Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik

Erfcheint mit Ausnahme des Montag täglich früh

Redaktion und Verwaltung: Prag XII., Fochova 62

Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub

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17. Jahrgang

Bannerträger

der Menschlichkeit

Zu Masaryks 87. Geburtstag

Der heutige Geburtstag des Präsidenten Masaryk wird die Bewohner der Tschechoslowa­tischen Republik und darüber hinaus alle geistigen und politischen Menschen, alle diejenigen, die den

Ausweg aus dem Chaos der Zeit, den Aufstieg zu einer besseren menschlichen Ordnung suchen, mit großer Freude erfüllen, weil es das Schicksal die­sem größten Tschechoslowaken und großen Euro­päer gegönnt hat, das 87. Jahr dieses großen und reichen Lebens zu vollenden und in das 88. Le­bensjahr einzutreten. Jedes Kulturmehsch, jeder Demokrat, jeder Sozialist fühlt sich heute durch den Gedanken gestärkt, daß in einer Welt, die ruhig zuſieht, wie Mütter und Kinder von Gra­naten zerrissen, wie gedungene Landsknechte aus zwei Erdteilen als Retter der europäischen Kul­tur und Ordnung ausgegeben werden, wie eine

Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag

Sonntag, 7. März 1937

Einzelpreis 70 Heller( einschließl. 5 Heller Porto)

Aus dem Inhalt:

Jaksch spricht in Teplitz Amnestie aus Anlaß

des Geburtstages

des Präsident- Befreiers Beilage:

Wirtschaft der Welt

Nr. 57

,, Marsch auf Budapest " verhindert Ein Vorstoß

Eine schwere Niederlage des preußischen Imperalismus in Ungarn

"

Die Prager Presse" bringt in ihrer Sonn-| auf Urlaub ist, nicht mehr nach Budapest zurück­tag- Ausgabe Einzelheiten über den tnapp ver- tehren wird. Der eigentliche Drahtzieher soll der hinderten Putſchverfuch des ungarischen Politikers Leiter des DND in Peſt , ein B ar vn hahn, geplant und mit seiner Agitation die militärischen reist ist. Marton, der einen Marsch nach Budapest " gewesen sein, der plötzlich aus Budapest abge­Jugendverbände, Teile der Armee und wichtige Für die Beurteilung der mitteleuropäischen Organisationen durchdrungen hatte. Marton war Situation ist es besonders interessant, daß Ber­der Vertrauensmann Gömbös und soll diesen zur lin i ett den Handstreich in Ungarn mit so über­Diftatur gedrängt haben. Nach Gömbös ' Tod stürztem Eifer betrieben hat. Für eine kriege­führte er deffen Politik weiter. Seine Finanz- rifche Aktion im Donauraum, für einen Ueber­quellen und die Hintermänner seiner Bewegung fall, aber auch für den Marsch nach Wien find in Hitlerdeutschland zu suchen. Bethlen, ist es wichtig, daß Ungarn mitgeht" und daß in ein Feind des nazistischen Kurses in Ungarn , Ofen eine für Hitler verläßliche Regierung am Tibor Eckardt und andere Oppositionelle Nuder ist. Das Regime Bethlen- Daranyi ist halb drängten Daranyi, durchzugreifen. Dieser und der Honvedminister Roeder, der allgemein als die stärkste Persönlichkeit neben Bethlen gilt, ent­schlossen sich, dem Putsch Martons, der für die nächsten Tage vorbereitet war, zuvorzutom men. Durch Verhaftungen wurde das Netz der Verschwörung zerrissen.

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Es verlautet, daß der deutsche Ge Gesandte von Mackensen, der derzeit

Sabotage

des Kontrollpaktes worden war, ist der Nichtinterventions- Ausschuß Wie in den letzten Tagen bereits angedeutet tatsächlich zu feiner Einigung über die Kontrolle

März sollte die Kontrolle einsehen. Nunmehr wird als nächst es mögliches Datum" der 20. März genannt.

Inzwischen sind nach verläßlichen Berichten wiederum Italiener in großer Bahl in Cadiz gelandet worden. Die Waffenlic­ferungen aus Italien reißen nicht ab.

Aus den technischen Vorschlägen für die Kon­große Kulturnation, der die Welt so viel ver- trolle wird bekannt, daß die Kontrollbeamten zwar dankt, gemartert und gequält wird, wie Bücher die Schiffspapiere prüfen, aber kein Mecht verbrannt und Menſchen Höllenqualen ausgelie- 3 nr Durch fuch uns der Schiffe haben fert werden, wie jede Achtung vor dem Leben des werden. Damit wird die ganze Kontrolle natürlich andern verloren gegangen ist, daß einer so elen zur Komödie, denn es iſt jeglicher Durchstecherei den Welt zu Troß eine Erscheinung wie Masaryk der Weg geebnet. lebt, der uns als die Verkörperung alles Großen und Guten erscheint. aller Errungenschaften der menschlichen Stultur und des Menschengeistes. Ein großer Troft und eine große Hoffnung ist uns

diese geschichtliche Persönlichkeit, wir richten uns daran auf, daß wir nicht nur die Zeitgenossen der

Göring und Goebbels , sondern diejenigen Tho­

mas Masaryks sind.

Die militärische Lage undurchsichtig

In den letten Tagen wurden wiederholt große Erfolge der Regierungstruppen, so zum Beispiel die Rückeroberung Toledos oder die Um­gehung des Südflügels der Rebellen bei Talavera gemeldet. Bisher konnte aber keine dieser Meldun­

gen bestätigt werden. Die Rebellen dementieren

sie natürlich.

italo-, halb francophil, aber auf jeden Fall anti­preußisch. Es ist auch nicht frei von legitimisti­fchen Einflüssen( insbesondere gilt General Roe der als Verbindungsmann der Legitimisten) Hitler hatte also cin dringendes Interesse an einem Putsch in Ungarn dringend nämlich dann, wenn er, wie wir vermuten, für die nächste Seit einen Handstreich vor hat, dessen Ziel wohl Desterreich sein dürfte!

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Im Guten wie im Bösen aussprechen, was ist, nie ruhmredig werden, niemals im arbeiten den Volt trügerische Illusionen wecken- das war und bleibt ein Stück sozialdemokratischen Wesens und Wirkens. Aber gerade weil wir uns selber auch in dieſer Hinſicht treu geblieben find, haben wir das Recht und die Pflicht, in den Augenblicken, da die Arbeitermassen das Vollge= fühl sozialdemokratischer Kraft wieder durch­strömt, stolz, kampfbereit und siegesfroh unser Banner so hoch und frei wehen zu lassen, daß das ganze Land es sieht.

Ein solcher Augenblick war am Freitag Vo­denbach. Hier, an den Toren des Dritten Reiches , einen Hähnleinsprung entfernt von den Grenzen, hinter denen die abscheulichsten Tyrannis unserer Zeit die große deutsche Nation an Geist und Leib nechtet, hier, in diesem Bodenbach , bei dem nach einem anrüchigen altösterreichischen Ministerivort die soziale Frage aufgehört habe, hier ward neuerdings bewiesen, daß da einer der besten, unbeugsamsten, freiheitsdurstigsten deutschen Stämme siedelt, entschlossen, die soziale und mit ihr die nationale Frage immer von Neuem auf­zurollen, immer wieder die Straft zum Vorstoß zu entwickeln, sich für die Demotratie, für den Fort­schritt, für die Völkerversöhnung und für den Frieden umso leidenschaftlicher zu schlagen, je in kühnen Gegenangriffen beträchtliche Erfolge mehr drüben Hitler und hüben Henlein durch erzielen können. In Asturien , in Madrid , am Ja- Giftgase die Menschen um die Herrschaft ihrer rama und im Süden bei Cordoba wie bei Almeria Vernunft bringen wollen. scheint die Volksarmee das Gesetz des Handelns Der Massenaufmarsch am Freitag machte zu diftieren. Die vielseitige Beunruhigung des die Bilder wiederum lebendig, die wir jahrelang Gegners soll einem strategischen Plan General bei unseren Aufmärschen und Demonſtrationen zu Mia ja entspringen, der Franco fo an einer sehen gewöhnt waren; diese Versammlung wirkte Konzentration feiner Kräfte hindern will. Den wie ein Abbild

Huesco führen, nördlich von Saragossa . Baskische Schaluppen

an den 1. Mai- zagen der Jahre

1919 und 1920. Einem Aufbruch der Arbeiter­schaft glich schon äußerlich das Bild dieser Ver sammlung. Da kamen die Tausende direkt aus den besiegen einen Kreuzer Betrieben, deren Pforten gewaltlos sich schlossen, weil der starke Arm es wollte; da kamen sie, sv Bayonne. ( Havas.) Wie von amtlichen wie wir es aus den besten Zeiten der Vergan= Stellen der Regierung gemeldet wird, begegneten genheit kennen, geschlossen angerückt, die Wer­zwei bewaffnete Schaluppen der baskischen Regie- trauensmänner an der Spitze, in eiserner Diszi rung unweit der Küste dem Kreuzer der Aufstän- plin, stroßend von Kraft des Willens und Charat­biſchen Canarias", der einen Handelsdampfer ters; da marschierten sie an, jene Proleten, die auf der Fahrt nach dem Gafen Baffajes begleitete. nicht nur zwei segibunden, one often, be Nach einem heftigen Kampfe, in den auch die Lohnstunden geopfert hatten, um der eigenen Küstenbatterien eingriffen, ist es den beiden cha- Klasse und dem Gegner eine Einigkeit, eine wahre luppen gelungen, sich des vom Kreuzer, Canarias" Gemeinschaft des arbeitenden Volkes vorzu­begleiteten Handelsdampfers zu bemächtigen. Die demonstrieren, von der jene andere, propaganda­Schaluppe Biscaya" hielt zwei Stunden im geborene Volksgemeinschaft" keinen Hauch ver­Kampfe aus, während die zweite Schaluppe den spürt hat. Da saßen die Arbeiterinnen und Arbei­gefangengenommenen Dampfer in den Hafen es- terfrauen, gebannt durch den Versuch, ihnen ihr fortierte. Man nimmt an, daß der Kreuzer Ca=

narias" getroffen wurde, denn es wurde an Bord aufsteigender Rauch beobachtet, als der Kreuzer gezwungen war, sich auf hoher See in Sicherheit zu bringen.

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Gibraltar.( Stefani.) Sonntag wird eine bri­

Schicksal, die Notwendigkeiten des Handelns des sen, ohne Demagogie, sachlich, und doch nicht nüchtern klarzulegen, sondern getragen von dem altivistischen Willen, dieses Schicksal zu meistern.

arbeitenden Volkes in diesem Lande ohne Phra­

Ja, das war es, was der Bodenbacher Kund gebung Quantität und Qualität verlich: das Be­vieler Anderer, die, ohne sich als Proletarier zu wußtsein der Fabrikarbeiter, der Angestellten, ja fühlen, doch längst aufgehört haben, sich zu den

Die Zwiespältigkeit von grausamer, ungeiz ſtiger, kulturloser, barbarischer Primitivität auf der einen, sittlichem Verantwortungsbewußtsein, tische Marineeskadre aus dem Mittelmeer und von hoher Geistigkeit und edler Menschlichkeit auf der Faktisch wächst die militärische Leistungs- La Manche in Gibraltar einlaufen. In der Bucht von anderen Seite prägt dem alten Erdteil, in dem wir wohnen, das Gepräge auf. Das hohe Ideal fähigkeit der Regierungsarmee von Tag zu Tag. Gibraltar werden 80 Kriegsschiffe vor Anker liegen, der Gesellschaft der Nationen, der Abrüstung, des Sie hat nicht nur die Angriffe Francos an den welche 20,000 Mann, darunter 12, Admirale, anſatten Bürgern zu zählen das Bewußtsein, ewigen Friedens wird zu meucheln versucht von entscheidenden Stellen abgeschlagen, sondern auch Bord haben. daß, wenn irgendetwas im sudetendeutschen Ge roher Gewalt, Wille zu Krieg und Vernichtung biet willens und imstande ist, von der sozialen der Völker und Kulturen. Ein Wettrüsten, eine Seite her das Geschick unseres Stammes und da Vorbereitung zu einem neuen Weltkriege hat be sie die sittlichste ist, die politische Organisation flar bewußt", so sagte er als Staatspräsident, mit das Geschick der Demokratie an diesem Herz­gonnen, die uns den Atem raubt und einen großen der Gesellschaft auf der ethischen Grundlage der daß es zur Sicherheit unseres Staates gehört, fleck Europas zum Guten zu gestalten, es die Teil der Menschlichkeit mit Untergang bedroht. Humanität". Darum fönnen wir aus dem Dasein die Deutschen für den Staat zu gewinnen. Wir deutsche Sozialdemokratie ist! Abgeblendet waren Unvorstellbar das Grauen, das über uns fommen und aus dem fruchtbaren, erfolgreichen Leben des sind dafür mitverantwortlich, wenn es nicht dazu die Irrlichter der Sudetendeutschen Partei, abge­wird, wenn das Schreckliche Wahrheit werden großen Präsidenten die tröstliche Gewißheit tommt. Absolute Gerechtigkeit ist deswegen unser stoppt die volksgefährliche Agitation, die darauf sollte! Unverständlich jene Parteien, welche mit schöpfen, daß der Geist und die Mensch nationales Programm". Für Masaryk ist also die aus ist, aus unserem Land, aus unserem Stamm dem Gedanken spielen, ihre Ziele durch ein neues lichkeit wenn auch nach langen Kämpfen Verständigung mit den Deutschen einen Unruheherd für ganz Europa zu machen. Völkerschlachten zu erreichen. Diesem grauenvollen tri mphieren werden über die robe Ge- Staatsnotwendigkeit. Dieser Not- Begriffen hatten die Massen, daß wir in Europa Beginnen muß man entgegentreten mit jenen walt, die Brutalität, die Barbarei dieses Jahr- wendigkeit der Erhaltung des Staates hat die eine große, demokratisierende, befriedende Funk­hehren und edlen Gedanken, die aus dem unver= hunderts. tschechoslowakische Nation Opfer zu bringen. Sie tion zu erfüllen haben, eine Funktion, für die gänglichen Werk des Weisen von Lana zu uns Möge die eble Auffassung des Altpräsiden- bringt diese Opfer dem Staat und der Nation, in diesem Staate keiner besser prädestiniert ist sprechen. Sein ganzes Leben ist die Verwirklichung ten auch in der Innenpolitik dieses Lan- denn sie kann national nur frei sein, wenn sie als der Arbeitsmann und die Arbeitsfrau mit des Guten und Schönen, wie 3 der harmonischen des immer mehr zur Geltung kommen, möge er staatlich unabhängig ist. Will aber das tschechische ihrem tiefen, unerschütterlichen, aus dem Herzen Lebensauffassung der Griechen entsprach. Sein der Präsident- Befreier heißen, nicht nur, weil er Volt diesen Staat so einrichten, daß auch die wie aus dem Verstande fließenden Willen zum ganzes Wirken beruht auf einer unerschütterlich den Jahrhunderte alten Traum seines Voltes nach Sudetendeutschen ihn als ihre Heimat betrachten Frieden, zur Erhaltung dieses Friedens als der sittlichen Gesinnung, die er nicht aufgab in guten staatlicher Freiheit und Selbständigkeit verwirk- können, dann kann die Republik nur demokratisch unerläßlichsten Vorausseßung zum Wiederaufstieg wie in bösen Tagen, seine Wahrheitsliebe hat die licht hat, sondern weil sein starker Geist und sein und national gerecht sein. Nur dann können aber der Menschheit, ihrer Sittlichkeit, ihrer Kultur! stärksten Proben bestanden und er ist bei der Gestaltungswille, der auch in seinem Nachfolger auch die Sudetendeutschen ihre demokratische, Eine neue Welle der Kraft erhob sich in Wahrheit geblieben wenn alles gegen ihn lebt, uns dauernd von einem faschistischen Regime freie, voltliche Stultur fördern und entwickeln, Bodenbach und wird sich von dort weiter verbrei stand. All seine soziale Auffassung, feine Ge- freihalten wird. Am Tage der Verlautbarung der dann wird dem gesamten Deutschtum dieses Lan- ten, wie auch schon die Massenversammlung in ſchichtsphilosophie Dit den Bereinbarun Teplit- Grönau am Samstag gezeigt hat. danten der Menschlichkeit, der den Kern deutschen aktivistischen Parteien haben wir hier gen vom 18. Feber wurde Anfang ge- Eine Welle, emporgetragen gleichermaßen von

seiner Lehre bildet. In Anlehnung an Kant hat geschrieben, daß das Verständigungswert nicht macht." Wirtet weiter im Geiste Mader Einsicht der werftätigen Maſſen unseres Lan­er und das mitten im Weltkriege gesagt, möglich gewesen wäre ohne die geistige Vorarbeit far yt 3", so wollen wir den führenden Män- des in die realpolitischen Notwendigkeiten, wie daß kein Mensch einen andern Menschen als Mit- Majarvis. Durch Jahrzehnte hat er seinem Volte nern der tschechischen Nation zurufen, dann ist von dem Bewußtsein, auf solche Weise brüderliche tel seiner Ziele gebrauchen dürfe und die Demo- die Notwendigkeit der Verständigung der beiden uns nicht bange um die Zukunft der Solidarität mit jenen zu üben, die an den Enden tratie ist ihm die beste politische Verfassung, weit Nationen vor Augen geführt. Ich bin mir dessen Republik !" Europas im Vormarsch stehen für Humanität,