Sozialdemokrat

Bentralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme bes Montag täglich früh/ Einzelpreis 70 Heller

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Rebation und Verwaltung: Prag   XII., Fochova 62- Telephon 53077 Herausgeber: Siegfried Taub  - Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag  

17. Jahrgang

Sonntag, 1. August 1937

Aus dem Inhalt:

Stojadinovič will die

kroatische Frage lösen Kinder- Erholungsaktion

bei Maisbrot, Pferdefleisch

und Walfischtran?

Ein Freund Al Capones im Egerer Gefängnis Alldeutsche  

Demonstration in Breslau  

,, Lokale Strafaktion" beendet Mitteleuropa   vom Westen gesehen

Die Schwäche der Mächte ermutigt Japan  

"

-nun großer Krieg?

Durch den Verrat der gekauften chinesischen   Unterführer in Peiping ist das ganze Verteidi­gungssystem der 29. Armee über Nacht zusammengebrochen. Nordchina ist nach der Besetzung von Tientsin feft in der Hand der japanischen Kwantung- Armee. Die Japaner selbst erklären, daß damit die Strafaktion" beendet sei, mit anderen Worten, daß ihr erstes Ziel, dic Eroberung von Hopei und Tschachar erreicht ist. Aber die Möglichkeit, nunmehr weiter nach Süben vorzustoßen und auch das wichtige Schantung noch annektieren zu können, wodurch die nordchinesischen Basallenstaaten für alle späteren Fälle eine stärkere Position gegen Zentral- und Subchina erhielten, verlockt die Japaner zu weiterer Offensive. Man nimmt nach den vor­liegenden Meldungen als sicher an, daß die Japaner, wie die Minister bereits in ihren Kam­mer- Reben erklärt haben, nunmehr die General bereinigung mit China   erzwingen werden. Ob es dabei wirklich zu einem großen Krieg tommt, hängt immer noch mehr von China   als von Japan   ab. Wenn Tschiang- Kai- Shek   in die Abtretung ganz Nord­Chinas willigt, kann Japan   sich den Krieg ersparen, weil die Regierung von Nanking   in diesem Fall ohnehin die Revolution heraufbeschwört. Wehrt sich Tschiang Kai- Schef, wie er es unter den: Druck der Vollsmaffen wohl tuit wird, so ift der große Krieg da. En t fcheibenb für Japans Offenfivwillen ist in erster Linie die Haltung der Großmächte. Die Unentschloffenheit Englands, die Uneinigkeit zwischen London   und Washington, die schwer zu erklärende Teilnahmslosigkeit Nußlands, das Gewehr bei Fuß zusicht, wie die Japaner Nord­china verspeisen, scheinen Tokio   die Reberzeugung zu geben, daß icht eine nie wiederkehrende Gelegenheit zur Begründung eines großen Festlandsreiches unter japanischer Führung ge­geben ist.

Auffassungen zur Lage

Nr. 179

i-. Man muß mit einer technischen Fest- scher Illusionen gekommen. Sie denken nicht mehr, stellung beginnen. Die Sudetendeutschen leben sie glauben und hoffen aber mit solcher Inbrunst, zwar in einem Brennpunkt des europäischen   Ge- die jede geistige Auseinandersetzung, jede ver= schehens, aber sie vermögen die internationale nunftmäßige Betrachtung ausschließt.. Das ist Sträfteverteilung von ihrem Standort aus nicht mehr als ein Glaube an den totsicheren Enderfolg zu überblicken. Die Sudetendeutschen leben im der nazistischen Machtpolitik. Dieser Glaube ist Schatten einer chinesischen   Mauer. Diese chi vermischt mit der unklaren Hoffnung auf den nesische Mauer sind die Gren Sieg einer faschistischen Weltrevolu zen des Dritten Reiches  . Hinter diesen ti o n. Gleichermaßen Grund zur Nationaltrauer Grenzen wurde in den letzten Jahren ein mäch- ist für diese Sudetendeutschen, wenn ein deutsches tiger Terror- Getvalt- und Propagandaapparat Striegsschiff bombardiert wird oder wenn ein aufgebaut. Diese Maſchinerie wirft ihre drohen Flugzeug mit dem ſpaniſchen Faschistenhäuptling den Schatten und auch ihre verlockenden Aus- Mola abstürzt. Ueberhaupt hat die landläufige strahlungen auf das Dasein unserer Grenzbe Begeisterung für die menschenschlächterische Offi iwohner. So ist eine Art geistigen oder vielmehr ziersrevolte in Spanien   mit nationaler Gesinnung ungeistigen Ausnahmszustandes geschaffen, der nichts mehr zu tun. In ihr manifestiert das politische Leben beherrscht. sich ein neuer Internationalis mus der Unmenschlichkeit.

Hinter den Kulissen der Nichtintervention o- stomplexe juftament in einer Zeit halten

Was City und Downing- Street   planen

den. Die deutsche Regierung hat allerdings mit Franco ein Abkommen über Ausfuhr von Eisen­

erzen aus Bistaya abgeschlossen, aber es handelt

*

Viel innere Widerstandskraft haben die Su detendeutschen in diese außerordentliche Lage, in In den Blättern der Geschichte wird diese die sie versetzt wurden, nicht mitgebracht. Denn Geistes und Seelenhaltung unserer derzeitigen die deutschen   Gebiete der Sudetenländer sind Voltsmehrheit nicht mit Ruhmeslettern eingetra­durch Jahrzehnte der klassische Boden bürgerlich gen sein. Der sudetendeutsche Stamm, soweit er nationaler Machtpolitik gewesen. Geistige Be­( Ru) Was heute von den Japanern in Nord- pan bereitet sich zweifellos auf eine Auseinandergriffe, Gesinnungen, europäische Aspekte haben, in Aussicht auf den traurigen Ruf, sich am tiefiter von Henlein   vorläufig repräsentiert wird, hat alle china   betrieben wird, ist keineswegs eine Improvis feßung mit den angelsächsischen Mächten um die diesem Bereich nie eine überragende Rolle ge- felbst erniedrigt zu haben und wieder einmal am ſation. Der alte. Plan von Sirota, dem jezigen Herrschaft im Stillen Ozean   vor, die in diefem oder spielt. Nachdem Hitler   das benachbarte Deutsch  - spätesten aufgewacht zu ſein. Für den Irrtum der Außenminister im Kabinett Konoyé, besteht darin, im nächsten Jahrzehnt fällig ist. Je stärker die Po- land ganz in das Fahrwasser einer abstrakten massen lassen sich nachträglich manche Entschuls aus Nordchina eine gewaltige strategische und triegs- fition Japans   auf dem asiatischen Festland ist, eine Machtpolitit gelenkt hatte, war für die judeten digungen und Erklärungen finden. Für die Ver­wirtschaftliche Basis zu schaffen. Es handelt sich um desto größere Macht vermag es in dem kommenden deutschen   Lokalpolitiker, Bürger, Mittelständler antwortungslosigkeit einer politischen Führung drei Provinzen des eigentlichen China  : op ei, ozeànischen Krieg zu entwickeln. und Intellektuellen das goldene Zeitalter bölti- gibt es aber fein Verzeihen. Spätere Geschicht Shansi   und Shantung, und um svei Provinzen der Inneren Mongolet: Sui juhan Schreiber werden dem Thema mehr Zeit wiämen und Chahar. Das ist ein Gebiet von über einer fönnen, wieso ein sogenannter Stammesführer Million Quadrattilometer, also mehr als zweimal so harmlose Vorträge übers Kinderkriegen und groß wie Deutschland  , mit einer Bevölkerung von etta 75 bis 80 Millionen. Die friegswirtschaftliche fonnte, da sich jeder Halbwegs vernünftige euro­Bedeutung dieses Gebietes besteht darin, daß hier die päische Staatsmann und Politiker in schwerer wichtigsten Kohlen, Erz- und Naphtha  - London  . Seit der 90- Minuten- Konferenz| der Eisenerzgruben im eroberten Biskaja an die Sorge um das Schicksal des Friedens befant. Sollte der Mann tatsächlich so totalitär unpoli la ger von Nordchina sich befinden. Vom Stand- Grandis mit Neville Chamberlain   reißen die Ge-| englischen Besizer übergeben worden. Eben so be­punte des Transportes find alle diese Provinzen für rüchte über Englands neue Politik nicht ab. Wir findet sich der Betrieb der berühmten Kupfermi dern? Ist er ein absolut willfähriges Werkzeug tisch   sein, wie ihn seine engsten Mitarbeiter schil­die japanische Industrie außerordentlich günstig ge- erfahren aus zuverlässiger Quelle, daß sich in nen in Rio Tinto auch weiter in englischen Hän fremder Auftrager, in deren Diensten er die Si Tegen, da die großen Handelshäfen von Tientsin   und den politisch führenden Kreisen des tuation vernebelt? Immerhin bezeugt die rührig Tschifu am Gelben Meer durch relativ gute Eisen- tonservativen England die Lage un­betriebene Flüsterpropaganda, daß die Heren bahnverbindungen mit dem Inlande verbunden find. gefähr so darstellt: Für den Kriegsfall wird aber das Gelbe Meer von sich ausschließlich um sene Erzmengen, die die Führer doch nicht ganz auf dem Mond leben und der japanischen Flotte beherrscht. Vom strategischen spanische Regierung, also jekt Franco, laut dem Striegsgefahr zu Einschüchterungszwecken möglichst zumindestens stillschweigend dulden, daß die Standpunkt geht es bei der Besetzung der fünf Pro­Konzessionsvertrag von dem Grubeneigentümer fraß an die Wand gemalt wird. Alles zusammen vinzen um die südöstliche Verlängerung der großen in Natur erhält. Das sind keine bedeutenden Defensivlinie am Hingang- Gebirge, die in den letz­genommen eriveckt den Eindruck, daß in der kame Quantitäten. Alle übrigen biskanischen Eisenerze radschaftlichen Teufelsküche eine ausgesprochen ten Jahren von den Japanern ausgebaut wurde, bis gehen nach London   und werden von dort allerdings antijudetendeutsche Politik nach dem Motto: Je zum Mittellauf des Gelben Flusses  . Bugleich werden nach Deutschland   verkauft. Das geschicht mit schlimmer es kommt, desto besser! zusammenge= durch die Besetzung von Nordchina alle Verbindun Wissen der englischen   Regierung: dafür erhält braut wird. gen zwischen Rußland   und Südchina, also dem England von Deutschland   Roheisen, Stahl und Machtbereich des Marschalls Tschiangtaischet andere Halbfabrikate, die England für seine Auf­vollkommen abgeschnürt. Die Beherrschung der Die sittliche Legitimation jedes politischen rüstung braucht. Man nimmt in London   an, daß nordchinesischen Eisenbahnen sowie der Eisenbahn­Führers ist der Grad seines Verantwortungsges die Eisenerzvorräte Spaniens   auch im Falle verbindungen zwischen Nordchina und der Man eines Sieges von Franco nach wie vor unter eng Menschen. Deshalb ist auch die Wirksamkeit des fühls für das Schicksal der ihm anvertrauten dschurei gibt dem japanischen Generalstab die Mög­lischer Kontrolle stehen werden. Man scheint auch deutschen   Aktivismus aus unserem politischen Le­lichkeit der Operation auf der inneren Linie, sowohl in Berlin   einzusehen, daß der Sieg der Rebellen ben nicht wegzudenken, weil doch jemand da sein gegenüber der Sovjetunion als auch gegen Nanting. die britische Position in Spanien   kaum merklich muß, der für ein hochgefährdetes und dabei in ſei­schwächen wird. Wesentlich anders ist die Posi- nen großen Teilen geradezu verbrecherisch chloro­tion von Rom  , wo man glaubt, daß ein Sieg formiertes Volt Verantwortung empfindet and der Rebellen Italiens   Stellung bei weiteren Ver- tätig ausübt. Die unerhörte sittliche Kraft, welche handlungen über das Mittelmeerproblem bedeu unsere deutsche Arbeiterbewegung in den letzten tend stärken würde. Deshalb versuchte Mussolini   schweren Jahren entfaltete, hatte ihre tiefsten auch mit allen Mitteln Franco zu unterſtüßen. Wurzeln in dem hochentwickelten Verantwortungs­Dagegen verspürte die Jerliner Regierung keine gefühl für die Bewahrung menschlicher Werte in Neigung, wegen Spaniens   mit London   in einen der Politik unseres Voltes. Diese innere Ver Konflikt einzutreten. Denn man weiß in Berlin  , pflichtung gebietet auch, der bewußten Falsch daß auch ein durchschlagender Sieg Francos die münzerei eines einseitigen außenpolitischen Den­Position Deutschlands   im Mittelmeer   nicht wetens immer wieder die Stirne zu bieten und der fentlich stärken würde. Für Berlin   ist Spanien   Sudetendeutschen   Oeffentlichkeit unermüdlich zu überhaupt ein bloßes Compensationsobjekt, und sagen: Das Weltbild, das Nazismus die dortigen Provokationen dienen ganz anderen und SdP- Propaganda unserer weden. Für Frankreich   hätte allerdings der Sieg Bevölkerung aufzwingen wollen, Francos fchtverwiegende Komplikationen äußeren ist purer Trug und Schwindel. Es ist und inneren Charakters zur Folge. Es scheint nur ein Reflex der gigantischen Selbsttäuschung, aber, daß England endgültig die Leitung der in der die faſchiſtiſchen Diktatoren und hellung in London   hat man sich, wie es scheint, bereits mit ganzen Nichtintervention" an fich geriffen hat beter leben. Die der Anerkennung von Franco als einer krieg und eine radikale Liquidierung des Konflikts auf Europa   und in der Welt sicht ganz anders as. führenden Partei abgefunden. Anders lassen sich Grund eines Vergleiches mit Italien   anstrebt. Wir wollen sie mit faltem Realismus erfoisen die letzten Aeußerungen von Eden im Unterhause und auch zu uns selbst aufrichtig sein. Aber un­nicht erklären. Man nimmt im Foreign Office Nom. Die Agentur Stefani meldet, daß fere historische Funktion ist es, einem politisch ver­an, daß auch die Franco- Regierung sich den For- in den dem britischen Foreign Office nahestehen- blendeten und mißbrauchten Volke täglich die Tat­derungen der britischen Regierung fügen werde. den Kreisen bestätigt werde, daß der englische   sachen der wahren Weltlage vorzuhalten. Siegen Die ganze Erzindustrie Spaniens   gehört englis Ministerpräsident Chamberlain   am Schluß wird, nicht wer die größere Schnauze, sondern schen Kapitalisten. Es ist nicht richtig, daß einige feiner legten Unterredung mit dem italienischen ver das echtere, das wahrere Weltbild besikt. von diesen Erzgruben an Deutschland   und Italien   Botschafter Grandi diesem ein an Musso­abgetreten sind. Im Gegenteil, nach absolut ingerichtetes Handschreiben überreicht glaubwürdigen Informationen ist die Ausbeutung

Konohé Hirota wollen jetzt bestimmt keinen Krieg, die Parole des jezigen Außenministers be= steht in dem Schlagwort Sieg ohne Krieg". Vor allem möchte man um ieden Preis einen Krieg mit Rußland   vermeiden. Denn gerade der Schuß des besetzten ungeheuren nordchinesischen Gebietes würde, im Falle einer triegerischen Auseinander­febung mit einer modernen, gut ausgerüsteten und regulären Armee, von Japan   Streitkräfte verlangen, über welche die Regierung von Totio heute nicht verfügt. Besonders würde das für einen Btvei frontenkrieg gegen eine etwaige russisch- chinesische Allianz gelten. Diese zu verhindern, ist überhaupt eines der Hauptziele der japanischen Außenpolitit. Totio vertraut auf die Desorganisierung des staat­lichen Apparates in Nordchina, die ja seit Jahr und Tag durch die Japaner gefördert wird, und auf die geschichtlich schwachen Bindungen von Nordchina an die südliche Metropole. Man vergesse nicht, daß der chinesisch- japanische Krieg von 1894/95 tatsächlich lediglich durch Nordchina ausgefochten und von der chinesische öffentliche Meinung damals als eine mehr oder minder lokale Angelegenheit aufgefaßt wurde. Selbstverständlich ist seit dieser Zeit das nationale Selbstbewußtsein der Chinesen bedeutend gewachsen, aber auch heute ist der Unterschied zwischen Nord­und Südchina sehr groß..

Japans   Vorgehen in Nordchina ist keine Im provisation, es ist ein welt politischer Akt von ungeurer Bedeutung. Ja­

Graf Dino Grandi  ,

der italienische Botschafter in London  

Die fällige Krise im Londoner   Nichtinterven­tionsausschuß ist vorläufig wieder durch eine Bertagung erledigt. Es scheint, daß man sowohl in London   als auch in Rom   vor allen Zeit ge­winnen will. Inzwischen erwartet man irgend­welche entscheidenden Ereignisse vor Madrid  . In

habe.

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*

deren

Es ist daher unter diesen Umständen nicht ohne Nuzen, wieder einmal das Bild der euro­