Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh/ Einzelpreis 70 Heller

Redaktion und Verwaltung: Prag XII., Fochova 62- 17. Jahrgang

Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub Herausgeber: Giegfried Taub- Berantwortlicher Rebatteur: Rarl Rern, Brag Sonntag, 12. Dezember 1937

Die Sensation vorbei:

Nur Austritt aus dem Völkerbund

Alle anderen Gerüchte bewahrheiten sich nicht Rom . Der erwartete Austritt Italiens aus dem Völkerbunde ist Samstag abends von Mussolini dem Großen Faschistischen Nat vorgeschlagen und nach dem Beschluß den vor dem Palazzo Venezia versammelten faschistischen Verbänden mitteilt worden. Die Rede Muffoli nis, die im Rundfunk nicht nur in Italien , sondern auch in Deutschland und in Desterreich über­tragen wurde, war infolge technischer Fehler nur teilweise zu hören. Sie enthält außer der Mitteilung über den Austritt aus dem Völkerbund keine der übrigen angekündigten Sen­fationen und betont vielmehr die Friedensbereitschaft, für die Mussolini die Begegnung mit Sto jabinovič als neuen Beweis anführt.

Als erster betrat den Mittelbalkon der Ge neralsekretär der Faschistischen Partei, Sta zace, der unter atemlosem Schweigen der Menge berkündete:

Schwarzhemben! Der Große Nat des Fa­fchismus hat foeben durch Zuruf den Vorschlag bes Duce angenommen, daß Italien feinen Aus­tritt aus dem Völkerbund vollzieht.

Später zeigte sich, von stürmischem Jube!

begrüßt, der Duce auf dem Mittelbalkon.

In seiner Rede erklärte Mussolini , daß der Bölkerbund und das Genfer Milieu unter dem Einfluß dunkler Kräfte stehen, die gegen Italien und gegen die faschistische Revolution feindlich eingestellt feien. Unter diesen Umständen ſei Italiens Anwesenheit in Genf nicht mehr längertragbar gewesen. Für Italien habe es gegolten, fich zu entscheiden, im Völkerbund zu bleiben oder auszuscheiden.

Bei diesen Worten forderte die Menge unter grenzenlosem Jubel den Austritt aus dem Völ­Terbund.

Wir verlaffen", so fuhr Mussolini fort, ,, biesen Tempel in Genf , wo man nicht für den Frieden, sondern für den Krieg arbeitet, ohne irgendeine Neue zu empfinden. Es wäre grotest zu behaupten, daß wir diesen unseren Entschluß gefaßt hätten unter irgendeinem Druck bon seiten dritter Mächte. Unsere Kameraden von der Achse Berlin und Tokio haben sich dies­bezüglich der größten Zurückhaltung befleißigt."

Der Schritt Italiens sei ein großes ge­schichtliches Ereignis, dessen Folgen zur Zeit nicht absehbar seien. Mit seinem Austritt verlaffe aber Italien nicht die Fundamente fei­ner Politik, am Frieden Europas und der Welt mitzuarbeiten. Italien habe gerade in den letzten Tagen dafür einen neuen Beweis gegeben, indem es den Frieden an der Adria von neuem be­fiegelt habe.

Drohungen, die von feiten der großen Demokratien von Zeit zu Zeit an Italiens Adreffe gerichtet werden, ließen Italien vollkommen gleichgültig. Die Italiener feien ein großes Volk, bas zu jedem Opfer fähig fei. Das italienische Volk sei gerüstet auf dem Lande, zur See sowic in der Luft. Der heroische Geist der faschistischer Revolution könne sich keiner Kraft in der Welt beugen.

Die Rede Mussolinis zu der versammelten Be bölkerung dauerte etwa zehn Minuten. Der Duce wurde mit stürmischen Ovationen begrüßt. Die Menge brachte noch Hochrufe auf Mussolini aus. als die Musik bereits die ,, Adunata der Schwarz­hemden" zu spielen begann. Die Soldaten wink­ten mit ihren Dolchen und Gewehren. Auf dem festlich beleuchteten Platz fangen fünf Bataillone die Legionärkantate" und die ,, Giovinezza". Um

Die Forderungen

der Bergarbeiter Einigung über Aushilfe

[ 21.25 1hr befilierten afrikanische und spanische Freiwillige unter Gesängen vor dem Palazzo. Nur D'Annunzio fehlte

In der amtlichen Mitteilung heißt es, daß der Rat in Anwesenheit sämte licher Mitglieder mit der einzi gen Ausnahme von D'An nunzio den Vorschlag des Duce auf den sofortigen Austritt Italiens aus dem Völkerbund durch Akklamation angenommen hat.

Was alles erwartet wurde

Unter den zahlreichen Gerüchten, die über den mutmaßlichen Inhalt der Beschlüsse des Fa­schistischen Rates vorher in Rom kursierten, waren insbesondere folgende bemerkenswert:

Italien tritt auch aus dem Nichtinterven tions Ausschuß aus;

Italien werbe zum Raiserreich Italien" proklamiert werden, um den Schwierigkeiten zu entgehen, die sich der Anerkennung des Kaiser­reiches Abessinien" entgegenstellen;

treten.)

Von allen diesen Mutmaßungen ist jedoch Iteine einzige eingetroffen.

Italiens schwache Position

Aus dem Inhalt:

SdP- Konflikte

am laufenden Band

Generalstabskonferenzen

in Prag

Neue Advokatenordnung

Furchtbare Zugskatastrophe in England

Hodža Prager Ehrendoktor

Nr. 292

Asien und Europa

B. V. Paris . Seitdem die Achse Berlin­Rom nach Totio hin verlängert wurde, muß man sich in Europa daran gewöhnen weltpolitisch zu denken und den Ereignissen in Ostasien eine grös Bere Bedeutung einräumen als man bisher die gend am Fluffe Juba zwischen Italienisch- Soma- Gepflogenheit hatte. Wir neigten bisher zu einer liland und Britisch- Ostafrika abtreten, um so die europäisch- kontinentalen Betrachtungsweise und deutschen Kolonialansprüche praktisch anzuerken- wir werden umlernen, um nicht eines Tages vor nen.( Dieses Gebiet hatte Großbritannien durch unangenehme Ueberraschungen gestellt zu sein. einen Vertrag vom Jahre 1924 an Italien abge- Schon heute hat es den Anschein, als ob der chines sisch- japanische Krieg weit entscheidender für das Schicksal der Welt werden könnte als der in eine Sadgasse geratene Bürgerkrieg in Spanien . Das spanische Volt ist uns als Europäern ungleich näher, der ideologische Kampf, den es führt, ist auch der unsere. Menschliche Leiden wie politische Ereignisse verlieren mit dem Grade ihrer räum das ist eine lichen Entfernung an, Interesse oft ausgesprochene Wahrheit, die heute nicht mehr wahr sein sollte. Der Heroismus der chinesischen Patrioten reicht sicher an den der spanischen Anti­faschisten heran und man wird die Demonstra tionen des chinesischen Nationalgefühls beim Marsch der Javaner durch die internationale Stonzession von Schanghai nur mit Bewunderung zur Kenntnis genommen haben. Die Zahl der Todesopfer in Ostasien mag noch weit größer sein als auf der Pyrenäenhalbinsel. Wenn wir erst be­rücksichtigen, daß jede Schwierigkeit der West­mächte im Fernen Osten für Hitler größere Bes wegungsfreiheit in Zentraleuropa bedeutet, dann haben wir nicht nur den Sinn des sogenannten antikommunistischen Paftes erfaßt, sondern dann wissen wir auch, daß in China genau so um uns und für uns gekämpft wird wie in Spanien . Führt nicht jene uns wenig wohlgefinnte fonfer­bative Presse Eriglands den chinesisch- japanischen Krieg und seine Konsequenzen als Begründung für die Nachficht gegenüber den Europaforderun gen des Dritten Reiches an?

In Paris wird auf die fortschreitende Schwächung der italienischen Position in der internationalen Politik hingewiesen. Italiens Einfluß in Franco- Spanien sei geringer als vor dem Entschluß Englands, nach Franco- Spanien Konsularagenten zu schicken. Es sei Italien auch nicht gelungen, die freundliche Aufnahme einer britischen Militärmission in Portugal zu verhin­dern. In Mitteleuropa müsse Italien immer mehr vor Deutschland zurückweichen, so daß es sich anstrengen mußte, um vor dem Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Daranyi in Berlin durchzusetzen, daß dort die römischen Pro­tokolle als wichtigstes Vertragswerk Ungarns an­erkannt würden. Italien sei überhaupt in Ge­fahr, als Blizableiter der französisch- britischen Allianz zu dienen.

London antwortet heute?

London . In informierten politischen Streifen heißt es, daß schon Sonntag die Ant wort auf die Kundgebung Mussolinis und auf den Beschluß des Großen faschistischen Rates ge­Italien wolle dem Deutschen Reich die Ge- geben werden wird.

Nanking noch umkämpft

Toklo enttäuscht

Shanghai . Nach einem Bericht aus Maschinengewehre, Handgranaten und angeblich Nanking ist dort der chinesische Widerstand uner- auch Tränengasbomben ein. Im Morgengrauen wartet start. Die Samstag nachmittags in das gelang es den Japanern, die Gasmasken ver­Südtor eingedrungenen Japaner follen wieder wendeten, den Angriff zurückzuschlagen. hinausgedrängt worden sein, dabei eroberten die Chinesen vier japanische Tanks. Nach japanischen Meldungen ist das Südosttor erobert worden. Man rechnet jedoch mit einem weiteren starken Widerstand der Chinesen. Die auf dem Purpur­berg postierte japanische Artillerie bombardiert die Wälle von Nanking . Auch um das Tschun­schangate- Tor wird weiter heftig gekämpft.

In der inneren Stadt Nankings verblieb ein einziger britischer Bürger, der Storrespondent

des Reuterbüros.

Die Tokioter Preffe von Freitag schrieb über den Fall Nankings bereits als über eine fertige Tatsache. Die Deffentlichkeit ist jedoch ver­wundert, daß diese Meldung bisher nicht amtlich bestätigt wurde. Tokio ist bereits seit einigen Tagen zu einer großartigen Feier des Falles Nankings gerüstet.

Marionetten Japans

Der Sprecher der japanischen Regierung gab bekannt, daß 50 Vertreter verschiedener Bes zirke der Provinz Schansi in Tai Juan Fu eine provisorische autonome Regierung der Provinz

Einem Havas- Bericht zufolge unternahmen um Mitternacht auf Samstag chinesische Abteilun­gen einen kühnen Ausfall aus dem Tor des Triumphes" im Süden der Stadt. Sie fetten Schansi gebildet haben.

Delbos in Belgrad

Abschluß eines Handelsvertrages

Die demokratischen Mächte haben nichts Ent scheidendes unternommen als die faschistischen Staaten den Glauben an eine internationale Ge rechtigkeit zerstörten, der gerade den unterdrück ten Völkern innewohnt. Sie haben das findliche

Vertrauen, das der Negus von Aethiopien in die Genfer Institution feste, grausam getäuscht, sie nischen Völkerbunddelegierten trotz ihrer Präzi­haben die so schwerwiegenden Anklagen der spa= sion und ihrer juristisd, einwandfreien Form den Weg allen Papieres gehen lassen und für China . kam nicht einmal mehr das Forum der Liga der Nationen in Betracht. Die Signatare des Neun mächteabkommens begnügten sich damit, während der ergebnislosen Brüsseler Beratungen ihr Ges wissen zu erleichtern. Und in China wird gemor­det. Und die großen Seemächte bleiben sehr zum Unwillen ihrer eigenen öffentlichen Meinung re gungslos. Die Nationalregierung Chinas rich­tet hilfesuchende Blicke nach allen Seiten und auch fie stößt auf die Nichtintervention". So bleibt ihr nichts anderes übrig als die Vers mittlung Berlins anzurufen and damit Hitlers deutschland zum ersten Male eine weltpolitische Rolle anzuvertrauen, jenem preußischen Deutsch­ land

, das beim Boreraufstand die Devise ausgab: ,, Pardon wird nicht gewährt, Gefangene werden nicht gemacht". Noch ist diese Möglichkeit nicht wahrscheinlich. Der Krieg mit Japan hat das Nationalbewußtsein des chinesischen Volkes in uns geahntem Maße gestärkt und in vielen Fällen überhaupt erst wachgerüttelt. Ein weiterer ener gischer Widerstand gegen die Invasion ist somit durchaus denkbar.

Gefährliches Spiel mit dem Antikomintern- Pakt? Bukarest . Der französische Außenmini-| Klärung Stojadinovičs an Delbos, wonach Ju- Man hat in den leßten Jahren genug bittere ster Delbos hat Samstag vormittags die goslawien nur mit Zustimmung der beiden ande- Lehren empfangen, um davon abzukommen an rumänische Hauptstadt verlassen und die Reise ren Vertragspartner der Kleinen Entente dem das Weltgeschehen sentimentale Maßstäbe anzu­nach Belgrad angetreten, wo er Sonntag früh Antikomintern Patt beitreten werde. legen. Wenn schon die Wahrung, internationaler: Delbos soll ferner über die Absicht Jugoslawiens Sabungen nichts mehr darstellt, was einen kraft­unterrichtet werden, nach dem britischen Vorbild vollen Einsatz wert erscheinen läßt, so sollte dies Konsularagenten bei General Franco zu akkre- doch wenigstens nicht von der Verteidigung macht politischer und wirtschaftlicher Interessen gelten..

eintreffen wird.

ditieren.

ie ist es aber vorstellbar. daß drei Mächte sich dazu hergeben können auf eine Position zu ver­zichten, die wie die internationale und die frans zöſiſche Konzeſſion in Schanghai eine Schlüffel­

In Belgrad dürfte Delbos ein neues Handels­In Belgrad dürfte Delbos ein neues Handels­abkommen zwischen den beiden Staaten unterzeich= Das Tschechoslowakische Preßbüro meldet: nen, das den Clearing aufhebt, die Zahlung durch Am 11. Dezember wurde im Ministerium Devisen einführt und eine dauernd um 20 Pro Stojadinovič von Rom begeistert für öffentliche Arbeiten auf Grund des Beschluszent höhere Ausfuhr von Jugoslawien nach Der jugoslawische Ministerpräsident Sto fes ber Regierung unter dem Vorsitze des Mini Frankreich als umgekehrt garantiert. Das Abkom; ia di novič ist erst Samstag vormittags von ſters für öffentliche Arbeiten Ing. Dostálek über men sollte bereits bei dem Besuch des Miniſter ſeinem Besuch in Rom nach Belgrad zurückge- ſtellung in Ostasien bedeutet, von der aus der bie Forderungen der Bergarbeiter aus dem präsidenten Stojadinovič in Paris unterzeichnet tehrt. In einer Erklärung, die Stojadinovič dem Handel eines 400- Millionen- Boltes zum guten Offrau- Karwiner und aus dem nordböhmischen werden, doch tauchten damals Schwierigkeiten in Popolo d'Italia" abgab, heißt es bezeichnender Teil dirigiert wird. Schon maßen sich die Japa­Reviere verhandelt. Es wurde ein Uebereinkom der Richtung auf, wie sich die Abwertung des weise: Es ist notwendig, daß die Welt wiffe, ner Zoll- und Polizeibefugnisse in der interna­men über die Grundfäße erreicht, wonach eine Franc auf den Dienst der bisherigen französischen daß sie nicht mit Differenzen zwischen Italien tionalen Konzession an und die Großmächte tra­einmalige Aushilfe gewährt werden wird. Nach Anleihen an Jugoslawien auswirken werde. und Jugoslawien rechnen kann. Beide Länder gen feine Bedenken sie ihnen auch wirklich ein­diefen Grundfäßen werden die Verhandlungen In politischer Hinsicht rechnet man wie haben tatsächlich ein neues Blatt in der Geschichte zuräumen. Der Marsch der Japaner durch die über die Einzelheiten in allen Revieren unver­uns aus London mitgeteilt wird mit der Er ihrer gegeseitigen Beziehungen begonnen." Konzession wurde zwar von der britischen Presse Süglich aufgenommen werden.

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