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Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik

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17. Jahrgang

Präsident Beneš in Olmütz :

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Herausgeber: Siegfried Taub - Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag

Dienstag, 24. August 1937

Die kritischeste Zeit hinter uns

66

Aus dem Inhalt:

Schon wieder Margarine­

mangel

Schönlinder Strumpfindustrie

schwer bedroht

Verewigung des Terrors

in Oesterreich

Schneider- Creuzot finanziert Škoda - Lieferungen?

Der Kampf

Nr. 198

der polnischen Bauern

und das Schicksal einer Diktatur Warf cha u. Der Havasberichterstatter mel­

Wirtschaftsbesserung wird einige Jahre anhalten 1981 an burchleben, sondern um einen zeitweiligen det, daß es in zwei polnischen Dörfern zu fchar­

Das bedeutendste Ereignis der letzten zwei Tage war für die Tschechoslowakei die Reife des Präsidenten der Republik nach Mähren und die Neden, die Dr. Beneš dabei gehalten hat. Die herzliche Begrüßung, die ihm dabei zuteil wurde, galt nicht nur dem Staatsoberhaupt, das man als Nepräsentanten des Staates und seiner demokratischen Ordnung betrachtet, sondern dem politischen Führer, als welcher sich der Präsident in seinen Reden in Ung. Hra­ disch , in Olmütz , in Mähr. Ostrau und in Troppau wieder bewährt hat. Während Beneš in Ung. Hradisch sich vorwiegend mit den Beziehungen zwischen Tschechen und Slowaken befaßt hat, sind feine übrigen Neden kurze, aber inhaltsvolle Erörterungen unserer brennendsten wirtschaftlichen, innen- und außenpolitischen Fragen. Bemerkenswert an den Präsidentenreden erscheint uns die Festigkeit und Entschloffenheit, mit der er selbstbewußt das Errungene her­vorhebt und mit der er an die Lösung der kommenden Aufgaben herantritt. So hat er in Mähr. Oftrau darauf verwiesen, daß das Land die schwere wirtschaftliche und soziale Krise ohne große Erschütterungen und Putsche überstanden hat, er rühmt die feste Stellung, innere Ruhe, fitt liche Gesundheit und ein starkes Selbstbewußtsein" des Staates und erklärt überzeugend, daß wir auf dem richtigen Wege" find.

und weniger tiefen Rückschlag. Aber auch so ist es fen Busammenstößen zwischen der Polizei und heute unsere Pflicht, in dieser Hinsicht vorsichtig zu ortsansässigen Bauern gekommen ist, wobei in fein. cinem Dorfe 14 Personen getötet und 20. ver= wundet wurden. In einem anderen Dorfe wur­den 11 Personen getötet.

Auch die Regierung muß hier beizeiten an alles das denken, die politischen Parteien müssen ihre Mitglieder darauf vorbereiten, die Familien der Arbeiter, der Landwirte, der Unternehmer und des Mittelstandes 1.üssen das alles voraussehen. Und hauptsächlich die Staatswirtschaft muß in Ordnung gehalten werden, weil sie ja die Grundlage für alles bildet. In diesem Sinne wird unsere Regierung in der neuen politischen Herbstsaison schwere Auf­gaben zu erfüllen haben.

Für soziale Gerechtigkeit

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Der polnische Bauerstreif, der seit dem 15. August im Gange ist und bis 25. August in Wirksamkeit bleiben soll, gipfelte Sonntag in einer Reihe von Kundgebungen, in deren Ver lauf es zu bewaffneten Zusammenstößen gefom men ist. An zwei Dußend Todesopfer blieben auf dem Platze.

Wir sind ein Staat, der sich nicht der Erkennt. Der Kampf der polnischen Bauern und die nis verfaloß, daß es notwendig ist, auch den Idealen Folgen, die dieser Kampf für die weitere Ent­der sozialen Gerechtigkeit den ihnen ge- wicklung der polnischen Politik, damit aber auch bührenden Play einzuräumen, daß es notwendig ist. für einen bedeutsamen Sektor der europäischen neben der politischen Demokratie auch die wirt Politik haben wird, verdienen weit über die Gren fchaftliche und die soziale Demokratie aufzurichten. In dieser Richtung gebührt unseren en unseres großen slawischen Nachbarstaates und führenden Funktionären, unseren politischen Parteien, über diese Nachbarschaft hinaus Interesse. Sie ben einzelnen Ständen Dant alle verstanden die sind Sturmzeichen sehr erfreulicher Art. Sie zei­Bedeutung der Zeit, alle vermochten in der gegebe- gen die schwere Strise eines jenes diktatorischen nen Beit ein bernünftiges Kompro- Regimes an, die im Europa der Nachkriegsperiode miß zu schließen und anzunehmen, alle vermochten entstanden sind und überall den Anspruch auf ergeben polttische Verantwortlich ewige Dauer erhoben, aber sich nirgends bewährt Leit auf sich zu nehmen. Sie sicherten dadurch die und nirgends wirklich stabilisiert haben. einen neuen Beweis, daß die Demo­ihrer inneren Spannungen werdeit jie zu jener frafie Bei uns Grfolg hat, leben dynamischen" Außenpolitik gedrängt, die heute tann und leben wird. den gefährlichen Sprengstoff Europas darstellt. In dem Maße aber, in dem die Opposition im Innern attiv wird, ist auch die Möglichkeit einer außenpolitischen Aktion, eines Ablenkungsmanö­vers in Frage gestellt.

Große Beachtung werden auch außerhalb der Grenzen die Worte finden, mit denen der Präsident der kritischen außenpolitischen Lage im allgemeinen und der Stellung der Tschechoslo­ wakei zu den bedeutsamsten hier in Betracht kommenden Problemen gedenkt. Der Präsident spricht hier mit dem ihm eigenen Optimismus, er glaubt, daß es in abfehbarer Zeis teinen triegerischen Konflikt in Europa geben wird. Ebenso sicht Beneš im Hinblick auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältniffe nicht schwarz. Mit großer Energie hebt der Präsident hervor, daß die Tschechoslowakei weiter an ihren demokratischen Me­thoden festhalten wird, die Bevölkerung erkennt in ihrem Staatsoberhaupt freudig den ge treuen Edart der Demokratie und ihrer Freiheiten. Die deutsche Be­völkerung im besonderen wird mit Intereffe vernehmen, wie der Präsident ihr auseinanderfest, haß bie Demotratiegebabe fåssic nationaten Min béchettek bennemoratie und gaben bamither Belt unschäzbarer Bedeutung ist. Wit Freude fann man den Ausführungen des gewählt. ten Staatsführers entnehmen, daß er an der Durchführung der tschechisch- deutschen Berein­barungen vom 18. Feber ehrlich" festhält( Olmük), daß er konsequent und stetig" auf ihre Verwirklichung hinarbeitet und daß sich die Deutschen mit Vertrauen an ihn wenden können ( Ostran). Lehrreich erscheinen uns für eine nationale deutsche Politik auf dem Boden der Repu­ blik auch die Worte des Präsidenten, daß nur tägliche, geduldige und systema­tische Arbeit... die tatsächlichen Verhältnisse zu ändern und umzugestalten" vermag. Beneš knüpft hier an eine Auffassung seines Lehrers Masaryk an, der bei seiner Rückkehr 1918 fein Volk eindringlich darauf verwies, daß man politisch nur durch Arbeit etwas erreichen kann. Möge das fudetendeutsche Volk endlich einmal demagogische Phrafen von politischer Arbeit unterscheiden lernen!

Die breiten Maffen der Bevölkerung und die sozialistische Arbeiterschaft im befonderen werden schließlich mit großer Befriedigung zur Kenntnis nehmen, daß Beneš auch den Spuren Masaryks insofern folgt, als er das Fortschreiten von der politischenzurwirt. fchaftlichen und sozialen Demokratie für notwendig erklärt. Beneš hat hier wie in allen anderen Teilen feiner Rede allen Menschen guten Willens aus dem Herzen gesprochen.

Der 18. Feber wird durchgeführt

Taten und nicht Worte entscheidend

In Troppau erwiderte der Präsident auf die Ansprachen der Vertreter der deutschen Be­völkerung:

Den polnischen Bauern geht es elend, es geht ihnen sogar ganz hundselend. Gewiß ist daran nicht die Dittatur allein schuld. Die le ber völkerung Polens , für die es kein Ven­til gibt, die Landflucht der Bauern, die wieder zu verstärkten sozialen Spannungen, in den Städten führt( u. a. zu den wilden Judenpogro Glauben Sie mir, geehrte Herren, daß man men, die an der Tagesordnung sind), der Alkoho= aus einer objektiven historischen Prüfung des lismus, der Analphabetismus, grassierende Volks­Minoritätenproblems wirklich erfreut und ermu- seuchen, Not an Lebensmitteln und Bekleidung, tigt hervorgeht. Ich will damit nicht sagen, daß der Verfall der Höfe und Dörfer stellen einen In Olmüz erklärte der Präsident zur stualitäten vorbereitet zu sein, bei uns schon alkes vollkommen ist, und daß schon frisenhaften Prozeß dar, den auch eine demofra­weltpolitischen Lage u. a.: und deshalb brachten und bringen auch wir alles alles geschehen ist, was hätte geschehen sollen. tische Regierung nicht einfach mit einigen Geſel­Wir haben seit dem Jahre 1938 in Europa Er- rechtzeitig in Ordnung. Ich will nur ganz der Wahrheit gemäß konsta- zen und Verwaltungsmaßnahmen beenden könnte. eignisse erlebt, welche die schwerste politische Serise Ich bin der Ansicht, daß wir demnach in eine tieren, daß die Verhältnisse nach dieser Seite Aber die Diktatur hat alles getan, um das des europäischen Kontinents nach dem Kriege be- Periode der europäischen Politik eintreten, in der hin bei uns unverhältnismäßig Elend zu vergrößern. Ihre wahnsinnige deuten, die fich einigemale, beſonders im Jahre cinericits die Goffnung auf Erhaltung beffer find als anders wo. Ich ſeit vielen Jahren und lange vor Beginn der 1936, zu einem direkten schweren europäischen Kon- der wirtschaftlichen Profperität fche schon vor mir, daß wir bei uns in die Pe- allgemeinen europäischen Aufrüstung betrie flift zu entwickeln drohten. Wir stehen außerdem für einige Zeit bestehen wird und andererseits awar riode einer definitiven gemeinsamen Zusammen- bene Rüstungspolitik, die den Bauer mit noch mitten in den aus dem Konflikt in der Ange- große internationale politie arbeit tommen, einer gegenseitigen ehrlichen untragbaren Steuern belegt und nur einen win­Tegenheit Spaniens sich ergebenden großen Schmies Spa in 166 debatten waren, mir, eft legung in den Stellungen, zigen Bruchteil der öffentlichen Gelder wieder der rigkeiten und eben jest iſt ein neuer Strieg im Osten aber gleichzeitig die Tendenz äußern wird, diciebie wirklich der tatsächlichen, zahlenmäßigen und Zirkulation zuführt, die Vernachlässigung der zwischen China und Japan entstanden, der nicht bald Spannungen immer mehr versöhnlich beizule­beendet sein wird. Europa ist geistig und moralisch gen und sie nach und nach in ruhige Verhältnisse fulturellen Kraft unserer beiden Völker ent- Kulturpolitik und einer vernünftigen Handels­in einige Lager geteilt. Unseren Staat baben alle überzuführen. politit verschärfen natürlich die Krise. Bei stets diese Ereignisse direkt und vital berührt. In dieser gender Kaltur würde die Ueberbevölkerung sin­Lage muß sich der tschechoslowatische Staatsmann fen, damit wäre eine Hauptursache der Krise ein­und Politiker ständig die Frage stellen, wie wir vor­geschränkt. gehen sollen.

sprechen werden.

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Die innerpolitischen Regime in den verschiede Die Regierung hat diese unsere Angelegen­nen Staaten werden sich weiter entwickeln, hier ri- heiten konkret in den bekannten Beschlüssen vom sen, dort einer Anpassung, Mäßigung oder Radifali 18. Feber 1937 zum Ausdruck gebracht, die zu fierung, anderswo wiederunt, tieferen Aenderungen ihrem Programmi wurden und die sich fortlau- Das Bezeichnende aber ist, daß die polnis Ich bin der Ansicht, daß wir die kritischesten unterliegen. Das alles läßt sich nicht verhindern fend zur Verwirklichung bringt. fchen Bauern auf die Not nicht so reas Zeiten der europäischen Nachkriegsentwicklung hier wird Europa ne u e Konvulfionen und neue innerell mit ür ze durchma­Ich weiß, daß sich hindernisse in den gieren, wie ein Großteil der deutschen hinter uns haben. Die Wirtschafts- chen. Blicken wir auf all das mit Ruhe, mischen wir Weg stellen, ich weiß, daß sich solche Sachen nicht oder österreichischen, auch der tschechischen Bauern krise hat bereits unverkennbar einer ziemlich uns nicht hinein, und gehen wir unseren bon heute auf morgen durchführen lassen und daß reagiert hat. Sie laufen nicht dem Faschismus m entwickelten Prosperität Plah gemacht und diese eigenen Weg. gerade in der Politik mit viel Agitation die Arme. Diese Bauern wissen, daß die gebefferte Lage wird sicherlich einige Jahre Rechnen wir nicht mit einem Krieg für die näch- und Propaganda gearbeitet wird, daß Di ftaturfeineilmittel gegen anhalten. Diese müssen zu einer Befferung sten Beiten, bereiten wir uns aber absolut vollkom- Mißtrauen gesät wird und daß mit Untvahr- den Hunger ist. Die polnische Bauernklasse hat auch auf anderen Gebieten benüßt men dafür vor, wenn er uns vielleicht doch überheiten gearbeitet wird. Aber das war, ist und wird den Zarismus noch in den Gliedern. Sie erinnert werden. Neue schwere Ereignisse in der europäraschen sollte. In unserer Innenpolitik werden wir immer sein. Und einem Wolke, das eines guten sich des Elends der Vorkriegsjahre, der Freiheits­ischen Außenpolitik würde ich einstweilen nicht auch weiterhin den bisherigen Weg ge- Willens ist, bleibt nichts übrig, als gegenüber kämpfe gegen die russisch - zaristische Herrschaft, ſie erwarten. Einen friegerischen Konflikt in hen: der demokratischen Zusammenarbeit bei gegen­seitiger Respektierung der einzelnen Parteientlassen diesen Methoden Ruhe zu bewahren, seinen. Weg wurde erzogen in der Tradition der polnischen Europa erwarte ich in absehbarer Zeit nicht. Es läßt sich nicht daran zweifeln, daß in den licher Toleranz und insbesondere auch von dem auszuführen, nicht nachzulassen, a uszuhal nicht in der Republik und den demokratischen Er­und Nationalitäten, geleitet von dem Geifte wirt- Bu gehen, jeden Tag in dieser Sache etwas Neues Revolutionen des 19. Jahrhunderts. Sie ſieht Staaten, die ihre neuen Regime errichten, ein Krick Geiste der Toleranz gegenüber den Nation as ten. Das ist in diesen Sachen mein Programm rungenschaften von 1919 die Quelle des Elends, schließlich derartige Erschütterungen her­und meine borrufen würde, daß sich allgemeine Revolutionen, Biel haben wir schon geleistet, eine Reihe ten burch die Sittatur der Bilſubſiſten, der sondern in der Beseitigung dieser Errungenschaf neue Desorganisation und neue Umstürze überhaupt nicht verhindern ließen. Soziale Revolutionen, syste von Dingen bleibt uns noch zu tun übrig. Wir Legionär- Obersten und ihres militärisch- bürokra­matische Vernichtung verschiedener nationaler, reli­In Wittkowis sagte der Präsident u. a. find auf dem richtigen Wege, denn breite demo- tischen Anhangs. So wird die polnische giöser, fultureller und sozialer Minderheiten, allges Sie und da hörte ich warnende Stimmen, die fratische Schichten unserer beiden Völfer wünschen Bauernschaft unter den Bauernklai­meine Ausrottung, Verarmung und allemeine Demo- Dauer der jezigen neuen Prosperität nicht zu übers biefe wirkliche, aufrichtige und loyale Zusammen- sen des nahen Zwischeneuropa", die alle ähn ralisierung Dies alles wäre das Hauptergebnis daßen. Ich stimme mit diesen Warnungen darin arbeit. Und ich bin überzeugt, daß wir bei einliche Entwicklungserscheinungen zeigen, die zah= jedes großen europäischen Krieges. Ich glaube daher überein, daß wieder ein Rüdichlag eintreten fönnte, wenig Besonnenheit, Ruhe und Geduld und bei nicht, baß ſich ein erniſter europäiſter Staatsmann wenn ich andererseits auch beberacunt binne Reits gegenseitigem Bertrauen und Ehrlichkeit unfere dessen nicht bewußt wäre und einen Strieg wünschte besseren Verhältnisse auf jeden Fall noch eine Beit Aufgabe bald mit Erfolg zu Ende bringen werden! Aber trotzdem find die heutigen Verhältniffe lang andauern werden und daß, wenn ein Rückschlag derart, daß sie uns zwingen, a uf alle Even- cintritt, es sich nicht um eine struttu ( Fortsetzung auf Seite 2)

Iitäten.

Warnung vor Rückschlägen

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lenmäßig stärkste e tntt upp e des neuen Europa . Und die Dittatur, die mit den polnischen Arbeitern viel­

eine rebolutionäre

leicht fertig werden könnte, weil diese Arbeiter in