Aus dem Inhalt 17. Jahrgang Nr. 249 Freitag, 22. Oktober 1937 Gijon gefallen Chinesische Erfolge Wieder Massen-Todesurteile in USSR Sozialdemokrat klagt 33 Blätter Lohnforderungen der Berg* arbelter F reigewerkschaftl icher Wahlerfolg Sozial- emokrat Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag tSglich früh/ Einzelpreis 70-etter aktion und Verwaltung. Prag XII., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub - Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag Entspannte Atmosphäre Vorsichtig optimistische Rede des englischen Außenministers undMunition z u beschaffe«. A« die Zuerkennung der Kriegsrechte könne nicht gedacht werden, insolange nicht alle fremden Truppen Spanien verlasse» haben. Was die Situation im Fernen Osten an­langt, so möge, wenn China den Waffenstillstand annimmt, Japan aber ihn ablehnt, die britische Regierung ein internationales Embargo auf japanische Waren Vorschlägen. Der Einfall der Japaner in China könnte abgewehrt werden, wenn man energisch handelte. Alle Bestrebungen, die den Angreifer durch Opfer versöhnen wollen, müssen verurteilt werden. Der Führer der liberalen Opposition, Sinclair, sagte, für den Fall, daß der letzte italienische Vorschlag nur ein Mittel ist, daß Jta- lien.Zeit gewinne, muß für diesen Vorschlag eine genau begrenzte Frist festgesetzt werden. Dersymbolische Truppen-Rücktransport London. (E.-B.) Für die freitägige Sitzung dcsNichtcinmischungsaus- s ch u s s e s wurde,n Vorbereitungen getroffen, vor allem hinsichtlich der Zusammensetzung der in ternationalrn Kommisionen, dße dir Aufgabe haben worden, in Spanien die Zahl der ausländischen Soldaten sestzustellen, deren Abtransport vorzubereiten und die Frage zu lösen, was mit den abtransportierten Solda­ten geschehen soll. Die Freitag-Sitzung des Richt- einmifchungsausschuffes wird sich besonders mit der Organisierung de- ersten Truppen» Rücktransportes zu befassen haben, des sogenmintensymbolischen", der höchsten 1000 biö 2000 Mann betreffend wird. Unmittelbar nach der Sitzung werden die entsprechenden Vor­schläge an die Regierung in Valencia und«m den Rebellenausschu^ in Salamanca erstattet werden. Es wird erwogen, den Vorschlag zu machen, alle fremdenTruppensofort aus den Frontlinien zurückzuziehen, damit ihr Rücktranspott besser vorberetttt werden kann. Französische Vorbehalte Pari-. Das Nachlassen der internationalen Spannung in London wird an Pariser politischen Stellen begrüßt, jedoch mit dem Vorbehalt, daß sie den Auftakt zu einer tatsächlichen Wendung zu positiven Verhandlungen sei. Die internationale Kommission werde sechs Wo­chen bis drei Monate benötigen, um die Freiwil­ligenzählung in Spanien durchzuführen. An Pariser Links st ellen betrachtet man den Umschwung in der italienischen Haltung mit einigem Mißtrauen. Deshalb wird von ihnen zur Vorsicht und dazu geraten, dieses rein spa­nische Problem nicht mit der Frage der Sicher- der Einmischung in Spanien gelöst werden wird, kann in dieser Angelegenheit auf unsere herzlichste Mitarbeit gerechnet werden." Minister Eden ging dann zur Lage im Fer- n e n O st e n über, die er tragisch nannte, und gab dem Bedauern Ausdruck, daß durch Vor­besprechungen nicht bestimmt werden konnte, worüber in Brüssel verhandelt werden soll. Wir wünschen aufrichtig, daß die Leiden beendet werden, deren Zeugen wir heute in China sind, und wenn dies der Brüsseler Konferenz gelingen wird sie hat dazu sicherlich die besten Aussich­ten^ dann wird Brüssel dem Fernen Osten den grüßten Dienst erweisen. . Minister Eden erwähnte dann die a l l g e- meine internationale Lage und er- innette daran, daß in der letzten Konferenz der Labour Party erklärt wurde, daß sich Europa wieder an dem Rand des Abgrundes befinde.$n diesem Augenblick dürfen wir nichts tun, wodurch Europa über diesen Rand gestürzt würde. Die schweren Prüfungen der letzten Jahre muffen eine Warnung sowohl für die gegenwärtigen als auch für alle zukünftigen Regierungen sein. Schließlich aber beginnt heute schon die wach­sende Stärke unserer ne« ausgerüsteten Wehr­ macht in Erscheinung zu treten und diese Be­deutung kann nicht unterschätzt werden." (Stürmischer Beifall.) London . I« einer durch die Besserung der Richtintrrventionslage wesentlich entspann-! ten politischen Atmosphäre fühtte das britische Parlament in beiden Häusern am Don­nerstag seine große außenpolitische De batte ad. Das Interesse der Oeffentlich- keit ist so groß, daß nicht nur der Parlaments- saal und die Galerien dicht gefüllt sind» son- der« daß überdies das Einlaß suchende Publi­kum bis auf die Sttaße vor dem Parlament an­gestellt steht. Die außenpolitische Debatte wurde im Unter­hause von Eden und im Oberhause von Lord Plymouth eingeleitet. Das Schlußwort wird im Unterhaus Chamberlain, im Oberhaus Lord Halifax halten. Vie Rede Edens Eden stellte eingangs seiner Rede fest, daß »seit der Beendigung der Nyoner Konferenz bis zum heutigen Tag Piratenakte im Mittel­ meer nicht mehr vorgekommen sind." (Beifall im Haus.).Mas das RichteinmischungS- Abkommen anlangt, waren wir der Ansicht gewe­sen, daß der Augenblick kommen wird, in dem es notwendig sein wird, zu erklären, daß wir unsere volle Handlungsfreiheit wieder, herstellen müßten, wenn der Nichteinmi­schungsausschuß zu keinen günstigen Ergebnissen gelangen könnte. Fast in letzter Stunde hgtdieitalienischeRegierungim Sub­komitee de? RichteinmischungSausschusseS einen neuen und sehr willkommenen Beitrag geleistet. Da es praktisch unmöglich ist, über die Zahl der Freiwilligen in beiden Lagern zu einem Ein­verneinen zu gelangen, ist es notwendig, den italienischen Vorschlag anzunehmen, daß von vor­her die Verpflichtung eingegangen werde, daß die verhältnismäßige Abberufung auf Ziffern be­gründet sein wird, welche die nach Spanien ent- sandten Kommissionen feststellen werden, mögen die endgültigen Endziffern welche immer sein. Die brittsche Regierung stimmt diesem Vor» - schlage voll zu«nd weiß aufrichtig den Beitrag zu schätzen, den die italienische Regierung für die internationale Beruhigung geleistet hat. Niemand darf sich aber und ich wäre sicherlich der Letzte* einem allzu großen Optimismus hingeben, denn die Probleme, die noch zu lösen sind, sind groß. Die kommen­den Wochen aber werden zeigen, daß die britische Regierung bestrebt sein wivd, daß dieser ein­mal begonnene Fortschritt rasch und ohne fede Verzögerung zum Ziele geführt werde. Das Subkomitee des NichteinmischungsausschuffcS tritt deshalb schon Freitag zusammen und wir hoffen, daß in dieser Sitzung die Antworten aller beteiligten Regierungen auf den neuen italieni­schen Vorschlag vorliegen werden. Ist Italien aufrichtig? Die Frage, die die Labour Party stellt Nach Minister Eden ergriff der Labour« Führer Major A t t l e e das Wort. Attlee sagte: Wenn die italienische Regierung tatsächlich zur N i ch t e i n m i s ch u n g bereit ist, so begrüßt dies niemand dankbarer als die britische Arbei» terpartei. Wen« aber die ttalienische Abficht nicht ausrichtig ist,dann find alle Vorschläge vollkommen vergeblich. Fraglich ist, ob die bri ­tische Regierung hinreichende Versicherungen erhalte«hat,ob in der Zeit, während welcher die llnter- suchung über die Abberufung der Frei ­willige« aus Spanien durchgeführt werden wird, nicht fortgesetzte Verstär ­kungen von Truppe» und Kriegsmate ­rial nach Spanien gebracht werden. Wenn die britische Regierung nicht im Besitze dieser Versicherung ist, dann wird der einzige wirklich ehrliche Vor ­gang darin bestehen, der s p a n i»*. W scheu Regierung das volle! hUtVmM i'tl el'l ä'n'd i°s ch'e n Meer Recht zuzuerkennen, sich W a s f e«I zu vermengen. In dem spanischen Konflikt ist die britische Regierung entschlossen, mit Geduld ihre Anstren­gungen darauf zu konzentrieren, daß dieser Krieg lokalisiert werde, wobei sie allerdings dar­auf bedacht sein wird, daß die britischen Interessen nicht bedroht werden.(Beifall.) Mit den mittwöchigen Ereig­nissen deS Subkomitees des Nichtinterven- tionsausschuffes waren wir zufrieden und wir sind durch diesien wirklichen Fortschritt zur Ausschaltung der spanischen Frage aus der Sphäre der internationalen Konflikte ausge» . muntert worden. Die britische Regierung hofft aufrichtig, daß dies ein dauernder Fortschritt sein wird, da die fremde Einmischung in Spanien die Aussichten auf eine Besserung der Verhältnisse unter den Mittelmäch­ten getrübt und den Weg zum internationalen Frieden versperrt hat. Wenn das spanische Pro­blem mit allen seinen strategischen und politischen Seiten verschwinden wird, dann wird es möglich sein, daß die M i t t e l m e e r v ö I k e r durch freundschaftliche Besprechungen die Rückkehr z u r t r a d i t i o n e l l e n F r e u n d s ch a s t untereinander, wie sie in Vergangenheit besmnd, suchen. Unter der Bedingung, daß das Problem Scharfe Pariser Stellung gegen Herrn NeurathsInsolenten** Bescheid DiePrager Presse" veröffentlicht heute folgendes diplomatische Bulletin der halboffiziö­sen Agentur Radio zu der reichSdeütschen Kam­pagne gegen die Tschechoslowakei : In P a r i s herrscht lebhafte Erregung über das Derhal» tenDerlins gegen die Tscheche» stowakei, deren Protestschritt von der Reichsregierung zurückgewiesen wurde. Selten ist ein insolenteres Kom­mun i 0 m i gegen eine ausländische Macht redigiert worden. Zm übrige» darf man die Möglichkeit von Rück­wirkungen der deutsch -tschechoslo­wakischen Spannungen auf die ge- famteuropäische Situation nicht aus den Augen verlieren. Die französische wie übrigens auch die b r i- tische öffentliche Meinung und wie alle Freunde des Friedens können sich an der zwischen Berlin und Prag künst­lich geschaffenen Spannung nicht des­interessiere«. Eine beachtliche rumänische Stimme Bukarest . DerTimpul ", der vom ehemali­gen Unterstaatssekretär im Außenministerium, Gafenco, herausgegeben wird, nimmt in sehr be­merkenswerter Weise gegen die" reichsdeutschen Presseangriffe auf die Tschechoslowakische Republik Stellung. Das Blatt stellt fest, daß in den von Deuffchen bewohnten Gebieten der Tschechoslowa­kischen Republik bei den Behörden in deutscher Sprache amtiert werde, dah die Deutschen in der Tschechoslowakei über ein ausgebildetes Schulwe­sen vom Kindergatten aufwärts bis zur Prager Universität besten, daß. an der Regierung Deutsche als verantwottliche Minister teilnehmen, daß also die von Henlein in seinem Brief an den Präsidenten der Republik erhobenen Proteste jegli­cher Stichhälttgkeit entbehren. Aber die Bindun­gen der von Henlein gefühtten SdP mit dem na­tionalsozialistischen Zentrum seien stärker als I diese Tatsachen. Wo steht England? A. S., London , Mitte Oktober. In diesen Tagen wird das englische Unter­haus zusammentreten. Als es im Sommer aus­einanderging, wurde die internationale Läge als o ernst angesehen, daß man darauf verzichtete, die Session zu schließen und dem Haus die Bflig- lichkeit ließ, jederzeit während der Ferien wieder zusammenzutreten. Davon ist nun fteilich trotz des Wunsches der Arbeiterpattei nach einer Par­lamentstagung kein Gebrauch gemacht worden. So wird die erste Handlung des Parlaments nach deinem Zusammentritt darin bestehen, daß.es eine Session formell schließen wird. Aber dieser Abschluß wird nicht einfach in der üblichen Ent­gegennahme der Schlußerklärung des Vertreters des Königs bestehen. Um der Forderung der Ar­beiterpartei wenigstens teilweise Rechnung zu tra­gen, wird zunächst eine große Debatte über die internationale Lage'stattfinden. Sie wird sich vor» aussichtlich nur auf den Fernen Osten beziehen. Die spanische Frage oder richttger die Mittelmeer « Probleme dürften erst zu Beginn der gleich an­schließenden neuen Session erörtert werden. Das !ist der Wunsch der Regierung, die während der Debatten im Nichteinmischungsausschuß keine Parlamentsdebatte über diese Fragen haben will, und die Opposition ist anscheinend bereit, sich die­sem Wunsch ercksprechend zu verhalten. Roosevelts. Rede, die so verheißungsvolle Ausblicke auf die amerikanische Mitwirkung im Kampf für den Frieden eröffnete, ist in den Lon­doner Regierungskreisen kühler beurteilt worden als anderwärts. Zwar ist die Empörung überd-e Luftangriffe auf offene Städte in China gegen­wärtig in der übergroßen Mehrheit der britischen Oeffentlichkeit nicht geringer als vor beinahe zwei Jahren der Sttmn, der Sir Samuel Hoare aus dem Außenministerium hinwegfegte. Unzählige Massenkundgebungen im ganzen Land, zuletzt die sonntägige Massenversammlung auf dem Trafal­ gar Square , legen von dieser Empörung Zeug­nis ab. Aber die englische Regierung, die schon vor fünf Jahren, als die USA während des mandschurischen Krieges Aktionsbereitschaft an den Tag legten^ jede wirksame internationale Aktion zu verhindern wußte, ist auch heute gegen­über den Washingtoner Lockrufen harthörig. Eine bloß wirtschaftliche Aktion gegen Japan hält man für unzureichend, einem bewaffneten Konflikt will und kann man sich nicht aussetzen, solange die Mittelmeerfragen nicht bereinigt sind. England wird daher gewiß alle Bermittlungsbemühungen, die an der bevorstehenden Brüsseler Konferenz der Vertragspartner des Neunmächte-Paktes von 1922 vorgeschlagen werden dürsten, wärmster»- unterstützen: Darüber hinauSgehen wird es aber kaum. Das Zentralproblem der britischen Außen­politik liegt heute und wohl noch längere Ze t ausschließlich in Europa . Die Verwicklungen im Mittelmeer dienen also als Begründung für die Passivität im Fer­nen Osten. Bisher aber hat England noch keine Zeichen der Aktivität im Mittelmeer an den Tag gelegt, seitdem es in Nyon einen so eindeutigen Erfolg über Italien davongetragen hat. Lloyd George hat in einer brillanten Rede in Wales eine Deutung für die letzten Ereignisse gefunden. Zur Zeit von Nyon, sagte er, war Eden allein. Da hat er seinem eigenen Verstand folgend gehan­delt und erfolgreich gehandelt. In den beiden ver­gangenen Wochen aber, da die Spanienftage zur Verhandlung stand, war er in London , in unynt- telbarer Nähe von Downing Stteet, dem Sitz des Ministerpräsidenten. Daher die Hemmung seiner Aktion. An diesem Scherzwort, das die Runde durch die bttttsche Presse macht, ist offensichtlich einiges Wahres. Die übergroße Mehrheit der englischen Oeffenüichkeit hat endlich erkannt, daß die Poli­tik des ständigen Zurückweichens die Gefahren nur vergrößett, denen sie angeblich begegnen sosi Die starken Sympathien, die gerade in den fort­schrittlichen Kreisen fiir Deutschland bestanden, solange es vermeintlich für seine Gleichberecht'» gung kämpfte, sind vorbei, seitdem, di« deutscbe Intervention in Spanien nur zu deutlich gezeigt hat, was die»Gleichberechtigung" wirklich bedeu­tet. Und auf der äußersten Rechten, die klassen- mäßig nicht wenig Sympathie für die deutsch !» Kommunistenfresser hat, setzt man den Kolonial« forderungen des Dritten Reichs so erbitterten Widerstand entgegen, daß von der einstigen Zu­neigung nichts mehr übrig geblieben ist. Noch plädieren einflußreiche Persönlichkeiten wie etwa Lord Astor in denTimes" dafür, daß keine Tu-