Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik
Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh
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17. Jahrgang
Herausgeber: Siegfried Taub
GUP
Freitag, 23. April 1937
Für Frieden und Arbeit!
Die Mal- Parole der Gewerkschaften
und wirtschaftspolitischen Gesetzgebungsforderun gen unterstützen.
Einzelpreis 70 Heller( einschließl. 5 Heller Porto)
Aus dem Inhalt:
Auslieferungsbegehren
gegen Rösler Šramek- Exposé
zur Zivilprozeßordnung
Wird Dr. Kellner
zurücktreten?
Nr. 96
Sudetendeutsches Bevölkerungsproblem
Arbeiter, Beamte und Angestellte! Männer und Frauen! Alle in eine Reihe! Bekundet euren Willen, indem ihr die Arbeit ruhen lasset und Am 1. Mai, dem internationalen Feiertag rend der Zeit der Manifestation am 1. Mai un euch in Massen an den Maikundgebungen betei- Eine auffällige und in ihren Folgen bedeut der Arbeit, stehen die Arbeitermassen der ganzen bedingte Ruhe eingehalten werden. Die Gemeinsame ligt! Schließt euch an, damit auch der heurige same Erscheinung ist der Rückgang des BevölkeGewerkschaftszentrale Welt dieses Jahr Seite an Seite mit ihren Ka- nimmt auch dieses Jahr von selbständigen stund 1. Mai der Ausdruck eurer unbezwinglichen rungszuwachses in unserem Lande. Noch 1930 meraden in Spanien , die in heldenhaftem Kampfe gebungen der Gewerkschaftsorganisationen Ab- Sehnsucht nach dem Frieden, eine Kundgebung betrug der Bevölkerungszuwachs in der Tſchecho= ſeit faſt Jahresfrist dem konzentrierten Angriff stand und empfiehlt Sonderkundgebungen nicht. eures Widerstandes gegen die Methoden der Ge- slowakischen Republik im Monatsdurchschnitt der faschistischen Mächte Europas standhalten! Sie will durch eigene Kundgebungen die Veran- walt und gegen den Mißbrauch der politischen oder 10.462, im Jänner 1936 dagegen nur noch 4870 Mit diesen Worten ruft der Vorstand des staltungen der verschiedenen politischen Parteien wirtschaftlichen Macht wird! Unterstützt durch die und im Jänner 1937 gar nur 666. Von dem Internationalen Gewerkschaftsbundes die Arbei- nicht schwächen. Sie empfiehlt jedoch, daß die ge- Maitundgebung die Gewissensfreiheit und die Geburtenrückgang sind insbesondere die Sudetenter der ganzen Welt auf, am 1. Mai für die glei- werkschaftlich organisierten Arbeiter und Ange- Freiheit der Gewerkschaftsbewegung! Gemeinsa- deutschen betroffen. Während 1935 auf 1000 chen Ideale und Forderungen zu demonstrieren, stellten sich an den Kundgebungen der sozialdemo- mer Wille und gemeinsames Ziel soll bei allen Tschechoslowaken 17.6 Lebendgeburten und 13.1 für die Spaniens Arbeiterklasse kämpft und un- fratischen Parteien beteiligen, welche die Unab- Kundgebungen zum Ausdruck kommen: die sagbare Menschenopfer bringt. Diese Bezeugung hängigkeit der Gewerkschaftsbewegung anerken Forderung der Solidarität ist zugleich ein Anklagegericht ge- nen, die die Einheit nicht stören und ihre sozial- Arbeit 1 gen die vom faschistischen Deutschland und Ita lien in Spanien begangenen Verbrechen und ein Bekenntnis der Arbeiterschaft für den Frieden, der durch den Faschismus aufs schwerste bedroht wird. Es gilt daher, die sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen dauernden Frieden zu schaffen:
nach Frieden und
Noch haben Millionen von Werktätigen seit Weitere Erfolge an allen Fronten der letzten Weltwirtschaftskrise keine Arbeit ge= funden und schon nähern wir uns wieder neuen Kriegsgefahren. Was kann die Unfähigkeit und Unbrauchbarkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems, der Wohlfahrt der Völker und der Erhaltung und Sicherung des Friedens zu dienen, stärker beweisen?
Madrid.( Havas.) Die Geschütze der Republikaner bombardieren weiterhin Toledo . Die Stellungen der Republikaner ermöglichen es, ein Kreuzfeuer auf die Stadt zu legen. Der Vormarsch der Republikaner , die in die ersten Häuser eingedrungen sind, schreitet fort. Die Nepublikaner beginnen ein Haus nach dem anderen abzuriegeln. Es wird versichert, daß in Toledo sich nurmehr die militärischen Verteidiger befinden. Durch das Artilleriefeuer wurden am meisten die Hauptpost, der apostolische Palast und die Arena, die die Aufständischen in eine kleine Festung verwandelt hatten, betroffen. Die Aufständischen hatten 400 Tote und Verwundete.
Die Arbeiter der ganzen Welt werden deshalb am 1. Mai demonstrieren für einen grundDieses Bombardement war das heftigste, fäblichen Umbau der Wirtschaft, kan er ihre Pofitionen, die sie am Dienstag welches Madrid iemals erlebt hat. Unter der für die soziale Planwirtschaft, eingenommen hatten, und befesten wei- Beschichtung hatten insbesondere die Straßen die Erhöhung des allgemeinen te( re Stellungen zwei Kilometer westlich Barquillo, Alcala, Gran Via sowie die Plaza Lebensstandards, die 40- Stunden- von Celadas. Im südlichen Teil dieser woche als internationale Norm. Front verbesserten die RepubliDem Aufruf des Internationalen Gewerk- aner ihre Stellungen und besetzten schaftsbundes schließt sich die gemeinsame Landes- einige Punkte, die die Straße von Orihuela nach zentrale der Gewerkschaftsverbände der Arbeit- Egen de Allbaracin beherrschen. nehmer vollinhaltlich an und fordert jedoch alle Im Abschnitt bei Pozoblanco an der Front Funktionäre, Vertrauensmänner und die Mit- von Cordoba ist Donnerstag früh eine Abteilung glieder der angeschlossenen Mitgliedsverbände auf, von 170 Soldaten mit den Unteroffizieren aus daß sich alle an der mächtigen Kundgebung am den Reihen der Aufständischen zu den Regie1. Mai beteiligen, welche dem Gedanken des rungstruppen übergegangen. Die Soldaten hat Friedens und der sozialen Gerechtigkeit gewidmet ten vorher die Offiziere getötet. sein wird.
An der nördlichen Front wurden die feindlichen Angriffe in glänzender Weise zurückgeschlagen, wobei die Aufständisch en große Verluste erlitten.
An der afturischen Front bei Trubie und Grado befchoffen die Regierungstruppen wirksam die feindlichen Stellungen. Südlich Tajo entwickelte sich leichtes Artilleriefeuer. Auch bei Cor doba wurden die republikanischen Stellungen verbessert.
Todesfälle entfielen, tamen auf 1000 Deutsche 14 Lebendgeburten und 13.4 Todesfälle, die 3ahl der Todesfälle erreicht also beiden Deutschen beinahe die Zahl der Geburten. Von den Bezirken mit deut scher Mehrheit weisen bereits 33 eine größere Sterblichkeit als Geburtenhäufigkeit aus, so daß ein Bevölkerungsrüdgang eintritt. Gerade die Sudetendeutschen sollten also diesem Problem eine besondere Aufmerksamkeit widmen.
Die geringe Bevölkerungsvermehrung hat beim Industrieproletariat zunächst soziale Ursachen. Seit 1929 ist die Existenzgrundlage tausender Menschen vernichtet worden. Es gab durch Jahre hindurch im Winter 800.000 bis 900.000 Arbeitslose, von denen wahrscheinlich gegen 300.000 Deutsche gewesen sind. Man rechne dazu eine wohl nicht viel geringere Anzahl von Kurzarbeitern, deren Leben ein täglicher Kampf gegen die Not gewesen ist und man erhält ein Bild sozialen Elends, welches der Gründung von Familien alles eher als günstig gewesen ist. Unter den Arbeitslosen befand sich eine beträcht liche Anzahl junger Männer und Frauen, bei denen die Kriſe jede Möglichkeit der Familiengründung untergrub. So zeigen sich in dem rapiden Rückgang der Bevölkerungsvermehrung die Folgen der entsetzlichsten Wirtschafts- und Lebensfrise, welche die Sudetendeutschen seit Jahrhunderten erlebt haben.
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Die Aufständischen, welche sich innerhalb Aber die sozialen Verhältnisse lassen auch der Universitätsstadt befinden, legten Mitt- heute, da der Tiefpunkt der Krise hinter uns woch nachts unter großen Verlusten mehrere liegt und sich die Arbeitsverhältnisse auch im Bretter über die eingeriſſene Brücke, um so eine sudetendeutschen Gebiet gebessert haben, noch Verbindung mit den Aufſtändischen in Caſe del nicht eine stärkere Bevölkerungsvermehrung erCampó zu erlangen; sie können diese Brücke aber warten. Wohl hat eine größere Menge von Innicht benüßen, da sie von republikanischen Ma- duſtriearbeitern Arbeit erhalten, aber ihre Lebensschinengewehrnestern aus intensiv beschossen wird. Tage ist noch immer erschreckend tief. Nur durch Mittwoch nachts haben die Abteilungen der Re- schwere Kämpfe erringen die Arbeiter kleine Lohngierungstruppen unweit der Brücke starke Me- erhöhungen. Ohne Erhöhung der Lebenshal= flettoren auffahren laſſen, mit deren Hilfe sie die tung breiter Massen ist eine stärkere Bevölke Arbeit der Aufständischen beobachten konnten. Im rungsvermehrung im Industriegebiet und die der aufständischen Kampfabteilungen ums Leben. zu erwarten. Das sollte auch der SdP zu denken Verlaufe dieser Aktion famen mehr als 20 Mann Sudetendeutschen sind ein Industrievolk- nicht men die Aufständischen im Abschnitt Barrio heimischen Abgeordneten beim Etrichstreit nicht Donnerstag bei Morgengrauen unternah- geben. Aber genau so wie diese Partei mit ihrem sera einen heftigen Angriff. Der Angriff auf der Seite der Arbeit, sondern auf Seite des fam plöglich, so daß die Republikaner einen Stapitals steht, so drückt sich die Zeit", die sich Graben räumen mußten. Sie leisteten jedoch mu- vor mehr als Monatsfrist mit dem sudetendeuttigen Widerstand und eroberten durch einen Geschen Bevölkerungsproblem befaßt hat, um die genangriff den Graben wieder zurück und er- soziale Ursache der Frage herum.„ Das BevölkeDer Havaskorrespondent teilt mit, daß die oberten auch den Graben, von welchem der ur- rungsproblem", so schmust das Blatt, ist in erRepublikaner eine Gruppe von Häusern im Ab- sprüngliche Angriff der Aufständischen ausgegan- ster Linie ein sittliches Problem und es wiro schnitt Carabanchel eroberten, womit sie sich einer gen war, sowie eine Gruppe von 12 Häusern. Darauf ankommen, ob ein Volk in seiner GesamtHöhe bemächtigten, die eine weite Fläche be= heit die sittliche Kraft aufbringt, eine der Zu= herrscht. Bei der Universitätssta d't ver- An der baskischen Front kämpft die Regie- funft gegenüber verantwortungsbewußte Bevöl hindern die republikanischen Abteilungen mit Er- rungs- Artillerie erfolgreich mit den feindlichen ferungspolitik zu betreiben". Die Etricharbeiter, folg die Verpflegung des Gegners. Die Flieger Batterien. Bei Eybar versuchte der Feind einen so glaubt wohl das Organ des Abg. Dr. Kellner, beschossen die Stellungen der Aufständischen von Angriff gegen die republikanischen Stellungen, brauchen nicht mehr Lohn, sie sollen vielmehr der der Franzosenbrücke bis zur La Coruña- Straße. wurde jedoch mit Verlusten zurückgeschlagen. Bukunft gegenüber Verantwortungsbewußtsein Donnerstag vormittags wurde Madrid Bei Ellria sezte sich der Feind nach heftigem haben. Wir glauben, diese Verantwortungsbe Neben den allgemeinen, grundsäßlichen und weiter bombardiert. Ungefähr 50 Angriff auf die vorgeschobenen Stellungen bei wußtheit sollte eher der Herr Dr. Kellner und internationalen Forderungen des Friedens und Menfchen wurden getötet, an 150 verwundet Amboto in neuen Positionen fest, auf die die fein Blatt haben! der sozialen Gerechtigkeit, haben die Gewerk-( einschließlich der Opfer des Luftangriffes am Regierungstruppen ihr Artilleriefeuer konzenschaftsorganisationen in dieser Zeit auch ihre betrierten. Der Feind wurde zerstreut. sonderen Forderungen. So insbesondere die vollständigere Versorgung der ausgedienten Arbei
Der 1. Mai muß die Reihen aller arbeitenden Schichten vorführen, welche um die An e r tennung der Arbeit und Frei heit des Menschen kämpfen. Alle, welche gegen die einseitigen Methoden der Nationalisierung, durch welche hundert tausende menschliche Arbeitskräfte zum Feiern verurteilt, also aus der Produktion ausgestoßen werden, protestieren, müssen am 1. Mai durch Massenbeteiligung ihren Protest und Widerstand befunden. Sie müssen unter der Fahne des Sozialismus auftreten, welche Arbeit und Brot, eine bessere Gesellschaftsordnung, welche den Frieden und das Recht der Verständigung zwischen den Natio nen sichern will, welche sich um einen volltom meneren Schutz, der neuen sozialeren Wirtschaftsordnung bemüht, wodurch die Arbeitslofigteit beseitigt und eine gerechtere Verteilung der Arbeit und des Einkommens ein
treten würde.
ter, Witwen und Waiſen, gerechte Arbeitsver
mittlung und vollkommenere Fürsorge um die
Arbeitslosen, ferner einen dauernden Rechtsschutz und Sicherung der Kollektivverträge.
Von der Madrider Front
Mittwoch.)
Dreistündige Konferenz in Venedig
Schuschnigg:
Vollkommene Bewegungsfreiheit
Generation bangen muß und weil man fürchtet,
Gewiß, die Abneigung dagegen Kinder in die Welt zu seßen, hat auch eine sittliche und seelische Seite. In einer zusammenbrechenden Welt fann die Neigung, Kinder aufzuziehen, nicht groß fein, weil man um das Schicksal der nächsten den eigenen Nachkommen ein trauriges Los zu Schuschnigg erklärte vor seiner Abreise nach bereiten. Der Niedergang der kapitalistischen Wien . Donnerstag nachmittags fand in Nom dem Korrespondenten der Stefani- Agentur, Wirtschaft raubt den Massen die Lebensmöglich Sorget dafür, daß der 1. Mai zu einer wiirdevollen und mächtigen undgebung für eure ge- Benedig eine dreistündige Konferenz statt, an der daß die Venediger Zusammenkunft im Zeichen teit und gestaltet ihr Schicksal höchst ungewiß und rechten Forderungen wird. Am 1. Mai soll jede Bundeskanzler Dr. Schuschnigg und der römischen Protokolle ſtehe. Diese Berträge problematisch. Der Ausblid in die Zukunft kann entgeltliche Arbeit ruhen, ausgenommen' jene Ün- Staatssekretär Dr. Schmidt, sowie Mini- hätten die Erwartungen erfüllt, die ihre Autoren sich erst dann aufhellen, wenn eine neue geſellternehmungen und Anstalten, welche der Verkösti- sterpräsident Muffolini und Außenmini- in fie gesetzt haben. Andererseits räumen die schaftliche Organisation neue Lebensmöglichkeiten gung und der Pflege der Kranten dienen, ferner fter Graf Ciano teilnahmen. Die Bespre- römischen Protokolle den beteiligten Staaten bietet. Der Faschismus versucht die kapitaliſtiſche Unternehmungen, in welchen aus technischen oder hung, die einen sehr herzlichen und freundschaft vollkommene Bewegungsfrei Welt vor einer neuen besseren Geſellſchaft zu in welchen adjung des De- lidhen Charakter hatte, with Freitag bormittags peit ein, die für die Butunft nog notwendig retten, er untergräbt damit die Lebensmögli triebez unmöglich ist. Bei örtlichen Transport- fortgesetzt werden. Am Nachmittag wird ein Schluß- fein wird, damit jeder Staat seine Beziehungen teiten der Messen und muß daher auch in dem unternehmungen, weiter in den Unternehmungen kommuniqué über das Ergebnis der Besprechun- zu anderen Ländern auf eigene Rech für die Zukunft des Sudetendeutschtums so wichnung erweitern fönne. für Lebensversorgung und Gasthäusern, soll wäh- Igen ausgegeben werden. ltigen Bevölkerungsproblem versagen.
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