Seite 2 Mittwoch, 28. Juli 1937 Nr. 17» dauern des Konjunkturanstieges. Die laiche Krise bat in allen Ländern einen gewaltigen Bedarf an Waren anwachscn lassen, der bisher nur zu einem ganz geringen Teil gedeckt worden ist. Aber an diesem Punkt gerät daö Interesse der Gesellschaft mit dem Snstem unserer Wirtschaft in Wider­spruch. Das privatkapitalistische Profitprinzip läßt nicht zu, daß die Massen in den Völkern ihren Bedarf an Gütern befriedigen, und es zerschlägt damit die Voraussetzung für die Erhaltung und die Weiterentwicklung der Konjunktur. Gibt die wirtschaftliche Lage unseres Lan­des keinen Grund zum PesscniismuS, so enthebt sie die verantwortlichen Faktoren keineswegs der Verpflichtung, rechtzeitig und mit allen Kräften einem späteren wirtschaftlichen'Rückschlag vorzu­beugen. Die Sozialdemokratie und die Gewerk­schaften haben wiederholt und nachdrücklich die entsprechenden wirtschaftlichen und sozialpoliti- schen Maßnahmen gefordert, unter denen die Ver­wirklichung der Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit noch immer im Vordergründe.steht. ES darf nicht wieder so kommen, daß über Mil­lionen Menschen die kapitalistische Kris« mit so elenwntarer Wucht herfallen kann, wie wir das einmal erlebt haben. Gerade an. diesem Punkte des gesellschaftlichen. Lebens ist die Demokratie den arbeitenden Menschen verpflichtet und«S ist die Leistung der Sozialdemokratie, wenn sie die­ser Verpflichtung gerecht wird. Deutschlands Hand in Spanien Tas im Asy-Verlag, Barcelona (früher in Berlin ) erschieneneS ch w a r z r o t b u ch" sollte in allen Ländern Massenverbreitung finden. Es ist weder Roman noch Reportage, sondern ein­fach eine Sammlung von Dokumenten mit verbindendem Zwischcntext. Die Dokumente be­stehen in rund IVO faksimilierten Briefen, Akten­stücken usw., ferner in einer großen Anzahl nicht­faksimilierter, in Drucksatz wiedcrgegebener Schreiben. Dazu kommen eine Reihe von Bildern der Naziagenten, die in Spanien tätig gewesen waren, und einige FotoS von dem segensreichen Wirken deutscher Bomber In Spanien . Die wicdergcgebenen Dokumente wurden nach deni Ausbruch der Rebellion in den Wohnun­gen und Büros dcr Hitleragenten gefunden. Sie ermöglichen einen Ueberblick über den Aufbau der Naziorgani- s a t i o n im Ausland, der für jedes nichtfaschistischc Volk, für jede nichtfaschistische Re­gierung von höchstem Interesse sein muß. Es ist leider nicht möglich, aus dem reichen und verschiedenartigen Material ganze Episoden, einzelne Stücke, bezeichnende Einzelheiten in einem Maß wicderzugeben, das einen wirklichen Begriff von der Vielseitigkeit, dem Umfang und der schlagenden Beweiskraft dieses Buches geben würde. Man wird sich mit einer Skizze des Inhalts begnügen müssen, die im wesentlichen nur Behauptungen ausstellt. Die Belege, Begrün­dungen, Beweise mutz man im Schwarzrotbuch nachlesen. Das Buch gibt zunächst einen Ueberblick über die AuSlandSorgauisation(AO) der National­ sozialistischen Partei, soweit im gefundenen Ma­terial Belege dafür enthalten waren. Spanien ge­hörte zum Länderamt II(zusammen mit Großbritannien , Irland, Frankreich , Portugal , Luxemburg , Belgien usw. usw.); die Tscheche slowakei ist mit Rumänien, Jugoslawien , Bulga­ rien , Albanien , Griechenland , der Türkei , Aegyp­ ten , Irak , Afghanistan und anderen dem Amt III unterstellt, Schweiz , Italien , Oesterreich und Un­ garn hat das Amt IV unter sich. Man sieht, nach welchen geopolitischen Gesichtspunkte» die Zusam­menfassung geschehen ist. Die Welt ist ausgeteilt; die Liste der AusläudsNiitarbeiter der Partei zeigt, daß kein Erdteil ohne seinen Sachverwalter ist. Ob Wien , Mailand , Thun (Kanton Bern ), London , Paris , Buenos Aires , Lima , Johannesburg , Angola , Java, Tokio , Samoa überall, und nicht nur an diesen Orten, sitzt ein Landesgruppenleiter, ein Kultur- amtsleiter, ein KrciSleiter, ein Stabsleiter deS Außenkommiffariats oder sonst ein Funktionär. Selbst in Palästina gibt eS einen LandeSkrciSlti- ter, den Pg. Cornelius in Jasfa. Die Zusammenarbeit mit den Konsuls- i e n ist nachdem manche Konsuln zunächst ver­sucht halten, ihre Selbständigkeit zu bewahren heute perfekt: die AO, also die Partei, ist allmäch­tig und höchste Instanz; der Konsul hat sich fak­tisch nach ihren Anweisungen zu richten. Eines der wichtigsten Organe der Auslandsorganisation ist auch die Deutsche Arbeitsfront (DAF), in die alle deutschen Staatsangehörigen gepreßt werden t- und in der nicht immer nur Reichsdeutsche zu finden sind. Auchschaffende deutsche Volksgenos­sen mit österreichischer oder tschechoslowakischer Staatsangehörigkeit" finden dort Aufnahme; kehren sie dann nach ihrer Heimat zurück, so blei­ben sie Mitglieder, mindestens dann, wenn«r sich nur um einen Urlaub handelt. Allerdings muh jeder dieser Volksgenossen beim Eintritt eine Pro­forma-Erklärung abgeben, die besagt:Für den Fall meines Verzuges nach und Aufenthaltes in Oesterreich (bzw. Tschechoslowakei )' verzichte ich auf meine DAF-Mitgliedschaft und die damit ver­bundenen Rechte." Die Berliner Leitung der AO sagt dazu:Diese Erklärung ist deshalb notwen­dig, weil wir die DAF-Mitglieder mit österrei­chischer, bzw. tschechoslowakischer Staatsangehö­rigkeit bei endgültiger Rückkehr in ihr Heimat­land vor der Gefahr bewahren müssen, dort als Angehörige einer nationalsozialistischen Organi­sation verfolgt zu werden, wir aber andererseits miS politischen Gründen zur Zeit nicht in der Lage sind, unsere Leistungs-Pflicht in diesen Ländern entsprechend abzugelten." Kurzum: Tarnung!. Tarnung ist überhaupt das Losungswort. Gleichviel, ob eS sich darum handelte, die in Spa­ nien verbotenen politischen Vereinigungen auf harmlos aufzuziehen und durch inhaltslose Pro­tokolle über die Versammlungen die spanischen Behörden irrezuführen; oder-ob cs um-die Eist- schmuggelüng von Propagandamaterial ging bei der die Konsuln regelmäßig in Aktion tra­ten. ES gibt völlig ungenierte Briefe darüber, daß die RonsUlatSbeamten das sonst der Zensur ver­fallende Propagandamaterial persönlich auf den deutschen Schiffen in Empfang nahmen und durch Zoll und Hasenkontrolle schmuggelten; immer wieder wird Hamburg oder Berlin gebeten, nicht zu viel Pakete auf einmal zu senden, da jeder Beamte höchsten» eine» oder zwei mitnehmen könne. Noch gründlichere Formen der Tarnung stellen die für den Schriftwechsel vereinbarten Codes dar. So weist dar AußenhandelSamt an, folgende Decknamen zu benutzen:Arier Gruppe 1, Parteigenosse Gruppe 50, Frei« Siege hoffnung der Basken' Paris . Dec Vorsitzende der baskischen Pro- ölnzialkegierung Aguirte, der in Pari» weilt, er­klärte einem Vertreter der Aaence HavaS, er sei gekommen, um den französischen Behörden für die aufopferungsvolle Gastfreundschaft zu dan­ken, welche st« den baskischen Flüchtlingen ge­währt-hab«n, und um die Voraussetzungen für deren weiteren Aufenthalt in Frankreich zu or­ganisieren. Die baskische Negierung, erklärte Aguierre, wird ihren entschiedenen Kampf gegen di« Usurpatoren fortsetzen. Der Krieg an den baskischen Fronten sei wahrhaft schrecklich ge­wesen, die Basken hoffen aber immer noch auf eine endgültige Niederlage der Aufständischen. Der Tod Gerda Tachls Madrid.(HavaS.) Montag abends fuhren auf der,Straße unwest der Front von Brunete der Son­derberichterstatter der AgenturFederated Preß" und de» Blatte»Clarion" au» Toronto Ted Allan und Frau Gerda T a ch i, welche Photoauf­nahmen für die französisch« Presse liefert, im Auto. Während st« anhielten und au» dem Wagen stie­gen, kam in rascher Fahrt«In Regierung»tank her­an und stieß an da» Auto an, so daß Frau Tachi schwer verwundert wurde und infolge der Verletzun­gen nach ihrer Einlieferung in da» Krankenhaus starb. Ted Allan erlitt einen Beinbruch. Die fran­ zösische Bildreporterin wollte am gleichen Tage nach Frankreich zurückkehren. An. der Front bei Brunete würde gestern Randolf Salenbtrger, ein Mitglied der britischen Aerztemission in Spanien , erschossen. maurer Gruppe M, Jude Gruppe U". Und der Ullsteinvertreter Foertsch hat mit seinem Ver­lag ein System ausgemacht, bei dem die Geheim­schrift schon auf der Adresse beginnt. Außer Kenn­wörtern, die mehr allgemeine Hinweise geben, hat er eine Reihe von verabredeten Sätzen und Wör­tern.Losschlagen revolutionärer Verschwörung unmittelbar bevorstehend" heißt z. B.:Auto­mobil verkauft",Diktatur" wird mitDirek­tion" umschrieben,Minister " wirdVertreter" oderVetter",Regierung"Firma". Der Aufstand" heißtBankprotest",entdeckt" wird zueingelüst",verhaftet" zudiskreditiert" und füsiliert" zugepfändet". Kommunisten sind Vermittler", KanonenBananen", Revolver Orangen" und Gewehre.Apfelsinen". Sozia­listen sindGenossen", Syndikalisten dagegen ein« Gesellschaft"/ JournalistenKaufleute", Solda­tenAngestellte" oderWarenlager"(also Men­schenmaterial I) und Generäle AufstchtSräte. Und so weiter. Man sieht: erstens, um welche Dinge eS geht: und zweitens, daß als Tarnungssprache diedcSKaufmäuns verwendet wird. Selbstverständlich gab«S auch eine Ge­ stapo , genanntHafendienst". Sie hatte vor allem die Bespitzelung und Ueberwachung der Emigranten, der Angehörigen der Partei und der anderen deutschen Organisationen sowie mancher Spanier unter sich. Man sieht immer wieder: die Deutschen in Spanien bildeten einen Staat i m Staate, und ihre Regierung war die AO in Hamburg . Konsulate müssen die Deckadresse für Illegal arbeitende Parteifunktionäre abgeben; im Verein mit Parteistellcn betreiben sie die.Hetz­jagd nach politischen Emigranten, um sie auf deutsche Schifft zu laden und nach Deutschland in die Hände der Henket zu liefern. Die Partei sperrt unbotmäßigen Pfarrern deutscher AuS- landsgeweinden.die Gemeindekaffe, zieht sie für Aeußerungen oder sonstige Stellungnahmen, di» mehr dem Interesse- der Kultusgemeinde entspre­chen als dem der Nationalsozialistischen Partei, in einem Tone zur Rede wie der Unteroffizier den ihm untergebenen Soldaten. Der Kreisleiter ter Partei in Bilbao wird von Madrid au» an­gewiesen,. einen deutschen Lehrer eidesstatt­lich zu vernehmen und zu maßregeln, weil er In einem privaten Kreis ausgesprochen hat, daß der Reichstag von den Nazis selbst angezündet wor­den ist. Die Denunziation des Lehrer» kam von einem Deutschen in Guatemala und wurde über Hamburg auf dem Dienstweg an die LandeSlei« tung in Spanien gegeben: man sieht, wie welt­umspannend das Netz der Naziorganisation ist und wie gut e» funktioniert. Aus den aufgesundenen Dokumenten, beson­der» au» dem reichen Material, da»«in aewiffer Rodatz hinterließ, acht auch der enae Zusammen­hang der deutschen Organisationen mit den poli­tischen und militärischen spanischen Feinden-der republikanischen Regierung hervor. Rodatz war Vertreter der Junkers-Werke, zugleich aber Ver­bindungsmann zu Franco und mit geheimen Missionen betraut. Da» von ihm zurück« gelassene Material liefert neue Beweise dafür- wenn sie noch nötig gewesen wären daß die deutschen Stellen über den kommenden Aufstand der Militärs nicht nur informiert waren, sondern daß sie auch mit seiner Vorbereitung zu tun hatten. Wa» hier aufgedeckt wird, ist ein Teil des GeäderS, mit dem die deutsche AuSlandSorgani« sation sämtliche Erdteile durchwoben hat, ein Teil der furchtbaren, wirkungsvollen Apparates, mit dem Hitlerdeutfchland durch die stetige unter­irdische Arbeit seiner Sendboten Überall die Vor­aussetzung für Hi« Verwirklichung seiner imperia­listischen Ziele schafft. Das Schwarzrotbuch ist eine Fibel, ein Lehrbuch für alle Nationen. Hof­fentlich nehmen sie eS.zur Hand, und hoffentlich lernen sie daraus. M a x B a r t h. DI» Macht des Streik« New Kork. Eine ernste LebenSmiitelnot be­droht die 573.000 Einwohner zählende Stadt Buffalo infolge eines seit langem anhalten­den Streiks der Lastwagenfahrer und Fleischer. Streikposten vor 44 Großhandelshäusern verhin­dern jeden Abtransport von Nahrungsmitteln. Verschiedene Fleischereien rattonieren bereits den Verkauf. Die Streikenden fordern di» Anstellung von organisierten Arbeitern. Alle bisherigen Ver­handlungen mit den Streikenden sind gescheitert. .- Errichtüng'eineS Betrat» für- da»-Studium de» Bevölkerung-Problem». Das' Gesundheits­ministerium beschloß, einenBeirat für da» Stu­dium der Bevölkerungsproblems" zu errichten, der in Kürze seine Tätigkett aufnehmen und di« Grundlage für die einschlägigen Arbeite» des Ministeriums bilden wird. Das Hauptprogramm der neuen Institution wird die ganzstaatliche Re­gelung der tschechoslowakischen Population vom eugenischen, sozialmedizinischen und wirtschaft­lichen Standpunkt bilden. ES wird also nicht allein auf eine extenswe Bevölkerungsvermeh­rung hingearbeitet werden, wenngleich auch die Entvölkerung namentlich der Slowakei (hohe Säuglingssterblichkeit, Sinken der Geburten­zahlen) dringend einer Lösung bedarf und im Beirat behandelt werden wird.(DND) Es wurde daher ein Klub ins Leben gerufen, und da Frau Dorechana den Tip England" nicht mißverstanden hatte, entstand der Francnklub nach englischem Muster. Ein schöner Raum wurde. gemietet, Sekretärinnen engagiert und die Rundschreiben an llubhunge- rige Frauen zirkulierten. Eine Reihe von be­kannten weiblichen Persönlichkeiten tvurde als Rednerinnen engagiert und erhielten so hohe Bezahlung zugesichert, daß keine Absagen er» solgien. Sinn begann der mühsam durchdachte Aufstieg der Dorechana. Ihr größter Stolz war, die Dorechana" genannt zu werden, da das ab­solut nach berühmt klang. Ihr Geld sicherte ihr die Stellung, aber sie konnte auch gut organi­sieren und die neuertvorbenegeistige" Materie tvar bald so gut in Umlauf gesetzt, wie in an­deren Veryältniffen sicher Weißwaren oder Knöpfe. Der Klub hatte Zulauf. Man diskutierte nach den verschiedenen Vorträgen und dieBes­seren" verzogen sich zum Schluß in ein Klub­restaurant, wo mgn das geistige Korsett etwas lockerte, gern gute Dinge und aus Reaktion in die extremste Fröhlichkeit geriet. Die Dore­chana ruhte und rastete nicht. Sie wollte und mußte noch mehr leisten. Schon war sie demütig bewundert von ihrer Familie und dem Personal. Ihre beiden blassen, vollen, ungeschickten Kna­ben wichen nicht von ihrer Seite, wenn sie sich irgendwo in der Oeffentlichkeit zeigt« und ihr Gatte, der sonst so selbstbewußte zielsichere kugelrunde Kaufmann, kroch förmlich in ihren Strahlenglanz getaucht und von seiner geistigen Minderwertigkeit überzeugt hinter ihr her. Aber da» war nicht genug. Die Dorechana mußte eine eigene geistige Leistung vollbringen. Das war recht schwierig, da ihr ja jede innere Beziehung zu irgend einer geistigen Welt fehlte. Der Ehr­geiz aber ersetzte dieses Manko, denn die Dore­chana war sich in ihrer Geschäftstüchtigkeit kei­nes Mankos bewußt. Im Moment, wo die Sehnsucht nach geistiger Bindung in ihr gewesen lvärc, geistiger, seelischer Bindung, hätte sie. so­fort Kontakt zu dieser innerlichen Welt gefunden. So aber blieb eS lediglich beim-ausgeprägten Geschäftsgeist und ihrer Organisationsgabe. ES wurde Umschau gehalten, wo ein leicht zu erfas­sender geistiger Quell die Möglichkeit bot, ihn durch Geld und Fleiß und weise-Voraussicht in eine sichtbare Bahn zu lenken. Wieder wurde ihr ein Tip gegeben: Griechische Weisheit^ Griechenland im Gegensatz zu jetzigen Wirren, als ruhender Pol wunderbar I Die Dore­chana besuchte ein Kolleg über Griechenland . Dann raste sie täglich in die Bibliothek und las über Sokrates 'und Plato und die anderen grie­chischen Philosophen. Schließlich schrieb sie ein Drama über Plato . Das war nicht ganz einfach, aber gelang.mit Hilfe von Schriften, Lehrern, Verbindungen und geschickten Fragestellungen« Das Drama wurde auf eigene Kosten. gedruckt,- war wunderbar In gelbes Leinen gebunden, und ein berühmter Künstler zeichnete für viele» Geld, einen kaum erkennbaren Kopf, der Plato al» geistige Vision" darstellte. Diese» Bildnis erschütterte sogar den Kaufmann Dorechana, der e» fürüninöglich" erklärte. Wer die viel geschultere Frau hatte schon Ausstellungen von Kokoschka gesehen und bewies ihrem-Mann, daß wirre Striche eine Idee, in' diesem Falle die geistige Substanz von Plato darstelley. Er gab sich zufrieden. Das Buch kam in die Mitte des großen rundeni englischen Tisches imParlour". Die geistig« Anhängerschaft war bald orientiert über dieses Drama, und geschickt wurde verbrei­tet, daß die Dorechana-schon al» kleines Kind sich mit Plata beschäftigt, von ihren geistigen Eltern diese» platonisch« Interesse geerbt habe. Daß der Vater mit Knöpfen hausiert und di« Mutter irgendivo Geschirr'gespült hatte, da­nach Fisch roch, da» existiert« nicht mehr, war überhaupt nie dagewesen. Die Krönung des Dramas bedeutete eine Vorlesung desselben in einem geistigen Rahmen, der nach Keyserling » schem MusterSchule der Weisheit" hieß. Die allen Inder wären empört darüber, wie ihre Adisheit umgesetzt wird, aber das macht ja nichts« Die Dorechana hatte ein-schimmerndes Kleid an, ihre weiße Haut schimmerte, da» rote Haar schimmerte, ihre Familie schimmerte. Ein .erlesenes Publikum fast nur reiche Leute ähnlichen Ursprung» wie die große Dichterin bildete Hie Zuhörerschaft. Mehrere Schauspieler teilten sich in den Rollen-und erschienen im griechischen Kostüm. Die Szenerie war von einem bekannten total verarmten Maler gemalt, der traurig-froh war, auf'diese Weise etwa» Geld zu verdienen: Er malte zerstreut und ohne Schwung-häßliche Kulissen: aber'sein Name wär die Hauptsache. Die Dorechanä vermied noch ge­schickt da» Lächerliche, dazu wär sie doch zu klug. Mer das Geschmacklose koiinte sie nicht vermei­den, da eS in der Natur der gänzen Angekegen» heit lag. Seit diesem Abend' hieß«» allgemein: Die Dorechana und Plato"« E» maß noch br- merlt werden, daß Plato» Werke so quasi unab­sichtlich verstreut und Mit Lesezeichen versehen in den verschiedenen Wohnzimmern lagen. Da» ge­hörte zumTip", den dieser oder jener wohlmei­nende Freund oder Freundin gaben. Heute lag die Dorechana schon lange wach und überlegte, wie sie eine in der Stadt wti-. lende Berühmtheit, ein« nordische Schriftstellerin, in ihr Hau» ziehen könnte. Diese Dame war dem zu neuen Klub abgeneigt« hatte auch,, trotz aller­höchster Summ«, die geboten war,, einen Vortrag abgelehnt kurz, sie wollte nicht! Aber die Do­rechana wollte. E» war jetzt überhaupt so ein lei­se» Aufschwung-Stagma eingetreten; män brauchte neue Zufuhr. Sie mußt« cs mit einem telephonischen AnMf versuchen, dann mit dem schönen Steyrwagen vorfahren und die Dame ab­holen. E» war ausgeschlossen, daß«ine so' be­rühmte Frau ihr entging. Zum mindesten mußt« sie sich mit ihr in der Stadt zeigen. Man wurde ja sofort von etlichen gesehen; zur Not genügte das. Mit sämtlichen Energien geladen Werftgte sich die Dorechanä einen förmlichen Schlachtplan, und zuletzt glitt»in eitler Zug in ihr volle» Ge« sicht. Sie sprang au» dem Bett, stellte sich in ihrem grellen Schlafanzug auf einen Schemel und mimte eine Aussprache. Irgendwo hatte sie. ein­mal einen berühmten Mann reden hören, welcher in kurzen. Pausen seines schwierigen Vorträge» angestrengt auf sein« zusamiüengepreßten Finger sah. Diese» wurde kopiert und sie fand im Spie­gel, in den sie aus ihren schweren Lidern hin- blinzelt«, die/WIrkuiig ausgezeichnet. Dann stieg auch- sie in ein Bad, aber ohne sonderliche- Zu­neigung, sondern weil es dazugehürtc, genau wie Touch und. englischer Stil und.devotes Personal. Danach wurde ein Trape-srüit gegessen, weil geistige Frauen das zu tun pflegen, bevor sie an di« Arbeit gehen. In diesem Fall war die Arbeit da» Auswendiglernen eines Manuskrip­te», und zwar in der Form, al» wenn diese» Pro­dukt schwerster Gedankenarbeit eben erst in ihrem Hirn erarbeitet worden wäre. Um- dieselbe Zeit rannte«in noch, junger Mann in buntkariertem Hemd und sehr alten Hosen in der Mansarde' desselben Hause»- ver­zweifelt hin und her. Im unordentlichen Bett lag eine noch junge,-sehr-hübsche Frau ünd mühte sich ab, einem«Säugling ihre zarte. Brust, zu reichen. E» war sehr schwierig,'denn das Kind faßt« nicht di« Brust, schrie ungeduldig. Die junge Mutter war verzweifelt. Dicke Tränen liefen ihr di« Man­gen herunter, tröpfelten auf den winzigen«Kopf des KleintN, und schließlich schrie, sie ungeduldig: Bert,, haft, bitt«, sofort die Hebamme, da» Kind verhungert!"/.(Fortsetzung folgt.).-