Seite 2 Nr. 27Y Krise 6er belgischen Liberalen Brüssel . Eine Resolution des Brüsseler Kreises der liberalen Partei forderte die Abgeordneten«nd Senatoren der- Partei. auf, der neuen Regierung das Vertrauen zu verweigern. Infolge dieses Beschlusses und der Ausschreitungen, von welchen diese Tagung begleitet waren, habe» Staatsminister Max, der Bürgermeister von Brüssel, ferner der Fraktionsführer in der Kammer, Hymans,«nd Senator Devrze den Austritt aus der Parteiorganisation erklärt. geführt, daß es in der Justizverwaltung 11.8 Prozent Deutsche gibt, im Bereich des- Unterrichtsministeriums-11.4, des Eisenbahnministe- riums 11.25 und des Finanzministeriums 13.83 Prozent.-Im-ersten Vierteljahr nach den Febervereinbarungen wurden der Neuaufnahmen unter Len Staatsangestellten 8.52, unter den Hilfsarbeitern 14.83 Prozent Deutsche berücksichtigt, im zweiten Vierteljahr jedoch unter den Angestellten 12.6, unter den Hilfsarbeitern 14.09 Prozent. Wohl ist also der Prozentsatz der Deut schen bei den staatlichen Angestellten im zweiten Vierteljahr der Wirksamkeit der Vereinbarungen vom 18. Feber gestiegen, aber weder entspricht der Prozentsatz bei den staatlichen Angestellten nach dem heutigen Stande noch bei den Neuaufnahmen dem Bevölkerungsanteil der Deutschen , der 22.32 Prozent beträgt. Wenn wir mit dem heutigen Stand der Vertretung der Deutschen im Staatsdienst nicht zufrieden sind, ist dies in den Ziffern, die Dr. Hodja vorgebracht hat, so begründet, daß man darüber kein Wort mehr verlieren muß. Sind die„Närodni Listy" der Ansicht, daß man unS in der Budgetdebatte von den Henlein -Leuten nicht mehr unterscheiden konnte, so informieren sie ihre Leser schlecht und verzeichnen das Bild der sudetendeutschen Sozialdemokratie, welche die historische Aufgabe auf sich genommen hat, die wirtschaftlichen und Kulturinteressen der arbeitenden Massen ihres Volkes auf dem Boden dieses Staates mit den Mitteln der Demokratie zu vertreten. * Angesichts des aktivistischen Erfolges im Abgeordnetenhause tritt die Kläglichkeit und Ohnmacht der Sudetendeutschen Partei und ihrer 44 Abgeordneten der Bevölkerung plastisch vor Augen. Wie schwer muß es den Verehrern Hitlers im Budgetausschuß des Abgeordnetenhauses gefallen sein, die Hand für einen Antrag zu erheben, der von einem Sozialdemokraten mit gestellt wurde! Aber die Herren hatten keinen anderen Ausweg alS mit süßsauerem Gesicht sich der Führung der „Splitterparteien " anzuvertrauen und im Schlepptau des Mtivismus zu segeln. Um sich dafür vor ihren Anhängern zu entschuldigen, führt die„Zeit" an,'.daß damit kein« Önerlen- nung des 18. Feber als WsustgSfbrmel für die sudetendeutsche Frage" verbunden sei. Bon dieser Erklärung der„Zeit" kann man sagen, daß sie nicht einmal eine Pfeife Dabäk wert ist. Wenn ein Ozeandampfer in einen Hafen «miaust, kommt eS manchmal vor, daß ein klei« ner Schlepper, ein sog. Remorqueur, das große Schiff in den Hafen schleppt. Dieses Bild bot die Abstimmung im Budgetausschuß deS Abgeordnetenhauses am 25. November. Die von den Hen- lein-Leuten verlachten„Splitterparteien" zogen die große Sudetendeutsche Partei schön in den Hafen des 18, Feber und daß die parlamentarischen und publizistischen Vertreter Konrad Henleins sich dafür noch entschuldigen, macht die Ab- .schleppung der SdP noch blamabler. 23 »er Kleine VONlUOlNIDABIT Berechtigte Uebertragun«* tue den» Fran* ösf seh en tob Bejot „Tu weckst mich." Ich mache einen Rundgang durch die Ställe, dann stelle ich meine Laterne hin und setze mich. Mein Kamerad schläft wie ein Murmeltier. Er ist noch ein richtiger Junge mit seinem bartlosen runden Gesicht, seinen roten Backen und seinen langen Wimpern. Er ist hübsch, gut gepflegt, ein« Treibhauspflanze. Eigentlich wäre er jetzt an der Reihe. Aber ich habe nicht das Herz, ihn aufzu- - wecken. Plötzlich öffnet er die Augen. „Leg dich doch auch hin", sagt er.„Keine Gefahr. Der Alte kommt nicht." Ich strecke mich an seiner Seit« inS Stroh. Er lächelt mir zu und'schläft wieder rin. Ich erwache. Gegen«ine Raumwand dröhnen Hufschläge. Ein Pferd reißt sich los. Ich stehe auf, nehme es«n der Trense und mache es an seinem Platz fest. Dann setze ich mich wieder hin, Müdig- . leit in allen Gliedern, einen schlechten Geschmack im-Munde. > Endlich graut der Morgen. Jacques Mn erwacht, gähnt und fragt: „Bin sch jetzt daran?" „Ich habe deine Wache, mit abgemacht, ich war nicht müde." „Du bist ein guter Kamerad, Klemer. Wir trinken bald Kaffee in der Kantine." Ich gehe in die Stadt. Jacques hat mich eingeladen, mir sein Zimmer anzufehrn. Im Gegensatz zu Pierre drängt mich mein neuer Freund zu einem mehr äußerlichen, mehr betriebsamen Leben. Er ist reich. So- SamStag, 27. November 1937 Dr. Czech antwortet Jilly Eine Blamage für die Sterilisierungsfreunde P r a g. I« seinem Schlußwort zur Budgetdebatte setzte sich Gesundheitsminister Doktor Czech sehr eingehend mit de« merkwürdigen Auffassungen auseinander, di« Herr Dr. Jilly von der SdP im Ausschuß über Populattonssragen, Sterilisierung etc. geäußert hatte,«nd wies namentlich die völlig unbegründeten Anwürfe des genannten Herrn gegen die kinderattion des Ministeriums mit der größten Schärfe zurück. Herrn Dr. Jilly«nd seinen Gesinnungsgenossen wird hoffentlich auf geraume Zett hinaus die Lust vergehen, über ernste Dinge so verantwortungslos«nd so von Kenntnissen«nbesch wert herumzurrden, wie er dies im Ausschuß getan hat. Gegenüber dem Versuch jedweder einseitiger Darstellung verwies der Minister neuerlich darauf,' daß das Sinken der Population beide Bollstelle i Böhmens , den tschechischen ebenso wie den deutschen, mit der gleichen Härte trifft, und daß diese nahezu volle Balance— mit geringen Abschwächungen— auch in Mähren und Schlesien gegeben ist. Es sei also jeder Versuch, diese Sachlage unter Berufung auf die Populationsergebnisse durch die Behauptung vom drohenden„sudetendeutschen Volkstod" zu trüben, entschiedenst zurückzuweisen. Wenn Abg. Jilly darauf hinweist, daß der einzige Schuldige das liberalisttsche Staatsregime und seine ideologisch-materialistischen Unterlagen seien, dann sei daran zu erinnern, daß sich unter den Staaten mit sinkender Geburtlichkeit nahezu sämtliche Staaten Europas befinden, nicht nur unser Staat, sondern auch Polen . Italien . Ungarn und Oesterreich, und daß in Deutschland zwar in der letzten Zeit ein Aufstieg zu verzeichnen war, der aber von dem bedeutendsten reich-deutschen Populationssachmann Dr. Burgdorfer bei wiederholten Anlässen— der Minister hatte gerade die.Leit" zur Hand,— als nicht zureichend bezeichnet wurde.'Und doch werde niemand behaupten wollen, daß die genannten Staaten unter sogenannter liberalistischer Füh- rung stehen. Wenn e- zu dem von Abg. Dr. Jilly befürch- teten„völlStod" komm« sollte, müßt« nicht nur di« beiden groß« Nation« dieses Staate-, sondern alle Böller Europa - daran glauben. Der Minister wandte sich dann den Methoden zu. welche Abg. Jilly zur Verhinderung der Entvölkerung inS Treffen führte. Abgesehen von der undefinierbaren sogenannten.Lebensfreude" erzählte er von dm Berichten des statistischen ReichSamteS über die Zahl der fett 1933 gewährten„Ehestandsdarlehen" und anderen Hilfen. Wir fänden ihn also plötzlich, trotz seiner Abneigung gegen alles„Ideologisch-materialistische", wieder ganz auf materialischem Boden, der auch bei ihm der Weisheit letzter Schluß ist, wenn man von der Sterilisierung absieht, die sich ganz kurioS im Programm der.Lebensfreude" anSnimmt. Der Minister betonte, daß er zu dem Programm, das sich plastisch in dem Wotte„Wille zum Kinde" zusammenfassen lasse, positiv eingestellt sei, aber vorerst müßte für das„gewollte Kind" die nackte LebenSmö>'lichkeit und vor allem die Möglichkeit einer Entwicklung der Organismus gegeben sein. DaS ist das. vorläufig auf die Gesundheitsfürsorge gestellte— Programm der Gesundheitsministerium». Wir verkenn«, sagte Minister Dr. Czech, die Notwendigkeiten der Eugrull nicht, aber wtt wall« nach allem, waS wir von den Ergebnissen der Sterilisierung nach dem bekannten Muster von der„rassisch« Gesundheitslehre" hören, v»« dieser nichtSwissrn, brsonderS, da wir sehe«, daß sich auch in Staaten, in deiwn das Rezept dr- Her« Dr. Jilly verwirklicht ist, die Geburtlichkeit in ständigem Niedergang befindet. I Und wenn wir gerade jetzt von dieser Seite plötzlich zu hören bekommen, daß es nicht so sehr auf Idie Quantität als auf die Qualität ankommt. | dann sagen wir. daß die Qualität auch für uns ent« , scheidend ist und daß die Qualität unseres Nach» I Wuchses sehr g u t ist. Wenn wir in dem Augenblick, in dem die Sicherheit de- Staate- auf festen Grundlag« steht, die Ksher für diese Aufgabe eingestellten Kräfte frei bekommen, um nunmehr auch über den ges un dheitlichen Sektor hinaus für die Hebung der Population unseres Staates etwas fchaf» f« zu könnm, daun muß uns um unsere Zukunst nicht Lange feig. Der Minister wendote sich sodann mit der größ- tat Schärfe gegen dm Abg. Jilly, der die vom Ge- sundheitSministerimn durchgeführt« Staatliche Ge- ncsungaktion für Kinder Arbeitsloser als eine„sozialdemokratische Angelegenheit" bezeichnet hatte. Dr. Czech legte dar, daß alle Kautelen für eine Auswahl der Kinder rein nach sozial« Gesichts- punkten(Kinderauswahl durch die Schul««nd staatlich« Aorzt«, die BezirkSfozialkomutission« und die Bezirke) gegeben sei« und daß eS unerhört fei, eine mit so großem Erfolg durchgeführt« Aktion als politisch« Aktion z« verdächtig«. Dagegen könne nicht genug entschieden Verwahrung eingelegt «erd«. Gegenüber dem Hinweis auf daS Anwachsen der Diphtherieerkrankungen und dm Versuch,. auch diese Erscheinung lediglich der staatlichen GesundheitSbetwaltung anzulasten, verwies der Gesundheit-Minister darauf, daß die Diphtherieerkrankung« in den letzten vier Jahren bei uns ununterbrochen im Rückgang begriffen waren, während in einem benachbarten Staate in den Jahren 1931 bi- 1936 ein Aufstieq bis zu 6.5 Prozent zu verzeichn« war. Die Tatsache, daß daS Jahr 1937 ein Ansteigen um 500 Krankheitsfälle brachte, sei der Gegenstand größter Sorge des Ministeriums. DaS Gesundheitsministerium habe all« Vorsorgen getroffen und werde auch durch Maßnahm« an Ort und Stelle, durch ärztliche Instruktionskurse usw. alle» Gebotene zur Abwendung der Diphtherie unternehmen. Der beste Beweis bsefür sei. daß eine vor kurzem abgehaltene ärztliche Tagung ihre Beschlüsse dahin auSklingen ließ, der Aerzteschaft die genau« Beobachtung der vom Gesundheitsminister in den zurückliegenden Jcchren ausgegebenen Richtlinien zu empfehlen. Der Finanzminister Ober die deutschen Geldanstalten Finanzminister Dr. Kalfus befaßte sich im Schlußwort im Budgetausschuß u. a. auch mit der Liquidierung einiger deutscher Geldanstalten, der Zentralbank der deutschen Sparkassen, der Bolksbank und der Landbank. Er wies darauf hin, daß es sich hier nicht um eine Sanie- rung, sondern um di« L i q u i d i e r u n g der Anstalten handelt. Die Mittel, die zur Liquidierung der Landbank und BolkSbank nötig sind, werden für die Zukunft die Staatskasse nicht«ehr belasten; die Mittel zur Liquidierung der Zentralbank und der Karlsbader VereinSbank soll« vor allem durch die neuerrichtete Sparkassenzen« trale hereinqebracht werden. Ohne ziemliche Opfer deS Staates geht ei allerdings auch in diesen Fällen nicht ab. Diese Opfer waren aber unbedingt notwendig, wenn man den Einlegern dieser deutschen Instituts, also zum größten Teil Mitbürgern deutscher Nationalität, HLfe bringen wollte. Auf das Verlangen, ein Verzeichnis aller sanierten'Geldanstalten und der hiefür aufgewendeten Beträge vorzulegen, antwortete der Minister, daß daS Gesetz auS begreiflichen Gründen dies nicht zulasse. In diesen Dingen kenne die Finanzverwaltung keine nationalen Gesichts, punkte» sondern richte sich einzig nach den öffent- lichcn Interessen unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Mittel. Zu der Diskussion über die Polttik der Nationalbank im Zusammenhang mit den sogenannten Operationen auf dem freien Markt erklärte der Finanzminister im Budgetausschuß, daß die Nationalbank solche Operationen bereits auf anderen Wegen durchführe, die auf die Erhaltung und Steigerung der Liquidität des Geldmarktes abzie-en. Er verwies insbesoudere auf dw Einführung deS Börsenlombards, des Börsen« eScompts für Coupons von Gtaatspapieren, auf die Mitarbeit mit dem ReeScompte- und Lombardinstitut, auf die Liquidierung der Exportförderungen in freien Ländern mit Hilfe eines Kredites der Bank für internationale Zahlungen usw. Auf diese Weise bringen die Nationalbcock Banknoten im Wege beS Geldmärkte » und Umlaufe», wenn da» selbsttätige Instrument der Wechsel nicht gut funktioniere und die wachsende Wirtschaftsaktivität einen höheren Banknoten« umlauf erforderlich mache. ' Günstige Aussichten für das Budgetjahr 1937 Im Budgetausschuß teilte Dr. H o r ä k, der Präsident des Obersten Kontrollamtes, mit, daß die Bruttoeinnahmen der Staatskasse(ohne Abrechnung der Zuweisungen der Gruppe Hl) bis Ende Oktober 9837.S Millionen betragen, daS ist um 870.7 Millionen mehr als veranschlagt. Bei der definitiven Abrechnung der Zuweisungen können allerdings Aenderungen eintreten. An Ausgaben sind in derselben Zett 7128.4 Millionen auSgewiesen, das ist gegenüber dem Budget um 516.1 Millionen mehr. Darin sind aber auch Nachträge auf Konw des vergangenen Jahre» inbegriffen sowie gewisse Zahlungen für die darauffolgenden Monate, vor allem auch die Gehälter für den Monat November. Nach Abrechnung dieser Ausgaben sind die Gesamtausgaben gegenüber dem Budget nur etwa um 197 Millionen höher. Die bisherigen Ergebnisse berechtigen also zu einem günstigen Urteil über das Ergebnis des Budgetjahres 1937. Aufklärung über die»Reise-XL". In der Budgetdebatte hatte Abg. M a c e k(tschech. Sozdem.) das Finanzministerium wegen der Einrichtung der sogenannten„Reise« XL"»die gewissen Ausländern billiger abgegeben wird, heftig angegriffen. Finanzminister Dr. KalfuS erwiderte nun im Schlußwort, daß die Kurgäste und Touristen, die aus dem Auslande zu uns kommen, im Ausland Schecks in XL zum normalen Kurs kaufen- Bei uns werden diese Schecks aus gesperrten Forderungen honoriert. Die dabei gewährte Bonifikation geht auf Kosten der Eigentümer dieser gesperrten Forde« rungen, die sie lieber sofort mit einem gewissen Verlust realisieren, als abwarten wollen, bis die Freigabe auf dem normalen Wege möglich ist. Mit dem Kurs der XL hänge das nicht zusammen. Im Gegenteil: eS werde dadurch ein DiSagio bei Forderungen in XL vermieden, deren Transfer bei der normalen Bewilligungspraxis bald er seine Zell abgedient hat, geht er wieder nach Paris . „Sett ich beim Regiment bin, habe ich immer Schwein gehabt. Ich hoffe, daß eS auch an der Front so bleibt", sagt er. Ja, Iqcque» wird Glück haben im Leben. Ich l mißgönne es ihm nicht. Denn auch ich bin nicht mehr zu beklagen. Ich habe jetzt zwei Freunde» von denen ich mich nicht wieder trenne. Wo ich kann, bin ich ihnen gefällig. Sie sind träge. Wenn wir Waffen, Zaumzeug, Steigbügel putzen müssen, ziehen sie Gesichter. Dann sage ich: .»Laßt mich euren Kram mit machen. Ich gehe heute abend sowieso nicht au»." Dann lächelt Jacques, und ich fühl« mich belohnt. Als ich ihn zum erstenmal beim Vornamen nannte, war er nicht etwa beleidigt. Er ist ohne Dünkel. Seine Freundschaft bedeutet mir viel. Ich frage mich zuweilen, was mich eigentlich so glücklich macht. Jacques sagt nichts Außergewöhnliches. Und doch könnte ich ihm immer zuhören. Er wohnt im feinen Viertel, wo man die Aussicht über das Elaintal genießt. Ick beschleunige meinen Schritt, so freue ich mich, ihn wiederzusehen. »Herein, Kleinert" Sorgsam säubere ich meine Schuhe, ehe ich sein Zimmer betrete. Es ist geräumig, rot tapeziert, Bilder an den Wänden, bequeme Gessel auf dem Teppich. Die Fenster gehen nach Gärten hinaus. „Wundervoll!" „Na... nur das Bett ist gut. Setz dich." Er bietet mir eine englisch « Zigarette an, nimmt ein Buch und wirft sich auf» Bett. „Was ttägst du für einen drolligen Anzug, Jacques?" «Ein Pyjama. Gefällt eS dir?" Ich kann die Augen von meinem Freund nicht abwenden. Sein Benehmen, seine Bewegungen entzücken mich immer von neuem. Ich bin stolz auf seine Freundschaft. Hier, in diesem Zimmer, in seiner Gesellschaft vergesse ich di« Kaserne. Lemoigne kommt auch. Er macht eS sich bequem und wähtt ein Buch aus einem Haufen, der auf einem Tische liegt. Dann setzt er sich behaglich in einen Sessel und beginnt zu schmökern. „Was liest du, Lemoigne?" „Verse. Hör einmal da» Sonett." Er trägt es mit einer leidenschaftlich bewegten Stimme und mit ausdrucksvollen Gesten vor. „Baudelaire ", sagt er zum Schluß. «Lenne ich nicht." „Du würdest vermuttich Verlaine schöner finden. Aber kennst du überhaupt unsere Lyriker?" „Ein wenig, von der Schule her." „Sully-Prudhmnme?" Er sucht auf dem Tische ein andere- Buch. „Steck das in die Tasche:«Die Galanten Feste." Ich leihe dir noch„Weisheit." Iacque» ist aufgestanden und sieht mich fragend an. „Gehen wir au»?" Wenige Minuten später sind wir auf der Place d'Arme». Wir gehen in«in großes Cast. Meine Freunde suchen einen Tisch und rufen den Kellner. „Billard, Kleiner?" „Ich kann nicht spielen." Sie machen sich bereit. Ich wage kaum, mich zu bewegen. DaS hell« Licht der Kronleuchter blendet mich. Offiziere lesen di« Zeitung. Eine Frau in ausgeschnittenem Kleid« nippt an einem Gla» Likör. Zwischen zwei Blattpflanzen thront die Kassiererin. Meine Freunde beug« sich über dagrüne Tuch. Mit der Zett wächst meine Sicherheit. Draußen stehen Soldaten, auch Chargierte, die sich nicht hineintrauen. Ich muß an meine Anfang-Wochen denken. Ich sehe mein Bild in einem Spiegel: mit meiner Weißen Halsbinde und dem keß ans» Ohr gedrückten Käppi sehe ich nicht mehr wie ein Rekrut aus. Ich schlage nicht die Augen nieder, wenn mich ein Offizier ansieht, und gleichmütig lasse uh die Asche meiner Zigarette in eine Untertasse fallen. Ich muß an da- kleine Cast denken, wo ick- in meinen Band Barbusse vertieft, mich einsam meinem Weltschmerz überließ. Es war einmal.•• Lemoigne trinkt sein Gla- aus. „Wer hat gewonnen?" »Lsaco»." Iacque» gibt mir ein Zeichen. Ich antworte ihm mit einem Lächeln, in das ich meinen Dank, meine Freude, all meine Freundschaft lege.- Ich habe Lemoigne die beiden Bücher zurückgegeben, die er mir geliehen hatte. „$at dir da- gefallen?" Statt eine klare Antwort zu geben, habe i® irgend etwas gestammelt. Wie soll ich ihm M Neue, Verwirrende erklären, daS ich dabei empfinde? Es erinnert mich an die seltsamen Schauder, die mich überkamen, als Pierre mir den Begriff Gott zu erklären suchte. Lemoigne gibt mir einen Roman zu lest® „Madame Bovary", und sagt dabei: .(Fortsetzung folgt) „DaS wirst du besser verstehen." Komischer Kerl, dieser Lemoigne! Ich fühl* mich in seiner Gesellschaft nicht immer wohl, y beobachtet mich zuweilen mit einer Eindringlick- ftit, die mich-zwingt, die Augen niederzuschlagA Dann hat er noch eine andere, höchst widerli^ Angewohnheit: wenn er in Begeisterung geräh drückt er meinen Arm. Gr spricht zum Beists von den Griechen, von dem herrlichen Leben besonnter Küste, von den schönen Jünglings deren Leiber er bewundern möchte. Und dabei sei-Druck immer inniger. Ich höre ihm zu, lE mich von seinen Worten fortreißen, aber^ schweige. Sein gedunsene- Gesicht, seine grünes Augen, seine Gesten mißfallen mir. Vielleicht'? eS Jacques' Schönheü, die mich so anspruchsvo" macht?
Ausgabe
17 (27.11.1937) 279
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