Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh/ Einzelpreis 70 Heller

Redaktion und Verwaltung: Prag   XII., Fochova 62

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17. Jahrgang

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Herausgeber: Siegfried Taub  - Verantwortlicher Rebatteur: Karl Kern, Prag  Samstag, 18. September 1937

Aus dem Inhalt:

Neue Betrugsaktion der SdP

Erfolgreiche Kämpfe

der Fabrikarbeiter

Wiener Rotunde niedergebrannt

Sensationeller Mord in Prag  

Nr. 220

TGM noch einmal auf dem Hradschin Stimmen der Internationale

Prag.( Tsch. P. B.  ) Ueber den Wäldern von[ rin Sašková und der ehemaligen Wirtschafterin Lány und über der Hauptstadt Prag  . über diesen des Präsidenten Frau Černá an der Spitze. atvei Stellen, die die Gedanken der gesamten Bevölke Vor dem Schloßeingang erwarten die Familien

rung der Tschechoslowakischen Republik in den lebten der Schloßangestellten den Leichenzug, links von der Tagen auf sich zogen, fenkte sich der Abend eines Burgwache steht eine größere Gruppe von Journas. schönen Spätsommertages herab. An diesem milden Abend trat der Leichnam des Präsident- Befreiers listen. Den Salbkreis in dem Haupteingang zum 2. G. Masarht den letzten Weg auf der Karlsbader Schloß schloß das Schloßpersonal und die Angestellten Straße von Schloß Lánh nach Prag   an, den der erste des Gutes Lány. Präsident der Tschechoslowakischen Republik bei sei= nen Lebzeiten so oft zurückgelegt hatte und den er noch fürzlich in voller Frische unternommen hatte. Es war an jenem denkwürdigen Sonntagnachmittag bes 4. Juli 1987, da er zum lebtenmal unter die tschechoslowakische Armee kam, die mit Rehntausen­den auf dem Strahover Stadion des Rborower Sieges gedachte.

Wie in den verfloffenen Tagen nach Lány unübersehbare Reihen von Pilgern strebten, die sich vor dem toten Antlis bes Befreiers verneinen ten, so bersammelten sich schon Freitag gegen Abend entlang der Karlsbader Straße von weit und breit noch größere und ständig wachsende Menschenmassen. um dem großen Toten auf seinem Teßten Wege nach Prag  , in deffen Herzen er iebt vier Tage ruhen wird, ihre Ehrfurcht zu erweisen.

Der Sarg wird geschlossen

In Anwesenheit des staatlichen Bezirksarztes Dr. Karel Kšanda wurde auf dem Schlosse Lánh der Sarg des Präsidenten geschlossen, verlötet, und so­dann hierüber ein Protokoll verfaßt. Der Arzt des Präsidenten Dr. Maigner verhüllte das Fenster oben im Gargbedel mit einem schwarzen Eud. Auf ben

Sarg wurde fobann der atveite Dedel gelegt und der ganze Sarg in eine große Staatsflagge ein­gehüllt. Diesem Atte wohnten von den Mitgliedern der Familie des Präsidenten der Sohn Jan und die Tochter Olga, ferner Kanzler Sámal, General Bláha, sämtliche Sekretäre des Präsidenten sowie der staatliche Distriktsarzt von Lánh Dr. Svo­

boba bei.

Die Armee übernimmt den Toten

Um 19 Uhr teilt der Amtsarzt Dr. Kšanda dem Militärkommandanten der Burg, Oberst Kvapil, mit, daß alle Vorbereitungen zur Ueberführung dec sterblichen Ueberreste des Präsidenten Z. G. Ma­farht bereits abgeschlossen sind. Kanzler Dr. Sámal und der Chef der Militärkanzlei des Präsidenten ber Depublit, General Bláha, begeben sich in den Trauersaal, wo alle Familienangehörigen um den Sarg versammelt sind und ersuchen sie, die sterb­lichen Ueberreste des Verstorbenen der tschechoslowas tischen Armee anzubertrauen, welche sie mit allen Ehren bestatten will. Nachdem die Einwilligung hiezu erteilt worden war, heben elf Angestellte des Schlosses den Sarg vom Katafalt auf und tragen ihn durch die Schloßhalle, über das Stiegenhaus und den Haupteingang bis vor das Schloß. Dort ers wartet sie bereits der Militärkommandant der Burg, Oberst vapil  , der ehemalige Burgkommandant, Oberst Seidl, der Kommandant der Burgwache, Oberstleutnant Hofman, und sechs Fähnriche der Burgwache, die bereits seit vielen Jahren in den Diensten der Burgwache stehen, übernehmen den Garg von den Schloßangestellten und tragen ihn zum Leichenwagen.

Sobald der Sarg an der Schtvelle des Schlosses

Lánh sichtbar wurde, ertönte das Kommando ,,. poctě zbraň" und eine Abteilung der Burgwache,

welche vor dem Schloßeingang in Beis und Glieb steht, leistet dem toten Präsidenten zum letzten Male

die Ehrenbezeugung.

Das Läuten der Gloden von der Schloßkapelle begleitet den Präsidenten Masaryk   auf seinem Iep­ten Wege, grell leuchtet in die Dunkelheit vor dem beleuchteten Begräbniswagen das Rot der Staats­flagge.

von Lány  . An dem Tor, das zum Park von Lány In voller Stille schritt der Bug durch den Part führt, macht der Zug haft. In diesem Augenblid wird der ganze Naum durch das helle Licht der Magnesiumfadeln erleuchtet. Eine lurzemelte bleibt der Bug stehen. im 19.15 Uhr seht sich der Bug wieder in Betvegung.

Die Fahrt nach Prag  

Dichte Menschenmengen stehen vor dem Schloß und längs der Straße, auf der sich der Bug nun mehr in Bewegung seßte. Zu beiden Seiten der Straße brennen griechische Feuer. Auch in den Fens stern der Häuser sind überall Lichter zu sehen. So­weit die Reflettoren des ersten von Lány kommender Autos sichtbar werden, erstarrt alles zu tieffter Da hört man im Spalier das Schluchgen, bits He der Frauen und viele Männer wischen sich Tränen dus den Augen.

Stille.

Am Oftrand der Gemeinde Břevnob erwarte: seit 20 Uhr ein Kavalleriegeleit, bestehend aus atvei Eskadrinen bes 1. und 5. Dragonerregimentes, den Leichenzug. In gedämpftem Ton werden die vorges schriebenen Meldungen erstattet und dann seßt sich

Dem republikanischen Heros reiheit und der materiellen Gleichheit nicht tren­

Von Léon Blum  

nen von der nationalen Unabhängigkeit. Die Aktion der beiden Demokratien wird von denselben Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Friedens In..Le Populaire". dem Zentralorgan der bestimmt. Zu der Gemeinsamkeit der Gesichts­Sozialistischen Partei Frankreichs  , schreibt Léon punkte und zur Uebereinstimmung der Handlun Blum, der als Stellvertreter des Ministerprägen gesellt sich jene spontane Sympathie, die zwi­sidenten und namens der Regierung Frankreichs   schen Nationen ebenso existiert wie zwischen Ein­bekanntlich die Pariser   Trauer- Delegation nach zelwesen. Unsere tschechoslowakischen Freunde Brag führen wird, an leitender Stelle folgende haben das oft genug gefühlt. Den wertvollsten Beweis dafür mögen sie sehen und empfangen in diesen Stunden der Trauer!

Worte des Gedenkens für T. G. Masaryk.

Republik   gegründet, regiert und erleuchtet. Gr Thomas Masaryk   hat die Tschechoslowakische war zu Lebzeiten und wird nach seinem Tode blei das ihm mehr als jedem anderen seine Unabhän= ben die Inkarnation der Massenseele eines Volkes, gigkeit und Freiheit verdankt. Die Geschichte wird ihn an Seiten des größten unter den republikani­fchen Heroen ſeben, nämlich neben George Washington  . Wie Washington hat er eine Nation erweckt; wie Washington   hat er einen Staat ge= gründet; und wie Washington   hat er seine ein­mütige Volkstümlichkeit und den Ruhm, den er genoß, nur eingeseßt, um die Freiheit des Volkes. das er ins Dasein rief, noch besser zu gewähr= leisten.

Mehr geliebt und mehr geachtet als irgendein Autokrat, hat er niemals etwas anderes sein wollen als der erste Bürger unter gleichen Bür­

aern. Die Autorität, die er in seinem Bolte besaß, war unermeßlich; aber sie stammte weder von einer Allgewalt, die festhält, noch von einem Ter­ror, den man einflößt, sondern erfloß vielmehr aus Dankbarkeit, Vertrauen und Zuneigung. Des­halb bewunderten alle Demokraten der Welt sein Wert, ehrten seinen Namen, gewannen Kraft aus seinem Vorbild. Und deshalb haben alle teil an der Trauer, die heute ein ganzes Volt erfaßt hat.

der Zug unter dem Kommando des Brigabe dieses Gefühl am tiefsten empfunden werden Frankreich   ist vielleicht jenes Land, in dem generals Dostal wieder in Bewegung. Die Straßen wird; jene französische   Republit, die für die sind von einem dichten Menschenspalier eingefäumt. Tschechoslowakische Republik eine besondere Tausende von Männern, Frauen, Greisen und Kin- Freundschaft nährt. Nicht anderes als die Tiche dern warten hier geduldig schon seit Stunden.

( Fortfehung auf Seite 2)

choslowakei Thomas Masaryks und Eduard Benes  ' fann auch Frankreich   die Ideen der politischen

Auf dem Weg zur Säuberung

Nyoner Vertrag auf Piratenfileger ausgedehnt

des Mittelmeers

Gen f.( Reuter.) Der Freitag in Genf   unterzeichneten Nachtragsvereinbarung zum Nyo­ner Abkommen zufolge werden fämtliche Flugzeuge, die Handelsschiffe angreifen, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, die Besatzung in Sicherheit zu bringen, als Piratenflugzeuge angefehen und dementsprechend behandelt werben. Da aber Flugzeuge. diese Bedingun gen einfach nicht erfüllen können, bedeutet das Abkommen eigentlich, daß ein Verbot von Fliegerangriffen auf Handelsfciffe erlaffen wird. Der Vorschlag, daß das Nyoner Abkommen auch auf Angreifende Oberwafferschiffe ausgedehnt wird, hat Ein­Sak in dem Sinne angefchloffen wurde, daß es den Mächten in ihren Territorialgewäſſern über­wendungen des griechischen Delegierten zur Folge Lehabt, weshalb dem Nachtragsabkommen ein laffen bleibt, nach ihrem Gutbünken und den eintretenden Umständen zu handeln. Das heutige Abkommen enthält zwei Nachträge von denen der erste die Seewege im Mittelmeer   behandelt, die den Handelsschiffen empfohlen werden, und der zweite Nachtrag die Zonen, die für die Uebungen der Unterfeeboote vorbehalten find. Die Abkommen unterzeichneten sämtliche Bertre­

ter der neun Staaten, und zwar ohne jedwede Borbehalte..

Spanien  - Seekontrolle endlich eingestellt

tontrolle betrauten Schiffe besser zu einer dringen­beren und bedeutsameren Aufgabe, nämlich bei der Vetämpfung der Piraterie im Mittelmeere, ver­wendet werden können. Wie bereits erwähnt, wird das Syſtem des Beobachtungsdienstes, das u. a. die Denüßung von Kontrollhäfen und die Beru­fung internationaler Beobachter auf Handels­fchiffe umfaßt, aufrecht erhalten.

Dem Patriarchen der europäischen   Demokratie

Von Emile Vandervelde  

Der Führer der belgischen Sozialdemo fratie, Emile Vandervelde  , veröffentlicht im Organ der belgischen Sozialdemokratie..Le Peuple" von Mittwoch, den 15. September 1937 das Blatt trägt an der Spike seiner Ausgabe dieses Tages einen Ausspruch Masa­rufseinen Artikel über den verstorbenen Präsidenten, in welchem er zunächst von seinem ersten Zusammentreffen mit Masaryk   im März 1917 erzählt, da Masaryk   als Rebell den Kampf gegen Oesterreich   führte. 20 Jahre spä­ter ist Masaryk   als Patriarch der europäischen  Demokratie auf dem Gipfel seines Ruhmes ge­storben. Vandervelde fährt dann fort:

In diesem traurigen Europa  , welches alle Tage immer mehr einer internationalen Anarchie ausgeliefert ist, wo die Schlechten verwegen find und die Besten sich beugen müssen, ist und bleibt Masaryk   der geschichtlich bewunderungswürdigste Typus des in seinen Ueberzeugungen unerschüt terlichen Staatsmannes, der in der Festigkeit sei­brechlichen Koloſſe auf tönernen Füßen gegen­ner Generallinie ein Beispiel für alle ist und zer­über zeigt, was ein großes Herz und ein großer Geist vermögen, um über die Unterschiede von Sprache und Rasse hinweg die unzerbrechliche Ein­heit eines Volkes herzustellen im Zeichen der Demokratie, ohne jemals zum Mittel des Zwan­ges oder der Gewalt gegriffen zu haben.

Gines aber tröstet uns in dieser so schmerz­lichen Prüfung, welche sein Volt durchzu machen hat.

Masaryk   ist zweifellos mit der Gewißheit gestorben, daß sein Werk fortgesetzt werden wird, daß an dem Tage, wo es in Gefahr geräte, das Böhmen   des Johannes Hus   zu allem Mut und allen Opfern bereit sein wird.

Die belgische Arbeiterpartei sendet ihr tief= stes Beileid der gesamten tschechoslowakischen Des mokratie und in erster Linie unseren sozialistischen Freunden der verschiedenen Sprachen und Natio­nen, welche durch ihr Bündnis den Allgemein­willen bezeugen, koste es, was wolle, den ruhm> reichen Vorposten der Demokratie in Europa   zu verteidigen entschlossen sind.

Präsident Masaryk   ist tot!

Ez lebe die Tschechoslowakische Republik!" Dem Architekten der europäischen   Freiheit

Kundgebung der Labour- Party

Der Präsident der nationalen Grefutive der britischen   LabourParth, Hugh Dalton.   übermittelte nachstehende Kund­gebung der britischen   Labour- Party anläßlich des Todes Masaryks:

Gleich darauf setzt sich der Leichenzug in Be- London.( AN.) Den im Londoner   Nicht­wegung. Sinter dem Sarge schreiten die Familien einmischungsausschuß vertretenen Staaten wurde angehörigen des Verstorbenen: sein Sohn Jan, seine bekanntgegeben, daß gestern die Seekontrolle der Töchter Alice und Olga, seine Entel Herbert und im Nichteinmischungsausschus vertretenen Flot­Im N Namen der britischen Labour- Party Leonard, die Enkelinnen Anna und Herberta und tenmächte im Mittelmeer   und an der Nord- und Der englisch  - französische Beschluß bedeutet, möchte ich unserer tiefsten Sympathie mit dem die Nichte Ludmilla mit ihrem Gatten, dem Ge- Nordwestküste Spaniens   aufgehört hat. In der baß die einzige Grenze, die gegenwärtig der tschechoslowakischen Volk Ausdruck geben in die em sandten Lipa. Hinter der Familie schreitet der Leib- betreffenden Note wird darauf verwiesen, daß die Kontrolle unterliegt, die arat des Berewigten, Dr. Mairner, dann folgen die britische Regierung im Einvernehmen mit der panische Grenze ist. Der Beschluß wurde in meinem Lande ebenso wie in jeder anderen Augenblick des Ablebens Masaryks, dessen Namen bie franzöfifch Krankenschwestern Rapsová, Redzhanková und Seifer- franzöfifchen Regierung mit Rücksicht auf die ge- getroffen, ohne eine Sißung des Londoner Nicht- Demokratie in der ganzen Welt geehrt wird. tová, die den Präsidenten Masacht während seiner änderten Berhältnisse befchloffen habe, ihre einmischungsausschusses einzuberufen, da Groß- Masaryk war einer der hervorragendsten Archi­Krankheit pflegten. Im Leichenzuge folgen dann Kriegsschiffe, die bisher im Sinne der Abmachun- britannien und Frankreich  , die einzigen Mächte, tetten der modernen europäischen   Freiheit. Er war Kanzler Dr. Sámal mit General Bláha, hinter gen des Londoner   Nichteinmischungsausschusses welche die Geekontrolle durchführten, der Ansicht eine überragende Persönlichkeit, welche stets für thrien die Sekretäre des Verstorbenen Dr. Scent. Die Kontrolle in den spanischen Gewässern aus- find, daß es ihr Recht ist, zu entscheiden, was mit Wahrheit. Toleranz, soziale Gerechtigkeit und Dr. Lebvina und Dr. Slarvan, weiter die Bibliothes übten, abzuberufen. Durch diese engliſch- franzöft- thren eigenen Schiffen geschehen soll. farin des verstorbenen Präsidenten Dr. Gasparitová internationale Verständigung eingetreten ist. Wir und die Sekretärin von Dr. Alice Masaryková  , che Entscheidung wird der Blan des Beobach. Eine Sibung des Nichteinmischungsaus- britischen Sozialisten und Demokraten, welche eine Fräulein Fischerová. Es folgen die Beamten der tungsdienstes su Land und zur See nicht berührt. schusses wurde nicht anberaumt und es hat auch innige Liebe für sein Vaterland haben und die Privatkanzlei des Präsidenten Masaryt, die Ver Die englische und französische   Regierung sind feine im Londoner   Ausschuß vertretene Macht die großen Errungenschaften der Tschechoslowakei   ſeit treter des Schloßpersonals mit dem Schloßberwalter deshalb zu dieser Entscheidung gelangt, weil sie Forderung zur Einberufung dieser Kommission dem Ende des großen Weltkrieges bewundern, Stevřela, bem Obergärtner Kreisa, der Wirtschafte der Ansicht sind, daß die in der Nichteinmischungsausgesprochen. werden niemals den Namen Masaryk   vergessen.