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Nr. 159.

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Vorwärts

Berliner Volksblatt.

16. Jahrg.

Die Insertions- Gebühr beträgt für die fechsgespaltene Rolonel geile oder deren Raum 40 Pfg., für politische und gewerkschaftliche Vereins­und Bersammlungs- Anzeigen 20 fg. " Kleine Anzeigen" jedes Wort 5 Pfg. ( nur das erste Wort fett). Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in derExpedition abgegeben werden. Die Expedition ift an Wochen tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Fefttagen bis 8 Uhr vormittags geöffnet. Jernsprecher: Rmt 1, Mr. 1508. Telegramm Adresse: " Bocialdemokrat Berlin"

Centralorgan der socialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die Gesetzlichkeit tötet uns.

Rom  , den 6. Juli. Das berühmte Wort, das Odillon Barrot vor einem halben Jahrhundert in Frankreich   ausrief, enthält den Grund gedanken der reaktionären und gesezwidrigen Politif, welche die Regierungen mehrerer Länder in diesem Augenblicke ver folgen: die Gefeßlichkeit tötet uns."

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Dienstag, den 11. Juli 1899.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Enrico Ferri.  

in seiner Masse zu geschwächt, um gegen das Treiben der zu- als der einzigen Partei, die weiß was sie will, und Regierung in der Art des belgischen Volkes vor nicht persönliche, nicht Standes- und Sonderinteressen im Auge zugehen, und die Regierung bermag es, den vielen hat, sondern einzig das Interesse des Volkes und Ungefeßlichkeiten, die sie schon berübt hat, diese neue der Gesamtheit. Ungefeglichkeit, die weit schlimmer ist als alle früheren, hinzu­zufügen. Wenn jedoch das Maß des Zorns noch nicht über­läuft, so nur, weil es noch nicht ganz bis an den Rand gefüllt ist. Die neueste Ungeseglichkeit hat viel dazu beigetragen, das Maß zu füllen, und wir sind in Italien   so weit, daß wenige Tropfen es zum Ueberlaufen bringen können.

Politische Uebersicht.

Berlin  , den 10. Juli.

Um die bis dahin unter dem Feudalregiment von dem Adel und der Geistlichkeit monopolisierten öffentlichen Gewalten Sieg in Nürnberg  . zu erobern, mußte das Bürgertum die Gleichheit der bürger­lichen und politischen Rechte für alle Menschen verkündigen, Die Gemeindewahlen, welche jüngst in allen Bei der heutigen Landtagswahl in Nürnberg  - so meldet denn es hätte dieselben nicht für sich allein fordern können. Provinzen Italiens   statthatten, sind ein bedeutsames Zeichen uns ein Privattelegramm gewann die Socialdemokratie einen Thatsächlich hat das Bürgertum während zwei Dritteln des der Zeit. Früher hatten diese Wahlen, die nicht an dem glänzenden, alle Erwartungen übertreffenden Sieg. Von 257 Wahl­Jahrhunderts die politischen Rechte für sich allein ausgeübt gleichen Tage, aber im Zeitraume eines Monats vor mämtern wurden 150 socialdemokratische gewählt; in vier Bezirken um das Monopol der politischen Gewalt in seinen Händen zu genommen werden, gar keinen politischen Charakter. Jekt ist werden aussichtsvolle Nachwahlen stattfinden. Das Wahlergebnis vereinigen, als Stüge für sein wirtschaftliches Monopol. das anders. Sie sind politische Kämpfe geworden, und seit bedeutet die endgültige Niederlage des Nürnberger Freisinns, der Als aber das Proletariat von der Krankheit des den Siegen in Mailand   und Turin   ist mit jeder neuen trotz der Hilfe der Nationalliberalen einen bedeutenden Rüdgang Abstentionalismus der durch die Anarchisten und sonstigen Wahl das Interesse und die Kampffreude gewachsen. In Süd, feit der vorigen Wahl erlitt. In der Stadt Fürth   wurden sämtliche Wahlmänner der ver Reaktionäre gepredigten Nicht ausübung der politischen in Nord und in der Mitte Italiens   haben wir im Bund mit Rechte geheilt war und für seine eigene Emancipation   den Republikanern, die mehr und mehr zum Socialismus ge- einigten socialdemokratisch demokratischen Liste gewählt; die Land­mit scharfem Klaffeninstinkt in seinem Klasseninteresse von drängt werden, Siege erfochten über die Pfaffen und Regie- bezirke stehen noch aus. diefen nämlichen bürgerlichen Rechten: den Rechten des rungs- Reaktionäre, die, troß ihrer alten Feindschaft, gegen Wählens, der Vereinigung, der Versammlung und der Preg uns ein Herz und eine Seele geworden sind. In allen freiheit guten Gebrauch zu machen begann, war es un auptstädten Italiens   flattert stolz das Banner der bermeidlich und menschlich natürlich, daß die konstitutionellen Socialdemokratie. bürgerlichen Regierungen zu der Ueberzeugung gelangten, daß Und soeben hat das Schwurgericht von Florenz  ihr politisches Monopol bedroht sei. Und da die Regierungen durch die Freisprechung unseres Genossen, des socia­nicht die Energie und nicht den Verstand hatten, den neuen listischen Abgeordneten Pescetti  , einen wuchtigen Protest Volfsströmungen mit Diskussion und vernünftigen gegen die reaktionäre Politik der Regierung geschleudert. Reformen zu begegnen, so famen sie allmählich dazu, den Im Mai 1898 lieferte ein kleiner Krawall in Florenz  

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freien Gebrauch dieser konftitutionellen Rechte, die in der Hand der herrschenden Clique den Vorwand, von der Regierung, die des klassenbewußten Proletariats zu gefährlicheren Waffen ge- nur zu bereitwillig Folge leistete, die Verhängung des Be­worden waren als Flinten und Barrifaden, für schädlich und lagerungszustandes zu erwirken. Die Kriegsgerichte kamen staatsfeindlich zu halten. relation and und die Militärprozesse gegen die Socialisten. Der

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Achenbach.

Am Sonntag früh verstarb der Oberpräsident der. Provinz Brandenburg   Heinrich v. A chenbach.

Der Verstorbene ist am 23. November 1829 zu Saarbrücken  geboren und habilitierte sich im Jahre 1859 zu Bonn   als Privat­docent für deutsches Recht. Ein Jahr später wurde er zum ordent lichen Professor und Oberbergrat   ernannt. Im Jahre 1866 ent­sandte ihn der Kreis Siegen- Wittgenstein   in das Abgeordneten haus, woselbst sich v. A. der damals neu begründeten freitonser votiven Partei anschloß. Alsdann wurde er zum Vortragenden Rat in das preußische Handelsministerium nnd im Jahre 1871 in gleicher Eigenschaft in das Reichskanzleramt berufen. 1872 wurde er Unterstaatssekretär im Kultusministerium, 1873 Unterstaatssekretär int Staatsministerium  ; am 13. Mai desselben Jahres wurde In Belgien   legte die Regierung ein Wahlgesez vor, Deputierte Pescetti   wurde ohne jeglichen Grund an­er zuin Handelsminister ernannt. In dieser Stellung verblieb welches ausdrücklich mit der Absicht gemacht ist, der Regierungs- geflagt, den Strawall veranlaßt zu haben. Er konnte partei eine fünstliche Mehrheit zu verschaffen. Doch das sich der Einferkerung auf unbestimmte Zeit zum Glüd durch v. A. bis zum 30. März 1878 und erhielt dann das Ober­Einige Monate fand er ein Asyl präsidium der Provinz Westpreußen  . Ein Jahr später erfolgte belgische Volk ist in vergleichsweise vorgeschrittenen wirtschaft die Flucht entziehen. seine Ernennung zum Oberpräsidenten zum Oberpräsidenten von der Proving lichen und folglich auch geistigen Lebensbedingungen und, im Parlamentspalast zu Rom   dem Monte Citorio, wo er Brandenburg  . geleitet von dem socialistischen Gedanken, hat es der Welt sich häuslich niederließ und wo die Polizei ihn nicht zu ver Ein Berliner   Hofjournal rechnet den Verstorbenen unter das Beispiel eines wunderbar kräftigen und siegreichen haften wagte. Nach Schluß der Session fand er Zuflucht in die hehrsten Lichtgestalten der Weltgeschichte; ihm ist als Widerstandes gegeben. Frankreich  . Das Kriegsgericht verurteilte ihn in contumaciam wären in Heinrich v. Achenbach alle schönen und Mannes­Die belgische Regierung, die sich des zu 12 Jahren Kerker! Barrotschen Wortes erinnert hatte, ist durch das Als der Belagerungszustand aufgehoben ward, fehrte tugenden bereinigt gewesen, die an irgend einem Sterblichen focialistische Volt gezwungen worden, in die unser Freund nach Florenz   zurück und stellte sich den Be- u rühmen sind. Als Menschen wird dem Oberpräsidenten auch von minder höfischer Seite vielerlei Gutes nachgesagt. Gefeßlichkeit zurückzukehren. hörden, um von den bürgerlichen Geschworenen gerichtet zu Wenn man aber aus ihm einen Liberalen macht, der nur werden. Auf seinen Wunsch gab die Kammer ihre Genehmigung widerwillig die reaktionären Weisungen erfüllt habe, die zum Prozeß, und Pescetti blieb in Untersuchungshaft bis zu namentlich die Stadt Berlin   unter seiner Amtsthätigkeit zu der Prozeßverhandlung vorige Woche. Wir mein Freund fosten betam, so mißbraucht man das Gewohnheitsrecht, am hatte mich als Verteidiger angenommen wir benutten die Grabe Gutes zu sagen. Die Kreuzzeitung  " sagt durchaus die Gelegenheit und zertrümmerten das Gebäude von nieder- Wahrheit, wenn sie den Verstorbenen unter die Ihrigen trächtigen Verleumdungen, das die Polizei und zählt. Sie erinnert daran, daß er auf seinen Wunsch aus das Kriegsgericht aufgetürmt hatten, um ihn, und in Westpreußen   nach Brandenburg   versetzt wurde, weil er sich Die absolute Unfähigkeit des Generals Pellour, die seiner Person und mit ihm die socialistische Partei in Toskana   in der von doktrinärem Nationalliberalismus durchtränkten äußerste Linke zu unterwerfen, gab ihm zunächst den Plan moralisch, wirtschaftlich und politisch zu vernichten.Provinz" nicht wohl fühlte. ein, die Kammer auf einige Tage zu vertagen, und dann das In diesem Prozeß konnte ich die ganze Infamie und den An Achenbachs Namen heftet sich vor allem die Ent­fönigliche Detret mit einer neuen Redaktion der ganzen Schmutz des Belagerungszustandes enthüllen und die ehrung der Märzgefallenen, die man statt eines würdigen Stucbelgeseke gegen das Vereins-, Versammlungs- und Koalitions- Reinheit der socialistischen Propaganda, die Aufopferung Gedenkens der edlen Freiheitskämpfer für zeitgemäß hält. recht und die Presse zu veröffentlichen- und zwar mit der unserer Vorkämpfer und die Erhabenheit unserer Ziele nach Ars Redner wurde Achenbach dadurch bekannt, daß er auf den Drohung, daß dieses gesetzwidrige, also ungese zliche weisen. Die Geschworenen von Florenz   haben Pescetti   brandenburgischen Provinziallandtagen jene mehr als schwung­Defret am 20. Juli in traft treten würde, falls die freigesprochen und damit die schmachvollen Vervollen Trinksprüche auf den Kaiser alljährlich ausbrachte, die Kammer den Gesezentwurf bis dahin nicht an- urteilungen durch die Kriegsgerichte gebrandmartt. als Erwiderungen die vielerörterten Märferreden Wilhelm II.  zur Folge hatten.

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In Italien   ist, außer in einigen Provinzen Pie­monts und der Lombardei   die wirtschaftliche Lage eine so elende, daß ein Zustand völliger Anämie( Blutlosigkeit und Erschöpfung) erreicht ist und das Volk nicht die Kraft hat, der Oligarchie, die ihm den Fuß auf den Nacken gesezt hat und es erstickt und aussaugt, thätigen und siegreichen Widerstand entgegenzujeßen.

genommen habe.

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In der Kammerſigung des 30. Juni machte die Kammer- Das sind unzweifelhaft Symptome eines nationalen Der Tod des Oberpräsidenten entbehrt im jezigen Augen­majorität, unterstüßt von einem parteiischen und servilen Präfi- Seelenzustandes, den man mit Recht revolutionär" nennen blick nicht des politischen Interesses. Seinem Nachfolger wird denten, den Versuch, die geschäftsordnungsmäßigen Rechte der kann, da wir bei der ökonomischen Anämie des italienischen die Augabe zufallen, den Uebermut" der Berliner   Selbst­Minderheit zu vergewaltigen und durch leberrumpelung einen Volfes und namentlich der Arbeiter an solche gesund leiden- verwaltung vollends zu brechen. Die Pläne, den Ober­Beschluß zu erzwingen. Das fonnte die äußerste Linke: wir schaftliche Ausbrüche wie in Belgien   nicht denken können. bürgermeister- Posten Berlins   in einen Oberpräsidenten- Posten Socialisten und die Republikaner  , nicht dulden; wir segten Unter solchen Umständen verbleibt die Regierung auf dem zu verwandeln, werden jezt neue Nahrung erhalten. der Gewalt die Gewalt entgegen, und berhin Wege der Ungeseklichkeit und des Verfassungsbruchs, ohne zu Den Namen des Nachfolgers des Herrn v. Achenbach wird derten mit Anwendung von physischer Gewalt, bemerken, daß General Pellour durch sein Vorgehen die man darum nicht ohne Spannung vernehmen- wenn auch daß die gesetzlichen Rechte der Minorität Person des Königs und das monarchische der schneidigste neue Herr immer nur ein Mann der widergesetzlich berlegt wurden. Princip unmittelbar vor den Zorn des Volkes gestellt schneidigen Anfänge und Versuche bleiben muß. Am Abend dieses Tages des 30. Juni erschien hat eine Thatsache, über die wir Socialisten den wenigsten ein tönigliches Dekret, welches die Parlamentssession schloß. Grund haben uns zu beklagen. Tags darauf antwortete die äußerste Linke auf die neue Während der Sommermonate bis zum Wiederzusammen­Die Transvaal  - Angelegenheit Gewaltthat mit einem( vom Vorwärts" veröffentlichten) tritt des Parlaments wird das politische Leben sich voraus- ist in ein neues Stadium eingetreten. Wie wir schon früher Manifest an das Land, in welchem das Vorgehen der sichtlich noch in der bisherigen Weise hinschleppen denn ausführten, haben die von Rhodes und Chamberlain, Regie rung gekennzeichnet und die Notwendigkeit und Gefeß- ich glaube nicht, daß das Ministerium blind genug sein wird, den zwei Haupthintermännern des Abenteurers Jameson lichkeit des Widerstandes gegen dieses gefezwidrige, die das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzuordnen, und seiner Einbrechergesellschaft, den Boeren gegenüber Opposition unterdrückende Gesetz dargelegt ward. von denen nur wir Vorteil hätten.

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aufgestellten Forderungen insofern eine gewisse Berechtigung, Der Obstruttionismus ist Sieger ge- Die Ausführung des töniglichen Defrets wird als die in den Golddistrikten des Transvaal   angesammelten ,, Aus­blieben, denn das Knebelgeset hat nicht sie bei der fflavischen Gesinnung unseres Beamtenstandes wohl länder"( Uitlanders) bisher politisch rechtlos waren. Nach dem Sanktion der Kammer empfangen. teine besonderen Schwierigkeiten machen. Völkerrecht hat allerdings jedes einzelne Land darüber zu be­Artikel III unferer Verfassung sagt, daß die Gesetzgebung Aber beim Wiederzusammentritt des Parlaments wird die stimmen, ob und unter welchen Bedingungen das Bürgerrecht gemeinschaftlich von dem König und von dem socialistische Partei ihren Feldzug des Widerstandes gegen die Ausländern zu erteilen ist, allein in ,, neuen Ländern", wo Parlament ausgeübt wird. Ungeseglichkeit von neuem aufnehmen. Und dabei werden die Zahl der einheimischen Bürger eine kleine und die der General Pellour erinnert sich auch des Wortes von Barrot, auch wir Socialisten uns des Barrot'schen Wortes erinnern, Einwanderer eine große ist, lassen diese Bestimmungen dem Buchstaben be­und, statt in die Gefeßlichkeit zurückzukehren, besteht er auf daß die Gesezlichkeit es ist, welche die Re- des Völkerrechts sich nicht nach der Jukraftfegung des föniglichen Defrets, welches das Straf- gierung tötet. folgen; und es war unzweifelhaft zur politischen Not­gesetzbuch und die verbrieften Rechte des Volts ohne 8uDen flügeren unter den Konservativen graut es vor den wendigkeit geworden, daß die Boeren den uitlanders" stimmung derkammer abändert, ja diese Folgen der wahnsinnigen Regierungs- Politik, welche den König Bugeständnisse machten, durch welche die Unabhängigkeit der Rechte teilweise vernichtet. da und die Monarchie um fleiner augenblicklicher Vorteile willen auf Boerenrepublit in Frage gestellt ward. Nachgiebigkeit bis

Tas italienische Volk hat durch mancherlei Sundgebungen das Spiel fett; und von Tag zu Tag wendet das Vertrauen zum Opfer der Eristenz wäre keine Gerechtigkeit, jondern gezeigt, daß es mit der äußersten Linken ist, allein es ist des Landes sich entschiedener der sosialistischen Partei Aberwig. Seit einiger Zeit sind die Boeren bemüht, die 298 157022 Rung big midd