ictfe 1.0 Samstag, 25 Dezember 1937 Nr. 303 Deutsche   Emigranten vor Thomas Münzer und Hubmaier In der ersten Hälfte des sechzehnten Jahr­hunderts flammte die erste große Revolution in der deutschen   Geschichte auf, jene Revolution, die imBauernkrieg" gipfelte, eine religiöse und soziale Bewegung, die Bauern und Handwerker erfaßte und in deren Verlauf sich das demokra­tische Bürgertum der Städte gegen"die ständi­schen Rats-Patrizier, der niedere Adel sich gegen die Fürsten   erhob. Wie alle bedeutenden historischen Bewegun­gen war auch diese deutsche   Revolutionsbewe­gung internationalen Ursprungs. Sie war ge­tragen von dem Geiste der Reformation, den der Engländer JohnWycliff im vierzehnten Jahrhundert entfacht hatte und dem dann in dem Tschechen Jan Hus   und nach ihm in dem Deutschen Luther und den Schweizern Zwingli   und Calvin   kirchliche Neuerer folgten, während die schon von Wycliff vorge­tragene soziale Reformätionsidee, daß wahres Christentum den Verzicht auf Privatbesitz   und wahre Frömmigkeit das Leben in Güter- und Arbeitsgemeinschaft for­dere, von den großen sektiererischen Bewegungen jener Zeit ausgenommen und im Kreise ihrer Anhänger brüderlich verwirklicht wurden. In Frankreich   waren es die Albigenser, in den(da­mals noch spanischen) Niederlanden die Beghar- den) in Böhmen   die Taboriten und nach ihnen die Böhmischen Brüder und unter dem Ein­fluß dieser von Westen und Süden her auf Deutschland   wirkenden revolutionären Strömun­gen entwickelte sich die deutsche   Revolution des sechzehnten Jahrhunderts. Zwei große dramatische und tragische End­punkte sind von ihr im Gedächtnis des deutschen  Volkes geblieben: die Schlacht bei Frankenhau­ sen   im Jahre 1825, in der das Bolksheer Thomas Münzers dem deutschen   Fürstenheer unter­lag, womit der Zusammenbruch des thüringi­schen und damit auch des mit ihm verbündeten süddeutschen Bauernaufstandes entschieden war, und die Einnahme der von denWiedertäufern" beherrschten und vom Heere des Bischofs Franz von Waldeck   länger als ein Jahr belagerten Stadt Münster   im Jahre 1535. Es waren hel­denhafte Verzweiflüngskämpf« religös-sozialisti- scher Schwarmgeister gegen die besser ausgerüstete Uebermacht von Söldnern, Verrätern, Fürsten  - und Bürgersöhnen, die unter dem Befehl der regierenden Landesherren und Bischöfe standen und sich teils auf die Autorität des fürstentreuen Reformators Martin Luther   und teils auf die seines Widersachers, des Papstes, berufen konnten. Thomas Münzer, die überragende Führergestalt der deutschen   Revolution des 16. Jahrhunderts, verfocht die sozialen Grund­sätze der Reformation gegen Luther  , der sich mit der Verwirllichung der kirchlichen Reformen be­gnügte, von Münzer abrückte und in seiner be­rüchtigten SchriftWieder die aufrührerischen und mörderischen Rotten der Bauern" die Für­ sten   zum Kampf gegen die aufständischen Bauern ermunterte. Die Widertäufer von Münster  , die in ihrer schwärmerischen Art die Stadt zum neuen Jerusalem  " erklärt hatten und in ihr ein kommunistisch-biblisches Königreich mit dem holländischen Schneider Jan Bockelson   alsKönig von Jerusalem" errichtet hatten, wurden von Philipp von Hessen  , dem fürstlichen Verbündeten Luthers   im Stich gelassen und bekämpft. Mit der Niederlage des Münzerschen Heeres bei Fran­kenhausen und ter Einnahme Münsters, mit der Verbrennung Thomas Münzers und der grau­samen Hinrichtung Bockelsons war die soziale Revolution in Deutschland   für Jahrhunderte er­stickt. Eine parteiische Geschichtsschreibung hat die Besiegten von damals als Irrsinnige und Verbrecher hingestellt: aber die sozialistischen  Historiker haben später die Bedeutung jener Kämpfe erkannt. Friedrich Engels  ' hat. gestützt auf Zimmermanns WerkGeschichte des großen Bauernkriegs" seine AbhandlungDer deutsche Bauernkrieg" geschrieben, und Karl K a u t s k Y hat in seinem WerkeVorläufer des neueren Sozialismus" den Bauernaufstand ebenso wie di« Bewegung der Wiedertäufer vom sozialistischen   Standpunkt untersucht und ge­würdigt. Die Revolutionsbewegung war, wie gesagt, internationalen Ursprungs, und es soll gerade in unseren Tagen daran erinnert werden, daß in ihr die Beziehungen zwischen DeutschenundTschechen eine gewichtige, bisher zu wenig gewürdigte Rolle spielten. Sie erschöpften sich nicht nur darin, daß die hussi­tische Lehre nach dem Ende der Hussitenkriege in der deutschen Reformation wieder auferstand. In Thomas Münzers bewegtem Leben gibt es eine bezeichnende Episode: als er 1521, da­mals noch katholischer Geistlicher, aber schon im Bunde mit Luther  , nach einem Aufstand. der Zwickauer Weber, als dessen Urheber man ihn bezeichnete, aus Sachsen   ausgewiesen wurde, kam er nach Böhmen  , ins Heimatland der Tabo­riten, und hielt Predigten in Prag  . Tho­mas Münzer aus Stolberg   in Thüringen   pre­digte in der böhmischen Hauptstadt vor Tsche­ chen  . Er bediente sich eines tschechischen Dol­metschers, und der Aufruf, den Münzer in Prag  anschlagen ließ, um seine Predigten anzuzeigen, begann mit den Worten:Ja, Tomaß Minczierz s Stplberku." Aber Prag  , das nie recht tabori- tisch gewesen war, gewährte Münzer kein ! dauerndes Asyl: schon im Jänner 1522 wurde der soziale Apostel wieder ausgewiesen und ging nach Sachsen.zurück. Zu jener Zeit hatte sich in der Schweiz   schon die Bewegung entwickelt, die später die zweite Phase der deutschen   Revo­lutionskämpfe beherrschte: die Bewegung der Wiedertäufer. Thomas Münzer begab sich, be­vor er den Aufstand in Süddeutschland   und Thüringen   organisierte, an die Schweizer   Grenze, um mit den Führern der Schweizer   Wiedertäu­fer zu verhandeln, aber die Unterredungen blie- 400 Jahren ben ohne praktisches Ergebnis, da die Schweizer  Täufer   zwar in den religiösen und sozialen Grundsätzen mit Münzer übereinstimmten, die Gewaltanwendung aber ablehnten. Die Schweizer   Wiedertäufer waren fried­liche Menschen, selbst die radikalsten unter ihnen, dieFreien Brüder", die nicht nur Güter-, son­dern auch Weibergemeinschaft predigten, lehnten die Gewalt ab. Ihr StreKn war nicht, die Macht zu ergreifen, sondern sich von den irdischen Mächten unabhängig zu machen, ein Sonder­dasein in heiliger Gemeinschaft zu führen. Sie wollten nich! gegen die Obrigkeit kämpfen, aber ihr auch nicht gehorchen: keine Steuern zahlen, keinen Kriegsdienst leisten, keine Eide   schwören. Die urchristliche Einrichtung der Erwachsenen­taufe, die denBrüdern",.wie sie sich selbst nannten, den NamenWiedertäufer" einbrachte, übernahmen sie von denBöhmischen Brüdern  ", bei denen Chelöicky diese Institution eingeführt hatte, weil es, wie er sagte, besser wäre,nach Art der alten Kirche nur Erwachsene zu taufen, die durch ihre Werke ihren Glauben bereits be­stätigen können". Trotz ihres friedlichen Charakters aber wurden auch die Schweizer   Wiedertäufer Gegen­stand der Verfolgung. Wie die sozialen Refor­matoren in Deutschland   in Gegensatz zu Luther  gerieten, so kamen die Schweizer   Täufer   in Kon­flikt mit. Zwingli  , der anfangs im Bunde mir ihnen gestanden hatte, aber seit 1523 zum poli­tischen Diktator geworden war, mit Unterstützung des Großen Rats von Zürich   eine Staatskirche errichtet hatte und sich von den Lehren der Wie­dertäufer lossagte und zur Unterdrückung dieser anarchistischen Bewegung aufforderte. Der Ausgangspunkt der Schweizer   Wieder­täuferbewegung waren die Städte, vor allem Basel  , wo der Pfarrer Reublin und der Magister Hans Denck   ihre Führer waren, mit denen bald auch der aus Augsburg   stammende Professor der Ingolstädter Universität Dr. Balthasar Hubmaier  , der nach Waldshut   in der Schweiz   emigriert war, in Verbindung trat. Hubmaiers Agitation in Waldshut   führte 1524 zur Lossagung dieser Stadt von den Habsbur­gern, denen sie bis dahin noch unterstanden hatte. Ostern 1525 trat Hubmaier   offen zu den Wiedertäufern über. Er ließ sich von Reublin. der aus Basel   herübergekommen war, taufen, und ganz Waldshut   folgte seinem Beispiel. Kurz darauf wurden auch Sankt Gallen   und Appenzell  für die Sache gewonnen, und während in Zürich  schon Zwingli   dabei war. die Wiedertäufer zu unterdrücken, breiteten sie sich in Basel   undBerti um so erfolgreicher aus. Aber Ende des Som­mers 1525, als die Bauernerhebung in Deutsch­ land   blutig niedergeschlagen war, begann auch der Terror gegen die friedlichen Schweizer   Rebel­len. Ueberall schritten das Patriziat und die neue Sjsaatskirche zu ihrer llnterdrückimg, die Führer wurden verhaftet oder vertrieben, ihre Anhänger mußten der Obrigkeit Gehorsam schwören. Waldshut   kapitulierte vor den Habs­burgern, Hubmaier floh nach Zürich  , wo er ver­haftet und gefangengesetzt wurde, und'er konnte sich die Freiheit nur durch eine Demütigung vor Zwingli   erkaufen, mit dem er öffentlich dispu­tieren und dabei seineIrrtümer" widerrufen mußte. Sobald Hubmaier   frei war, begab er sich nach Süddeutschland  , wohin auch andere Schwei­ zer   Wiedertäufer geflohen waren, darunter/Ma­gister Denck   und der radikale Hans H u t, die mit ihrer Agitation großen Erfolg hatten und in den süddeutschen Städten weitverbreitete wie- dertäuferische Geheimorganisationen gründeten, deren Zentrale in Augsburg   war, wohin sich auch Hubmaier   wandte. Aber auch in Süddeutsch­ land   begann man bald auf die Wiedertäufer auf­merksam zu werden und sie zu verfolgen. Hans Hut   verkündete zwar,' die Türken, die gegen Wien   zogen, würden die Obrigkeit vernichten und die Wiedertäufer sollten darauf ihre Hoffnung setzen, aber Hubmaier suchte nach einer anderen Rettung: er suchte für die Täufer ein Asyl in Böhmen  , in jenem Lande, in dem die Religions­kämpfe schon ausgekämpfl waren, eine gewisse Toleranz Platz gegriffen hatte und die Sekte der Böhmischen Brüder, die den Täufern so nahe verwandt war, sich des Schutzes vieler unabhän­giger Adelsherren erfreuen konnte. An diese Grundherren, die Kaunitz  , Lichten­ stein   und Zierotin, wandte sich Hubmaier, und er sand Gehör bei Leonhard von Lichtenstein, der den wiedertäuferischen Emigranten auf sei­nen mährischen Besitzungen in Nikolsburg  Asyl gewährte. Bald kam auch Hans Hut  , der Radikale, dorthin, und es begannen heftige Aus­einandersetzungen zwischen ihm und dem ge­mäßigten Hubmaier. Im Schloß zu Nikolsburg  sand 1527 ein Disput zwischen Hubmaier und Hans Hut   über die Frage statt, ob dieBrüder" bei dem bevorstehenden Türkeneinfall zu den Waffen greifen oder wie Hut verlangte durch Verzicht auf daS Schwert die Feinde des Kaisers begünstigen sollten. Hans Hut  , der der Leonhard von Lichtenstein in Ungnade fiel, mußte fliehen, er ging nach Süddeutschland   zurück, wurde in Augsburg   ergriffen und kam bei einem Fluchtversuch um. Hubmaier aber erklärte in einer gegen Huts Anhänger gerichteten SchriftVon dem Schwert":Etliche Brüder schließen aus der StelleMein Reich ist nicht von dieser Welt", daß ein Christ das Schwert nicht führen darf. Würden solche Leute die Augen ordentlich auftun, sie würden anders reden, nämlich, daß unser Reich von dieser Welt nicht sein sollte. Aber leider, Gott sei's ge- klagt, i st's von dieser Welt". Mit diesen auch heute nicht unaktuellen Worten wandte sich Huh- maier nicht nur vom ursprünglichen Pazifismus derBrüder" ab, er versuchte auch ein positi­veres Verhältnis zur Obrigkeit herzustellen, wie es die Böhmischen Brüder schon gefunden hatten. Sich selbst half Hubmaier damit freilich nicht. AüflBefthl"des"Häbsbürgers Ferd1nand, der seit 1526 König von Böhmen   und Ungarn   war, wurde Hubmaier   im Sommer 1527 in Nikols­ burg   verhaftet und am 10. März 1523 in Wien  auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Emigration der Wiedertäufer aber, die Hubmaier nach Mähren   gelenkt hatte, hielt auch nach seinem Tode an, und ihre weiteren Schick-' sale, deren lebendige Spuren sich noch heute in unserem Lande finden, sind wert, in einem be­sonderen Aufsatz behandelt zu werden. Uebe als Scheidungsgrund Von Oskar Baum  Rechtsanwalt Frömisch merkte nichts, als er heimtam. Er dachte, seine Frau habe sich irgend­wo bei einer Freundin verspätet oder sei im Theater. Selbst als er auf seinem Teller den Brief fand und ihre Schrift erkannte, dachte er an nichts weiter als an einen Scherz. Liebster I Wie soll ich es Dir erklären, warum ich auf- und davongehe? Du wirst mir nicht glauben, wenn ich auf­richtig bin. Ich sollte mir beinahe einen Grund erfinden, um mich nicht durch die Wahrheit lächer­lich zu machen. I weiß. Du liebst mich noch so wie am ersten Tage. Auf Deine Weise; Dich trifft also nicht das geringste Verschulden. Ich, siehst Du, ich liebe Dich weit mehr als damals, obgleich ich nicht mehr die unwissende kleine Schwärmerin bin und heute weiß, welche leeke Heuchelei hinter Deiner Zartheit und Rücksicht steckt. Hunderte von Frauen wären glücklich, wenn ihr Mann sich nicht die Mühe verdrießen ließe und nie vergäße, für sie gleichsam Mienen-Toilette an- zülegen, eine Liebesqualität von leichter Uebertrie- benheit vorzumachen, eine Ueberspanntheit aus Galanterie gewissermaßen als guten Ton festzu- haltenl Aber wenn man liebt, mein Freund, ist das mileidlich I Du mußt bedenken: Ich hätte Dich immer mehr nötig. Du aber Du brauchst mich nicht. Kein Protestieren! Du brauchst eben überhaupt niemanden. Es gibt nun einmal. Menschen, die von vornherein glücklich sind, die einen Mechanis­mus des Glücks in sich haben oder sagen wir: des gesicherten Wohlgefühls, das ihnen mit Glück gleichbedeutend ist und das durch nichts erschüttert werden kann. Du wirst zugeben, ich bin nicht sehr nützlich und förderlich für ein gesichertes Wohlgefühl. Hör' einmal, würdest Du es glauben, wenn man Dir sagte, daß ich Dir untreu geworden bin? Nun, i ch habe es von D i r geglaubt, ohne daß mir jemand etwas gesagt hätte, plötzlich ohne äußeren Anlaß kam mir die Idee... nicht etwa, weil Du so wenig zu Hause warst-- ich bin doch nicht so dumm! auch nicht, weil Du gerade die Abende ost im Klub, im Büro zubrachtest. Ich weiß, was ein so beschäftigter junger Rechtsanwalt von Deinem Ehrgeiz und Deiner Gewissenhaftig­keit zu leisten hat, will er seine Erfolge richtig ausnützen. Vielleicht war es nur einfach das Allgemeine: An unserer Liebe entwickelt sich mchts. In der Ehe hat man Rechte und Pflichten und die Ge­fühle sind das Dessert. Wir hatten einander lieb, schön! Das hatten wir nun schon dazu verwendet, daß wir uns heirateten. Was weiter? Wir hatten einander noch immer lieb, gut! Aber was ist eine treibende Kraft, wenn man nicht mehr von der Stelle zu kommen braucht? Dies alles war mir natürlich nicht so sonnen­klar. Mir fehlte nur eines: Ich fühlte, daß zwi­schen uns Nicht mehr alles so selbstverständlich leicht und überreich war wie einst. Da suchte ich krampfhaft nach jemandem, der Dich abzieht. Ich beobachtete jeden Deiner Schritte. Es schien mir beinahe ein Ausweg; beinahe eine Hoffnung, daß Du einen leichtsinnigen Streich begingest. Aber ich mußte schließlich merken, daß es nichts damit war; daß dieses Unveränderliche, Gewohnte, Laue nun das natürliche Verhältnis zwischen uns dar­stellte und daß es wohl gar nichts an unseren Be­ziehungen änderte, ob Du mir untreu warst oder nicht. Als ich kürzlich von dem Besuch auf dem Gut meiner Eltern zurückkam, ich hatte ihn absicht­lich so ausgedehnt und Tu warst doch nicht ge­kommen. mich zu besuchen; nun ja, ich weiß, der heikle Prozeß... als ich nun ausstieg, krank vor Bangigkeit nach Dir und als Du mir voll Uebermut strahlend in jugendlichem Feuer der außerehelich verbrachten Wochen entgegentratest da erschrak ich vor der Einfachheit der Tatsache Siehst Du, einen deutlichem Beweis braucht eine fixe Idee nicht. Wenn wir wenigstens Kinder hätten! Ich weiß, daß Du Dir sie sehr gewünscht hast und nur aus Rücksicht für mich darauf verzichtetest da ich um meine Freiheit und um meine Schönheit besorgt war. Aus solch einer dünnen Oberfläche von Gefühl kam Deine Rücksicht her. Wenn Du mich wirklich geliebt hättest, hättest Du wissen müssen, daß das eine ganz falsche Rücksicht war. Und Tu hättest wissen müssen, wi? ick> es heute weiß, was für mich das Nötigste, das Unentbehr­liche gewesen wäre.., Man fürchtet sich ja auch, wenn man Kinder hat, vor dem Altwerden, aber ohne sie ist es ganz unerträglich sinnlos! Vielleicht kann ein Mann nicht so mit gan­zem Wesen lieben wie wir. Dann ist es eben besser, wenn ich bei einem anderen Manne bin, an den ich mich nicht allzu sehr verschwende. Man kann es auf die Dauer nicht ertragen, daß man dem geliebten Mann nichts weniger als die Welt bedeutet. Bei einem Menschen, der einen selber nicht viel angeht, ist das nicht weiter tragisch. Mir scheint, das ist verrückt. Aber soll ich mich zu Tode grämen, weil es eigentlich das Ver­nünftigere wäre? Unter allen meinen Freundin­nen sind diejenigen, die ihre Männer lieben, am meisten zu bedauem. Sie denken an nichts, als in seinen Augen musterhaft dazustehen. Sie haben stets ihren unsichtbaren Oberlehrer über sich, auch wenn der Mann gar nicht so ist und es gar nicht will. Sie hasten nach Hause, wenn sie ahnen, daß er sic erwartet. Wenn es bei einer Teeplauderei am schönsten ist, müssen sie fort. Sie kommen nicht um fünf Minuten zu spät zum Mittag­over Abendessen. Sie schauen keinen Mann an. Sie richten sich mit ihren Toiletten, Gesten, ihren Büchern ganz nach seiner momentanen Laune und seinen momentanen Geschäften. Erinnerst Du Dich? Als der Arzt mir kürz­lich wegen meiner Luftröhrengeschichte nur fünf Zigaretten täglich erlaubte, mußte ich mir das Rauchen ganz abgewöhnen. Es war mir eine zu arge Qual, alle Tage durch das geringe Quantum nur gereizt zu werden. Ich will jetzt mal sehen, wie ein Leben schmeckt, das nicht ganz vernünftig und programm- I mäßig verläuft. Schließlich wird ja doch niemand anders den Schaden tragen, der wohl dabei nicht ausbleibt. So gehe ich denn also wie man so sägt in mein Verderben. Mit einem Menschen, der mich momentan amüsiert. Ich bin ein wenig neugierig, wie meine Nachfolgerin ausschen wird. Wirst Tu Dir eine vom gleichen Typ aussuchen? Oder möglichst das Gegenteil? Wenn Du nur etwas vorurteilsfreier wärest, könnten wir ja in Korrespondenz bleiben. Be« Gott  , ich glaube wirklich, ich werde Dich ewig lieb hahen, was Du Deinerseits mit Ehrlichkeit ganz gewiß nicht behaupten kannst. Vielleicht wird es meine Nachfolgerin besser haben; vielleicht wirst Du durch mich g-lernr haben ich könnte das Ganze vor Neid und Wut sein lassen, wenn ich daran denke. Aber Du wirst Dich ja nicht ändern! Dazu bist Du viel zu ein-, gebildet und zufrieden. Trshalb mache ich-s jo vor allem: um einer Einbildung einmal eins zu versetzen. Noch etwas! Ich habe so viel Vertrauen zu Dir, daß ich Dir nicht verschweige, daß wir zwar nach Hollywood   gehen und nun weißt Du auch, mit wem ich verschwindeaber wir müssen uns zuerst nach Paris   wenden wegen ein paar Ergän­zungsengagements. Ich kann Dir wohl so viel Geschmack zutrauen, daß Tu uns nicht verfol­gen läßt..." Dr. Fromisch saß eine Weile still. Dl« Zigarre war ihm ausgegange:. Er sah ihre blau­schwarzen Augen unter den Hellen Brauen und noch viele helleren, fast rötlichen Haaren vor sich, ihre schlanken Glieder in ihrer übermütigen Be­weglichkeit und in der schlaffen Demut der Hin­gabe. Er hörte die etwas gebrochene» immer ein wenig ironische Stimme, und er erkannte jetzt in der Erinnerung einen verschämt mitschwingenden, kleinen, kindlich-weichen Gefühlston, der vergeb­lich mitschtvang und wart te, bis man ihn hörte. Dr. Fromisch erkan,.te: Cr war ein unfähi­ger untalentierter Verliebter und alles, was ihm zu versuchen übrig blieb, war lächerlich sinnlos, wenn es möglich gewesen, daß sie all die Zeit über nicht gemerft hatte, wie sehr er sie liebte.