Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen   sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh/ Einzelpreis 70 Heller

-

G

Redaktion und Verwaltung: Prag   XII., Fochova 62 Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub Herausgeber: Siegfried Taub- Berantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag  

17. Jahrgang

Sonntag, 17. Oktober 1937

Italienischer Querschuß in London  

Aus dem Inhalt:

Schutzmaßnahmen

12 150

gegen die Joachimsthaler Bergkrankheit

Abbau der Staatsangestellten­Gehaltsabzüge

Trotski im Gegenprozeß freigesprochen

Nr. 245

Gemeindewählerinnen und-Wähler!

Zu wichtigen Entscheidungen werdet Ihr aufgerufen!

Ihr sollt die Verwaltung Euerer Gemeinde für sechs Jahre bestimmen, Ihr sollt zu­gleich ein politisches Bekenntnis ablegen. Beide Entscheidungen erfordern besonnene Er­wägung, aber auch den Einsatz klaren politischen Willens und sittlicher Kraft.

Rom   will nur 7000 Freiwillige abberufen Scharfe Sprache Frankreichs London.( Eigenbericht.) In der mit, daß sich sogar Schiffe der republikanischen Spannung erwarteten samstägigen Sitzung des Flotte widerrechtlich der Flagge fremder Mächte Nichtinterventionsausschusses, die zwei Stunden bedienten. Des weiteren müſſe man Franco die dauerte, teilte der französische   Botschafter Corbin Rechte einer kriegführenden Partei zuerkennen, Die Wahlen finden nur in einem Teil der Gemeinden statt. Sie werden die Zusammen­die Forderungen seiner Regierung mit, die fünf da sonst die Neutralität im spanischen   Konflikt fegung der gesetzgebenden Körperschaften und der Regierung, die Politik des Landes nicht un­Punkte umfassen: nicht gewahrt sei. Damit bekennt sich Italien  mittelbar bestimmen. Sie werden aber als Gradmesser der Massenstimmung in der Demo­statt zum Begriff der Nichtintervention zum Be­griff der Neutralität, was um so erstaun- tratie beurteilt werden. Darum laßt Euer reifes politisches Urteil weder durch Propaganda­licher ist, als Italien   immer wieder erklärte, daß lärm, noch durch Einflüsterungen verwirren. es in dem Konflikt nicht neutral sein und den Sieg der spanischen   Republik   nicht dulden könne.

1. Die fofortige Zurückziehung der soge­nannten Freiwilligen;

2. Wenn der erste Rückzug erfolgt sein und die Neberwachungskommission seinen Fort­gang meldet, wäre Frankreich   bereit, gewisse von jenen Rechten, die Kriegführenden zuge­standen werden, den spanischen Parteien zu gewähren;

werden.

Zum Abschluß richtete Grandt einen schar fen Angriff auf den englischen Außenminister den, dessen Rede vom Freitag das Mißfallen Italiens   hervorgerufen hat. Solche Reden, so sagte Grandi, seien der Arbeit der Kommission nicht förderlich.

Es geht nicht um einen Volfsentscheid, nicht um die Aenderung der Grenzen. Aber es geht um soziale Fürsorge und fortschrittliche Verwaltung oder Reaktion und Cliquenwirtschaft in den Gemeinden, um Stärkung oder Schwächung der Demokratie, um Förderung des natio­nalen Friedens oder nationale Verhegung in der Gemeinde und im Staate. Darum werft Euere Stimme nicht weg als leere politische Demonstration, sondern setzt sie ein als wirksame politische Kraft.

Die Sozialdemokratie in der Verwaltung der Gemeinde: das war Fürsarge für die Bedürftigen in der schweren Krisenzeit, das war Vorsorge für den Bau von Wohnungen und für die Schaffung von Arbeit. Das war unermüdliche Fürsorge für die Gesundheit des Volkes, für Schule und kulturelle Institutionen. Das war Aufrechterhaltung der finanziellen Ordnung in der Gemeinde trot schwerster wirtschaftlicher Nöte, ermöglicht durch gesetzgeberi­sche Maßnahmen zur Verbesserung der Gemeindefinanzen und Entschuldung der Selbstver­waltungskörper. Wenn die Gemeinden nach sieben Jahren furchtbarster Krise mit geordneter Wirtschaft neuen Aufgaben und Leistungen entgegensehen können, so hat ihre Verwaltung damit eine glänzende Probe verantwortungsbewußter Arbeit abgelegt.

Darum wirbt die Sozialdemokratie mit dem Hinweis auf Bewährung und Leistung wieder um Euer Vertrauen. Legt das Schicksal der Gemeinden in erprobte Hände! Die Sudetendeutsche Partei   hat bisher ihre Bewährung in der Selbstverwaltung nur in den Bezirksvertretungen zu erweisen gehabt. Aber in ihrer Arbeit war nichts von Erfüllung dentenlos hat sie sich zum Anwalt der Besisinteressen gegen die Bedürftigen gemacht. Viel­fach hat sich ihre Tätigkeit in der Sabotierung der Arbeitsbeschaffung erschöpft.

3. Alle vertretenen Regierungen sollten ihren Einfluß in Salamanca   und Valencia  benützen, um in kürzester Frist den Rückzug einer bestimmten Zahl von Freiwilligen auf Die Stellungnahme Italiens   ist insofern beiden Seiten durchzusetzen, wobei auf die Proportionalität geachtet werden demagogisch, als sie den Willen zum Ausdrud müßte. bringt, die freche Intervention in Spanien  4. Es müssen Vorkehrungen gegen die fortzusetzen. Auf feiten Francos kämpfen weitere Entfendung von Truppen getroffen nämlich gegen 100.000 Italiener, während auf feiten der Regierung von Valencia   taum Aus diesem 5. Es ist ein neutrales Kontrollsystem ge- 7000 Ausländer kämpfen. mäß den Berichten zu schaffen, den die beiden Grunde verlangt Frankreich   die Pro­früheren Leiter der Kontrolle, van Hulm und portionalität bei der Zurückziehung der frem­Henning, am 21. September erstattet haben. den Truppen. Käme es zur Annahme des Der französische   Botschafter erklärte, daß italienischen Vorschlages, so würden Frankreich   in dem Falle, daß diese fünf Punkte gwar jämtliche Ausländer auf der Reihrer großen Verheißungen, nichts von Verwirklichung der Volksgemeinschaft zu spüren. Be­nicht erfüllt würden, feine volle and gierungsseite aus dem Kampf ent­tungsfreiheit wiedererlangt hätte. Lord Plymouth, der englische   Dele- fernt, bei Franco aber würden noch immer gierte, erklärte namens seiner Regierung, daß mehr als 90.000 Mann fremder Truppen sich diese auf kein bestimmtes Verfahren festlegen verbleiben. Es liegt auf der Hand, daß Frank­wolle, aber keine Verzögerung zulassen werde. reich einer solchen Komödie nicht zustimmen England unterstütze die französischen   Forderun- fann. Aus Paris   kommen denn auch Nach­gen in vollem Umfange. Auch die britische   Re- richten, die von einer schweren Verstimmung gierung werde in dem Falle, daß keine Einigung Frankreichs   über den italienischen ,, Vorschlag" erzielt werden könne, die Frage prüfen, wissen. ob sie ihre Handlungsfreiheit wiedergewinnen Die Erklärung des englischen Ver­Grandi, der Vertreter Italiens  , hielt treters ist viel weniger deutlich als jene des eine längere Rede, in der er sich bemühte, nachzu- französischen. Während Botschafter Corbin weisen, daß nicht Italien  , sondern die anderen mitteilt, daß Frankreich   im Falle des Schei Länder für das Scheitern der Nichtintervention terns der Verhandlungen seine volle Hand­die Verantwortung trügen. Er sei ermächtigt, lungsfreiheit wie dererlangt hätte, mitzuteilen, daß Italien   den Vorschlag auf teil- fagte Lord Plymouth  , daß England in diesem weisen Rückzug einer gewissen Anzahl von Frei- Falle erst die Frage prüfen werde, ob Eng­willigen" auf beiden Seiten annehme, doch soll land seine volle Handlungsfreiheit wiederge­ Die Sudetendeutsche Partei   hat mit der Herstellung der Volfsgemeinschaft die Ueber­ten auf beiden Seiten gleich viel Freiwillige zurüdgezogen werden. Grandi stellte dann eine winnen kann. Das ist ein wesentlicher Unterwindung des Klassenkampfes verheißen. Aber in dem Kampf der Arbeiter um ein größeres Reihe weiterer Forderungen auf. Er behauptete schied, der die Erklärung, daß England die Stück Brot, um den gerechten Anteil an der wiederaufsteigenden Konjunktur hat sich die Su­11. a., daß Schiffe verbotene Frachten nach den französischen   Forderungen voll decke, stark ent. detendeutsche Partei vorbehaltlos, bis zum offenen Streifbruch, auf die Seite der kapitali­republikanischen Häfen Spaniens   brächten und wertet. stischen Lohndrücker gestellt.

tann  .

Strafanzeige gegen Rutha

Erster Polizeibericht über die Rutha- Affäre

Die Reichenberger Polizeibehörde gab am wurde wegen des gleichen Deliktes ein weiterer Samstag folgenden ersten Bericht über den Fall Jugendlicher angehalten, deffen Name nicht Rutha aus: mitgeteilt werden darf.

Am 8. Oktober I. I. wurde verhaftet Kurt

Anfangs Oktober 1937 hielt die Polizei­direktion in Reichenberg einige junge Männer Ganse I, 27jähriger Tischlergehilfe aus wegen des begründeten Verdachtes an, daß sie sich Mildenau  , am 9. Oktober Wolfgang Hein 3, des Verbrechens nach§ 1296 Strafgesetz schuldig 23jähriger Rechtsabfolvent aus Freudenthal, am gemacht haben. Da durch die durchgeführte Unter- 10. Oktober 1. 3. Kurt Franzke, 19jähriger suchung erwiesen wurde, daß dieser Verdacht be- Hörer der Rechte aus Freudenthal, am 11. Otto­gründet ist, wurden am 4. Oktober 1937 ver- ber Anton Funt, 21jähriger Hörer der Philo­haftet: Werner Weiß, 20jähriger Bankbeamter sophie aus Karlsbad   und am 14. Oktober Franz aus Franzendorf   bei" Reichenberg   und Adolf Helmut Beder, 18jähriger Studierender aus agner, 24jähriger Textiltechniker aus Jo- Prag. hannesthal bei Reichenberg  . Außer den angeführten zwei Jugendlichen, Am 6. Oktober wurden weiters verhaftet: gegen die die Untersuchung auf freiem Fuß ge­Leo Wagner, 20jähriger Hörer der Medizin führt wird, wurden fämtliche Genannten nach und aus Reichenberg und Wilhelm of mann, 21- nach in die Haft des Kreisgerichtes in Böhmisch  jähriger Chemiker aus Freiwaldau  . Am gleichen Leipa eingeliefert und gegen sie die Straf. Tage wurde wegen desselben Deliktes ein Juanzeige wegen des angeführten Verbrechens gendlicher vorgeführt, dessen Name nicht an- erstattet. Gegen die beiden Jugendlichen wurde geführt werden darf, am gleichen Tage wurde die Strafanzeige beim zuständigen Jugendgerichts­weiters Heinrich Rutha  , 40jähriger Möbel- hof in Reichenberg   erstattet.

fabriksbesitzer, wohnhaft in Kunersdorf, verhaftet. Die Untersuchung des Falles bei der Poli­Am 7. Oktober 1937 wurden verhaftet: Dr. seidirektion in Reichenberg   wurde im Wesentlichen Walter Rohn, 26jähriger Zeitungsherausgeber abgefchloffen; vorläufig wird nur die Unter­aus Reichenberg und Friedrich Gelinet, 18- fuchungs zweds Ergänzung des Beweismaterials jähriger Studierender aus Komotau  . Außerdem fortgesetzt.

Aber auch in der Politik des Staates hat die Sudetendeutsche Partei   nichts von ihren lärmenden Wahlversprechungen erfüllt. Als Fremdkörper in der Demokratie hat sie sich selbst von der politischen Mitbestimmung in der Republik   ausgeschaltet. Ihre Versuche, sich durch Unterstützung der tschechischen nationalen und sozialen Reaktion als politischer Machtfaktor zur Geltung zu bringen, haben so wie bei der Präsidentenwahl immer wieder mit Niederlagen geendet.

-

Die Sudetendeutsche Partei   hat ihren Wahlerfolg vom Jahre 1935 als ,, fudetendeutsches Wunder" in die Welt hinausposaunt, das die nationalen Probleme des Staates mit einem Schlag lösen werde. Aber die deutschen   aktivistischen Parteien haben in demokratischer Zu­sammenarbeit mit den Vereinbarungen vom 18. Feber den Weg zur Verwirklichung des nationalen Friedens beschritten. Die Sudetendeutsche Partei   hat von nationaler Gleich­berechtigung geschwätzt, die demokratischen Parteien haben für ihre Erfüllung ge­arbeitet. Die Sudetendeutsche Partei   kann dem Wirken der Demokratie nichts entgegen. stellen als papierene Anträge, deren Erfüllung nicht die nationale Selbstverwaltung, sondera die totale Unterwerfung unter den Willen eines allmächtigen ,, Sprechers" bedenten würde.

Die Sudetendeutsche Partei   redet von Frieden. Aber Konrad Henlein   hat die Sude­ tendeutsche Partei   als drittgrößte Einheit im Kampfe gegen den Bolschewismus" profla­miert. Laßt Euch durch das antibolschewistische Schlagwort nicht täuschen: unter Bolschewis. mus wird hier alles verstanden, was nicht faschistisch ist. Unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Bolschewismus wird das republikanische Spanien   von fremder Invasion verwü. stet, unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Bolschewismus versetzt der Faschismus die ganze nach Frieden lechzende Welt unaufhörlich in Unruhe und stürzt sie in immer gefähr lichere Abenteuer. Die Sudetendeutsche Partei   hat sich eindeutig und offen in die Front der faschistischen Friedensstörer gestellt.

zialen

Gegen die faschistische Heze für Frieden und nationale Verständigung,

gegen totalitäre Gleichschaltung für Demokratie und sozialen Aufbau, gegen Lohndruck und Sabotage der Arbeitsbeschaffung für wirtschaftlichen und so­Aufbau: das ist die Entscheidung, vor die Ihr gestellt seid.

Wählerinnen und Wähler!

Ihr könnt in diesen Wahlen dem Beispiel Deutschlands   nicht folgen, denn das deutsche Volt kann, seitdem es unter faschistischer Diktatur steht, überhaupt keine Gemeindevertre­tungen mehr wählen.

Ihr könnt das Beispiel Frankreichs   befolgen, das eben in den Kantonalwahlen den vorjährigen Sieg der Demokratie über die Reaktion bestätigt hat.

Ihr könnt das Beispiel der nordischen Staaten befolgen, deren Völfer unter soziali­stischer Führung in aufbauender, schaffender Arbeit die Krise überwunden haben und dem allgemeinen Wohlstand entgegenstreben.

Reiket Euch in die große Front der Weltdemokratie!

Wählt sozialdemokratisch!