Sozial- emokratZentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen RepublikErscheint mit««»»ahme des Montag täglich früh/ Einzelpreis 70 HellerRedaktion und Verwaltung: Prag Xll., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub- Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag17. Jahrgang Freitag, 8. Oktober 1937Aus dem Inhalt:Grasliber Henleinbetriebwählt freigewerkschaftlichGlasarbeiterstreik im Iser-gebirge erfolgreich beendetDer Angriff auf den„Basilisk“— italienischesTorpedo auf gefischtNr. 237Lton Jouhaux:„Internationale.Situation gebessert“Leon Jouhaux, der Führet der französischen Gewerkschaften, der als Vertreterder Arbeitnehmer Frankreichs an der Sitzung des Internationalen Arbeitsamtes inPrag teilnimmt, äußerte sich zu einem Vertreter unseres Blattes also über die weltpolitische Lage:Die internationale politische Situation hat sich in den letzten Wochen undTagen entscheidend gebessert, vor allemdurch die Beschlüsse von Nyon, durchdie Resolution der Völkerbundversammlung in G e n f und besonders durch dieRede des Präsidenten Roosevelt(die natürlich auch in Frankreich großenWiderhall gefunden hat). Die Rede Roosevelts eröffnet völlig neue weltpolitischeAspekte, eine verfestigtere Zusammenarbeit der demokratischen Staaten gegenüber den faschistischen Mächten, von denen man sich fortan nicht mehrbluffen lassen wird. Man kannvon einem neuen Abschnitt der Politiksprechen, die eine erhöhte Sichern n g d esFriedens bedeutet, dadie Situation der friedensfreundlichenMächte gegenüber den Kriegshetzern sichentscheidend und entschieden zum Besserngewandelt hatNach dem Stande der wirtschaftlichenSituation in Frankreich und insbesonderenach dein Bestände der Vierzigstundenwoche dort befragt, erklärte Jouhaux,daß die Regierung Chautemps keinerlei Aenderung an dem Gesetz überdie 40- Stunden- Arbeitszeit vornehmenwird und daß nur im Rahmen desGesetzes Modifikationen möglich wären, die die Kontinuität der Produktionund deren Erleichterung fordern sollten.Diese Erklärung Jouhaux* ist von besonderer Bedeutung deshalb, weil gerade inden letzten Tagen die bürgerliche Presse(auch die sudetendeutsche) sich aus Parishatten schreiben lassen, daß-Chautemps bereits an einen gewissen Abbau der Vierzigstundenwoche denke und daß sogar LeonBlum eine Ueberprüfung der Vierzigstundenwoche für notwendig halte. Es handeltsich also bei diesen Presse-Auslassungen umGedanken, die lediglich von den Wünschen der Unternehmerschaft(und nichtnur der französischen) diktiert erscheinen.Protest gegen JapanDie Arbeitergruppe im BerwaltunsSrat desInternationalen Arbeitsamtes, der in Prag tagt,hat eine Erklärung veröffentlicht, in welcher siedas japanische Vorgehen in China empört ablehnt und es als„Angriff mit der Waffe auf einVolk von tiefer Friedensliebe, als einen Angriff,dessen»fiel die Eroberung Chinas ist, bezeichnet,wobei di« Angreifer unter Verachtung der primi--tivsten Gefühle der Menschlichkeit morden undhaufenweise Kinder, Frauen und wehrlose Männer töten“.Die Arbeitergruppe begrüßt den Beschlußdes Völkerbundes, durch welchen der Angriff aufChina verurteilt und den Mitgliedsstaaten vorgeschlagen wird, einerseits der gerechten SacheChinas zuhilfe zu kommen und andererseitsSanktionen gegen den Angreifer geltend zumachen.Di« Arbeitergruppe gibt der UeberzeugungAusdruck, daß nicht nur die Regierungen derEmpfehlung deS Völkerbundes folgen, sonderndaß auch die Völker selbst und besonders dieorganisierten Arbeiter eS als dringende Verpflichtung ansehen«erden, ihrerseits die Jnitia-tive zu den vorbereitenden Vergeltungsmaßnahmen zn ergreifen.Henleins»Außenminister'Sä“* Rutha verhaftetFünfzehn„Kameraden“ In UntersuchungWie uns aus Reichenverg gemeldetwird, wurden dort am Mittwoch vierzehn SdP-Männrr und-Burschen wegen homosexueller Brr-gehen verhaftet. Der fünfzehnte Berhaftete istArchitekt Rutha. Weiter befinden sich unter denFestgcnommenen Walter Rohn, der Herausgeber von„Volk und Führung". Rutha wurdeum J-63 Uhr nachmittags in seinen Büroräumenim„Braunen Haus" in Prag verhaftet. Erwurde inzwischen nach Reichenverg überführt.Wie wir weiter erfahren, ist die Angelegenheft zuerst durch eine nette Denunziationruchbar geworden, nämlich durch eine Anzeige,die auS dem„A u f b r u ch"-Kreis nachDeutschland erstattet wurde, wo man sichaber begreiflicherweise der Sache nicht annahm.Daraufhin wurde von SdP-Anhängern,die aber mit verschiedenen Zuständen innerhalbder„Volksgemeinschaft" längst unzufrieden undinsbesondere über das Treiben des Kamerad-schaftsbundeS erbittert sind, die Anzeigeim Inland« erstattet.*Wir wollen uns eines längeren Kommentars zu dieser Affäre, die natürlich als Sensationwirkt, vorläufig enthalten, und abwarten, wasdie erste Untersuchung ergeben wird. Auch möchten wir dem Urteil jener Sittenrichternicht vorgreifen, die Henleins Partei als dasLager der„Reinen und Sauberen" eröffnethaben und die doch jetzt gewiß etwas zu Vorfällen zu sagen haben werden, die mit den landläufigen Vorstellungen von privater und politischerMoral im Gegensatz zu stehen scheinen. Die«marxistischen Untermenschen" können die Entwicklung solcher Nuancen im völkischen Lager, dasdergestalt also auch in diesem Belang vom Dritten Reiche her totalisiert erscheint, mit Gleichmutabwarten. Zunächst haben Herr Henlein unddie„Z e i t", aber haben auch Dpie völkischenVolks- und I u g e n d b i l d n e r, die F r a u e nund Mütter das Wort zu einer Affäre, die jedenfalls das Prestige der sudetendeutschen Erneuererim Inland wie im Ausland nicht erhöhen wird!Spannung im Mittelmeerund im Pazifik wächstItalien zum Kriege bereit? z Boykottbewegung gegen JapanLondon.(Eigenbericht.)„Spanien istdaS größte Hindernis einer allgemeinen Beruhigung in der Welt. Wir sind von dem Richtinter-ventionskoniitre enttäuscht. Die Lage ist ernst",erklärte Lord Plymouth» der Vorsitzende desRichtinterventionsausschuffes, am DonnerStag aufdem Parteitag der Konservativen in Scarbon-rough. Lord Plymouth bedauerte es, daß eS nichtgelungen sei, die englisch-italienischen Beziehungen zu normalisieren. Italien müsse die Dreierkonferenz annehmen, wenn es etwas zur Befriedung beittagen wolle. Auch Winston Churchill, der auf dem Parteitag das Wort ergriff,sprach sehr skeptisch über die weltpolitische Lage.Man dürfe auf die Attion Amerikas nicht allzugroße Hoffnungen setzen, aber die Solidarität undZusammenarbeit der beiden angelsächsischenMächte könnte immerhin die für den Frieden arbeitenden Kräfte.in aller Welt stärken.In London werden wegen der fortlaufendenMeldungen überneueitalienischeTruP-pen- und Flugzeugsendunge«schwerste Befürchtungen ausgesprochen. DasDiner Chamberlains mit Eden und dem franzö-schen Botschafter Corbin am Mittwoch soll derErörterung der Frage gedient haben, wie mansich angesichts der Haltung Italiens einstellensolle. Es heißt, daß zwischenEngland««-Frankreich volle Einmütigkeit über das weitere Borgrhen herrscht. DieBotschafter beider Mächte in Rom wurden beauf-ttagt, in einer Demarche die italienische Antwortauf die Rote zu urgieren.DaS Amsterdamer Algemeen Handelsbladmeldet, daß Italien Truppen in Mittelitalien konzentriere, nm einer eventuellenrnglisch-ftanzösischen Drohung gegenüber ge-°rüstet zu sein. Belgische Blätter wollen wissen.daß die Jahrgänge 1906, 1907 mrd 1908 mobilisiert worden seien. Diese Meldungen sindin London nocht nicht bestätigt worden.Die Einladungen znr Pazifik-Konferenz sindbereits versendet worden. Es steht nach den Erklärungen Japans bereits fest, daß Tokionichtan der Konferenz teilnehmen wird. DieJapaner erklären, daß sie sich durch keinen wieimmer gearteten Beschluß der Konferenz gebunden erachten werden. Auch wenn die KonferenzSanktionen beschließen sollte, werde Japan vonseiner Aktion nicht ablassen. Italien wird wahrscheinlich ebenfalls nicht teilnehmen, da es nachrömischen Blätterstimmen den Boykott des Völkerbundes fortzusetzen gedenke, bis dieser die Eroberung Abessiniens anerkannt haben werde.Allerdings ist die Pazifische Konferenz gar keineVölkerbunds-Angelegenheit, sondern eine Attionder neun Mächte, die daS Washingtoner Ab-! kommen unterzeichnet haben.I« Amerika nimmt die Bewegungfür einen BoykottJap ans beinahestündlich zu. Der Borsitzende des Außenausschusses des Senats, der Bizevorsitzende der Gewerkschaften und andere Persönlichkeiten haben sichoffen für einen Boykott ausgesprochen.Loudon. London oder Washington kommen englischen Blättern zufolge hauptsächlich alSTagungsort für eine Konferenz der Signatarmächte des Washingtoner Berttages vom Jahre1922 in Betracht. Diplomatische Londoner Kreisefind der Anficht, daß Washington vorzuziehenwäre, weil der Berttag dort abgeschlossen wurdeund der volle Anteil, den die amerikanische Politik an den Fernostkämpfen nimmt, bei dieserGelegenheit uneingeschränkt zum Ausdruck kommen könnte.Offizielle Erklärung der USA gegen JapanWashington.(Reuter.) Das Staatsdepartement der Bereinigte« Staate« hateine Erklärung veröffentlicht, in welcher der Einfall der Japaner in China verurteilt und insbesondere festgestellt wird, daß die japanische Attion sowohl dem Nennmächtevertrag, als auchdem Briand-Kellog-Patt zuwiderlänft. In der Erklärung heißt es weiter: Zu de« Grundsätze«, die«ach Ansicht der amerikanische« Regierung die internationalen Beziehungen z« beherrschen hätten, falls der Frieden erhalten bleibe« soll, gehört auch, daß sich jeder Staat beider Berfolgnng seiner Politik der Gewaltanwendung enthalte, daß er in innere« Angelegenhefte« anderer Völker nicht interveniere, daß in den internationale« Beziehungen alle Probleme ans friedlichem Wege gelöst werden und daß jedes Volk die bestehenden Verpflichtungenund die Heiligkeit der Verträge respektiere.Italien heuteRom, Anfang Oktober 1987.Wer zuletzt unmittelbar vor dem Ausbruchdes abessinischen Krieges in Italien war, wird dasLand wesentlich verändert vorfinden. Damalswurde mit Hilfe einer Verdummungs-Propagandavon phantastischen Ausmaßen ein ganzes Bott ineinen Taumel von Begeisterung für einen Feldzug versetzt, der je nach Bedarf einmal als leiderunausweichliche Strafexpedition im Interesse derKultur» ein anderes Mal als eine wirtschaftlicheund soziale Notwendigkeit für Italien, einmal alsgefährlicher Kampf mit gefährlichen Gegnern,dann wieder als harmloser Spaziergang in einLand bloßfüßiger, waffenloser Urwaldbewohnerdargestellt wurde. Es gab damals kaum eineHäuser-, kaum eine Plakatwand ohne das Konterfei Mussolinis oder die Auffchrist„DucclDuce 11 Ducell!" Die Zeit der Hochspannung dernationalistischen Leidenschaften ist vorbei. Trotzdem wird nichts unterlassen, nm das Volk auchweiter im Banne imperialistischer Phrasen zuhalten. DaS geschieht vorzüglich unter Benützungvon kraftzneierischen Mussolini-Zitaten, die, eineArt Mischung von Wilhelm U. undBata, nicht vielleicht vom Voll selbst, dem dieseFormulierungen recht fremd klingen dürften, sondern von den Apparat-Leuten mit Hilfe vonSchablonen vor allem überall dort aufgemaltwerden, wo sie der Blich des Fremden erreichenkann. Besonders stark ist die Beschriftung in Sizilien, das Mussolini kürzlich mit seiner Anwesenheit, mit einer Red« und einem Wettschwimmenseiner Minister beglückt hat.„Glauben, Gehorchen, Kämpfen 1" liest mast da,„Ws r mar-schierendirekt" oder„Wer die Waffen hat,hat auch Brot"(also nicht Kanonen statt Butter!)oder, mit einer deutlichen Spitze gegen England,„Das Mittelmeer den Mittelmeervölkern". Infaschistischer Großzügigkeit wird Herrn Mussoliniauch die Autorschaft des Wortes„Viel Feind', vielEhr'!" zugrfchrieben. Selbstverständlich wird inPlakaten und Maueraufschriften Mussolini immer wieder als der Begründer des Jmpero gefeiert, wobei nebenher manchmal auch des Königsgedacht wird, dem auf seine alten Tage noch derJmperatorentitel zugeflogen kam. Damit manüber die imperialistischen Ziele Mussolinis außerZweifel ist, wird in der Bia dell' Jmpero in Romdie einstige Gröhe des römischen Weltreiches imBilde vorgeführt, neben der sich das heutige Italien, selbst nach der Annexion von Abessinien, fastbescheiden ausnimmt.„W i r erträumenuns das alte römische Reicht" hatMussolini. gesagt und man versäumt auch nicht,den Besuchern des Landes durch häufige Zitierungdieses Wortes von jenem Traum'Kenntnis zugeben.Aber trotz all' dieses Bramarbasierens, trotzder Riesenaufmärsche der faschistischen Jugend,die mit Fackeln und dumpfem Trommelwirbel» derwohl Furcht und Schreck verbreiten soll,^urch dieHauptstadt zieht, weiß das faschistische Italiennatürlich sehr gut, daß es, wenn die demokratischen Mächte Frankreich und England frstbleiben,mit der Verwirklichung der Träumereien vomalten römischen Weltreich nicht weit her sein wird.Zwar gebärdet sich die faschistische Presse so, alswäre der Sieg in Spanien.den„nichtintervenierenden" italienischen Truppen sicher, als wäre esnur eine leicht lösbare Aufgabe der italienischenTaktik, Madrid einzunehmen, zwar hat daS faschistische Italien vor kurzem vollends di« Maskeabgeworfen, wofür nicht nur der bekannte Telegrammwechsel Mussolini-Franco nach dem Fallvon Santander spricht, sondern auch der Umstand,daß plötzlich im„Messaggero" die italienischenGeneräle abgebildet waren, die an der Spitze von— wie denn nicht I— Freiwilligen-Truppen sichin Spanien dem Gewerbe der Nichtinterventionhingeben. Aber trotz all' dieses aufgeregten Geschreis der völlig gleichgeschatteten und darum auchvöllig uninteressanten italienischen Presse, trotzaller lärmenden Kommentare um die Beschlüssevon Nyon kann man doch die Befürchtung heraus«lesen, daß eS diesmal„senza Ginevra"(ohneGenf) oder gar„contra Ginevra" nicht abgehenwird. Selbstverständlich wird gegehwärtig mit Begeisterung für das Dritte Reich und denNationalsozialismus Propagandagemacht. Schon der Nürnberger Parteitag hat mden italienischen' Blättern ein so nachhaltigesEcho gefunden, wie in keinem früheren Jahr. Niemals sah man soviel Bilder Hitlers in den italienischen illustrierten Blättern. Luch die neben-