Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh/ Einzelpreis 70 Heller Redaktion und Verwaltung: Prag XII., Fochova 62- Telephon 53077 Herausgeber: Siegfried Taub Verantwortlicher Redakteur: Rarl Kern, Prag

17. Jahrgang

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GAS

Sonntag, 16. Mai 1937

Aus dem Inhalt:

Der Kongreß der tschechischen Sozialdemokratie

Urteil gegen Štěpánek erst morgen abends

Aprilausfuhr gegenüber 1936 um 65 Prozent höher

Der 18. Feber wesentlicher Bestandteil Demokratie und Faschismus im der Staatspolitik

Bedeutsame Rede Dr. Dérers auf dem deutschen Juristentag in Brünn Brünn

. Samstag vorm. wurde in Brünn der 8. deutsche Juristentag in der Tschechoslowakei im Festsaal der Deutschen Technik eröffnet. Zur Er öffnung hatte sich in Vertretung der Regierung Justizminister Dr. Dérer in Begleitung des Lan­despräsidenten eingefunden. Vom Ausland waren Desterreich sowie die deutschen Juristen aus der Schweiz , aus Ungarn , Numänien und Bolen durch Delegationen vertreten.

In seiner Eröffnungsansprache betonte der Vorsißende Dr. Jarolim den demokratischen Gedanken, auf dem die Tschechoslowakische Repu­blit aufgebaut ist und von dem auch ihre Gesetz gebung abgeleitet ist.

Unter allgemeinem Beifall ergriff dann Justizminister Dr. Dérer das Wort, der nach einer kurzen ſlowakischen Einleitung darauf hin­wies, daß die Juristen ihre Aufgabe nur dann er­füllen können, wenn sie der Idee des Rech testreu bleiben und sich niemals dazu her=

abwürdigen, sklavische Vollzieher machtpolitischer Interessen zu sein.

Für Freiheit und Menschlichkeit

Ueberläßt sich der Jurist widerstandslos ben machtpolitischen und Maffen- Instinkten, so crnicbrigt

er fich zu einer mehr oder minder entbehrlichen

pesa fitif men gätipfeit. Gin golf, bus fich ent:

fchloft, die geistige Freiheit des Rechtes au i brücken, hat damit fein eigenes Tobesurteil unter­zeichnet. Nur der Sieg des zivilifierten Blechtes und des Rechtes der Zivilisation, der Sieg des Mensch­lichkeitsgebankens und des menschlichen Rechtes ver­mag ben Menschen Glück und Frieden zu sichern.

Die positive Zusammenarbeit der deutschen und der tschechischen Juristen entspricht dem Empfinden und den Intereffen der Angehörigen der deutschen Nationalität in unserem Staate. Die Juristerzi, die

allgemein als Werkzeug des Streites, der Prozesse.

des Hasses gilt, könne hier zum Verständigungs­mittel werden.

Nr. 115

Kampf um das Sudetendeutschtum

Das Gesicht der Sudetendeutschen Partei

aus andern Ländern begrüßen zu können, welche sich aus eigener Erfahrung überzeugen können, daß nie- Teil der außerhalb des Reiches lebenden Deuts würgende Krankheit um sich. Nach dem Siege Hitlers wurde der größte| nalsozialismus fraß in diesen Parteien wie eine mand in diesem Staat das Deutschtum unterdrüden will. Wir halten, sagte der Minister, an unseren schen von der faschistischen Ideologie angesteckt. Die deutsche Sozialdemokratie hat in dieser demokratischen Grundsäßen feit und wollen unsern Vor allem die Sudetendeutschen, von denen sich Zeit eine nationale Aufgabe von geschichtlicher Staat als einen demokratischen Staat erhalten, wol- ein großer Teil der nationalsozialistischen Heils- Größe erfüllt, indem sie, unbekümmert um die Ten dabei aber auch Freunde aller Deutschen bleiben, lehre verschrieb. Die sudetendeutsche Bürgerpresse Isolierung, in die man sie gedrängt hatte, um welche unsern Staatrejpettiere n. begrüßte Hitler als alldeutschen Messias, dämpfte den Haß der sie umgab, um den Strom, von dem auch derjenigen, die für sich und ihre eigenen Staas die Trommeln erst, als das Auflösungsdekret für sich die anderen tragen ließen, das Panier der ten ein anderes System, als das unsere es ist, die Jung- Partei herausfam, machte jedoch umso Demokratie hochhielt, den demokratischen Gedan­für richtig halten. eifriger Herrn Konrad Henlein die Mauer, der zu ten sichtlich rechtfertigte, sich zur jener Zeit als seine größte turnerische Tat den Sprecherin des humanistischen Deutschtums

Prag und Wien Wir haben niemals die Ueberzeugung aufge- Sprung vom Reck. in die Politik vollführte. Den geben, daß es keineswegs unsere Aufgabe ist, mit den Sudetendeutschen war in ihm wieder einmal ein machte und zur einzigen Hüterin deutschen Freis Deutschen in ewigem Bwist zu leben, sondern unter Einiger entstanden. Nur ein Abglanz von dem heitswollens. Recht und Gerechtigkeit waren und Wahrung unserer nationalen und staatlichen Eigen- großen Hitler, erschien er den Sudetendeutschen sind ihr keine Begriffe, deren Anwendung den ort und Selbständigkeit das Beieinanderleben von doch als dessen Vertrauensmann und als Träger Geboten der Zweckmäßigkeit unterliegt, sondern Slawen und Germanen immer reibungsloser und des nationalen Heils und hatte er nicht von vorne sie sind ihr ein Bestandteil und ein Ausdruck der friedliebender zu gestalten. In dieser Beziehung hat herein freien Weg zur Gleichschaltung, so halfen demokratischen Gesinnung überhaupt. Indem die Brag und die Tſchechoslowakei in der flawischen Welt ihm neben der willfährigen bürgerlichen Preſſe deutsche Sozialdemokratie kompromilos eine ähnliche politische Mission, wie Wien und Dester- die bürgerlichen Parteien dazu. Ein wahrer Ein- furchtlos für Recht und Gerechtigkeit innerhalb reich in der politischen Welt. heitstaumel hatte die deutschbürgerliche Politit des eigenen Voltes kämpfte, hat sie dessen Ge­schon jahrelang vorbereitet worden durch den als Minderheitsnation aufstellte, ſittlich gerecht­erfaßt. Der Boden für diesen Taumel war rechtigkeitsforderungen, die es in diesem Lande Antimargismus, zu dem sich alle bürgerlichen fertigt. Ohne sie wäre das Sudetendeutschtum in Parteien bekannten. Der Kampf gegen den Marrismus, den Hitler im Dritten Reich mit solch großem äußeren Erfolg geführt hatte, lockte die bürgerlichen Politifer.

Schon deshalb ist es notwendig, daß sowohl Desterreich ihre staatliche Selbständigkeit und un­Brag und die Tschechoslowakei , als auch Wien und abhängigkeit bewahren. Die Idee der Regelung der mitteleuropäischen Verhältnisse ist ohne Unabhängig­feit und Selbständigkeit Desterreichs und der Tsche­ choslowakei und ohne Zufammenarbeit und Freund schaft dieser beiden Staaten einfach kaum möglich.

seiner Gesamtheit der faschistischen Ideologie ver­fallen und damit zur Aufgabe seiner nationalen, fulturellen und sozialen Positionen, die es als nationale Minderheit nur in der Demokratie bewahren kann. Wird einmal die Geschichte die­puntt aus geschrieben werden, so wird sie ein Ruhmesblatt für die sudetendeutsche Sozialdemo tratie sein.

An die Rede bes y An die Rede des Miniſters ſchloſſen ſich dieses Als national erschien es ihnen, in den brauser schweren Zeit vom gesamtdeutschen Stand­

üblichen Begrüßungsansprachen. Für Bentral ses gegen die Noten einzustimmen, gewerkschaftskommission begrüßte Dr. Wiener- um so mehr, als das positive Wollen der deutsch Prag die Tagung. bürgerlichen Parteien im Laufe der Jahre von ihrem eigenen Antimarrismus übertönt worden war. In geschichtlicher Stunde erwies sich die Brüchigkeit dieser negativen Ideologie: der Natio­

Nach Abschluß der feierlichen Eröffnungs­sizung wurde sogleich die Arbeit in den einzelnen Kommissionen aufgenommen.

Abschied von London London

. Samstag vormittags empfing im Buckingham - Palaste König Georg VI. die Füh­rer der ausländischen Krönungsdelegationen, dar­unter auch den Führer der tschechoslowakischen Krönungsabordnung, Dr. Milan Hodža , in Ab­

Bei allen fleineren und größeren Fehlern, die es überall auf der Welt gibt, genießt die Tschecho­flowakei als Recht& fta at, als Hort demokratischer Einrichtungen, als Stätte demokratischer, freier Wahlen, als Staat, wo es keine Benachteiligung, schiebsaudienz. geschweige denn Verfolgung von Konfeffionen

Die Anwesenheit so zahlreicher ausländischer Diplomaten in der englischen Hauptstadt hat eigentlich den Charakter einer inoffiziellen inter­nationalen Konferenz angenommen. Eden hat die Vertreter von mehr als 50 Staaten empfangen und fand darüber hinaus noch Zeit zu einem beson­deren Meinungsaustausch mit einer kleineren An­

Wir erinnern an all diese mit der Entwick lung der Henleinbewegung zusammenhängenden geschichtlichen Tatsachen, weil sie die Feststellungen eines ausgezeichneten und aktuellen Buches unter­deutschen Vertretern eine längere Unterredung streichen, das soeben in tschechischer Sprache( hof­führten. fentlich wird es bald deutsch vorliegen) über die Henleinbelegung, ihre Geschichte und Aufgabe, erschienen ist.*) Diese Schrift macht nicht hait bei einer Kritik der su detendeutschen Po­litiker; freimütig bekennt sie die Fehler ein, die auf tschechischer Seite begangen wurden. Sie spricht aus, daß die Hauptlast des Kampfes um den Attivismus die deutschen Sozialdemokraten und it affen gibt, wo die Freiheit des Individuums trugen und daß sie diesen Kampf auch zu einer Zeit führten, da die übrigen Parteien mit den Wilsonbahnhof eintreffen. fchlechten Ruf in der Gemeinfchaft der fried. Der österreichische Staatssekretär Doktor Die erschöpfenden gegenseitigen Informatio- Negativisten verhandelten und paftierten, und daß Schmidt reist am Montag nach Paris , um nen werden nach einer Information des Tschecho- ihr in diesem Kampf viel zu wenig Unterstützung so seine in London geführten Gespräche durch eine slowakischen Pressebüros voraussichtlich in der durch die tschechischen demokratischen Parteien Fühlungnahme mit dem Quai d'Orsay zu erfischen Fühlungnahme mit Italien und Deutsch einen Teil der Schuld England und Frankreich demnächst wieder neubeginnenden englisch - franzö- wurde. Wie im Westen"- so lesen wir gänzen. Tand, welche an die fürzliche Kammerrede des ita- tragen, dadurch, daß sie nicht rechtzeitig eine Un­lienischen Außenministers anknüpfen dürfte, eine terſtüßung der Weimarer Demokratie durch die gewisse Rolle spielen. Gewährung wirklicher Erfolge herbeiführten, so ist auch in der Republit

nicht durch die Willtür administrativer Organe ober Parteinstanzen eingeengt ist, heute teinen

licbenden Nationen.

Nach einem Hinweis auf die Vertretung der Deutschen in allen parlamentarischen Selbstverwal­tungs- Störperschaften und in der Regierung sowie auf die fulturelle Gleichberechtigung ging der Mi­

Die tschechoslowakische Krönungsdelegation wird am Pfingstmontag abends in Prag auf dem

nister auf die Beschlüsse der Regierung vom 18. e- Blomberg- Gamelin

ber d. J. ein:

staatlichen Mitteln finanzierten Investitionsarbeiten

zahl von Delegierten.

ein Teil der Verantwortung auf tschechischer Seite:

unter vier Augen In gutunterrichteten englischen Kreifen werde Der 18. Feber Zwischen Marschall Blomberg und dem angeführt, daß in diesem Falle London und Paris Wenn die tschechoslowakische Regierung am franzöfifchen General Gamelin fand bei dem Gelegenheit nehmen dürften, die mitteleuro­18. Feber d. J. befchloß, daß die Deulichen und auch Empfang auf der deutschen Botschaft eine einpäischen Probleme auf das Tapet zu brin­die übrigen Minderheiten entsprechend dem Nationa- stündige Unterrebung unter vier gen, wobei fie fich die Wünsche der mitteleuropä= nicht nur in jener versäumten Gelegenheit bei der itätenfchlüſſel verhältnismäßigen Anteil an den aus| Augen statt. Siezu meldet die Morning Bost", ifchen Staaten nach Sicherung ihrer Un- Bildung der Bürgerkoalition, ſondern auch darin, nehmen und daß auch in den übrigen Zweigen der daß auf der deutschen Botschaft auch Minister abhängigkeit weitgehend zu eigen machen daß den deutschen aktivistischen Parteien nicht so­staatlichen Verwaltung die Zahl der deutschen An- Delbos und Staatssekretär Leger mit den werden. gestellten allgemein auf den dem Nationalitäten­fchlüffel entsprechenden Stand erhöht werde, dann ist diefer Beschluß der Regierung, der einer der wefent­lichen und unabänderlichen Bestandteile der tschecho­flowafifchen Staatspolitik ift, nur die natürliche und logiſche Fortfchung in der Berwirklichung Grundläge, die von den Begründern und Führern

diefes Staates immer verkündet wurden, daß näm­fich nach dieser Seite hin ständig vervollkommnet. Kein halbsouveränes Gebiet

lich die Tschechoslowakei , gegründet als Rechtsstaat,

Wir werden niemals eine innere Aufteilung bes Staates in ein quafi fouveräne 8 und halb souveränes Gebiet zulaffen, dagegen ist uns die Teilnahme unferer Winder­heiten auf allen Gebieten des ftaatlichen, autonomen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens, fofern fie cine bedingungslose Loyalität bem Staate gegenüber bewahren, eine unzweifelhafte Selbstverständlichkeit. Nicht das territoriale Brinzip, sondern der Grundfah einer möglichst gerechten verhältnismäßigen Teilnahme ist für uns das einzig mögliche Staatsprinzip.

Der Minister sprach dann seine Befriedigung darüber aus, auf dem Kongreß deutsche Juristen auch

Umbildung des spanischen Kabinetts

viel sichtbare Erfolge gewährt wurden, als daß sie hätten mit Hinweis darauf vor ihre Wähler treten können. Als es zudem noch zur Unterstüt zung der sudetendeutschen" Bewegung durch einflußreiche tschechische Gruppen tam, ist es bes greiflich, daß die deutschen Aktivisten in den Wah­Ten 1935 eine empfindliche, wenn auch zeitwei­

*) Josef Fischer, Václav Pazak, Vincenc Perth: cii boj. Co chce a čemu slouží Sudeten­ deutsche Partei ? Verlag., Nová Svoboda".

Anlehnung an die politischen Partelen statt an die Gewerkschaften lige Niederlage erlitten". Die Schrift weist auch ballers hat die Gesamtbemiffion des Kabinettes hergehende befißen wird. Es wird sich um eine scher Arbeitspläße durch Tschechen hin. Dieſe frei. Balencia, Ministerpräfiben: Largo Cas politische Orientierung wie die vor fritiſch auf die Braris der Beſetung judetendeut gegeben. Diese Demission wurde dadurch unaus- breite Konzentration handeln, die sich jedoch an mütige Selbstkritik verleiht ihr den Wert der Ot­weichlich, weil die Bräsidien der sozialistischen und die politischen Parteien anstatt an die jektivität und stüßt ihre gut fundierten und ge= Minister aus dem Kabinette abzuberufen. der kommunistischen Partei befchloffen hatten, ihre Gewerkschaftsorganisationen anlehnen wird. Präsident Azaña hat unverzüglich die Be­Angriffe Molas zurückgeschlagen ratungen über die Lösung der Regierungskrise auf- Bilbao . Der amtliche Rundfunkdienst genommen. Die Ursachen, welche zur Demiſſion des baskischen Verteidigungsausschusses meldet, der Regierung geführt hatten, liegen einerseits in daß der Gegner, unterstützt von Tanks, die Regie­dem Streben der Linksparteien, der Regierung rungspofitionen bei Da ci v am Nordabschnitt eine größere Elastizität zu verleihen, andererseits der Biscaya- Front angegriffen hat. Dieser An- 1937 unter der Ueberschrift Klärung" ver­Zu dem in dieser Zeitschrift vom 2. März in den letzten Ereignissen in Katalonien . griff wurde zurückgeschlagen, wobei die öffentlichten Artikel erklären wir, daß wir die Ministerpräsident Largo Caballero wurde Tanks vernichtet wurden. Die Aufständischen er- Behauptungen und Ausdrücke, durch welche Herr schließlich neuerdings mit der Kabinettsbildung be- litten schwere Verluste. An der Avala- und an Konrad Henlein und die politische Partei SdP an traut. Er erklärte: Ich werde mich bemühen, der Burgos - Front dauern die artilleristischen ihrer Ehre verlegt worden sind, widerrufen. eine Regierung zu bilden, welche die gleichel Kämpfe an. Die Redaktion.

Erklärung