Seite 4 Sonntag, 16. Mai 1937 Nr. 115 Kongreß der tsdicdilsdicn Sozialdemokratie Eröllnung z Referate Nnmpis, Dcdionüs and Netas SamStag, bett 15. Mai 1937, wurde im Smetana  -Saal des Gemeindehauses in Prag   der 18. Kongreß der Tschechoslowakischen sozialdemo­kratischen Arbeiterpartei eröffnet. In dem reich­geschmückten schönen. Saal, in welchem sich die Staalßfarben der Republik   mit de« roten Fahnen brS Sozialismus vermählten, versammelten sich über 700 Delegierte aus all« Teile« der Republik  . Die Bedeutung des Kongresse» wird gehoben durch eine große Delegation ausländischer Gäste. Die englische Arbeiterpartei ist vertreten durch den Führer der parlamentarischen Opposition im Unter­hause Major Attlee, Ienkin» und Lathan, die französische   Sozialdemokratie durch Loui» L ä v p, die holländische Sozialdemokratie durch A. de Mi­ra n d a, die schwedische Sozialdemolratie durch Anders Nilsson, die dänische Sozialdemokratie durch Han» Hedtoft-Hansen, die belgische sozialistische Partei durch d e B r o u ck d r e, die magyarische Sozialdemokratie durch Emanuel Bu­ chinger   und Julius D b e z i, die jugoslawische Arbeiterpartei durch Dr. Zivko TopaloviL und Petejan I o f t p, die österreichische Sozialdemokratie durch Dr. Otto Bauer  , die Sozialdemokratische Partei Deutschland  » durch Otto Well, die Deutsche Sozialdemolratie in der Tschechoslowakei   durch Mini­ster Dr. Ludwig ll z e ch und Vizepräsident Siegfried Taub  , die polnische Sozialdemokratie in der Tsche­choslowakischen Republik durch Josef Batura, Bincenz K o t r b a und Ferdinand Götz  , die jüdische .Sozialdemokratie durch Dr. Angelo Goldstein. Eröffnet wurde der Kongreß durch den Bor­sitzenden der Partei, H a m p 7, der die Erschie­nenen begrüßte und sagte, der Kongreß könne mit Befriedigung die geleistete Arbeit der letzten drei Jahre überblicken. Er ist keine Uebertreibung, wenn man sage, daß die tschechische Sozialdemo­kratie im Kampfe um die Erhaltung der Demo­kratie die vorderste und verantwortungsvollste Stelle einnimmt. Nach Abschluß der Eröffnungsansprache nahm die Versammlung unter Beifall und Erheben von den Sitzen den Wortlaut der an die Prä s i- denken Masaryk undBeiteö ge­richteten BegrützungStele» g r a m m e zur Kenntnis. Unter stürmischem Applaus wurde ferner der Text eines an die spanische Arbeiterschaft gerich­teten Telegramme» ausgenommen, in welchem der Kongreß den kämpfenden Brüdern in Spanien   heiße Grüße und Wünsche des besten Er­folges entbietet., Hierauf wurden die Tätigkeitsberichte des Zentralsekretärs Genoffen Senator D u n d r, des Kaffier» Genoffen S l ä m a und de» Bericht­erstatter» für die Parteikontrolle, Genoffen Abg. RemeS, zur Kenntnis genommen und- die Entlastung erteilt. Generalsekretär Dundr umritz in seinem Tätig­keitsbericht in großen Zügen die Tätigkeit uiw die Envoicklung der Partei in den letzten vier Jahren und skizzierte die Arbeit und Kämpfe, die in dieser schweren Leit der wirtschaftlichen Depreffion und de» Massenelend» durchzufechten waren. Die Partei hatte nicht nur gegen die Arbeitslosigkeit und den Unter­nehmerterror, sondern auch gegen die mit allen Mit­teln geführten Angriffe der nationalistischen Reaktion anzukämpfen, welche,, ermutigt durch die Vorgänge in den Nachbarstaaten, der Arbeiterbewegung und auch der Demokratie ein ähnlicher Schicksal zu be­reiten gedachte wie in den Diktaturftaaten. Der Be- richierswtter konnte mit berechtigtem Stolz darauf Hinweisen, daß der Kampf der Partei seine Früchte getragen hat, die in dem Aufftieg der Organisationen und der Mitgliederzahl zum Ausdruck kommt. Die Partei verfügt heute über 228.768 Mitglieder fplur 80.908) und über 6128 Lokalorganisationen.(Die näheren Daten haben wir bereit» in unserer Bor­notiz zu diesem Kongreß gebracht.) Als erstes Hauptreferat des Kongresses folgt sodann die Rede des Parteivorsitzenden   Anton Hampl"*** zum ThemaDerP am Pf umwie wirt­schaftliche De m'ok r ati e. Hampl, mehrfach von einmütigem Beifall unterbrochen, analysierte den Verlauf der Weltwirt­schaftskrise, die al» Strukturkrise, al», ein Versagen de» gegenwärtigen wirtschaftlichen Orga­nismus angesprochen werden mutz. Ter Redner kri­tisierte die Maßnahmen zur Krisenbekämpsung. die den Ausweg in der D e f l at i o n sahen, da» heißt in der Einschränkung und Reduzierung de» Geldum­läufe», der Ausgaben, Investitionen und Löhne. ES war die Sozialdemokratie, die al» einzige unter den politischen Parteien gleich beim Anbruch der Krise diese Methoden als unzulänglich erkannte. Ihrer unermüdlichen praktischen und Aufklärungsarbeit ist es zu danken, datz die Wirtschaftspolitik andere Wege einschlug, deren erster Ausdruck die Devalvation unserer Krone war, die freilich blotz der erste Schritt auf einem Wege sein kann, deffen weitere Etappen eine Reihe wirtschaftlicher und sozialer Reformen bedeuten. Neben einer gesunden Finanzpolitik Ist eine der wichtigsten Matznahmen ein durchgreifende» G e- setzüberdieBerkürzungderAr- beitrzeit und andere Matznahmen, die durch Stärkung der Kaufkraft de» Konsumenten zur Ge­sundung der Wirtschaft beitragen. Da der Träger und da» Werkzeug der Verteilung da» Geldsystem ist, konzentriert sich die Aufmerksamkeit de» demokrati­schen Sozialismus immer intensiver auf finanzielle, währungspolitische und Kreditreformen und solche des Bankwesen». E» müssen alle Kräfte eingesetzt werden, um auf diesem Wege zur Verwirklichung einer wirtschaftlichenDemokrati» fortzuschreiten. Das zweite Hauptreferat erstattete am Nachmittag des ersten Kongreßtage» zum Thema Ueberblick über die politische Entwicklung in der Tschechoslo- wakeiundimAuSlande" Minister R. Bechyni Er verwies darauf, daß der letzte Parteikon- gretz vor vier Jahren sich völlig bewußt war, welchen schweren Zeiten in politischer Hinsicht die Partei entgegengche. Seither kam e» zum Sturz der demo­kratischen Verfassung in den Nachbarstaaten und e» setzte die internationale Offensive der faschistischen Gedanken» ein. die ihren Höhepunkt im Jahre 1988 erreichte.(Kündigung des Versailler Vertrage  » durch Deutschland  . die spanischen   Ereignisse und andere».) Oft schien es, al» ob der Ausbruch des Krieges un­mittelbar bevorstehe, und taffächlich waren überaus kritische Momente zu überwinden. In diesem kriti­schen Zeitpunkt erkannten die Westmächte, aber auch die Sowjetunion  , datz neue Wege gesucht wer­den müssen. Die demokratischen Kräfte der Welt for­mierten sich, der Vormarsch der Reaüion und de» Faschismus wurde aufgehalten, die reaktionären 'Kräfte haben ihren Kulminationspunkt überschritten und da» Morgen gehört der demokratischen Welt. In diesem Zusammenhang erscheint auch der Kampf der spanischen   Demokraten nicht nur als eine territo­riale Angelegenheit, sondern die spanische Front ist die Front der allgemeinen Demokratie und Mensch­lichkeit. Das spanische Volk und die spanische Demo- krasie werden im Kampfe gegen den Faschismus nicht erliegen.(Stürmischer Applaus, die Kongreßteilneh­mer erheben sich von den Sitzen.) Nach der heutigen Situation kann die Kriegsgefahr einst­weilen als gebannt erachtet werden. Unter Hinweis darauf, daß die Bildung einer Einheitsfront mit den Kommunisten nicht in Frage kommen könne, betonte Minister Bechyni die demo­kratische Struktur.unserer Armee, die unter keinen Umständen zu einem Instrument hasardierender Generale werden könnte, wie es etwa in Spanien   der Fäll ist. Der Mut., und, das V.e x- tranen der S o z i äl d em ö k r a t i e in die unerschütterlichen Grundlagen de» demokratischen Gedanken» in der Tschechoslowakei   hat sich voll be­währt. Sehr deutlich apostrophierte Minister Bechyni die hiesigen Vertreter de»totalitären StaatSgedanken S", indem er bemerkte, daß deren Propaganda nicht nur die öffentliche. Clanos Friedensrede Im Hintergrund geht die Zerstörung Spaniens   weiter sondern besonder» auch die geheime sehr genau verfolgt werde. Die Leute, welche dafür verantwortlich sind, müssen sich ihrer nicht nur moralischen, sondem auch strafgesetzlichen Verantwortung bewußt sein," erklärte Minister Bechyni! unter lebhafter Zustimmung. Gleichzeitig betonte er mit warmen Worten seinen festen Glauben an den erneuten Aufstieg der deutschen   Sozialdemokratie. Während der Rede Bechynis erschienen, mit stürmischem Beifall empfangen, der Vertreter der Sozialistischen Arbeiter-Internationale und zu­gleich der der belgischen Bruderpartei, D e Broucker e, und der Führer der englischen De­legation, C l e m e'n t R. A t t l e e, im Saale  , be­gleitet vom Senatspräsidenten Dr. Soukup, Zu dem Kongreß stellte sich nachmittags, FUrsorgemlnlster Ins. Netas ein, der mit langanhaltendem Beifall begrüßt wurde. Sein Referat war den Aufgaben der'So­zialpolitik im heutigen Zeitpunkt gewidmet, und setzte sich mit verschiedenen aktuellen Problemen dieses Themas auseinander. Minister Neka», der bekanntlich erst kürzlich mir den Bereinigten Staaten zuriickgekehrt ist, und un­längst Gelegenheit halte, mit Ministerpräsidenten B l u m zu sprechen, sprach von den starken und er­mutigenden Eindrücken, die er bei diesen Gelegen­heiten empfing. Die wichtigste Tageraufgabe von heute ist der Kampf für die Beschaffung don Brot und A r t. für das Volk. Der Kampf um di^Berbesserung der Lage der arbeitenden Klaffe und besonder» auch der Arbeits­losen mußte an mehreren Fronten auf einmal durchgefochten werden und ist auch zum größten Teile erfolgreich durchgefochten worden. Redner verwies in, diesem Zusammenhang auf die F o r t s.ch r i t t e i n der S o.z i a I g e s e tz g eb-ü.n.g, die dank der sozialistischen   Initiative und gegen den Wider­stand der Reaktion durchgesetzt wurden. Inzwischen ist auch im. anderen Lager wenigstens teilweise eine Ernüchterung eingetreten, und manche Ansicht, wegen deren Verfechtung'.die Sozialisten sich seinerzeit, als Utopisten verspotten'lassen mußten, hat auch in ast- deren Kreisen Eingang gefunden.. Minister Neka» wie» besonders auf die empörenden Anfeindungen hin, denen von bekannter Seite die planmäßigen sozial- polittschen Bestrebungen ausgesetzt waren, die sich ins­besondere in Verleumdungen der Arbeitslosen auS- wirkten.Mit aller Entschiedenheit lehne ich die brutalen Angriffe ab, welche in den letzten Monaten neuerlich gegen die Arbeitslosen unternommen wurden," erklärte Mi­nister NekaS unter stürmischer Zustimmung der Ber« sammlung mit besonderem Nachdruck. Die Bekämp- fung derArbeitSlosigkeit ist eine soziale, eine humani­täre und eine staatSpolitische Frage. Das sollten sich die Bekämpser einer wohlverstandenen Arbeitslosen- fürsorge gesagt sein lassen. Nachdem eine Reihe von-Debatterednern zum Wort gekommen Ivar, deren Ausführungen auf sehr.hohepi Niveau standen und vom Geiste eines herrlichen sozialistischen   und demokratischen Ar-' beits- und Kampfwillens zeugten, wurde gegen 6 Uhr abends der erste Kongreßtag abgeschlossen. schärfste verurteilt, die Anwendung radikalster Maßnahmen gegen die Saboteure gebilligt, auf die Möglichkeit italienischeu Einflusses im Anarchi  - stenlager hingewiesen. Weil wir uns aber in einer beiläufigen Bemerkung dagegen verwahrten, daß man kommunlstlscherseits sofort wiederden TrotzkiSmnS" verantwortlich machte, wagen es die kommunistischen   Blätter, in einigen Notizen die Sache so darzustellen, al» hätten wir den Putsch gebilligt, die Putschisten in Schutz genommen und dem Dolchstoß gegen das spanische Volk Vorschub geleistet. Das sind Fälscherpraktilen, die uns nur in der Ileberzeugung bestärken können, daß gewisse kommunistische Methoden sich von den nazistischen kaum unterscheiden und daß den Kom­munisten jedes noch so dreckige Manöver recht ist, wenn sie glauben, damit von der kritischen Be­trachtung der Zustände in der Komintern und i» Stalins Reich ablenken zu können. Eine kommunistisch-faschistische Kampagne gegen die Schwarze Front. Tas Sekretariat Dok­tor Otto Strassers stellt der Presse eine Erklärung zur Verfügung, die sich gegen die Nachrichten wen­det, die in letzter Zeit von Prager   Sttibrnh- und kommunistischen Blättern und nun auch von der nicht eben rühmlich bekannten Pariser Tageszeitung" verbreitet werden. In diesen Nachrichten hieß es, die Schwarze Front sei behördlich a u s g e l ö st worden, weil sie im Ver­dacht stehe, Verbindung mit der Ge­st a p o zu haben. In diesem Zusammenhang war auch von Spionage-Affären die Rede, in welche die SF verwickelt sei. Die Schwarze Front  erklärt dazii, daß sie weder aufgelöst, noch in Ver­bindung mit der Gestapo  , noch in irgendwelche Spionage-Affären verwickelt sei. Er handle sich um eineverbrecherische Hetzkampagne" gegen die Schwarze Front und dieDeutsche Front gegen das Hitlersystem". Durch die bereits eingebrachte Klage gegen dieHalo Noviny" werde man den Hintergründen der Kampagne wahrscheinlich auf die Spur kommen. Wir möchten nach den Er­fahrungen, die wir mit der kommunistischen   Presse und gewissen ihr befreundeten Gewächsen in jüng­ster Zeit wieder machen mußten, nur aussprechen, daß wir eine denunziatorisch-erlogene Kampagne von d i e s e r Seite ohne weiteres für möglich hal­ten. Von der belannten Denunziation Franz Pfempferts durch die Stalinisten über den, vor einem Schweizer   Gericht kürzlich anfgerollten Fall des B. Jacob(dessen Tätigkeit der Emigrant Hey­man« eine Kerkerstrase wegen angeblicher Spio­nage zu danken hat), zu gewissen Denunziationen der jüngsten Tage zieht sich ein braunroter Faden. ES ist nur traurig, daß gewisse Kreise, die sich antifaschistisch nennen, die kompromittierende Waffenbrüderschaft mit Denunzianten nicht auf- geben l 7000 AL Strafe wegen Nichteinhaltung des KolleklivvertrageS. Der Pächter der Textilfabrik Katz in Pelsdorf, Josef Anders, wurde wegen Nichteinhaltung des vom Fürsorgeministerium für verbindlich erklärten Kollektivvertrages von der Bezirksbehörde in Hohenelbe zu einer Strafe von 7000 K6 verurteilt. Die Kollektivlöhne wurden in dem Betriebe bis zu 28 Prozent unterschrit­ten.(DStD) Freigesprochen und wieder verhaftet. Die Gendarmerie in Eger verhaftete dieser Tage Franz Adolf Götz aus Hohenstollen, der schon im Jahre 1938 des Morde» an seiner Tante an­geklagt war, aber freigesprochen wurde. Der da­mals gleichfalls in die Mordsache verwickelte N e u d e r t, der nun eine Strafe in Bory absitzt, soll angeblich einen Kassiber herauSgeschmuggeit haben, in dem Götz belastet wurde. Tas BöhmerivaldNed-Deiikmal. Die Ent- büilung dcS Böhmerwaldlied-DenkmalS in Eleonorenhain   sindet am 28. Juli statt. ES werden bereits umfangreiche Vorbereitungen getroffen; unter anderen soll der Rundfunk stark zur Feier heraugezogen werden. Für das Denkmal wurden bisher etwa 16.000 AL aufge­bracht. Die Liebe zum Gouverneur Von B. Lewin Der gewesene Gouverneur diente als Por­tier in einer Abteilung des Genieindewirtschasts- amtes. Er öffnete die Türen, nahm den Beam­ten die Röcke ab und bezeichnete die Galoschen mit Kreide. Die Beamten und die Amtsleiter, lauter Kommuuisteu natürlich, verhielten sich ihm ge­genüber wohlwollend. Es war ihnen angenehm, daß ein ehemaliger Gouverneur sie hinten und vorn bedienen mußte. Dratwin lud ihn einmal im Monat ins Bierlokal ein. Daselbst bewirtete er ihn mit Bier, Piroggen und Krebsen. Bei sol­chen Anlässen pflegte der guie Mann, seines Zei­chens ein Handwerker, zu sagen:Wir müssen mit Dörrfischen vorliebnehmen, aber Exzellenz fressen Krebsei" Der Gouverneur trank und schweigend. Nach der dritten Flasche begann Dratwin seinen vornehmen Gast zu duzen, klopfte dem Gouverneur auf die Schulter und gröhlte:Das hast Du nichi geglaubt, alter Bluthund, daß Du noch einmal mit dem Schuster Dratwin sausen wirst? La oder nein?" Gewiß nicht", antwortete der Gouverneur kopfschüttelnd, ,,e» ist mir nicht an der Wiege gesungen worden. Ich müßte lügen ganz und gar nicht!" ,,Na also. Da hast Du in Deinem Palais gesessen und hast der Ruhe gepflogen, ließest den lieben Gott einen braven Mann sein. Das ganze Gouvernement unterstand Dir... Ach, Du Gou­verneur... Ein Lump bist Du, ein blutsauge- rischer... Und jetzt bin ich, der Schuster Drat- win, gekommen und halte Dich frei. Na, trink' nur, S' ist mir nicht schade. Hättest mich nach Sibirien   schicken können. Was? Sag' dochl" Hätte ich können," antwortete der Gou­verneur tief seufzend. Spät in der Nacht kehrte der Schuster nach Hause zurück. Der Gouverneur führte ihn an der Hand. Des Schusters Gattin hatte schon eine nette Gardinenpredigt vorbereitet, beim Anblick des Gouverneurs jedoch.wurde sie milde gestimmt. Gemeinsam mit dem Exwürdenträger brachte sie den Trunkenbold zu Bette. Als der Gouverneur ihm die Stiefel anSzog, krähte der Schuster: Exzellenz, kitzeln Sie mir ein wenig die Fuß­sohlen i" Ein neuer Armer, der Kaufmann Dulin,, pflegte den Gouverneur häufig flüsternd zu ir« mahnen:Es, schickt sich nicht, Exzellenz I Sehen Sie, gestern hab' ich Sie wiederum in Gesell­schaft diese» Schuhmachers erblickt. Wie können Sie sich so.diskreditierest... Abgesehen davon, daß etlvaS passieren kann: In.solcher Umgebung I Ich kann es ja begreifen, eS ist die Verzweiflung, die Oede des Daseins.. Immerhin, man muß doch auf seine Reputation bedacht sein, das Dekorum wahren, vielleicht braucht man ös stoch einmall" Der expropiierte Dulin hielt es für seine Pflicht, dem Gouverneur jeden Monat drei Ru­bel zu schenken und ihn zweimal zum Mittag einzuladen»., Mitunter versammelte sich vor den Pforten des Wirtschaftsamtes eine Gruppe von Fremden. Der Führer erklärte:Hier sehen Sie den ehe­maligen Gouverneur vor sich. Dieser Mann be­herrschte mit absoluter Gewalt das ganze Gou­vernement... Alle fürchteten ihn und nahten sich ihm nur zftternd. Stimmt es, Genosse Por­tier?" Stimmt auffallend", bemerkte der gewe­sene Gouverneur. Die Reisenden staunten ihn an wie eine Giraffe im Zoo und lächelten. Im allgemeinen ging es dem. Gouverneur nicht schlecht. Die ehemaligen Polizisten, die Tau­sende Werst von weither gekommen waren, um ihre Vergangenheit zu verbergen, beneideten ihn. Wo ist da die Gerechtigkeit", ereiferten sie sich, der Gouverneur geht da frank und. frei spa- zieren, wir aber müssen uns wie Maulwürfe verkriechen," Ein schwarzer Tag brach an, der Tag, an dem alles überflüssige Persypal abgebaut wer­den sollte. Alle Beamten meistten, nun müsse es dem ehemaligen Zarendiener an den. Kragen gehen. Aber allen tat er leib;'; Die Amtsleiter er­wögen: erstens ist er ein vorzüglicher Arbeiter;, der seine Pflicht tadeflo» ausführt. Man braucht eisten tüchtigen Portier. Zweiten» dient er der jungen Generation als. abschreckendes Vorbild. Man hoffte, er werde durchrutschen juitbi auch weiterhin die Türen öffsten- und' die' Galoschen, verwahren. Äbgebaut wurden viele. Alle wollten,wissest; was sich erdigsten werde, wenn der» Gouverneur vprgerusen würü»,' Er verbeugte sich tief und sagte:Ich selbst bin ein Bauer wie meine Eltern. Bin armer Leute Kind." Ein dummer Kerl, warum lügt cr?" Er reitet sich selbst hinein.". Um so schlechter. So ein Biehl" Aber der Gouverneur fuhr fort:Weil sie so arm waren, schickten mich meine Ellern in'die Stadt. Zuerst war ich Küchenjunge und dann Schuldiener. Schließlich wurde ich Lakai.bei einer Fürstlichkeit. Als der gnädige Herr Gou­verneur wurde, nahm er mich-in die Stadt mit und ich war auch dort sein Bedienter. Nach der Revolution wurde ich verhaftest Man hielt mich; für den Gouverneur, ließ mich aber später lau­fen. Seither nastnten mich alle Gouverneur! Hat sich was, auch ein Gouverneur! Bitte, hier sind meine Papiere. ' Ein beispielloser Lärm erhob sich. Das kann nicht sein!" schrieen alle. Als inan aber in seine Dokumente Einsicht genommen hatte, sah man ihn mit änderen Augen an. Es war. klär, er war nicht'der Gouverneur. Und alle schämten sich. Die Redner, die im Sinne hatten, für den Portier einzutreten, hiel­ten nun Brandreden;'wie etwa:Wir brauchen leist Anhängsel des Satrapen!" Fort mit den Lakaien seiner Exzellenz!" - Dir' Gouverneur wurde abg'ebaust Der SchustöF Dratwin" soff lo der'Folge allein? Der Kaufmann Dülist aber sagte zu sei- st'est Bekannten tHJch- hab' mtr's gleich gedacht. Als ob es unter dem, Söivjetrigiiste etwas Echtes geben köststte ii. Läuier Schwindel I" .(Deutsch   von G. 58^''