Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik

Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh Einzelpreis 70 Heller

Redaktion und Verwaltung: Prag XII., Fochova 62

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Telephon 53077 Herausgeber: Siegfried Taub - Verantwortlicher Redakteur: Rarl Rern, Prag

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Aus dem Inhalt:

Der Fall Heger

wird totgeschwiegen

Die freien Gewerkschaften gegen die Angriffe auf die Arbeitslosen

Die 40- Stunden- Woche vor der internationalen Arbeitskonferenz

Eine Woche der Nováks im Rundfunk

17. Jahrgang

England

hat die Komödie satt?

Scharfe Sprache Lord Plymouths im Nichteinmischungsausschuß

London . In der Subkommission des Nichteinmischungsausschusses erklärte Montag gegen Abend der Ausschußvorsitzende Lord Ply= mouth u. a.:

Dienstag, 22. Juni 1937

Nr. 145

Rücktritt des Kabinetts Blum

Der Konflikt mit dem Senat die Ursache

Der Radikalsozialist Chautemps mit der Regierungsbildung beauftragt

Paris . In der Nacht auf Montag lehnte der Senat mit 168 gegen 98 Stimmen die von Senator Perrier namens der Linksparteien neu formulierte Kompromißformel über die Finanzermächtigung an die Regierung ab und nahm lediglich den vom Finanzausschuß vorgeschla­genen Text an, ben die Regierung als unzulässig bezeichnet hatte.

"

Ministerpräsident Blum berief daraufhin sofort die Vertreter der parlamentarischen Mehr­heitsgruppen zu einer Beratung zusammen, nach deren Abschluß das Kabinett Blum Montag um 2.25 Uhr feine De mission gab. Ministerpräsident Blum erklärte den Vertretern der Preffe: Die Regierung hat die durch die Entscheidung des Senats in Angelegenheit des An­trages Perrier geschaffene Situation geprüft und sich entschloffen, zu demissionieren, trotzdem ihr die Kammer das Vertrauen ausgesprochen hat." Allen denen, welche sich im ganzen Lande in der fenden wir bien fordern alle unſere Freunde in gans Frant­der Volksfront zusammenfanden, senden wir die Aufforderung, völlige Ruhe und reich auf, diefe Weisung zu befolgen und uns dadurch einen neuen Beweis ihres Vertrauens zu

Die britische Regierung sei auf das schwerste darüber enttäuscht, daß trotz dem vereinbarten Abkommen und trotz den ausgedehnten organi­satorischen Maßnahmen beide kriegführenden Parteien in Spanien . weiterhin ungeheure Men­gen von Kriegsmaterial und Waffen, erhalten. Die britische Regierung ist der Meinung, daß der Dinge aud) weiterhin anbauert, went fich man nicht zu lassen kann, daß dieser Stand der Bestand des Nichteinmischungsausschusses als berechtigt erweisen und seine bisherige Tätigkeit nicht überflüssig erscheinen soll.

Jede Regierung müsse ihre Bemühungen auf ihrem eigenen Territorium verstärken, damit die von ihr übernommenen Verpflichtungen strikt eingehalten und der ur­

geben.

Noch in der Nacht hatte Präsident Lebrun mit dem Vorsitzenden des Senats Jeanne­ney und dem Vorsitzenden der Kammer Herriot , sowie mit dem bisherigen Staatsminister Chaut mps, einem radikal- sozialistischen Senator, Unterredungen. Schon um 7.30 Uhr früh wurde Camille Chau temps offiziell mit der Bildung der neuen Regierung betraut. Die Nachricht von dem Nücktritt der Regierung wurde in Paris erst durch die letzten Aus­forderung des zurückgetretenn Ministerpräsidenten Blum, Ruhe zu bewahren, Folge geleistet schäfte war übrigens am Montag mit Rücksicht auf die Geltung der 40- Stunden- Woche ge= schloffen, eine Menge Pariser weilte außerhalb der Hauptstadt.

sprüngliche Zweck des Nichteinmischungsausgaben der Morgenblätter gegen 7 Uhr früh verbreitet. Die Bevölkerung hat durchwegs der Auf­

schuffes den Konflikt in Spanien zu isolieren,

ohne Aufschub verwirklicht werde.

Die britische Regierung wünscht, daßß fo- und nirgends auf den Straßen ist eine Spur von Unruhe zu bemerken. Die Wehrzahl der Ge­

bald als möglich mit der Evakuierung wenigstens einer begrenzten Zahl der Angehörigen der frem. den Rationen begonnen werde.

Der Vertreter der Sowjetunion erklärte hierauf, die sowjetruffische Regierung beantrage, daß die Evakuierung der Fremden aus Spanien tontrolliert werde, damit auch die Marof­faner unter fie Nach einen allen.

Meinungsaustausch werden die Vorschläge von Lord Plymouth allen beteiligten Regierungen mit dem Erfuchen vorgelegt wez­den, möglichst schnell ihren Standpunkt bekannt­zugeben.

Am Tage des Rücktritts:

am

Der Verlauf der Krise war folgender: Nach Mitternacht auf Sonntag nahm die Kammer den vom Senat abgelehnten Regierungsenttvurf über die Finanzvollmachten für die Regierung im gleichen Wortlaut und mit demselben Stimmenverhältnis Vormittag legte gierungsvorlage zur neuerlichen Beratung vor. Inzwischen versammelte sich um 11 Uhr im Parlament eine Delegation der parlamentarischen Lintsflubs; Abg. Champini schlug eine Kompro= mißlösung vor, wonach der Regierung in Zoll­angelegenheiten die Kontrolle der fremden Debisen untersagt und einige Maßnahmen gemäß den In­tentionen des Senats aus der Ermächtigung aus genommen werden sollten. Die Volksfront- Delega­tion nahm diesen Antrag an und auch die Regie­rung machte sich ihn zueigen und legte ihn um 15 Uhr dem Senatsplenum vor. Der Senat ver­tagte sich bis 18 Uhr, damit der Finanzausschuß den neuen Text prüfen könne. Der Finanzausschuß erklärte jedoch auch diesen Tert für un annehm

( 846 gegen 248) wie die Re

genommen.

Eine Erklärung

der Sozialisten

Die sozialistische Parlas

Die Regierung Léon Blum hat den Jah restag ihres Antrittes nur um vierzehn Tage überlebt; ein Mann verläßt das Steuerrad, auf den die ganze Welt mit Interesse, die Demokratie mit Sympathie, geblickt haben, die Sozialdemo tratie stolz den ihren nennt und weiter nennen wird, denn solch ein Staatsmann wie der zurüc

mentsgrupper berjammelte fid 14 31. getretene Regierungschef wird auch weiterhin eine endigung der Stammerſibung und nahm ein- Rolle spielen und eine politiſche Straft ſein. mütig folgende Resolution an: Es ist das Kennzeichnende an dem Regie­

durch seine Abstimmung der Regierung sein Ver- der Ministerpräsident das Vertrauen der auf In dem Augenblicke, da das ganze Land rungswechsel, der sich in Frankreich vollzieht, dai teen teemet, rebut fich die Seuntsmehrheit gegen Grund des gleichen Wahlrechtes gewählten Nam­diese allgemeine Volksabstimmung auf. Die Ne- mer nicht verloren hat. Selten hat eine französ gierung und die republikanische Mehrheit haben fische Regierung eine so feste Parlamentsmehr­alles getan, um die Krise zu verhüten. In ihrer heit hinter sich gehabt wie es diejenige Léon Blums Konzilianz gingen sie bis zur äußersten Grenze. gewesen ist. Aber mehr noch: niemals seit 1918 Der Senat hat es jedoch vorgezogen, das Sprach- hat eine Regierung so fest im Volte gewarz It rohr für die Drohungen aller jenen zu sein, die wie diese, sie hat nicht nur das Vertrauen der ſich bisher mit dem Volkswillen nicht abfin- Sammermehrheit genossen, sondern das Vertrauen

den konnten. Die

Wahlsieg über Doriot Paris . Bei den Ergänzungswahlen in den Stadtrat der Bariser Vorstadt Saint Denis, wo seit Jahren Jacques Doriot , der ehemalige reaktionären der Mehrheit des französischen Volkes und ins­Kommunist und jetzige Vorsitzende der oppositio­Kräfte, gegen die sich das Land besondere seiner arbeitenden Klassen. Nicht in der nellen Bolkspartei, welcher kürzlich vom Innen- bar. im Mai vergangenen Jahres offenen Feldschlacht der Kammer, sondern gleich­minister seines Amtes als Bürgermeister entho- Eine Unterredung des Berichterstatters mit dem ausgesprochen hat haben im sam hinterrücs im Senat, der in indirekten Wah­hen worden war, Bürgermeister gewesen ist, siegte Finanzminister brachte feine Klärung. Der Finanz- Senate neuerlich Verständnis len gewählt wird und kein wahres Bild des Volks­die Kandidatenliste der Volksfront über die Kan- ausschuß arbeitete nun einen neuen Tet aus, der gefunden, ebenso wie vor zwölf Jahren, da willens ist, hat die Reaktion, welche seit langen didatenliste Doriots. zwar auf den Kompromißantrag der Regierung Die Kandidatenliste der Volksfront erzielte Rücksicht nahm, dennoch aber die Mehrheit der Ein- 12. April 1925 die Senatsmehrheit die erſte auf diesen Augenblick gewartet hat, die Regierung 10.500 Stimmen, während Doriots Kandidaten- schränkungen der Vollmacht, die der Senat schon be- Regierung des Volkskartells stürzte, an deren zu Falle gebracht. Es liegt an den französischen Voltsmassen ihre Meinung darüber zu sagen, daß Tifte nur 7.000 Stimmen auf sich zu vereinigen wurde vom Ausschuß mit 12: 5 Stimmen an= schlossen hatte, neuerdings rezipierte. Dieser Tert Spitze Herriot stand. Im letzten Jahre hat die Regierung, die sich eine Körperschaft, welche sich nicht auf die Mehr­vermochte. Infolge diefes Mißerfølges in seinem auf eine treue Wehrheit stüsste, mit Zähigkeit heit der Bevölkerung ſtützt, der freigewählten Bezirk teilte Jacques Doriot mit, daß er auch sein In der Nachtsibung des Senates begründete und Entschloffenheit das Arbeitsrecht ausgearbei- Kammer ihren Willen aufzwingen kann. Abgeordnetenmanbat zurüdlege. Der Berichterstatter des Finanzaußſchuſſes, Gar- tet und den Frichen bewahrt. Die fozialiſtiſche ,, Ich blicke mit Stolz auf das Werk, welches deh, den neuen Text des Vollmachtenentwurfes. Gruppe gibt der einmütigen Meinung der arbei- wir in dem einen Jahre unseres Bestehens gelei­Finanzminister Vincent Auriol erklärte, daß er tenden Klassen Ausdruck, wenn sie ihre An er stet haben", so hat Blum in seiner letzten Rede diefem Entwurf des Finanzausschusses des Senates tennung und Bewunderung über vor dem Senat gesagt. Er hat das mit vollem feine Bustimmung nicht erteilen könne. Senator Perrier legte sodann in der Form die Energie ausspricht, die die Regierung Blum Recht behauptet, denn sein Kabinett war eine der eines Abänderungsantrages den Entwurf der Dele- dem Dienste an den großen Intereffen der Nation erfolgreichsten Regierungen, welche Frankreich je gation der Linksklubs der Kammer vor. widmete. Heute ebenso wie gestern verbleibt die besessen hat, eine Regierung, deren Politik ein genannte Gruppe allen jenen Berruhmvolles Blatt in der Geschichte eines ruhm­pflichtungen tren, die von den Gruppen reichen Landes und einer großen Nation aus der Mehrheit gemeinsam übernommen wurden. füllt. Am ersten Jahrestag der Regierung hat in Die fozialistische Gruppe ist entschloffen, alles zur einer Volkskundgebung im Pariser Lunapark der Sicherung des Sieges der vom ganzen Staat gut- Innenminister May Dormoy gesagt: Wir haben geheißenen Ideen und Programme und zur Zu- nicht die soziale Revolution bringen können, aber nichtemachung der Abfichten und Hoffnungen aller was wir leisteten, hat uns dennoch an die Spiße reaktionären Elemente zu unternehmen. Ser zivilisierten Welt gestellt" und der langjährige

Chautemps

Die Persönlichkeit Chautemps wird an allen j Linksstellen mit 8 ustimmung aufgenom men. Er wird als geschickter Tattiter angesehen,

Ministerpräsident Leon Blum forderte den Senat auf, diesen Text anzunehmen: Ich will", fagte er, zu Ihnen wie ein Bolitiker bei einer politischen Versammlung sprechen. Ob Sie wollen ober nicht wollen, wir sind eine Regierung der Boltsfront und die Senatsmehrheit ist keine Mehr­heit der Volksfront. Unfere Regie rung befitt jedoch das unver minberte Vertrauen der Bevöl. terung und hauptsächlich derar beitenden Schichten. Sie wird auch von der internationalen Deffentlichkeit respektiert. Ich blicke mit Stolz auf das Werk, welches wir in bem einen Jahre unseres Bestehens geleistet ha­ben. Insbesondere haben wir das Wert der So­zialgesetzgebung würdig ausgebaut. Wir haben auch in den Kolonien gute Reformen durch geführt und erwarten nunmehr in Ruhe Ihr Urteil"

Neues Volksfront- Kabinett?

Entscheidung der Sozialisten erst heute

Der defignierte Ministerpräsident Camille das gemeinsame Voltsfrontprogramm einhalten Chau temps referierte Montag nach 19 Uhr werde. dem Präsidenten der Republik über die Ergebnisse Eine dreigliedrige Kommission der soziali. feiner Besprechungen mit den politischen Führern. stischen Deputierten mit dem zurückgetretenen Fi­Nach einer furzen Replit Caillaur, der er- Journalisten gegenüber erklärte Chautemps fo- nanzminister Auriol an der Spitze, befprach der in der Kammer von der äußersten Linten bis lärte, daß der Senat sich dem Fortschritt nicht ver- dann, er hoffe, das neue Kabinett Dienstag mit Chantemps verschiedene Einzelheiten der Zu­dum Rentrum Vertrauen genießt. Als Senator fchließe, in Finanzangelegenheiten jedoch te ine vormittags fertigſtellen zu können, fammenarbeit im neuen Kabinett, traf jedoch ist er auch im Senat populär. Als Staatsminister, Improvisationen zulassen werde, ließ Montag nachmittags hatte Chantemps eine eine Entscheidung, fondern überließ ber in der Regierung Blum die radikalsozialisti- der Senatspräfident über den Abänderungsantrag Unterredung mit kommunistischen Deputierten, diefe der Dienstag stattfindenden Beratung des Berriers abstimmen, welcher mit der bereits ein­fche Partei vertritt, griff er einigemale erfolgreich gangs, gemeldeten Mehrheit von 168 regen 08 welche ihm bestätigten, daß die Kommunisten be- Bräfidiums der sozialistischen Partei. Die So­in schwierige Berhandlungen hauptsächlich sozialen Stimmen abgelehnt wurde. Hierauf nahm der Se- relt find, ohne in die Regierung einzutreten, zialisten bestehen gleichfalls auf der Bedingung, Charatters zwischen Arbeitern und Arbeitgebern nat mit größerer Mehrheit den Text des Finanz- eine Bolts front- Regierung auch daß die fünftige Regierung das Boltsfront­ausschusses an. weiterhin zu unterstützen, falls fic programm erfülle.

ein.