Hoffnungen" L o n d o n. DaS konservative UnterhanSmIt- glied AdamS hat für Montag«ine Interpella­tion angekündigt, in welcher der Mnister für auswärtige Angelegenheiten gefragt wird, ob er di,unbegründete« deutfchrn.Hoff- «ungen durch die klar« und bestimmt« Er­klärung zerstreuen wolle, daß die britische Regie­rung nicht beabsichtige, die Abtretung irgend­eines unter britischer politischer Kontrolle stehen­den Gebietes zugunsten des nazistischen Deutschland in Erwägung zu ziehen. Wie sich Ribbentrop. hervortun will König Georg VI. hielt am Montag im.St. James-Palast das. erste feierliche Levke ab. An k em Empfang nahmen die höchsten Würdenträger Englands.und das gesamte diplomatische Korps teil.'. Der deutsche Botschafter von Ribbentrop wendete, wie das DNB ausdrücklich anführt, bei der Boxstellung, de» Personals der deutschen Bot­schaft/.q.« n.« r l i ch den Hitlergruß an. So­wohl Ribbentrop selbst als auch alle Herren der Botschaft verneigten sich zunächst vor dem König, um dann den rechten Arm zumd e ut s ch e n Gru ß" zu heben. Ribbentrop hat sich also durch die scharfe Kritik der englischen Presse an dem ersten Verstoß gegen daS Hoszeremoni.ell, den er vor einigen Tagen bei Ueberreichung seines Be­glaubigungsschreibens durch die Begrüßung des Königs mit dem Hitlergruß begangen hatte, nicht abschrecken lasten, obwohl ihn, wie verlautet, daS britische Außenministerium inzwischen ausdrück­lich hatte aufmerksam machen lasten, daß man Ab­weichungen von dem vorgeschriebenen Zeremoniell n i ch t gerne sehe. Deutschlands Gläubiger werden ungeduldig» Berlin . Dienstag nachmittags begannen-in Berlin di« Konferenzen der auSländstchen Privat­gläubiger Deutschlands . An den Verhandlungen Nahmen teil: Frankreich , England, die Bereinig­ten Staaten, Holland , Belgien , Schweden , di« Schweiz und die Tschechoslowajssi. Zweck der Verhandlungen ist die Berlängerung des Abkom« mens über die deut sch en P r i v a-t* schulden, daS am 28.. Feber abläuft.-Die Auslandsschulden der deutschen -Banken und In« dustrieunternehmungen beliefen sich ayt 81. De­zember 1036 auf eine Milliarde 20 Millionen. Mark, während sie ein Jahr vorher noch eine Mil­liarde 428.Millionen Mark betrugen. Die ausländischen Gläubiger sind der An­sicht, daß die im Jahre 1988»-geführten Zah­lungen«ich t genügen. Besonders hatte man gelegentlich der Olympische» Spiele auf«tue größer« Ausgabe von Rrgistrrmark gerechnet und wird wahrscheinlich für-1937 für di« Zustim­mung zur weiterem Stillhalttmg eine st ärker -e Tilgung verlangen» zumal da Deutschland - Handelsbilanz im Jahre 1936 mit etwa 300 Mil­lionen Mark aktiv ist.

Reuraths Wiener Besuch Wien . Bon kompetenten Stellen wird mit­geteilt, daß der reichsdeutsche Außenminister Freiherr von Ne u rath am 22. d. M. in Wien eintresfen und dortselbst zwei Tag« ver­bringen wivd.'. 1

Wiesner nach.London ----> f. 11 Wien.(Tsch. B. P.) Der Führer der öster­reichischen. Monarchisten, Dr.. Wiesner,-,'ist' heute vaWttagS' nach. London abgereist, wo,er i»' der Wniglichen. Gesellschaft, für auswärtige PÄftik zwei"Borttäge über' die österreichische, legitimi- stische Bewegung halten Wird.'

Almeria. (Reuter.) SnUebereinstimmüng mit der Anordnung deS Oberkommando- der Re» gierungStruppen ist.Malaga von den Regierungs­truppen, geräumt worden» welche in Ordnung neue Positionen eingenommen und eine Menge Kriegsmaterial mitgenommen haben. Sie- stehen bereit- mit den entsandten Verstärkungen in Ver­bindung, um einem neuen Borgehen der AufstäN- dischen begegnen können. Der in Almeria ein» getroffene Sendetkorrespondent der spanischen MchnchktilikDtütüii^rirHiS'S«» letzten Augen­blick Malaga verbliebe« war» erklärtes daß die Aufständische» bei ihrem Vormarsch von, 20.000 Italienern, vielen tapsend Deutsche » und lausenden Marokkanern Un­terstützt wurden. I« der letzten Kampfphase gin^ gen über'100 italienische Tanks gegen die Verteidiger MalagaS vor. Der Kor­respondent sagt» daß der Angriff vom deut­sche« KriegS st ab von Bord deS soge­nannte«Westentaschenkrruzers"Graf von Spee" aus geleitet wurde. Wie der spa- Nische Korrespondent hinzufügt, haben die Auf­ständischen, die von italienischen Kontingenten un­terstützt wurden» welche sofort«ach ihrer. Aus­schiffung au- Eadig an dir Front gebracht wurden, ungeheure Verluste erlitten. Die Aufständischen sind, wir auch von den RegirrungSkreise»-«ge­geben wird, um-11 Uhr. in'Malaga eingedrun-' gen. Zuerst ist einer Depesche der spanischen Agentur zufolge rin italienisches Regiment in Malaga rtngedrungrn» dem eine Kompagnie Frrmdrnlrgionärr und marokkanische' Truppen folgten. Die erwähnt« spanische Agentur fügt hinzu, daß Hunderte Personen bei dem verzwei­felte», versuch, Malaga zu verkästen, im Meere

ertrunken sind. Ferner behauptet die Agentur, daß die Stadt von den Marokkanern und den Fremdrnlegionären geplündert worden sei. Rach glaubwürdiger Quelle hatte» dir Ver­teidiger MalagaS 6000 Tote und Verletzte? ein Augenzeuge hat in einer einzigen Gaffe der Stadt mehr alS 100 Tote, gezählt. ...Vor Massehhlnrlchtungen In Malaga ? Gibraltar.(Reuter.) Einer Nachricht auS Mala g a zufolge, haben sich dort 800 Zivilgardisten und. Polizisten den Aufständischen ergeben. Die Aufständischen beabsichtigen in den nächsten Tagen, ein öffentlicheSKriegS- g e r i ch t einzuberüfen, welches dir Gefangenen aturteilrn soll. Kleber gefangen? London.(Havas.)Le Matin" druckt eine aus Gibraltar in London eingetroffene Nachricht ab, derzufolge aufständische spanische Kriegsschiffe einen. Regierungsdampfer angehalten haben, an dessen Bord sich mehrere, kommunistische Führer befanden, die den Bersuch unternahmen, aus Ma­ laga zu entkommen.- Darunter soll, sich auch der -unlängst aus Madrid in Malaga , eingetrostene General Kleber befunden haben, der das Kom­mando über die Stadt Malaga übernehmen sollte.

DerK/lachtberelchder Regierung und das von den Rebellen besefjte Gebiet

vor der Einnahme von Malaga durch die Italiener

Demakralische Volksbildung In demokratischen Staatswesen gilt der Grundsatz, daß alle Biacht vom Volke ausgeht. Dieses Maxime ist nicht nur eine schönklingende Phrase, die bei uns an der Spitze der Verfassungs- urkun-de steht, sie bildet die eigentliche sittliche und juridische Grundlage unserer Republik . Sie sichert dem Volke nicht nur ein souveränes Recht, sie bür­det ihm gleichzeitig eine schwere Verantwortung auf. Nicht alle Völler haben sich In unserer jüng­sten Vergangenheit dieser Verantwortung würdig erwiesen; sie haben.sich teils freiwillig ihrer demo­kratischen Rechte begeben oder nur durch einen Teil mannhaft verteidigen lassen. Sie sind an der in Krisenzeiten allerdings schwierigen Aufgabe, sich selbst zu regieren, verzweifelt, sie haben ihr Schicksal in die Hände einesFührers" gelegt oder erwarten vom Sieg mythischer Gedanken eins Wendung ihres Schicksals zum Besseren. Ein demokratischer Staat, der sich seiner Auf­gaben bewußt ist, wird daher der Erziehung seiner Bürger zu vollwertigen Demokraten sein beson­deres Augenmerk zuwenden, dies um so mehr, wenn seine gesamte Bevölkerung nicht durch jahr- hunderte alte Tradision im Gebrauch ihrer demo­kratische» Rechte und in der Erfüllung ihrer Pflichten geschult ist. Diese Erziehungsarbeit leistet die Schule oder soll sie wenigstens leisten an der Heranwachsenden Jugend, sie an der erwachsenen Bürgerschaft zu leisten ist Aufgabe der Volksbildungsarbeit. Die junge Tschechoslowakische Republik hat die an ihren Bürgern zu vollbringende Erziehungs­verpflichtung Aar erkannt Bereits im ersten Jahre ihres Bestandes Habrman war damals Unterrichtsminister-schuf sie die Gesetze über die Errichtung- der OriS - und Bezirtsbildungs- auSschüsse und der Gemeindebüchereien. Mit die­sen auch von ausländischen Kennern als vorbildlich bezeichneten Gesetzen verschaffte sie dem öffenl». lichen BildungSivesen die ihm gebührende Stellung, gah sie ihm mächtige Impulse. Die Wirkungen Rieben nicht auS. Heute zählt die Tschechoslowa­kische Republik 661 Bezirksbildungsausschüsse, 12.264 OrtSbildungSkommissionen und 17.089 Gemelndehüchereien, Auch im deutschen Sektor unseres Staates hat sich das öffentliche Bildungs­wesen mächtig entwickelt. 176 BezirkSbildungS- auSschüffe, 2090 OrtSbildungSkommissionen und 8570 Gemeindebüchereien, die jährlich über 220.000 Leser mit rund 2,600.000 Entlehnun­gen auSweisen, teilen sich in ihre volkserzieherische Aufgabe. Daneben bestehen einige wohlorgani­sierte Volkshochschulen und die Zentralwander» hücherei In Prag mit über 10.000 Bänden, deren Zweck es ist, vor allem den Aeineren Büchereien Leihgaben zu vermitteln und die reichlich in An­spruch genommen wird. Die Krisenzeit war der weiteren Entwicklung allerdings nicht förderlich. Die Zuschüsse des Staates, die sich immer in mäßigen Grenzen be­wegten, flössen fpärAcher, jene der Gemeinden desgleichen, in vielen Fällen blieben sie bei ver­armten Kommunen sogar ganz aus. Nicht för­derlich war dem öffentlichen Bildungswesen auch die.politische Entwicklung, Gar manche VolkS- bildner, die vom Httlertaumel erfaßt wurden, ver­suchten daS öffentliche BildungSivesen in ihren: Sinne zu beeinflussen, und verloren, als ihnen dies nicht gelang, an ihm das Interesse. So drohte diesem teils aus Mangel an Mitteln, teils aus persönlichen Gründen, eine ernste Krise. Niemals aber war die Volksbildungsarbeit so notwendig als. gerade sn dieser Zeit. Eine VolkS- bildungSarbeit allerdings, die auch den Mut zum Bekenntnis ihrer ureigensten Aufgaben hat: zur d emokra t i s chen Erzi ehu n g d e S Bol« k e S.'Es.ist absolut unbestritten, daß daS öffent­liche Bildungswesen keiner Partei dienen darf, daß- eS politisch neutral sein'muß; in eine,-» Punkte«her kann eS und darf>'.S keine-Neutralität. g.eb,en: in der Stellung zur Demokratie. Pur ein demokrättsch orientiertes öffentliches Bildungs­wesen hat eine geschichtliche Berechtigung und nur ein solches Wird im'demokratischen Staate Raum Hohen.' Wenn dieses Bekenntnis klar und unmißver­ständlich ausgesprochen wird, dann wird es dem öffentlichen' Bildungswesen nicht schwer werden, für seine Bestrebungen Freunde und Förderer zu finden. Dann wird vielleicht auch, bei den maß­gebenden-Faktoren des Staates die Erkenntnis tiefer Fuß fassen, daß zur geistigen Ver­te idigun g der Repuhlik«henso Mittel erforderlich sind, wie zu ihrer materiellen Ver­teidigung.