Sozialdemokrat

8entralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republi Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh

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Redaktion und Verwaltung: Prag   XII., Fochova 62- Telephon 53077 Herausgeber: Siegfried Taub Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag  

17. Jahrgang

Vier Jahre

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Samstag, 6. März 1937

Einzelpreis 70 Heller( einschließt. 5 Heller Porto)

Aus dem Inhalt:

Rüstungsanleihe

Machtvolle

in Frankreich  

Jaksch- Versammlung

in Bodenbach  

Deutsche   Sozialdemokraten im Vormarsch Henleinleute

in Mies verhaftet

Nr. 56

lebendig begraben Wahlsieg der Arbeiter- Partei in London  

Die Union für Recht und Freiheit" über­gibt der Deffentlichkeit eine Liste von 85 deutschen  Männern und Frauen, die seit 1933 fich unun­terbrochen, ohne hierzu durch ein rechtmäßiges Verfahren verurteilt worden zu sein, in den Kon= zentrationslagern und Gefängnissen des Dritten Reiches   befinden. In dieser Zahl, die keineswegs als vollständig gelten kann, befinden sich 17 Reichstagsabgeordnete, neun Landtagsabgeord­nete, mehrere frühere Minister und führende

Parteifunktionäre; acht Häftlinge sind Frauen.

Zu den, der Deffentlichkeit bekannten Ge­fangenen, gehören der frühere Reichstagsabgeord= nete Ernst Thälmann  , der frühere brann­

schweigische, fozialdemokratische Ministerpräsident Dr. Heinrich I a sper, die früheren sozialdemo­fratischen Abgeordneten Ernst Heilmann  , Dr. Julius Leber, Dr. Karl Mierendorff, Dr. Kurt Schumacher( Schwerkriegsbeschä= digter) und die kommunistischen   Parlamentarier Willy Kasper, Dr. Neubauer, Lene Overlach, Walter Stöcker   und Schneller. Außerdem sind Opfer der vierjäh­rigen Einschließung der Sekretär der deutschen  Friedensgesellschaft F. Küst er, der bekannte Anwalt Dr. Hans Litten   und der immer noch unter Polizeiaufsicht stehende Nobelpreisträger Carl von Offictky.

Ernst

Mussolini braucht Soldaten!

Rom  . In der Sitzung vom 2. März des Großen Faschistischen   Nates wurde der Beschluß gefaßt, die Bevölkerungspolitik des Regimes nach

Noch sechs Sitze gegen 1934 gewonnen Klägliche Niederlage der Mosley  - Faschisten

London.  ( Tsch. P.-B.) Das endgültige Ergebnis der Londoner   Graf­schaftswahlen weist eine Erhöhung der Sitze der Labour- Party von 69 im Jahre 1934 auf 75 und einen Verlust der Konservativen( Stadtreformer") von sechs Mandaten aus. Die Konservativen werden im neuen Grafschafts­parlament von London   nur 49( gegen Sitze von 124 be sitzen. Alle anderen Parteien sind ohne Partei Sir Oswald Mosleys hatte in drei Bezirken kandidiert. Ueberall wurden ihre Kandidate, die in jedem der drei Bezirke etwa 2000 Stimmen auf sich vereinigen konnten, von den Arbeiterparteilern geschlagen.

Die faschistische

Mit der verstärkten sozialistischen   Mehrheit ist die rote Stadtver. waltung von London   auf weitere drei Jahre gesichert.

Einkommenerhöhung

der Staatsangestellten

Rückwirkend vom 1. Jänner Mehrausgaben 150 Millionen

Im Nachstehenden bringen wir eine offizielle Mitteilung der Regierung, die zweifellos allgemeine politische Beachtung finden wird und ein Beweis ist für die fruchtbare Arbeit, welche die gegenwärtige Koalitionsregierung für Staat und Bevölkerung leistet. im Jahre

Der bedeutende Wahlsieg der Labour Party  bei den Londoner Grafschaftswahlen kommt vielen überraschend, er wird vielen auch recht ungelegen fommen, er ist um so mehr für uns und für die Sozialisten und arbeitenden Menschen allüberall ein An I a ß zu Freude, Genug tuung und neuen Hoffnungen.

Die sozialistische Stadtverwaltung von Lon­ don   hat in den drei Jahren, in denen sie sich be währen konnte, sehr Bedeutsames geleistet. Wie in allen europäischen   Großstädten, die in den leẞ= ten Jahren von Sozialisten verivaltet wurden,

wie in Wien  , Kopenhagen  , Zürich  , Marseille  , Lille   und manchen anderen, so haben auch in Lon­ don   die Sozialisten, die so oft als destruktive", als zerstörende Elemente beschimpften Arbeiter= vertreter, große konstruktive, aufbauende Arbeit vollbracht. Unter der Leitung von Herbert Morrison   haben die Labouristen in London  ähnlich großzügig wie einst unter Reumann, Seip und Breitner die Wiener   Sozialdemokraten den ganzen Verwaltungsapparat einer Willionen­stadt, in London   ja der größten Stadt der Welt. das ganze System der Kommunalpolitit umge formt und dem Volle erst gezeigt, was eine Ge­meinde, eine Gemeinschaft" sein fann, wenn sie wirklich dem gemeinen Wohle und gemeinen Nut­zen, nicht den Interessen einer herrschenden Stasie dient. Von daher hatte die Londoner   Arbeiterpar­tei nichts zu fürchten. Ihre Arbeit war jeder Kritik gewachsen.

gefallen lassen. Die Regierung war damals ein Votum gegen uns erzeugt, sondern day­

folgenden Leitfäten zu vervollkommnen. 1. Be muftannte tommengestellten ihre Bezüge vermindert und sie

borzugung der Väter finderreicher Familien bei der Arbeit und Anstellung. 2. Politik einer Fa­milienentlohnung.( Bei gleicher Arbeitsart und -Leistung ein Einkommen im Verhältnis zur Be­lastung durch die Familie.) 3. Revision der gegen­wärtig gültigen bevölkerungspolitischen Maßnah­men mit dem Zweck, das Leben kinderreicher Fa­milien sicherzustellen. 4. Einrichtung von Hei­ratsdarlehen und Mitgiftversicherungen für junge Arbeiter. 5. Bildung einer nationalen Verfiche­rung für kinderreiche Familien. 6. Neueinteilung der Provinzen und Gemeinden auf Grund der Ergebnisse der kommenden Volkszählung von 1941, wobei Gemeinden und Provinzen gestrichen werden, in denen die Bevölkerung überaltert und dünn geworden ist. 7. Einrichtung einer Zentral­stelle, die die Bevölkerungspolitik des Regimes überwacht und fördert. Diese Leitfäße sollen ge­schgeberisch verankert werden. Der Große Rat er innert feierlich alle Faschisten daran, daß das Be­völkerungsproblem das wichtigste aller Probleme ist, da es ohne Leben keine Jugend gibt, keine militärische Macht, keine wirtschaftliche Expan= sion, keine sichere Zukunft des Vaterlandes.

Bucharin und Rykow aus der Partel ausgestoßen

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Nates der Volkskommiſſare und späteren Boft­tommiffär Ny to w, der sich feit geraumer Zeit bereits in Haft befindet, aus der Partei auszu­stoßen.

Unter dem Druck Berlins  

diesem Schritt gezwungen durch die Wirtschaftskrise, welche einen außerordentlichen Rückgang in den Einnahmen des Staates zur Folge hatte. Wollte man die staatlichen Einnahmen und Ausgaben im Gleichgewicht halten, mußte man die Ausgaben herabsetzen und so mußten auch die Angestellten des Staates ein Opfer bringen. Es wird nun ein Teil dieser Abzüge beseitigt und bie Staatsangestellten erhalten wieder höhere Bezüge, und zwar rückwirkend vom 1. Jänner 1937. Der Entschluß der Regierung ist um so höher zu werten, als die Mehrausgaben, die dadurch entstehen, 150 Millionen betragen. Am 1. Juni werden die staatlichen Angestellten die höheren Bezüge er­halten.

Die Maßnahme der Regierung ist ein Zeichen, wie ernst die Koalition entschlossen ist, die ihr gestellten Probleme nach und nach zu lösen. Kaum haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse ge­bessert, sucht die Regierung die ungünstigen Folgen, welche die Krise für einzelne Teile der Bevölke­rung hatte, zu beseitigen. Eine Reihe von Maßnahmen auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik foll dazu dienen, den Export zu heben, die Kaufkraft zu stärken und die Arbeitslosen wieder in den Arbeits­prozeß zurückzuführen. Dort, wo die Regierung selbst Arbeitgeber ist, fucht sie die Gehaltsherabsehung, die während der Krise vorgenommen worden ist, nach und nach zu beseitigen.

Das ist ein Zeichen, welches auch die privaten Arbeitgeber nicht mißverstehen, sollten. Sie haben die Krise dazu benützt, um die Löhne der Arbeiter herabzudrücken, und es wird nun notwendig sein, sich den gebesserten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen und das Einkommen aller gegen Gehalt und Lohn arbeitenden Schichten zu erhöhen. Wiederaufbau der durch die Krise gefuntenen und zerrütteten Lebenshaltung der arbeitenden Klassen muß die Parole fein!

Die amtliche Verlautbarung hat folgenden Wortlaut:

Bei attiven Bezügen und einer Pensions­grundlage bis zu 7200 einschließlich 0.4 Proz. über 7200 bis zu incl. 9.000 10.800 12.600 14.400

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9000 10.000 12.600 14.000

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etwa

Aber wir wissen recht gut, daß beute sehr oft nicht sachliche Stritit unsere Positionen gefährdet, die ruhige Ueberlegung denkender Menschen politischen Wahngebilde, Massentausch und Schlagworte einen Wahlkampf entscheiden können und ihn dann eben gegen uns entscheiden.

Es war zu befürchten, daß die Parolen, un ter denen die Tories derzeit die Labour Parm bekämpfen, der Vorwurf also, sie sei mit ihrem Pazifismus für die militärische Schwäche Eng= lands verantwortlich, sie hindere Englands Auf­stieg, sie höhle seine Kraft aus und ihr Wirken reiche objektiv nahe an hochverräterischen Defai­tismus heran, daß diese politischen Schlagworte in eine überhiẞte Atmosphäre fallen und das Ringen um London   zu unseren Ungunsten ent= scheiden würden.

Die englische Wählerschaft hat aber auch in dieser schweren Zeit ihre Nerven- und Seelen­ruhe bewahrt, sie hat nicht verlernt, ruhig und vernünftig zu entscheiden. Sie billigt offenbar nicht nur die Kommunalpolitik der Labour Party  , sondern sie versteht auch deren politisches Konzept.

Die Labour Party   ist keineswegs in einem platten und illuſionären Pazifismus befangen. Sie weiß, was England braucht, und ist bereit. dem Lande eine mächtige Rüstung zu geben. Aber sie fritisiert mit Recht die schwankende, oft ziel­0.8% lose, mit den Faschismen packelnde Politik Bald­3.8% wins und Edens, sie will eine konstruktive Frie­5.8% denspolitik, ein geschlossenes System 8.8% allgemeiner Sicherheit, demokra 10.8% tische Zielsetzung auch in der Außenpolitik. Sie und konnte darum mit der Spanien  - Politit des Kabi­inel. netts und der Tories nicht einverstanden sein. Gerade Spaniens   wegen ist das Londoner  Wahlergebnis so erfreulich. Es zeigt nämlich, daß; die Masse des britischen   Volkes die Haltung der Labour Party   versteht und eine energischere Po­Titik gegen die faschistische Intervention fordert. Das Votum der Londoner   Wähler ist aber auch deshalb recht bemerkensivert, weil es zweifellos eine Ausstrahlung kontinentaler Ideen, vor allem Auf Grund des eingangs erwähnten Regie- der französischen   Volksfront, auf das Inselreich beweist.

Bei Pensions-( Versorgungs) genüssen einer Abzugsgrundlage bis zu 6000 0.4 Prozent.

y über 6.000 bis zu incl.

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9.000 12.600 14.400 33.600

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., 49.800

9.000 12.600

0.8% 5.8%

14.400 8.8% 33.600 10.8% 49: 800 12.8% 15.8%

Die Regierung hat am 4. März den Berich: des Finanzministers über die Grundsäße mit Zu­stimmung zur Kenntnis genommen, auf welchen die Maßnahmen zur Milderung der Staatsange­Moskau. Wie amtlich mitgeteilt wird, stelltengehaltsabzüge beruhen werden. Damit sind wurde in der letzten Vollfihung des Zentralege- die zwischen den Regierungsfaktoren und der tutivkomitees der kommunistischen   Partei be- Arbeitsgemeinschaft der Staatangestellten geführ fchloffen, wegen parteifeindlicher Tätigkeit den ten Verhandlungen abgeschlossen. Den Anträgen bisherigen Chefredakteur der Isweſtija" Bu der Arbeitsgemeinschaft wurde entsprochen. charin und den einstmaligen Vorsitzenden des Im Geiste dieser Forderungen sollen in den einzelnen Relationen angemessen die Gehalts­abzüge allgemein gemildert werden, welche durch" Regierungsverordnung 252 vom Jahre 1933 ein geführt worden sind, und zwar im§ 4( allge: meine Abzüge von den Ruhe- und Versorgungs­genüssen) und im§ 5( allgemeine Abzüge vo den Kongrualergänzungen und den Kongrual. pensionen). Ferner soll die außerordentliche Gr- rungsbeschlusses werden nunmehr die zuständi= höhung aufgehoben werden, die im§ 6 dieser gen legislativen Maßnahmen vorbereitet werden. Für den großen Ideenkampf in Europa  , für Verordnung zu dem speziellen Abzug statuiert Nach ihrer Annahme wird die Durchführung der das Ringen, das ja sehr schnell in einen blutigen wurde, der nach dem Gesez 204 vom Jahre 1932 art in Angriff genommen, daß, beginnend mit Waffengang ausarten kann, ist die Stärkung gültig ist, soweit es sich um Abzüge von Versor: dem Juni- Auszahlungstermin die Entscheidung der sozialistischen   Front in England gungsgenüssen handelt, die ins Ausland gezahlt der Regierung realisiert werden kann. ein nicht abzuschender Gewinn. werden. Der Umfang dieser Erleichterung, die Um das faschistische Hitlerreich zieht sich ein fast Dreiviertel der bisher nach den Paragraphen Gürtel von demokratischen Staa 2. 4 und 5 der erwähnten Verordnung gültigen ten, in denen von Finnland   über die drei skandi­allgemeinen Abzüge beträgt, ist so bemessen, um navischen Königreiche bis Frankreich  , Belgien   und das Versprechen der Regierung zu erfüllen, die England der Sozialismus mehr und mehr Gehaltsabzüge um einen Gesamtaufwand von Im sozialpolitischen Ausschuß der Kammer eine gewaltige nationale und ge= fährlich 150 Millionen zu reduzieren. werden am Donnerstag, den 11. ds. Fürsorge- schichtsbildende Kraft wird. Gerade minister Ing. Ne čas und Verteidigungsminister die Aufrüstung Englands, die große Rolle, die Machnit Erklärungen über die Einrechnung England in alien kommenden Auseinandersetzun­des Militärdienstes abgeben. Igen zufallen wird, lassen es für uns als eine

Wien  . Die Reichsregierung hat die Ver breitung einiger weiterer österreichischer Blätter in Deutschland   verboten. So z. B. das Salz­burger Volksblatt", die Innsbrucker Nachrich= ten", das Linzer Tagblatt", die katholische Revue " Schönere Zukunft" usw. Man glaubt, daß Deutschland   durch dieses Verbot die Zulassung des Völkischen Beobachters" in Dester­reich erreichen will.

Berlin  . In der letzten Nummer der Funk­stunde" werden die österreichischen Sender in der gleichen Rubrik wie die reichsdeutschen Sender an geführt. Ein ähnlicher Fall hatte sich bereits im Jahre 1983 ereignet und wurde damals übes Einschreiten der österreichischen   Regierung bei­gelegt.

Vom 1. Jänner 1987 an werden daher die Gehaltsabzüge laut Gesez 204 vom Jahre 1932 und der Regierungsverordnung 252 betragen:

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Die Einrechnung

der Militärdienstzelt