Sozialdemokrat Zentralorgau der Deutsche» sozialdemokratischen Arbeiterpartei tn der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Mont»- täglich früh/ Einzelpreis 70 Heller Redaktion und Verwaltung: Prag   Xll., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub  - Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern. Prag  17. Jahrgang Mittwoch, 15. Dezember 1837 Nur dem Inhalt: Zusammenstöße mit der SdP im Senat Einschränkung des Regresses? Einigung auch in Kladno   und Ostrau  Neue Bedrohung des deut­ schen   Bodens in Südtirol  Nr. 294 Yvon Delbos  Der französische   Außenminister Avon DelboS stammt trotz seines bretonischen Vornamens nicht aus Nordfrankreich, sondern auS dem Südwesten, aus der Dordogne  , berühmt durch ihre prähi» Roosevelt   appelliert an Bestürzung in Tokio Japans Kaiser storischen. Funde. Er wurde am 7. Mai 1885 in der kleinen Gemeinde Thonac   geboren, wo sein Vater, der vor wenigen Monaten verschieden ist, Lehrer war. Auch sein Großvater übte dort den Lehrerberuf aus. Nach den Mittelschulstudien in Perigneux und später in Paris  , die er durchwegs mit Auszeichnung absolvierte, trat er ist die Ecole normale supLpeure über, die höchste fran- zosische Lehrstätte, die den ausgewählten Nach­wuchs zum Lehramt an der Universität vorbe­reitet. Fvon DelboS   legte an der philosophischen Fa­kultät die Fachprüfungen ab, er genoß den Ruf eines guten Lateiners und eines scharfsinnigen Interpreten französischer Dichter. Er schrieb einenBeitrag zur kritischen Ausgabe Lamartine  -.Meditationen", aber die Politik entführte ihn unversehens nach dem Beispiel seiner älteren Kollegen aus der Hohen Normalschule Jäür-, Herriot   und Lton Blüm der Universitätslaufbahn. Schon, im Jahre 1911 widmete er sich, dem Journalismus, zunächst als Literaturkritiker. lieber« laschend wandte sich DelboS aber der politischen Journalistik zu. Am 2. August 1914 mobilisiert, ging er als Sergeant eines Infanterieregimentes an die Front und wurde im September durch drei. Schüsse, an der Hand verwundet: Nach der Ausheilung seiner Ver­wundungen meldete er sich als. Pilot zur Flugwaffe und wurde wieder verwundet. ..Nach der Beendigung des Weltkrieges, bzw. nach der Demobilisierung kehrte Delbos   zur Jour- «alisük zurück. Im Jahre 1919 gründete Delbos  gemeinsam mit Herriot   das BlattEre nouvelle", an dessen Spitze er bis zum Jahre 1922 verblieb. Im. Jahre 1929 wurde Avon DelvoS Sekretär, im Jahre 1922 Vorsttzenderftellvertreter der Radi- kalsoziälistischen Partei und im Jahre 1924(nach einem Mißerfolg bei den Wahlen im Jahre 19191 Abgeordneter seines heimatlichen Kreises, der ihn seither immer wieder wählt. Im Parlament spielte Avon Delbos bald eine führende' Rolle, schon im Frühjahre 1925 vertraute ihm Ministerpräsident Painleve   den Posten eines llnterstaatSsekretarS für den technischen Unterricht und. die schönen. Künste und bald darauf nach der Demission Anatol de Monzi das Ministerium für Unterricht an, daS er bis zum November 1925 behält. Zehn Jahre hindurch lehnt Delbos   die verschie­denen Angebote der Ministerpräsidenten, in das Kabinett einzutreten, ab und widmet sich neuerdings der Tätigkeit in der Partei,- im Parlmyent und dem Journalismus. In diesen Jahren unternimmt er mehrere Reisen durch Europa   und auch nach Sowjetrußland.. Seine Eindrücke schildert er, zuerst in der ,La Dep-che de Toulouse" und später in dem im Jahre 1933 erscheinenden Buch ,Le Erperience rouge". . In den Jahren 1932 bis 1933 war DelboS stellvertretender Vorsitzender der Deputiertenkammer und zeitweise auch Vorsitzender d«S radikalsozialisti­schen Abgeordnetenklubs. Im Jänner 1936 ist er einer der ersten Sprecher, die den Sturz des Kabi­netts Lavals herbeiführen, und der Präsident der Republik   betraut ihn mit der Bildung der neuen Regierung. DelboS   lehnt ab, übernimmt jedoch daS Vizepräsidium in der Regierung und im Kabinett Albert Sarraut  (Jänner bis Juni 1936) da- Ju­ stizministerium.  , Räch den Parlamentswählen>m Fruhrahr des Vorjahres wurde Delbos   Außenminister im Kabinett Blum, welches Ressort er, auch im gegen, wärtigen Kabinett Chautemps bekleidet. Scharfe Proteste und japanische Entschuldigungen Loudon. Es wird hier bekannt, daß außer der schon überreichte« Note Amerika- au Japan  , die in äußerst scharfem Tone gehalten ist, der Präsident der Vereinigte« Staate«, Roosevelt  , eine Botschaft an de« japanischen Kaiser Hirohtto gerichtet hat, in der er von diesem Garantie« dafür verlangt, daß sich ähnliche Dorkommniffe wie jene, deretwege« Ame­ rika   jetzt einschreiten muß, nicht mehr wiederholen. Die Rote Roosevelt  - wird, ebenso wie die diplomatische Rote Ameri­ ka  -, in Tokio   geheimgehalte««nd hat in amtlichen japanischen Kreisen Be­stürzung Hervorgerufe«. Der Kaiser gilt in Japan   als gottähnliches Wese«, der nicht in die Politik hineingezogen werde« darf. Zum erste« Male seit dem Aufstieg Japan  - in die Reihe der Großmächte kommt es vor, daß ei« solcher Versuch unternommen wird, und noch daz« von einer auswärtige» Macht. Der Schritt Roosevett- Kan« angesichts dieser besondere« Stellung de- japanische« Kaisers sehr schwerwiegende Folge« habe«. Scharfe amerikanische Kote"eure englische Entscheidung Washin g l» n.(Reuter.) Der ameri­kanische Botschafter in Tokio   überreichte der japa­nischen Negierung ein« Rote, in welcher gegen di« Versenkung des Kanonenbootes»Panatz"«nd § dreier amerikanischer Handelsschiffe per schärfste , Protest eingelegt wird. I» der Rote wird darauf i verwiesen, daß bei zahlreichen früheren Gelegen­heiten die apamschen. Abteilungen die Rechte der ^Bereinigten Staaten verletzt hab«. I« letzt« Falle seien die japanischen bewaffnet« Kräfte IN einer derartigen Weise oorgegang«, daß die amerikanisch« Recht« überhaupt mißachtet wur­den. Unter dies« Umständen fordert die ameri­ kanische   Regierung von der japauisch« Regierung, sich formell zu entschuldige«, das Bedauern über diese Vorfälle auszusprechen, dm»ollen Ersatz der angerichteten Schä» deu zu garantieren»nd Schritte zu unternehmen, daß künftighin die Interessen und Güter ameri­kanischer Staatsbürger in China   weder Angriff« der japanischen bewaffneten Kräfte noch ungesetz­lich« Eingriff« durch die japanischen Behörde« oder di« japanisch« Militärabteilungen ausgesetzt werden. Die Rote betont schließlich, daß die Ver­nichtung der vier Schiffe die Regierung und daS Volk der Vereinigt« Staat« statt beeindruckt habe. Diese Schiffe hätt« sich mit unbestreitbarem Recht auf dem Aangtse-Fluß aufgehalt«»nd, mehrmals ihre Position« geändett, um der Ge- fahrrnzone auszuweich«. Nanking   ganz besetzt Schanghai.(Havas.) Ein Sprecher der ja­ panischen   Armee ettlärte Pressevertretern gegen­über, daß japanische Truppen Nanking   besetzten und die Stadt säubern. In Erwähnung des Falles von Nanking referiette der Sprecher über die antijapanisch« Stimmung, die in China   auch nach dem Fall von Nanking   zum Ausdrucke kommt und der japanischen Oeffentlichkeit bestätigt, daß der Krieg jetzt erst beginnt. Schattenregierung In Pelplng Tokio. Nach einer Meldung der Agentur Domei aus Peking   ist dott, wie angetündigt, am Dienstag vormittags um 11 Uhr Ortszeit die vorläufige Regierung der Republik China" ge­bildet worden.. Nach dem feierlichen Staatsakt in der Tschujentang-Halle nahmen die Ausschüsse für Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Recht­sprechung sofott ihre Arbeiten auf. Der Vor­sitzende des Gesetzgebungsausschusses Tangerho er« klärte chinesischen und japanischen Pressevertretern, daß die vorläufige Regierung zunächst für Ruhe und Ordnung im Lande sorgen und dann umfang­reich« Maßnahmen zur Herstellung einer vollen Verständigung zwischen dem chinesischen und japa­nischen Volke ergreifen wolle. Ausländische Beobachter legen der Tatsache große. Bedeutung bei, daß die neue Peipinger I Regierung alle Verträge und Abkommen Chinas  mit fremden Mächten respektiert. Sie erinnern daran, dass dadurch eine ähnliche Situation ent­steht, wie sie nach der Bildung der mandschuri» I scheu Regierung gegeben war, welche sich ver- London  . Das britische   Kabinett wird sich in seiner regelmäßigen Sitzung am Mittwoch mit den Maßnahmen befassen, die eine Wiederholung der Vorfälle verhindern sollen. In englischen par­lamentarischen Kreisen herrscht di« Auffassung vor, daß ein über einen Protest hinan Sge- h e n d e s demonstratives britisch-amerikanisches Vorgehen nicht nur eine Verbesserung der britisch­amerikanischen Position im Ferne,. Osten nach sich ziehen, sondern auch auf den Krien in China   selbst günstige Rückwirkung« haben müßte. Bis jetzt ist aber keine derartige Entscheidung gefallen. Auch Deutschland   erhebt Protest Wegen der Beschießung des englischen Schif­fesWangpu".auf dem sich auch die deutsche   Bot- schafterdlenststelle befand, durch japanische Artille­rie, hat das Berliner   Außenamt beim japanischen Geschäftsträger energischen Protest erhüben. Japans   Entschuldigung Tokio.  (Reuter.) Das japanische   Außen­ministerium hat der britisch« und der amerika­ nisch  « Botschaft ein Memorandum überreicht, in welchem sich die japanische   Regierung wegen der Angriffe japanischer Flugzeuge auf amerikanische  und englische Kriegsschiffe entschuldigt und dm Ettatz der bei dm Angriff« auf die Kanonmboote »Lady Bird" undPanay  " verursachten Schäden anbietet. In dem Memorandum wird weiter er» klärt, daß bereit- Vorkehrungen getroffen würdm, um ein« Wiederholung solcher Zwischenfälle zu verhindern. pflichtete, die Interessen und Rechte der auslän­dischen Mächte ohne Unterschied zu respektieren. Das soll bedeuten, daß nur jene Mächte, welche bereits sein werden, mit der neuen nordchinesi- schen Regierung in direkte Beziehungen zu treten, ihre erworbenen Privilegien behalten oder neue werden erwerben können. Chinesische Erfolge Peiping.(Reuter.) Auf der Strecke Peiping- Hankau wüteten in den letzten Tagen Heftige Kämpfe. Die Chinesen, welche die Stadt Wutaj« schau in der Provinz Schansi beherrschen, unter- nahmen einen Angriff auf die Eisenbahn und be­mächtigten sich der Stadt Sanschan. Dreijährige englische Rüstung: 133 Milliarden Ki London.(Eigenbericht.) Für die Ein­schätzung der internationak« Lage durch die dri- tische Regierung ist kmnzrichnmd ein« Erklärung, di« der Minister für die Vereinheitlichung der Landesverteidigung, Sir Thomas I u S k i p, am Dienstag im englisch  « Unterhaus abgab. Er sagte, daß die Aufrüstung Englands noch vier bis fünf Jahre fortgesetzt werden würde und daß sie täglich an Umfang zunrhme. In diesem Jahr wurden 278 Millionen Pfund Sterling aufgewm- det, im kommenden Jahr werden eS 320 Millionen und im Jahre 1939 gar 340 Million« Pfunde Sterling sein. Die volle Leistungshöhe der Rüstungsindustrie werde in etwa 18 Monaten er-, reicht sei«. Willkommener Gast Auf seiner Rundreise durch Ost- und Mittel­ europa   trifft der französische   Außenminister Delbos   heute in Prag   ein. Minister Delbos   weiß, daß er in Prag   zu aufrichtigen Freunden kommt. DaS Verhältnis der Tschechoslowakei   zu Frankreich   war seit der Schaffung der Tschechoslowakischen Republik ein besonders herzliches, ja das intimste, welches die­ses Land mtt irgend einer Großmacht verbindet. DaS hat seinen Ursprung in der besonder» Unter­stützung, welche Frankreich   der tschechoslowakischen Auslandsrevolution im Weltkrieg hat angedei­hen lassen und der Masarqk und Benes zum Teil den Sieg über, die Habsburger  -Monarchie zu ver­danken haben. In den ersten Jahren der Nach», krregszeit war das Verhältnis zu Frankreich   ge­radezu die Achse der tschechoslowakischen Außen­politik, was seinen international-rechtlichen Aus­druck in dem am 25. Jänner 1924 abgeschlossenen Bündnis fand, das durch keine der seither wech­selnden weltpolitischen Situationen erschüttert worden ist. Die.wirkliche Harmonie der Inter­essen und Gefühle", wie Benes als Außenmini­ster dieses Bündnis charakterisiert hat, blieb der ruhende Pol in der Außenpolitik der Tschechoslo­ wakei  , während sich die inneren Verhältnisse und die auswärtigen Beziehungen von Dutzenden Staaten ändetten. Wie sehr unsere Außenpolitik mit jener Frankreichs   verbunden ist, wurde ins­besondere in jenen schicksalhaften Monaten er­sichtlich, als die Sowjet-Union ihre Stellung zu Europa   ändert«, in den Völkerbund eintrat und als im Mai 1935 kurz nach einander erst Frank­ reich   und Dann die Tschechoslowakei   einen P.ttt tzegensettigkr Hilfeleistung mtt'der Sowfrt-Nnion abschlossen. Heute, da das Zusammengehen Ita­ liens  , Japans   und Deutschland   Wittlichkeit ge­worden ist, kann man erst richtig erkennen, wie vorausschauend diese Politik gewesen ist. DaS Zu­sammengehen der drei Staaten ist angesichts der faschistischen Gefahr eine Art Notwehr, es dient den Cristen,Interessen des demokratischen EilandS in Mitteleuropa   und es ist vor allem ein Instru­ment der Erhaltung des europäischen   Friedens. Unser Bündnis mit Frankreich   ist aber auch eine Brücke, die uns mit dem englischen Weltreich verbindet. Seitdem die unheilvollen Regierungen der Rechten in Frankreich   gestürzt sind an den» Sturz Lavals war der jetzige französische   Außen­minister hervorragend beteiligt ist daS Zu­sammengehen Frankreichs   und Englands ein so engeS geworden, daß man eS aus der europäischen  Lage nicht mehr wegdenken kann. Man bedenke nur. wie eS mit dem europäischen   Frieden und der europäischen   Demokratie bestellt wäre, wenn die beiden westlichen Demokratien nicht miteinander gingen. Mit England sind die Vereinigten Staa­ ten   befreundet, mit Frankreich   ist Rußland   ver­bündet, so daß wir eine Mächtegruppe von vier Großstaaten haben, deren Verbindung unterein­ander oft nur lose ist, die aber doch den faschisti­schen Angreifern Drohung und Schrecken ist Ge­wiß ist die Friedenssehnsucht in all den vier Groß­staaten so stark, dass sie sich bisher zu gemeinsa­mem kraftvollen Einschreiten gegen die Friedens­störer in Spanien  , Abessini« und China  , nicht entschließen konnten ein Zögern, daS den grundsätzlichen Anhängern der Demokratie ost auf die Nerven geht aber in dieser zerrütteten, zer­klüfteten Welt, in der die Barbarei Triumphe feiett, ist die illegale lose Vereinigung der vier Friedensmächte immerhin ein Gewinn, eine Tat­sache, die im entscheidenden-Augenblick auch den Angreife« und Friedensstörern zu Bewußtsein gebracht werden wird. Delbos   war vor Antritt seiner Reise in London   und wird der tschechoslo­wakischen Regierung auch den englischen Stand» , punkt verdolmetschen können, der darin besteht, daß das britische   Weltreich den Dingen in Mit­ teleuropa   nicht uninteressiert gegenübersteht. Der französische   Minister kommt in einem Augenblick nach Prag  , da manches zwischen ihm und seinem ffchechoslowakischen Kollegen zu bespre­chen sein wird. ES ist dies der Austritt J1ali«S aus dem Völkerbund, der allerdings auf die in­ternationale Haltung unseres Landes keinen be­sonder Einfluß ausüben wird. Die Auffassung, daß der Friede ein unteilbarer, die Sicherheit daher eine kollektive ist, wird keine Aenderung erfahren. Wichtiger ist.schon, welche Kunde Del­ bos   aus Warschau   und Belgrad   mitbringt. In Polen   wie in Jugoflawien macht man trotz der bestehenden Bündnisverttäge eine rein