SozialdemokratZentralorgan der Deutschen sozialdemokratische« Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen RepublikErscheint mit Ausnahme de» Montag tLgttch frSH/ Einzelpreis 70 HellerRedaktion und Verwaltung: Prag Xll., Fochova 62- Telephon 83077- Herausgeber: Siegfried Taub- Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag17. Jahrgang Samstag, 13. November 1937„So wie Jaur&s den Habsburgern und HohenzoTlern denSturz ihrer Throne durch den Kriegvorausgesagt hatte, so könnenheute wir den Diktatorenprophezeien, daß ihr Regime,wenn sie einen Krieg hervornufen,untergehen wird."(Aus einer Rede des französischenStaatsministers Paul F a u r e.am 10. November 1937, vor PariserI Arbeitern.)Nr. 267Japan provoziert die Brüsseler KonferenzEinladung abermals abgelehnt— Neunmächtepakt nicht anwendbarNur direkte Verhandlungen mit China möglichDeutschlandwill die Sowjet-Ukraine?Reise Halifax beschlossenLondon.(E.-B.) Die Reise deS Lordpräsidenten Halifax nach Berlin wird nnn bestätigt. Halifax hat keine bestimmten Aufträge,seine Reise ist nicht offiziell, Ihr Zweck ist eS,allgemeine Informationen über die deutsche Politik einzuholen. Borgesehen ist unter anderemrin Gespräch mit Hitler. Als Themen ergebensich auf der einen Seite die Kolonialfragr, ansder anderen die allgemeine Befriedung Europas,besonders Osteuropas und Spaniens, sowie einWrstpakt..In diesem Zusammenhang wird der Artikel,der am Freitag im„Völkischen Beobachter" dieAbtrennung der Sowjet-Ukraine fordert, stark beachtet. Der„Daily Herald" verweist in seinemLeitartikel vom Samstag auf diesen Aufsatz des„Völkischen Beobachter", auf die Tatsache, daßHitlers ,^Mein Kampf" weiter als Nazi-Bibelverkauft wird und auf ein neues Schullehrbuchfür die deutsche Jugend, worin der Tod in derSchlacht als die Krönung eines würdigen Nazi-Lebens hingestellt wird. Der„Daily Herald"zieht die Schlußfolgerung, daß nicht einzeln«Sachfragen zwischen Deutschland und Englandstehen, sondern der grundsätzliche Gegensatz überGut und Böse.Han kennt sich nicht ausLoudon. Die Aussicht auf die demnächstbeginnenden englisch-deutschen und englisch-italienischen Gespräche Hat in London ebenso wieim Auslande größte Aufmerksamkeit und großesInteresse erregt, das infolge der bestehenden Unklarheit über Zielsetzung und Taktik der hiebeizu verfolgenden brftischen Politik und der damitverbundenen Interessen anderer Länder mit einembeträchtlichen UnsicherheitS-f a k t o r vermengt ist. Wie bekannt, haben zahlreiche britische Negierungsmitglieder verschiedentlich Wert auf die Feststellung gelegt, daß einebritische Verständigung mit der Achse Rom—Berlin nur dann erstrebenswert sei. wenn sie alsintegrierender Bestandteil einer allgemeinenumfassenden europischen Verständigung erachtetwerden könne. Es wurde ferner mit Nachdruckerklärt, daß keine gesonderte britisch-deutsche,sondern nur eine internationale Einigungüber das Kolonial- und Rohstoffproblem in Frag:komme. Die Instruktionen, die Lord Halifax nachBerlin mitbekommen wird, werden sich in diesemRahmen bttvegen.Jaksch in LondonDeutschland und die sudetendeutscheWirtschaftsnotLondon.(E.-B.) Abgeordneter Iaksch hatdem diplomatischen Korrespondenten der Zeitung„Daily Telegraph and Morningspost" ein längeres Interview gewährt, das am Freitag in diesem Blatte an hervorragender Stelle erschien.Nach einer Darlegung der politischen Grundideen der deutschen aktivistische« Parteien in derTschechoslowakei ist in dem Interview daraufbingewiesen, daß die wirtschaftliche Notlage derdeutschen Bevölkerung in der TschechoslowakischenRepublik nicht zuletzt auf die Wirtschaftspolitikdeutschen Export-Subventionen schädigen denExport auS der Tschechoslowakei, während derdeutsche Markt für gewisse tschechoflowakische Produkte geschlossen ist.Abgeordneter Jaksch zeigt sodann die Methoden auf, durch die Arbeiter gezwungen werden,m dir Nazi-Partei einzutreten. Wenn der vonnutzen herkommende Druck des Dritten Reichesbeseitigt würde, heißt es in dem Interviewweiter, wären auch die meisten Hindernisse fürkinr demokratische Lösung der Schwierigkeitenzwischen Prag und der deutschen Minderheit auSdem Wege geräumt.An anderer Stelle des Blattes wird im Zusammenhang mit dem Bericht über die Rede desAußenministers Dr. Krosta auf daS Interviewwit Jaksch besonders hingewiesen.Keine englische Anleihe an Rom?Loudon.(E.-B.) Zu den römischen Besprechungen zwischen Lord Berth und Ciano wird hierbetont, daß bisher keinerlei Detailfragen zurErörterung gelangten. Gerüchte, daß Englandbereit sei. Italien eine Anleihe zu bewilligen,werden als absolut unrichtig bezeichnet.Brüssel. Die Antwort Japans auf dieneuerliche Einladung znr Brüsseler Konferenzwurde am Freitag dem belgischen Botschafter inTokio übergeben und auch dem japanischen Botschafter nach Brüssel telegraphiert. Japan lehntdarin abermals jede Beteiligung an der Konferenz ab. Rach Reuter sieht man in Konferenzkreisen diese Antwort alS d a S En de jeglicherBemühungen an, Verbindungen zwischen Japanund der Brüsseler Konferenz anzubahnen.Die Antwort spricht ihr Bedauern a«S, daßauch die zweite Einladung nicht hinreiche, um diejapanische Regiernng von der Notwendigkeit zuüberzeugen, ihren Standpunkt zu ändern, den sieklar und eindeutig in der ersten Antwort am 27.Oktober ausgesprochen habe. Die japanische Regierung stehe unabänderlich auf dem Standpunkt,daß ihre gegenwärtige Aktion in China ein Aktder Selb st verteidig u n g sei, welcherJapan durch die provokative.HandlungsweiseChinas aufgezwungen wurde und demnachWir bringen nachstehend einen Bericht,der wenige Tage vor dem Staatsstreich Vargasin der brasilianischen Stadt' Sao Paulo geschrieben wurde und eS als zweifelhaft erscheinen läßt, daß«S sich hier um eine rein faschistische Diktatur handelt.Wir haben seit ein paar Tagen„Kriegszustand". Deshalb wird eS Sie interessieren, wiedie Dinge liegen.Wir stehen vor den Präsidentenwahlen, diealle vier Jahre stattfinden sollen und diesmal fürden 3. Jänner anberaumt sind. Derzeit ist Prä sident Getulio VargaS, der zuerst auf Grundeiner Revolution Staatsoberhaupt wurde, seit1933 aber regulärer Präsident ist. Er ist einehemaliger Advokat, wie hier fast alle Politiker.Die Politik ist hier übrigens ein blühendes Geschäft(bei Vargas nicht, aber bei früheren Präsidenten war sie es). Vargas ist ein Alleingänger. Er ist der Mann der starken Hand und nichtganz bar einer sozialen Einstellung. WaS bisheran sozialen„Errungenschaften" erobert wurde,ist fraglos ihm zu danken./autzerhalbder TragweitedesNeunmächtepaktes stehe. Es könnealso keine Aussprache über die Frage der Geltungdieses Abkommens eingeleitet werden. Für die japanische Regierung sei es unmöglich, dieEinladung zu der auf Grund der Bestimmungendes Neunmächtrabkommens einberufenen Konferenz anzunehmen, da Japan beschuldigt wordensei, dessen Bestimmungen verletzt zu haben.Da der chinesisch-japanische Konflikt unterbesonderen Bedingungen in Ostasien entstandensei, könne die richtigste und gerechteste Lösungnur durch direkte Verhandlungenzwischen den beiden unmittelbar daran interessierten Parteien erfolgen^ Die kaiserliche Regierung Japans sei fest davon überzeugt, daß derVersuch von Verhandlungen im Rahmen eineSKollektivorganiSmus, wie es z. B. die gegenwärtige Brüsseler Konferenz ist, eine zufriedenstellendeLösung nur behindern könnte..Bargas könnte nach der Verfassung erst1942, also nach einer vierjährigen Pause, Wieder gewählt werden. Man glaubt aber allgemein,daß er trotzdem Präsident bleiben wird.Es gibt eine sehr starke„kommunistische"Gefahr. Deshalb läßt sich eine Ursache für einenPutsch oder eine Revolution sehr leicht finden, dik^es dann rechtfertigt, daß Vargas die Macht inden Händen behält. Man darf nicht glauben, daßdie soziale Unzufriedenheit von Moskau aus geschürt wird; der Kommunismus wächst hier vollkommen aus den Verhältnissen heraus, weil esden unteren Schichten furchtbar schlechtgeht.Der Arme hier lebt in einem Zustande, dermit dem unserer ärmsten Arbeitslosen nichts zutun Hat. Er nähert sich absolut dem Tier.Selbst gehobene Arbeiter, wie Tramwayschaffnerusw., verdienen im Monat bei täglich achtstündiger Arbeitszeit 80 Reis bis 1 Mil 20 dieStunde... Sie sehen auch entsprechend aus. Unddiese Not uyh das Hausen in verfallenen Hütten,die kaum Dachreste haben, inmitten der emporschnellenden Wolkenkratzer, die schaffen den sogenannten Kommunismus. Auch innerhalbder Intelligenz gibt es(Salon) kommunisten, dieeben mit einem Linkskurs spekulieren und mit derMasse, emporturnen wollen. Also einfache Kon-junkturpolitiker.In der Armee gibt es, trotz Ableugnen,kommunistische(richsig: nationalbolschewistische)Zellen. Die Armee macht im übrigen einen verheerenden Eindruck: Südamerika der achtzigerJahre. Die Generale spielen—zum Teil alsGouverneure, zum Teil als Kommandanten derMilitärregionen— eine ganz große Rolle. Siefliegen, reisen, konferieren, debattieren usw. Obsie Pargas ganz treu sind— wer weiß es?Jedenfalls scheint Bargas bleiben zu wollen. Erdürste große Teile der Armee und Polizei hinter sich haben. Wahrscheinlich wird er eine kleineUnruhe arrangieren lassen, um sie dann zu einemneuen Staatsstreich auSzunützen.Im Vorstoßen"sind die„Jntegrali-st e n", die man als Nazis oder Faschisten be-(Fortsetzung auf Seite 2),Wer Ist schuld 7Die neuen Steuern, welche dem Parlamentin den nächsten Tagen vorgelegt werden, bedeutenfür die Bevöllerung zweifellos ein schweres Opfer.Wenn es auch den sozialistischen Parteien gelungen ist, eine gerechte Verteilung der Lasten insofern herbeizuführen, als die sozial schwächstenSchichten der Bevölkerung nur entsprechend ihrerwirtschaftlichen Lage und vor allem in geringeremMaße als in den ersten Vorlagen des Finanzministeriums geplant war, herangezogen werden, sobedeuten die neuen Steuern doch eine Last, welcheder Wirtschaft und der Bevöllerung auferlegt wirdund die allein ihre Rechtfertigung in der Bedrohung des tschechoflowakischen Staates und seinerdemokratischen Einrichtungen findet.Wer ist nun an dieser Bedrohung des Landes und deswegen an den Rüstungen und denfinanziellen Opfern der Bevölkerung schuld? Die„Zeit", das Organ der Sudetendeutschen Partei,hat es herausgefunden: die Behandlung der Minderheiten in der Tschechoflowakei l Man höre,was dieses Blatt in seinem gestrigen Leitaufsatzzum Besten gibt:Gerade, jetzt, wo die neuen Steuern zumersten Male beim tschechischen Volk die Tatsacheandeuten, daß die Rechnung der Politik bezahltwerden muß—.und keineswegs allein von denMinderheiten bezahlt werden muß— wäre derAugenblick gekommen, die entscheidende Frage zustellen: wollt ihr eure Kinder und Kindeskinderbis zum Irrsinn Steuer zahlen und schlecht schlafen lassen, nur deswegen, nur weil die jetzigeGenevation nicht imstande ist, ein« andere Politikzu machen, als di«, deren Frücht« das eben vorgelegte Staatsbudget so grell beleuchtet? Oderwollt ihr einsehen,Haß letzten Endes vorallem doch nur die Minderheitenfrag e s ch u l d ist....Die„Zeit" ist also der Ansicht, die Spannung zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland, welche uns zum Ausbauen unserer Verteidigung zwingt, ihr« Ursache in der Minderheitenfrage hat. Ta muß man nur fragen, sind dieSudetendeutschen die einzige deutsche Volksgruppein Europa,, die einer andersnationalen Mehrheitgegenübersteht? Es gibt ja auch Deutsche inSüdtirol, die sich unter italienischer Herrschaftbefinden und denen es national zweifellos schlechter geht als ihren Vollsgenossen in der Tschecko-flowakei. Wäre die Auffassung der„Zeit" richtig, daß eine nicht zufriedenstellende Behandlungder deutschen Minderheiten das Dritte Reich ineinen scharfen Gegensatz zu den Staaten brächte,in denen diese Deutschen leben— dann hätteHitler Italien schon längs-» denKrieg erklären müssen. Gerade mitdiesem Staat aber, der seinen deutschen Bürgernnicht einmal Grabschriften in ihrer Sprache gestattet, lebt das Dritte Reich in seligster Freundschaft und dessen Regierungschef wurde von Hitlererst unlängst glänzend empfangen. Und hat dieBehandlung der Trutschen in Polen etwa Hitlerveranlaßt, den Polen gegenüber mit dem Säbelzu raffelst? Freilich wurde ein deutsch-polnischesMinderheitsabkommen abgeschlossen, aber daß esden Deutschen Polens nützt, glaubt nicht einmaldie„Frankfurter Zeitung". Wir werfen nur dieFrage auf, was ein ähnliches Abkommen, dasetwa zwischen Deutschland und der Tschechoflowakei abgeschlossen würde, den Sudetendeutschenstützen könnte? Die Antwort ist einfach: nichts!Die Sudetendeutschen dürften sich untereinanderder deutschen Sprache bedienen aber daswürde wohl nicht einmal der lleine Moritz als,außenpolitischen Erfolg des Dritten Reiches unsals innenpolitischen der SdP ansehen.Man muß also der neuesten Legendenbildung der SdP, die Minderheitenfrage sei schuldan den Rüstungen, beizeiten entgegentreten. DiePartei Henleins betreibt da plumpste Demagogie,um in der Bevöllerung den Eindruck hervorzu-rufen, sie hätte die neuen Steuerlasten der Prager Regierung zu verdanken. In Wirklichkeit müssen wirhohe Steuern zahlen, weil Herr Hitler1933 dieMachtinDeutschlandergriffenhat.Die Freunde der Sudetendeutschen Partei sindschuld daran, daß mit der gesamten Bevölkerungdes Landes auch die deutschen Bürger höhereSteuern entrichten müssen. Daß die Tschechoflowakei die Absicht hat, Deutschland anzugreifen undsich etwa Reichsgebiet anzueignen, werden Menschen mit normalem Sinn, auch wenn sie jedenTag mit Andacht dem Leipziger Sender lauschen,nicht annehmen. Die ganze Ideologie derAufstandsbewesunsDie Hintergründe der Diktatur gegen VargasLondon.(E.-B.) In Paris«nd in London finden di« Meldungen über die Aufrichtung einer Diktatur in Brasilien stärkste Beachtung., Die portugiesische Presse ftrut sich über den„neuen Kollegen" der Diktatoren, drückt aber ihr Entsetzen darüber aus, daß der Diktator seineTätigkeit mit der Einstellung deS Auslandschulden-Dienstes begonnen hat.„Tausende Familienin Portugal essen brasilianische Wertpapiere", heißt eS in den portugiesischen Blättern. In London liegen Meldungen über eine Aufstands bewegung gegen die Diktatur VargaS vor.Diese Bewegung breitet sich insbesondere tm Staate Pernamburo aus; ebenso soll ein Teil derArmee unter Oliviern, einem früheren Präsidentschaftskandidaten, sich empört haben und auchdie faschistischen Organisationen der„Jntegralisten" wenden sich gegen die Diktatur VargaS.(Die Nachrichten stammen aus dem Brasilien benachbarten Staat Uruguay.)Ein Bericht aus Sao Paulo