Sozialdemokrat
Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik
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Telephon 53077
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Herausgeber: Siegfried Taub Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag Dienstag, 21. September 1937
Aus dem Inhalt:
Frecher Piratenstreich
Luftangriffe auf Nanking
Der Fabrikarbeiter- Kongreẞ
Der größte Demokrat der Gegenwart
Würdige Trauersitzungen der beiden Kammern
Prag . Die beiden Kammern der Natio
halversammlung hielten am Dienstag nachmit tags Trauerfisungen für T. G. Masaryk ab. Im Abgeordnetenhaus waren die Wände des Sitzungsfaales bis zur Höhe der Galerie schwarz verkleidet, alle Luster schwarz umflort. Von dem großen Luſter in der Mitte der Dede zogen fich neun schwarze Stoffahnen baldachinartig zu den Galerien; über der Präsidentenestrade hüllten fie bas Staatswappen ein. Von der düsteren Stirnwand hebt sich Stursas weiße Marmorbüfte des Bräsidenten Masaryk scharf umriffen ab. Ein schwarz umflorter Lorbeerzweig schmückt den Sockel. Zu beiben Seiten der Büste und auf bei den Balkonen bei der Präsidententribüne stehen Lorbeerbäume und Palmen.
Nr. 222
Zum letzten Geleit
In diesen Stunden ist ein ganzes Reich aufgebrochen, um die schönste, strahlendste, er. habenste Blüte einzubetten, die der jahrhun. dertealte tschechische Baum im Garten der Völker jemals trug. Nach einer Pannychide, einem Totenoffizium, einer feierlichen Zeichenwäche, die nicht nur in der jungen Geschichte dieses Staates nicht ihresgleichen haben, nach einer Halbmillionenwallfahrt bei Tag und Nacht zur Bahre, die Masaryks toten Leib umfangen hat. reihen sich jetzt Hunderttausende und AberAuch der Senat hatte ein Trauergewand fen immer mehr denn je bewußt, daß Masaryk uns angelegt. Da das Gebäude gerade im Umbau als die zentrale Pecsönlichkeit unserer gesamten hunderttausende aneinander, um das Haupt begriffen ist, mußte man vielfach zu Provisorien Geschichte erscheint. neigen zu dürfen, wenn der Schrein vorbei. schreiten und die Baustellen durch provisorische Er konnte in Ruhe von uns gehen, in der ziehen wird, der die entseelte Hülle des ersten, Wände abdecken. Der historische Sigungssaal, in majestätischen Stille der Wälder von Křivoklat, besten, größten Menschen aus diesem Lande dem Masaryk zum ersten Male seinen Präsiden- ausgeglichen mit allem und mit allen. Sein Werk umschließt. Und jenseits des Weichbildes der teneid abgelegt hat, war schwarz drapiert, hin- steht gesichert. Er wußte, daß er im Tobe nen republikanischen Hauptstadt, in der die Fanale ter dem Präsidium war eine Marmorbüste Ma- und weiterleben wird. Er konnte ruhig die Augen faryls aufgestellt. Die Marmortafel an der ge- fchließen in dem Bewußtsein, daß wir einig der zum Himmel lodern, weilen Gefühle und Gegenüberliegenden Wand, die die Verdienste Mas Bukunft entgegengehen, er konnte in dem glück danken ungezählter Millionen landauf und farhts um den Staat tündet, war mit Lorbeer lichen Bewußtsein entschlafen, daß der Staat sich landab bei dem fast beispiellos überdimensio. bekränzt, die Fenster des Sißungsfaales mit feinem väterlichen Ratschlag gebeugt hat, als fei- nalen Trauermarsch, der nach und in Prag schon Flor umzogen. Nur indirettes Licht, das aus nen Nachfolger Dr. Beneš zu berufen. Er vor Tagen angetreten wurde. Mit der tschechi. großen Glasflächen unterhalb der Decke drang, konnte in dem ruhigen Bewußtsein weggehen, daß schen Nation hat der deutsche Stamm, der innerverbreitete ein düsteres Licht. unser Staat eine Feftung der Freiheit und deshalb dieser Grenzen wurzelt, haben alle Völker Der Vorsißende des Senates Dr. Soukup Friedens in ganz Mitteleuropa darstellt, daß unserer Republik Trauergewand angelegt; und wurde während seiner Trauerrede wiederholt so feine demokratischen Einrichtungen fest und un- rings um den Erdball nimmt alles, was fich Die Abgeordneten, ausnahmslos in schwar zer Sleidung, hatten sich nahezu vollzählig ein- bon Rührung übermannt, daß er nur schluchzend erschütterlich find. wahrem Europäertum verpflichtet und verbun weitersprechen konnte. Dr. Soukup dankte dem Toten für alles, was gefunden. Auf den Galerien bemerkte man die Dr. Soukup knüpfte an den Tag an, da Maser namentlich auch für die arbeitende Menschheit den fühlt, beinahe einzigartig tiefbewegten AnFamilie T. G. Majaryls, Vertreter des diplo- farht in diesem Saal per acclamationem an die unseres Staates getan hat. Wir schwören Dir heute, teil an dem unvergleichlichen Verlust, den mit matischen Korps, der Hochschulen, die Generale Spige des Staates berufen wurde, und erinnerte fagte Dr. Soukup zum Schluß, daß wir alle, so- uns die Kulturmenschheit erlitt. wir leben, in Deinem Geiste fortschreiten Ein Meer gesprochenen, geschriebenen und ften zibilen Staatsämter etc. Auf der Minister, die Menschheit den Webergang vom Mittelalter aus uerben, bant hatten sämtliche Mitglieder der Regierung Neuzeit vollzog. Der Sohn eines Unfreien auf den wollen, daß wir aber, wenn follte, nomunen. Als der Vorsißende Malypetr erschien, ter über die Sabsburger. In einem Alter, in dem für hingeben wollen, auf daß Dein Werk in Ewig- Volk und Staat, was er dem Kontinent, was er Millionen längst mit ihrem Leben abgeschlossen has feit Tebe und erblühe: die demokratische, erhob sich alles schweigend von den Sißen. Tief ben, riß er mit seinem vulkanischen Glauben die gerechte Republik und auf daß von Ge der Demokratie, dem Fortschritt, der Menichergriffen begann der Vorfikende feinen Nachruf Generation der Jungen mit. Die ganze fittliche neration zu Generation der tenerite und unsterblichkeit war, in Myriaden Worte wurde geGröße Masaryks wird im Abstand der Beit zum lichste Name gesegnet werde. der Name T. G. kleidet, was er bedeutete und was es ist, das Mythos des Voltes emporwachsen. Ihm war von Masaryk . angesichts seines Versterbens die Menschen so der Vorsehung das höchste Glück des Lebens bergönnt, noch zu Lebzeiten zu sehen, daß er nicht vergeblich gefämpft hat. Heute werden wir uns des
Shrový, Krejči und Faucher, Vertreter der höch daran, daß während der 87 Jahre dieses Lebene lange daß wir Lebeas Schidial es anders gedruckten Worts hat in dieser Woche at
für T. G. Masaryk.
Wir hegen die volle Gewißheit, sagte Malh petr u. a., daß der Geist Masaryks für immer dem Staat und seinem Bolt die sicherste Buflucht blei ben wird. Er, deffen ganzes Leben der Arbeit und dem Dienste für das Bolt
fann
nicht fterben. Er entfernt fich met water ber mütter
Auch der Senat beschloß dann, ohne weitere
Formalitäten zu erledigen, jofort die denkwür dige Sitzung.
Der heutige Trauerzug
gewaltig bewegt und in Bewegung setzt.
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Was also ist es so fragen wir uns selber noch einmal, che wir mit den deutschen Arbeitern dieses Staates dem letzten Geleite uns einfügen. dem letzten Gruß seines Volkes den unsern vereinen.
lichen Erde zu geben, was ihrer ist, für uns aber und die Kommenden bleibt, was er war, da er unter uns weilte: Berater, Schirmer und Befreier. Malypetr würdigte dann ausführlich die phis Die Trauerfeierlichkeiten auf der Prager |_ Zur linken Seite des Sarges wird der Prä- Nun, was T. G. Masaryk als Lehrer und losophische Forschungsarbeit und die politische Ents Burg werden Dienstag, Buntt 10 Uhr, beginnen. fident der Republik , zur rechten Seite des Sar- Gelehrter, als politischer Führer, als Staats. widlung des Verstorbenen, die während des Strie- 10 Minuten vor 10 Uhr beginnt der Rundfunk ges die Familie des Verstorbenen Aufstellung nehmann, als Philosoph, als prieſterlicher Diener ges in dem siegreichen Kampf gegen das alte Sabs- mit der Aussendung der Nachrichten über die men. Sämtliche im ersten Burghof Anwesenden der Wahrheit und Wahrhaftigkeit, als WegBurgerreich gibfelt. Als entscheidend für diesen Trauerfeier. Um 10 Uhr wird der Sarg mit den werden einen Teil des Trauergeleites hinter dem bereiter der Freiheit seiner Nation, als GroßKampf hebt Malypetr die Aufstellung einer eige sterblichen Ueberresten T. G. Masarhts vom Ka Sarg bilden. nenar me e aus tschechoslowalischen Freiwil- tafalt des Säulenfaales auf den Katafalt vor dem ligen hervor: das alles sei das Ergebnis der uner Matthiastor übertragen. Hierauf ertönen die schütterlichen Entscheidung eines einzigen Mannes Trauerfanfaren und dann wird der Präsident der gewesen, der nicht befa h I, sondern belehrte Republik Dr. Eduard Benes am Sarge die Burghof wird mit den Choralen Heiliger WenTrauerrede halten. Die Zeremonie im ersten el" und" Die ihr Gottes Kämpfer seid", vor getragen von dem Gesangschor der Prager Lehrer, abgeschloffen werden.
und überzeugte.
Fast vier Jahre in Europa , Amerika und Asien tat. er seine gigantische messianische. Arbeit, bis er am 28. Oktober 1918 die Erfüllung erlebte und am 21. Dezember 1918 im Triumph in die Burg der böhmischen Könige einziehen konnte, im so zu herrschen, wie es ihm sein Gewiffen und fein Glaube an die Demokratie heißen: mit dem Bolle für das Volt.
Sodann werden Generale der tschechoslowatischen Armee den Sarg zu der von drei Paar Bferden gezogenen Geschüßlafette tragen und den Das Barlament ist ihm das wichtigste In- Sarg dort niederlegen. Im Anschluß hieran wird strument der Demokratie. Er war ein Demokrat sich der Trauertondutt formieren und der Komben Son und nebent mit gegeben hatt man babes apps Tomarici extellen.” von reinſtem Korn und verdient mit vollem Recht mandant des Begräbnistonbuttes, General Sy
Die Vorhut des Konduktes, welche Armee- siegelbewahrer der Demokratie gewirkt und ge. general Syrový befehligt, bilden: eine Gruppe schaffen hat, das alles reichte hin, um ihn zur von Regimentsfahnen und Standarten mit ihren bewunderten, verehrten Größe unserer Zeit für Wachen und die Kommandanten der militärischen alle diejenigen zu machen, die für sich und für Infanterieregimentes 5, T. G. M. Sodann folgt nach mehr Licht suchen, für alle diejenigen. Formationen; ihnen folgt die Musikkapelle des ihre Umwelt, für das Heute wie für das Morgen eine Abteilung Sokoln, drei Legionärzüge in ita- die in dieser blutigen Zeit sich in bebendem Hoflienischen, russischen und französischen Uniformen. fen den Symbolen des Friedens zuwenden. Aber Sierauf folgt ein Bataillon des Infanterieregimit all diesen Feststellungen umschreibt man mentes 5, T. G. M., dann eine Gruppe der Fah- dennoch noch nen derjenigen Regimenter, welche den Namen dh zu wenig die Gestalt Masaryks, 2. G. M. tragen, und schließlich die Fahne der erklärt man zu schwach die, riesenhafte EmanaBurgwache. Hinter dem Sarge schreitet die Fa- tion, die sein Geiſt, ſein Leben und nun sein milie des Verstorbenen und die Trauergäste. Den Tod ausstrahlen. Es ist da noch etwas anderes. Begräbniszug schließen Legionäre und militäri- Etwas rein Menschliches. Etwas, das nichts zu sche Formationen. tun hat mit der überragenden Stellung. die Man nimmt an, daß der Kondutt auf dem Masaryk als erster Präsident dieses Staates, ilson- Bahnhof gegen 2 Uhr nachmittags ein- als erfolgreicher Staatsmann, als großer Wissenschaftler eingenommen hat. Etwas fast Geheimnisvolles, Mystisches wirkt mit, ein aus dem Dunkel der Massen sich erhebender Lichtzauber, eine berückende Ahnung der Menschen
der größte Demokrat ber Gegen- Auf dem ersten Burghof werden für die wart. Mit feinem ganzen Leben kann er Bor - offiziellen Trauergäfte afvet Tribünen errichtet bild und Lehre für die Böller fein, denn an fich fein, die fich eng an die Burgtratte anschließen. treffen wird. hat er bewiesen, daß ein Mensch aus leinen Berhältnissen heraus zu den höchsten menschlichen Bielen emporwachsen tann, und ähnlich lann auch ein fleines Bolt ein sehr bedeutsamer kultureller
Drel Sonderwagen nach Lány
und politischer Faktor in der Welt werden. Auch Bras. Der Begräbnißzug des Bräfident- hof in der Richtung zum Byšehrad verlassen, in ihrer Gesamtheit um das, das so vielen leider ben Weg hat er dazu gewiefen: Mut, zähe, un- Befreiers in Bras wird mit einem Borbeimarsch durchfährt die Station Smichov und fährt wei- nicht einmal im mindeſten Maße erreichbar ist ermüdliche Arbeit, Gewissenhaftigkeit und Reb- ber an dem Reichenbegängnis teilnehmenden ter über Hlubočepy, Kotlakta, Jinonice , Cibulka , und nach dem wir doch alle streben: die Ahnung lichkeit. militärischen Formationen an dem beim Ein- Hepy nach Hostivice, von dort über Jeneč, Bau- um das Glück, um den menschlichen Reichtum Am 14. dieses Monats hat er aufgehört, mit sang in den Salon des Bilsonbahnhofes aufge- lob, Unhost , Kladno , Libušin, Račice nach dieser Persönlichkeit, eine Ahnung darum, baß feinem leiblichen Auge uns zuzuschauen, schloß ftellten Sarge feinen Abschluß finden. Nach Be- Lány. Der Bng mit den sterblichen Ueberreften das Leben lebenswert ist, daß es sich Malypetr, aber wir glauben, daß er uns weiter endigung des Borbeimarsches der Truppen wird bes Bräsidenten Masaryk wird in verlangsamten Lohnt zu kämpfen. In tiefer Trauer hin mit seinem geistigen Auge zuschauen wird. Der Sarg von der Geschühlafette gehoben und in Lemps fahren und man rechnet damit, daß die steht ein Volk, und Tränen über Tränen werden In den Sälen der beiden Kammern find in totem, einem offenen Eisenbahnwaggon untergebracht Strede Wilsonbahnhof- Lány in etwa zwei heute rinnen, wenn die harte Stunde des letzten aber civigem Stein die Worte des Gefeßes ein werden, der mit einem Sonderzug nach Lány Stunden zurückgelegt werden wird. gegraben: T. G. Masarht hat sich um den geführt wird. Dieser Sonderaus virb aus brei Staat verdient gemacht". Gebe Gott , daß die offenen Plateau- Wagen und einem Bersonen- Die Totenmaske T. G. Masaryks. tünftige Geschichte den Beweis, führen kann, daß wagen bestehen, in welchem der Präfident der wurde Montag nachmittags im Ehrenmal der Befich auch die Nation um ihren Staat im Geiste Republit Dr. Ebbard Ben es und die Familie freiung in Bistov installiert, wo sie in diesen Taihres ersten großen und unsterblichen Präsiden- Mafaryt die Ueberreste des Bräfibent- Befreiers gen ununterbrochen ausgestellt und der Deffentten verdient gemacht hat. begleiten werden. Der Zug wird den Wilsonbahn- lichkeit zugänglich sein wird.
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Abschieds schlagen wird; und dennoch: troß allem Schmerz, troß allem so starken Bewußtfein der Unwiederbringlichkeit dieſes einzelnen Erdenwallens, trotz alledem hat eine Vrt höch sten, lauterſten, stärksten Glücksgefühls die Menschen erfaßt, das Gefühl des, wenn auch