Seite 2 DienStag, 28. Dezember 1887 Nr. 304 An unsere Abonnenten, Kolporteure und Inserenten Anläßlich des Reujahrstages am Samstag, den 1. Jänner, entfallt unsere Sonntagsnummer vom 2. Jänner. Das Blatt liegt sonach drei Tage auf und ist für Insertion besondergut geeignet. Die Verwaltung. fen haben, soferne es sie nicht schon getroffen har. ES wird die Frage beantworten muffen, ob es den Krieg gegen Tschiangkaischek auch im Innern Zentralchinas und an den Küsten Südchinas fort« setzen will. Es ist mehr als wahrscheinlich, daff Tokio ursprünglich davon Überzeugt war, die Einnahme Nankings werde das Ende des chinesischen Widerstands im Gefolge haben. Erst in den letzten Tagen hat man sich damit abgefunden, daff China den Fortgang des Krieges will. Das heißt aber, daß Japan gezwungen wird, quer durch die riesigen Räume Mittelchinas, das Dangtse-Tal hinauf der chinesischen Zentralregierung nachzujagen, um sie zu Verhandlungen zu zwingen. London.(Eigenbericht.) Die Bereinigten Staaten haben in ihrer Antwortnote an Tokio die japanischen Entschuldigungen wegen der Versenkung des Kanonenbootes„P a n a Y" akzeptiert, aber zugleich Tokio wissen lassen, daß mit dieser Konzession die Grenzrder ame rikanischen Zugeständnisse er. reicht sei. Wenn es sich in Zukunft Herausstellen sollte, daß die japanischen Garantien gegen eine Wiederholung derartiger Zwischenfälle wertlos sind, würde Präsident Roosevelt auch gegenüber der öffentlichen Meinung der Bereinigten Staaten in der Anwendung schärfster Maßnahmen gedeckt sein. Die amerikanische Antwort an Tokio lehnt überdies die japanische Darstellung des Panah- Zwischensalles ab. Washington zieht eS vor, an den Festrllungen drS amerikanischen SeegerichteS frstzuhalten. Dies« Rote, die in Tokio bereit- überreicht wurde, macht, wie in Washingtoner Kreisen erklärt wird, der diplomatischen Spannung zwischen Japan , und Amerika ein Ende, bedeutet aber an sich noch keine Liquidierung des Zwischen- falles. ES erübrigt noch die Festsetzung der Höhe deS von Japan z» leistende» Schadenersatzes. Die Note dürste die amerikanische Oeffrnt- lichkeit beruhigen, wenigstens für einige Tage, bis zur Vorführung deS FilmeS über da- Bombardement der„Panay ". Man ist der Meinung, daß die Rote den ersten Schritt zu einer engeren diplomatischen Zusammenarbeit Ameri kas mit den übrigen Unterzeichnerstaaten der Washingtoner Konvention zu dem Zwecke dar- IDas heißt andererseits, daß Japan die Widerstandszentren in Südchina, die die besten Soldaten des Landes und die wichtigsten Wege der Munitionsversorgung bergen, niederwerfen muß. Militärisch wäre Japan auch dieser Aufgabe vermutlich gewachsen. Aber die finanzielle Belastung eine-, unter solchen Umständen vielleicht Jahre währenden Kriege- wäre kaum erträglich. Genau in diesem Augenblick setzen England und die USA gemeinsam eine diplomatische Offensive ein, die in ihrer Schärfe beispiellos ist. Die englische Linie ist festgelegt: England wird genau so weit gehen wie die Vereinigten Staa ten . Die Entscheidung liegt also bei Roose velt und der öffentlichen Meinung der USA , die durch die letzten Zwischenfälle aufgewühlt wurde. Die Chicagoer Rede Roosevelts, die rm Namen des Völkerrechtes die Abkehr von der Isolierung forderte, war ein Mißerfolg. Nun versucht der amerikanische Präsident sein Volk durch den Hinweis auf die eigenen Jn- tereffen in Bewegung zu setzen» die in China bedroht sind. Es scheint, daß die Bevölkerung auf dieses Argument stärker reagiert. Ein Neuer Zwischenfall in China könnte den Au-schlag geben. Hier liegt für Japan da- stärkste Argument zur Vorsicht. Was die erst tastend angebahnte Zusammenarbeit zwischen England und den USA für die Weltpolitik Großbritannien - bedeutet, kann man sich ohne Schwierigkeit klar machen. In China geht es für England nicht bloß um die Verteidigung seiner eigenen Interessen, sondern mich um die ersehnte Einheitsfront der beiden angelsächsischen Demokratien. stellt, damit im Falle einer neuen durch Japan verursachten Komplikati»« ei» gemeinsames Borgehen angebahnt werde. * Die japanische Erklärung, wonach in den ovn Japanern besetzten Gebieten keine Ezterri- roriqlitätSrechte bei Verstößen gegen Japanmilitärische Gesetze anerkannt würden, stellt einen neuen Vorstoß gegen die Vereinigten Staaten , England und Frankreich dar. Auch gegenüber England weitreichende Entschuldigungen Tokio . Die japanische Nachrichten-Agentur„D o m r i" meldet, daß die Antwort der japanischen Regierung auf.die englische Rote über den Jangtse -Zwischenfall nunmehr fertiggestellt sei. Dir Rote komme zu dem Schluß, daß es sich um rin„bedauerliches Unglück" gehandelt hab«, verursacht durch ein„M i ß» e r- st ä n d n i s". Di« japanische Rote bringe das tiefe Bedauern Japans zum Ausdruck und enthalte dir Versicherung, daß geeignete Maßnahmen zur Verhinderung ähnlicher Zwischenfälle ergriffen werden würde«. Japan komme für di« durch das Unglück entstandenen Verluste auf. Vor dem Angriff auf Kanton? London.(Eigenbericht.) Eine japanische Landung in Südchina wird im Hinterland von Macao erwartet, wo am Montag 20 japanische Kriegsschiffe, darunter auch TranSportdampfrr «nd ein Flugzeugmutterschiff, gesichtet wurden. Aus diesem Gebiet führen direkte Straßen nach Kanton. Kriegsschauplatz Innerdeutschland Das fünfte Jahr der deutschen Diktatur neigt sich dem Ende zu. Der Terror wütet weiter. Er war keine Kinderkrankheit de-^Systerns, wie die aufgeschreckte Welt sich im Anfang einzurcden versuchte. Er ist das System selbst, ist das Knochengerüst, ohne das es zusammensacken müßte. Aus dem wilden Terror wurde inzwischen ein organisierter Terror— oder besser: die Wildheit ist organisiert worden. Aber sie hat dadurch nichts von ihrem Schrecken eingebüßt, säubern nur an Unentrinnbarkeit gewonnen. Fünf Jahre sind eine lange Frist, und viele Menschen im Ausland wenden sich resigniert von dem grauenhaften Anblick ab mit der Begründung:„wir können ja doch nicht helfen." Sic irren. Sich nicht abwenden, das Unbequeme tun, die Wahrheit nicht nur ertragen, sondern suchen lernen, heißt schon helfen. Die deutsche Regierung droht heute damit, sich für die in der Auslandspreffe erscheinenden Enthüllungen an den Gefangenen in den Konzentrationslagern zu rächen. Aber es wäre unausdenkbar, was mit den Gefangenen geschähe, wenn diese Drohung ihr Ziel erreichte, wenn die Stimme der Wahrheit, die in Deutschland zum Schweigen gebrächt wurde, auch in der übrigen Welt schwiege. Die„Deutschland-Berichte" der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands veröffentlichen in ihrer neuesten Ausgabe eine Uebersicht über die gegenwärtig im Dritten Reich bevorzugten Terrormethoden. Alle Feststellungen sind mit authentischen, aus dem Reich stammenden Tatsachenberichten belegt. Es wird zunächst darauf hingewieien, daß die Unterdrückung jeder politischen Opposition in Deutschland längst nicht mehr allein dem Zweck dient, die errungene Macht zu erhalten. Vielmehr versucht das Regime, sich auch vorbeugend gegen alle Aiderstandsregunsscn im Kriegsfall zu schützen. Deshalb eine ständig wachsende Zahl von Todesurteilen und Hinrichtungen. Deshalb die Verhängung von„Schutzhast" auf unbestimmte Zeit über jene Männer, die keinen Anlaß zu einer Strafverfolgung gegeben haben, deren Vergangenheit aber lehrt, daß sie eines Tages als Führer der Opposition in Frage kommen könnten. In einem Bericht aus Berlin heißt es: „Ich habe mit einem Scharfrichter gespro chen. Er erzählte, daß er und seine Kollegen jetzt vom Staat eine feste Anstellung erhalten haben. Es fänden täglich Exekutionen statt, man arbeite deshalb seit kurzer Zeit nicht mehr mit dem Hand-, sondern mit dem Fallbeil. An einem einzigen Tage in der dritten Juniwoche wurden allein in Köln vier Hinrichtungen vollzogen." Daneben werden gegen Oppositionelle täglich hohe Freiheitsstrafen verhängt. Die politischen Gefangenen, vor allem die Häftlinge in den Konzentrationslagern, die kein Urteilsspruch, sondern reine Willkür zu ihrem Los verdammt hat, werden weit härter behandelt als die Kriminellen. Sie sollen körperlich und seelisch zermürbt werden. Ein entlassener Dachauer Häftling berichtet: „Wir waren vollkommen der Willkür der SS ausgeliefert. Wenn einem Posten die Nase eines Gefangenen nicht gefiel, ließ er ihn„Sport" machen oder brachte ihn zur Meldung. Bei der ersten Meldung gibt eS meistens Strafarbeit, daheißt SonntagSarbeit. Wer mehrere Meldungen hat, bekommt Bunker und 25 Schläge... Weiter wurden Gefangene zu einer, bzw. zwei Stunden „Pfahlhängen" verurteilt. Die Gefangenen wurden mit den Armen nach rückwärts an den Handgelenken so aufgehangt, daß die Fußspitzen den ~ Boden gerade noch berührten..." Ein« Frau, die ihrer Gesinnung wegen ein« inehrjährige Zuchthausstrafe verbüßt hat, schreibt: „Die kriminellen Gefangenen werden beviw» zugt behandelt.,..Wenn einer Politischen vom Aufsicht-personal da- Leben besonders schwer ge- " macht wird, versuchen die Kameradinnen ihr Erleichterungen zu verschaffen. Kommt aber die Aufseherin dahinter, dann wird di« Gefangene in eine andere Abteilung versetzt.." Ein aus dem Gefängnis Bautzen Entlassener: „Fast alle polltifchen Gefangenen werden in ihrer Zelle beschäftigt und kommen nicht in die Arbeitssäle. Sie müssen Peitschenschnüre drehen oder Lumpe» zupfen. Kokosmatten, Abstreicher, Kohlensäcke flechten oder Tüten kleben. In den Tischler-, Schlosser- und Schmiedeweüftätten werden fast nur Kriminelle verwendet..." Viele politische Gefangene werden nach Verbüßung ihrer Strafe in ein Konzentrationslager geschasst und dort nach Willkür auf unbestimmte Zeit festgehalten. Aber auch die freigelassenen ^.Politischen " werden bespitzelt; man droht "mit neuer Verhaftung und erschwertihnen das berufliche Fortkommen. Der allgemeine Terror, der sich gegen jeden Deutschen richtet, auch gegen den Unpolitischen und Unverdächtigen, hat Deutsch land mit der Zeit in eine Art Belagerungszustand versetzt. Jeder fühlt sich belauert, beargwöhnt, bedroht. An den Grenzen gehen innerer Terror und Kriegsvorbereitung am sichtbarsten ineinander über. Was als Vorsicht nach außen gedacht ist, wirkt gleichzeitig als Bedrückung im Innern. Wir zitieren einige dieser Grenzberichte: Südwestdeutschland :...„Ganz scharf ist auch die Kontrolle beim Uebergang von Kehl nach.Straßburg . Jeder wird auf Herz und Nieren geprüft und wenn jemand keinen stichhaltigen Grund angeben kann, warum er hinüber will, macht er sich schon verdächtig. Tatsächlich ist seit etwa einem Jahr der Ausflugsverkehr nach Straß burg vollständig stillgelegt." Bayern :„Längs oer Grenze werden in kurzen Abständen größere Zollhäuser gebaut. Von den dort beschäftigten Arbeitern werden die Häuser als Kaserne« bezeichnet. Alle Räum« sind sehr groß." Die Bespitzelung der Bevölkerung nimmt zu, weil sich da- Regime mit wachsender Mißstimmung immer weniger auf freiwillige Denunziation stützen kann. Aus Berlin wird z. B. berichtet: „DaS Bedienungspersonal der Gaststätten wird vielfach dazu gezwungen, der Gestapo Hilfsdienste zu leisten. In Lokalen, wo viel getrunken wird, und den Gästen häufig der Mund übergeht, verstreicht fast keine Woche ohne einige Verhaftungen." Der Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler hat in einer Rede angekündigt, im Kriege werde es neben den Fronten zu Wasser, zu Lande und in der Lust ein»«» orerten Kriegsschauplatz geben:„Jnnerdeutschland". Wer den von uns zitierten Terrorabschnitt der„Deutschland-Berichte" lieft, gewinnt den Eindruck, daß Jnnerdeutschland heute schon ein Kriegsschauplatz ist» auf dem die wohlgerüsteten Terrortruppen weniger Machthaber einem wehrlosen, erbitterten Boll gegenüberstehen. „Panay “-Zwischenfall beigelegt? Ihr laßt den Armen schuldig werden... Von Nardorefe Neumann Sie hat nicht gerufen, sie ist ganz still, die Stimmbänder gelähmt vor Schreck. Die Binder aber kommt zu sich. Sie führt Adele an der Hand wieder zurück auf den Korridor. Dort schreit sie gellend: »Mord! Mord! Hilfe! Hilfe!" In dem Kontor hört man den Hilferuf nicht, dort ist niemand um diese Zeit; er dringt weiter zu dem Hausbesorger» Menschen eilen herbei— bald die Mordkommission der Polizei, die jemand telephonisch verständigt hat. Adele lehnt an der Korridorwand, leichenblaß. Me Binder spricht auf den Polizeikommissär unausgesetzt ein. Der wendet sich nun an Adele: »Und was wollten S i e in der Wohnung des Weiler?" Adele stammelt:„Ich? Ich? Ich weiß nicht! Ich kam von der Lieferung zurück, bekam starkes Ohrensausen— Flimmern vor den Augen — legte mich angezogen auf das Bett— und schlief sofort ein!" „Nicht danach stage ich Sie, sondern— was wollten Sie bei Weiler in der Wohnung?" Adele starrt den Polizeikommissär an. Wieder schwinden ihr fast die Sinne. Vor ihren Augen wird alles dunkel— dann ein großer blutroter Schein. Sie schüttelt sich vor Grauen, bedeckt das Gesicht mit den Händen. So steht sie, die ganze Zeit, bewacht von zwei Polizisten. Der Polizeikommiffär geht in ihre Stube. In Weilers Wohnung, in der Kammer, wird ein Mordüberfall inszeniert. Man hört Poltern, Hilferufe, Anordnungen. Dann kommt der Polizei kommiffär aus Adeles Wohnung, die Mordkommission steht beisammen. Adele hört: „In der Stube hört man jeden Laut, jedes Geräusch, warum haben Sie nicht Hilfe geholt?" Adele gibt keine Antwort, der Polizeikommissär befiehlt: „Sie kommen mit!" Und zur Binder:„Sie auch!" Adele folgt ohne ein Wort zu sprechen, während die Binder laut weint und ihre Unschuld beteuert. Am nächsten Tag melden die Zeitungen: „Die Bedienerin Binder hat ein volles Geständnis abgelegt. Sie und die Heimarbeiterin Adele Bergner haben den alten Weiler ermordet, um sich in den Besitz seiner Schmucksachen und des Bargeldes zu setzen. Während die Bedienerin alle- genau angibt, leugnet die Bergner hartnäckig, doch ist ihre Mitschuld durch die Aussage der Binder voll erwiesen." Adele Bergner sitzt den siebenten Monat in Untersuchungshaft. Sie ist an dem Tage, an dem sie so wundervoll von Marion geträumt hatte und so grausam aufgeweckt worden war, zusammengebrochen. Apathisch läßt sie alles über sich ergehen. Nur die Schuldstage vemeint sie hartnäckig. Man stellt ihr die Binder gegenüber. Der Untersuchungsrichter:„Also, Binder, sagen Sie es ihr mal ins Gesicht!" Die Binder:„Ich schwäre, was ich zu Protokoll gab, beruht auf Wahrheit!" Der Untersuchungsrichter:„Was jagen Sie jetzt, Bergner?" Die Bergner:„So wahr mst Gott helfe— ich bin unschuldig!" Die Binder geht, die Bergner muß bleiben. „Ueberlegen Sie sich'S, Bergner, reumütige» Geständnis ist ein MilderungSgrund l Ich werde Ihnen nochmals vorlesen, was die Binder auSge- sagt hat: „Ich kam am 28. November etwa- nach Uhr zu Weiler. Ich läutete, niemand öffnete. Da griff ich an die Türklinke, die Tür war auf. Ich ging erstaunt durch die Küche, in das Zimmer. Weiler war nicht zu sehen. Da fiel mir die nur zugelehnte Kammertüre auf. Ich trat ein. Weiler stand mit dem Rücken zur Türe, vor ihm lagen Goldstücke. Ich war so weg von dem vielen Gold, daß ich kein Wort rausbrachte. Schon oft habe ich versucht, in die Kammer zu kommen, aber Weiler war sehr mißtrauisch, er entfernte sich niemals, wenn ich austäumte, die Kammer war immer abgesperrt, in die ließ er mich überhaupt nicht. Als ich nun sah, daß der Alte so vertieft war, daß er mich gar nicht hörte, schlich ich zurück, klopfte bei der Bergner an. Wir hatten schon immer zusammen beraten, wie man den Geizhals drankriegen könnte. Ich hab der Bergner auch gesagt, daß sie ihm gefällt. Er lieh von ihr auch Bücher aus, sie besuchte ihn oft, das hat er mir selbst erzählt. Jetzt kam ich auf die Idee, dem Alten das Gold leicht wegnehmen zu können, wenn ich ihm die Bergner bringe. Die Bergner ließ mich in ihre Wohnung, ich erzählte ihr, was ich mir dachte. Sie ging gleich auf meinen Plan ein. Wir begaben uns ganz leis« wieder in die Wohnung Weilers. Ich-ging als erste, hinter mir die Bergner. Das hat er gehört. Er drehte sich um— erschrak. Ich sagte ihm:„So, Herr Weiler, jetzt teilen wir mal!" Der Alte war aber so erschrocken, weil wir ihn bei dem Gold sahen, daß er mit der Hand zur Tür wies, dann schrie er:„Raus, hier hat niemand was zu suchen!" Ich lachte. Die Bergner kam näher:„So, du alter Geizhals, mir gibst du nie einen Heller, warte nur, jetzt nimm ich mir, was mir gehört!" Der Weiler stieß sie zurück. Da schrie sie mir zu:„Schnell, Binder, gib chm eine mit der Hacke!" Sie selbst hatte ihm beim Hal- gepackt und würgte ihn. Er ist viel kleiner als sie und versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien. Im Handgemenge stürzte er, da nahm die Bergner die Hacke.und schlug zu. Dann suchten wir alles durch, wir wußten, er hat Geld und Sparkassabücher. Das fanden wir aber nicht. Me Goldstücke nahmen wir nicht an uns. dse Bergner meinte, das sei alles wertloses, altes Kupfergeld. Die Bergner zog mich dann aus der Wohnung und schrie:„Mörder!" Ich habe weder Schmuck, noch Geld an mich genommen. Ich gestehe aber, daß ich und auch die Bergner nur mit der Absicht in die Wohnung des alten Weiler gingen, um uns in den Besitz dieser Sachen zu setzen. Das ist die lautere Wahrheit. Ich bereue die Tat sehr, ich wollte den Weiler nicht ermorden, das hat die Bergner getan, ich hatte damals solche Furcht vor ihr, daß ich sie daran nicht zu hindern wagte." Adele hört dieses Geständnis der Binder das zweitemal. Unfaßbar ist es für sie. Sie hat gleich bei der Polizeiy,«iS sie sich von dem ersten Schreck erholte— wahrheitsgetreu erzählt, wieso sie in die Wohnung Weilers kam, was die Binder dort machte, wie sie zu ihrem Entsetzen den Weiler in einer Blutlache liegen sah, darüber so außer sich war, daß sie nicht gleich begriff, was der Polizeikommissär von ihr wollte. „Das ist alles unwahr", stammelte Adele auch die-mal. Sie war über die Niederträchtigkeit der Binder, die, ihrer Meinung nach, den Weiler selbst und ohne Mithilfe irgend jemandes ermordet hatte, faffungslos. Wie die Binder log! Die Geschichte mit dem Buch(vor Jahren)- bauschte sie auf, wie alles, was damals über Weiler gesprochen wurde. «Bei Weiler fand man tatsächlich dieses Buch!" „Das grüne Gesicht!" las Adele, während der Untersuchungsrichter weiterblätterte. „Adele Bergner" stand mit Tinte auf dem nächsten Blatt. „Ist das Ihre Handschrift?" „Ja!"—„Ihr Eigentum also?"—„Ja." —„Na, sehen Sie, warum sollte die Binder Mär- Len erzählen? DaS Buch hat Weiler von Ihnen auSgeliehen, vielmehr werden Sie es ihm geschenkt haben. Man läßt doch Bücher nicht jahrelang bek icmand, mit dem man ein einzigesmal gesprochen hat." (Fortsetzung folgt.)
Ausgabe
17 (28.12.1937) 304
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