Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh Einzelpreis 70 Heller

Redaktion und Verwaltung: Prag   XII., Fochova 62 Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub Berantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Brag 17. Jahrgang Samstag, 25. Dezember 1937

ОБЛ Aus dem Inhalt:

Weihnachtsbotschaft

des Präsidenten der Republik

Winterhilfsaktion

des Fürsorgeministeriums Vorstoß über Teruel   hinaus

Nr. 303

19/ smo

Das Fest der Liebe

-

einem Reiche der Gerechtigkeit und des Friedens, mehr als Traum und Hoffnung: eine Möglich­feit, und Wahrscheinlichkeit, und sie ließ ihn vor den Augen der Kämpfenden erstehen als mensch= heitliche Notwendigkeit.

Daß das Weihnachtsfest auch in dieser Zeit,[ listische Bewegung trugen die ersten sich ihr an- daß nicht nur sie das Tun der Menschen und der werden wollen, sich die Freiheit selber erkämpfen daß es auch in diesem Jahr, während zwei Kriege schließenden Arbeiter ihr Christentum hinein, ja Menschengruppen bestimmen, daß es noch andere, müssen oder sie wird ihnen nie zuteil, die Era weite Länder verwüsten und Hunderttausende sie sahen oft im Sozialismus eine Erneuerung ja jogar stärker wirkende gesellschaftliche Kräfte fenntnis des Klassencharakters der Gesellschaft und dem mit modernsten technischen Mitteln wütenden und Verwirklichung des Christentums. Als im gibt und daß ein und dieselbe Idee in verschie- der gesellschaftsgestaltenden Kraft der Wirtschafts­Tod zum Opfer fallen und in allen, in ausnahms Jahre 1863 zwei Arbeiter aus Asch sich an den denen Köpfen sich verschieden umformt. Den Ar- entwicklung, das war die Ueberwindung des los allen Ländern der Erde gerüstet wird wie nie Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein   wandten men' und Gedrückten war das Christentum durch sozialistischen Utopismus und sie erst machte aus zuvor, nicht nur als Familienfest und Volksfest und damit jenen Briefwechsel begannen, der zur die Jahrhunderte Lehre der Liebe, Verheißung des dem Sozialismus, also aus dem Wunsche nach gefeiert wird, sondern als Fest der Liebe, daß die weihnachtliche Liebes- und Friedensbotschaft auch in dieser Zeit der Unruhe und der Beklemmung und des Kriegslärms und des Waffensammelns verkündet wird, das mag vielen wie furchtbar bit­terer Hohn erscheinen. Aber nur wer nicht tiefer zu schauen vermag und unvertraut ist mit den tiefsten Sehnsüchten der Menschenherzen, wird darüber, daß trok Krieg und Kriegsangst und in­mitten des Wettrüstens zu Weihnachten auch dies­mal wieder und mehr und lauter als sonst vom Frieden gesprochen und die Liebe gepriesen wird, die Menschenliebe, verächtlich zu lächeln vermögen. Denn in Wahrheit geht nicht das Streben der Volksmaffen nach dem Krieg, sind ihre Herzen nicht erfüllt von Haßgedanken. Nein, sie wollen den Frieden! Sie wollen, daß Liebe das Verhal­ten des Menschen zum Menschen und von Volk zu Volf regle. Und weil es innerstem, tiefstem, schönstem Menschenbedürfnis entspricht, deshalb bleibt Weihnachten das Fest der Liebe!

Nie hätte das Christentum fiegend vom bor beren Orient aus über das ganze Abendland zie­hen fönnen, wäre nicht die Zeit reif gewesen für das Christentum, hätten nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse im römischen Weltreich die Herzen empfänglich gemacht für eine Lehre, die nicht den Krieg, sondern den Frieden und die Liebe ver= kündete, die nicht die Macht pries, sondern den Geist, nicht die Herrschaft, sondern die Freiheit der Person. Weil in den Menschen und wäre ihnen das auch in noch so geringem Maße zum Bewußtsein gekommen das Bedürfnis nach Liebe überstark geworden war, weil sie nach dem Frieden sich sehnten, deshalb fonnte und mußte die Lehre von der Menschenliebe sie gewinnen.

-

-

KRESSINES

24

Verteidigen wir die Demokratie, auf daß wir bauen können an der neuen Gesellschaft, die den endlichen Frieden bringen wird!

-

Immer aber blieb in der sozialistischen   Bes wegung der Strom der Liebe eine sie tragende Kraft. Ja, die Arbeiter waren, zum Kampfe ge­zwungen, immer wieder, zu hartem und oft opfers reichem Kampf. Aber ihr Kampf galt er Vers wirklichung der Liebesideale, der großen unsterb lichen Ideale der Humanität! Und Sozialisten gibt es, nicht bloß einzelne, sondern ganze Gruppen und Parteien, die ihren Sozialismus auch heute noch, wenngleich auf andere Art als die Utopisten, aus dem Christentum, aus der Lehre Jesu ablei ten, ihn christlich- sittlich begründen. Auch diese Sozialisten aber wissen, daß sie ihre 3deale nut fämpfend zum Siege führen können! Ja, es ist dasselbe Wollen, diefelbe Sehnsucht, das gleiche Verlangen nach Frieden und nach Liebe im Mits einanderleben der Menschen, die das Christentum groß machten, die in der Zeit des Kapitalismus in den Herzen von Millionen sozialistischer Ar­beiter leben!

Und dieses innersten Gehaltes des Sozia lismus, feines ethischen Kerns, seiner Humani tätsideale wollen wir vor allem zu Weihnachten gedenken. Ja, es ist auch den fämpfenden Arbei­tern ein Fest des Friedens und ein Fest der Liebe! Aber sie wissen auch, daß erst der Friede gesichert werden muß, daß die Liebe erst befreit werden muß, ehe das Weihnachtsfest mehr sein fann als Feier des schönsten Traumes der Menschheit. Nicht um des Kampfes willen fämpfen die Arbeiter, sondern weil sie dazu gezwungen sind. Und ihr Stampf, der ihnen so viel Mißachtung und Verun glimpfung und Haß eintrug, war nie gewollt als blutiger Kampf, und nie war sein Ziel Herrschaft, sondern die Aufhebung aller Herrschaft. Niemand hat das schöner und eindringlicher und begeister ter berfündet als Ferdinand Lassalle  , der Erwets ker der deutschen Arbeiter, und so recht als Ab­schluß einer Weihnachtsbetrachtung geeignet, weil

Aber dem Christentum erging es wie es noch jeder großen Idee erging: Es wurde ausgelegt und gedeutet und umgeformt, man brachte es zu­stande, sich zum Glauben an die Gleichheit aller vor Gott   zu bekennen und doch Gotteskinder bru­tal zu unterbrüden, sich zur Liebeslehre zu befen­nen und doch Haß zu säen und Kriege zu führen und die Gewalt zu verherrlichen. Das Christen­fum eroberte einen Großteil der Erde, aber je Gründung einer Ortsgruppe in Asch führte, schries| Sieges der Liebe und darum auch tröstender so flar, so lauter den Liebesgehalt des Sozialisa größere Massen es gewonnen hatte, um so mehr ben sie, daß sie nach der reinen Christenlehre leb- Glaube an Herstellung der Gleichheit zwischen mus und der Arbeiterbewegung erklärend, scheinen wurde die Welt und wurde das Leben entchrist ten und die Bibel ihre Richtschnur sei; folglich allen Gottestindern, den Besitzenden wurde es uns die Worte aus seinem Arbeiter- Programm" licht. Aber in den Massen, ja, gerade in den Mas- lieben, achten und ehren wir jeden Menschen, zu einer strengen Autoritätslehre, in deren Namen zu sein, die das sagen, daß, wer die Idee des Ar­sen der Unterdrückten und Entrechteten, der Ar- welcher Konfejjon er auch angehören mag. Nicht sie die Unterwürfigkeit und Demut und den Ge- beiterstandes als das herrschende Prinzip der Gea men und Elenden blieb durch die Jahrhunderte der Name, sondern die Tugend macht den Chri- horsam der Beherrschten forderten. So gab es seit sellschaft anruft, damit keinen trennenden Schrei die tiefe, die untilgbare Sehnsucht nach Frieden sten... Soweit wir uns in das Programm des langem zwei Arten des Christentums, zwei Deu- ausstößt, sondern vielmehr einen Schrei der Ver­und nach einem brüderlichen Zusammenleben der Herrn Lassalle   durch Ihr höchst geehrtes Antworts tungen der Lehre, und je mehr die Armen, die be- föhnung, einen Schrei, der die ganze Gesellschaft Menschen lebendig, und wann und wo immer sie schreiben und durch die vier uns gesendeten Drud drückten Arbeitsmenschen erkannten, daß die Ver- umfaßt, einen Schrei der Einigung, in den alle sich erhoben, im Versuche, ihre Stnechtschaft abzus schriften eingeweiht haben, kann es kein anderes fündung der Liebeslehre allein ihre Not nicht zu einstimmen sollten, welche Bevorrechtung und Un­werfen, taten sie es als Christen, beriefen sie sich Seil der Menschheit geben als die Ausführung wenden vermochte, daß sie ihre Anerkennung als terdrückung eines Volkes durch privilegierte auf das Christentum. So war es nicht nur in den dieser allerwichtigsten Aufgabe des Arbeiterstan- vollwertige Menschen, daß sie ihre Freiheit sich er- Stände nicht wollen, einen Schrei der Liebe, der, großen revolutionären Bewegungen im Mittel- des und Herr Lassalle   und respektive elle Sub- kämpfen mußten, um so rascher kam die Arbeiter seitdem er sich zum ersten Male aus dem Herzen alter und am Ausgange des Mittelalters, wie iekte, die sich mit ihm an die Spike stellen, sind bewegung in Fluß und um so breiter und mäch- des 2 Ites emporgerungen, für immer der wahre tiger wurde ihr Strom. Die leberwindung des Schrei des Volfes bleiben, und um seines Inhalts etwa im großen deutschen Bauernfrieg. Auf die für Erlöser der Staatsübel anzuerkennen." Aber gerade das Schicksal des Christentums Glaubens an die Macht der Liebe und der Ver- willen selbst dann noch Schrei der Liebe sein wird, Liebeslehre Jesu beriefen sich die großen soziali­ stischen   Utopisten, und noch in die moderne sozia- zeiat. daß es nicht auf die Ideen allein ankommt. nunft allein. die Erkenntnis. dak iene. die frei wenn er als Schlachtruf des Volkes ertönt."