Nr. 4 Donnerstag, 8. Jänner 1988 Seite S Der Tod Im Bergbau Im Monat September 1987 muhten sieben Bergarbeiter bei ihrer Arbeit das Leben lassen. Von den sieben tödlichen Grubenunfällen In die« sein Monat ereigneten sich drei im Steinkohlen«, drei im Braunkohlen« und einer im übrigen Bergbau. Je ein Unfall ereignete sich in den Ne« Vierbergamtsbezirken Komotau, Schlan , und SpiSska Nova VcS, je zwei in den Ncvierbcrg- amtSbezirken Mähr.-Ostrau »ud Banska Vystrica. In den ersten neun Monaten dieses Jahres ereigneten sich in. unserem Bergbau insgesamt 104 tödliche Unfälle. In derselben Zeit des Vorjahres sind 80 Bergarbeiter tödlich verunglückt. Die Zahl der tödlichen Grubenunfälle ist Heuer bedeutend höher als im Vorjahre. Daraus darf man schließen, daß die Arbeit in unseren Gruben immer lebensgefährlicher wird. Die Prager Vereinbarung gegen Massenentlassungen für Nordwest- böhmen bis Ende 1938 verlängert Die Union- der Bergarbeiter, der Svaz hör« nikü und die SdruZeni hornikü find an den Verein für die bergbaulichen Interessen in Nordwestböhmen mit dem Verlangen hcrangctretcn, die Prager Vereinbarung zum Schutze gegen Massen« entlassungen im Bergbau bis zum Jahresende 1088 zu verlängern. Nach erfolgtem Meinungsaustausch sind die beiden VertragSteile übereingekommen, die Gültigkeit der Prager Vereinbarung in der Fassung vom 18. April 1082 mit dem im Protokoll vom 12. Juli 1088 niedergelegtcn Klarstellungen bis zum 81. Dezember 1938 zu verlängern. Der 2.Absatz der lit. e) deS erwähnten Protokolls wurde in der letzten Fassung belbehalten und lautet:»Die Einzelkündigungen dürfe» bei den einzelnen Betrieben monatlich ein Prozent deS Mannschaftsstandes vom 1. Jänner 1037 nicht übersteigen. Damit sind die Bergarbeiter Nord« westböhmenS auf ei» weiteres Jahr vor Massenentlassungen geschützt. Krisenzeldien In der Textilindustrie Die Strumpffabrik Johann KudlichS Söhne in Troppau , die bisher mit 180 Arbeitern in zwei Schichten arbeitete, kürzt Infolge Absatzmangels wieder ihre Arbeitszeit. Die Schichtarbeit wird eingestellt, so daß voraussichtlich bis zuni Frühjahr«in großer Teil der Arbeiter wird entlassen Man erhält für K5 1OO Reichsmark",, Markmünzen... 608.— 860.— 100 österreichische Schilling 826.80 100 rumänische Lei... 14.88 100 polnische Zloty... 808.80 100 ungarische Pengö.. 541.— 100 Schweizer Franken. 688— 100 französische Francs. • 98.20 1 englisches Pfund.. 141.78. 1 amerikanischer Dollar. 28.38 100 italienische Lire.. 118.40 100 holländische Gulden. 1870.— 100 jugoslawische Dinare. 60.30 100 Belga«..... 482.— 100 dänische Kronen.. 631.— 100 schwedische Kronen • 729.— werden müssen. Dies ist In diesem Falle um so betrüblicher, als ein beträchtlicher Teil der Arbeiterschaft noch keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung hat.— Die Jutefabrik Gebrüder Hatschet in Troppau stellt wegen Auftrags- mangels das Ansuchen um Bewilligung der vor« Lbcrgehendcn-^stillegung. In dem Unternehmen sind derzeit 680 Arbeiter beschäftigt, davon 88 Prozent Frauen. (DND.) Keine Einstellung der Leinrnweberei Seidel in DcutschprauSnItz. Nachdem cS der Fa. Seidel Leincnweberci in DcutschprauSnItz, gelungen ist ein Darlehen aufzunehmcn und größere Bestellungen einliefen, wird keine Stillegung deS Betriebes, von welcher vor Weihnachten hie Rede war, erfolgen.(DND.) Handschuh-Ausfuhr weiter über Vorjahr. Im November ist der Export von Lederhandschuhen von 26,8 Millionen XL Im Oktober auf 21,4 Millionen XL zurückgegangen. Im Vergleich zum VorjahrSnovember mit einer Ausfuhr von ^8,1 Millionen XL besteht jedoch weiter ein kräftiger Vorsprung. Bester Kunde waren im November wieder die USA mit 8,8 Millionen XL vor England mit 6,8 Millionen XL.— In den ersten elf Monaten erreichte die Ausfuhr 8,0 Millionen Paar im Werte von 180,1 Millionen XL gegen 7,0 Millionen Paar für 143,0 Millionen XL In der gleichen VorjahreSzeit. Steigender Bierabsah in den Karpathenländer». Seit einiger Zeit macht sich ein Steigen deS BierabsaheS selbst in den südlichen Gebieten der Slowakei und KarpathoruhlandS, die im Grunde ausgesprochen« Weingebiete sind, bemerkbar. Während Böhmen und Mähren-Schlesien in den statistisch erfaßten Monaten des Jahres 1037 eine Verbrauchszunahme von rund 26 Prozent zu verzeichnen hatten, beträgt die VcrbrauchSzu- nahme der Slowakei und KarpathorußlandS volle 89.1 Prozent, wöbet sich in einzelnen agrarischen Gebieten der Konsum sogar verdoppelt hat. Man erwartet, daß diese Aufwärtsentwicklung auch Heuer anhalten wird.(DND.) liusfanit Rumänien auf Abwegen Die scharfe Sprache der französischen Linken Der Pariser ,,Populaire" befaßt sich abermals in einem außerordentlich scharfen Artikel mit der neuen rumänischen Politik und weist nach, daß die Konsequenz dessen, daß König Earol der totalitären nationalchristlichen Partei die Macht anvertraut hat, die Minderung der köillglichckr Macht selber feirf werde. V,Dis beiden Diktaturen, die der Partei und dis der Krone, die einander heute zu ergänzen scheinen, werden schließlich in Konflikt zueinander geraten müssen... Wenn eü ein Land gibt, in dem das Minderheiten-Problem nur durch loyale Zusammenarbeit und weite Toleranz gelöst werden kann, so ist cS wohl Rumänien . Wenn man den rassistischen Gesichtspunkt GogaS und die Parole „Rumänien den Rumänen" wirklich anwendete, dann würden die Grenzen Rumäniens sichtlich enger werden: Die Ungarn und die Deutschen TransylvanienS, die Bulgaren der Dobrndscha, die Slawen Bessarabiens und dazu die Juden müßten entweder Rumänien verlassen oder die Numänen davonjagen... König Carol hat sich, indem er die auswärtige Politik dem Paar Gogä—MiceScu anvertraute, der Achse Berlin— Rom angenähert. Nun, die Politik Deutschlands und Italiens ist durchaus revisionistisch und arbeitet auf die Zerstörung der durch den Versailler Vertrag geschaffenen Ordnung hin. Also arbeitet König Carol direkt gegen sein eigenes Land. Heute mag er sich an Worten berauschen, da man in Berlin und Rom für ihn nicht mit Komplimenten und Schmeicheleien spart. Aber eines Tages wird er bemerken, daß er, indem er die von den beiden faschistischen Mächten betriebene Zersetzung Europas erleichtern hilft, gleichzeitig die Grundlagen des internationalen Statuts Rumäniens gefährdet. Die totalitäre Tendenz, der bestialische Haß gegen die Minderheiten und die unweigerliche Sympathie für HItl.r und Musso lini , die die wesentlichen Kennzeichen der nationalchristlichen Bewegung sind, stellen unter dem Deckmantel des Nationalismus das a n t i- nationalste Regime dar, dem Rumänien sich ausliefern konnte." Massenmord an Juden In Dachau München. (Insa.) Einer Münchner Korrespondenz entnehmen wir: Die Mißhandlungen und Folterungen der im Konzentrationslager Dachau eingekerkerten jüdischen Häftlinge werden in der letzten Zeit zu einem regelrechten Masscn- mordsystem auSgcbaut. So wurde der inhaftierte Edgar L ö w e n st e i n ununterbrochen schikaniert und geschlagen, weil er körverlicki nicht in der Lage war, das von ihm geforderte Arbeitsvensum zu erfüllen. Schließlich warf die SS-Mannschasi ihn in einen See. Als Löwenstein sich herauS- gearbeitet hatte, ging er in die Baracke und erhängte sich. Ein anderer jüdischer Häftling namenS Löwenberg, wurde bei der Arbeit so lang» und heftig geschlagen, bis auch er Selbstmord beging. Der Jude Lewy wurde erschossen, weil er beim Sprechen mit einem Posten nicht die vorgeschriebenen sechs Meter Abstand hielt. Ein anderer Häftling betrat nach Aufforderung eines Postens, der hinter dem Stacheldraht außerha'd des Lagers stand, die sogenannte neutrale Zone, einen GraSstrcifen, der rund nm daS Gefangenenlager geht. Kaum hatte er diesen GraSstreifcn betreten, als eine Salve ihn tot niederstreckte. Ein im Sommer dieses Jahres nach Dachau unter dem Verdacht der Rassenfchand« gebrachter Jude war so krank, daß er nicht gehen konnte, weil er In der vorhergehenden Polizeihaft zerschlagen worden war. Er mußte mittags und abends von den Mithäftlingen zum Appellplatz gefahren werden. Nach acht Tagen starb er. Ein anderer Jude mußte unmittelbar nach seiner Einlieferung im Laufschritt einen Schubkarren sabr.en. Diese sipnlose Strafe wurde solange ausgedehnt, bis, er. von einem Herzschlag getroffen, tot zusammensänk. Der Itallenhche Terror auf Mallorca Kopenhagen. „Arbejderbladet" veröffentlicht den Bericht einer dänischen Frau. Witwe deS Bildhauers Ulmer, über den barbarischen Terror der italienischen BesahungStruppen auf den Ba« learen. Frau Ulmer hat mehr als vier Jahre in Spanien verbracht und wohnte auf Mallorca seit dem Ausbruch der faschistischen Rebellion, bis sie jetzt nach Dänemark zurückgekchrt ist. »Zwei Monate nach dem Ausbruch des Aufruhrs fing man in Palma an, in den Straßen Italienisch zu hören und es dauerte nicht lange. Ministerpräsident Dr. Kung Nach der Umbildung der chinesischen Regie« rung übernimmt der bisherige Finanzminister Dr. Kung das Reichsvollzugsamt und damit den Posten eines Ministerpräsidenten. bis die ganze Macht in den Händen der faschistischen italienischen Osfiziere lag. Mein Sohn und ich hatten keinerlei politische Sympathien und versuchten als Ausländer, uns den Ereignissen gegenüber neutral zu verhalten. Aber es war unmöglich, zur Terrorherrschaft der Faschisten neutral zu bleiben. ES geschah, daß der italienische Offizier— ein Graf— der auf der Insel daS oberste Kommando führte, seine Freunde und Bekannten zu Mittag einlud, und nach dem Essen lvohnten der Graf samt seinen Gästen den Hinrichtungen von Arbeitern und Antifaschisten als einer besonderen Belustigung bei. Ein zwölfjähriger Knabe wurde wegen seiner republikanischen Gesinnung getötet. Zwei junge Mädchen, die sich eines Abends über die Dunkelheit in den Straßen beklagten, wurden von den Faschisten am ganzen Kopf rasiert, selbst ihr« Augenbrauen waren entfernt worden. Ucberall gab eS faschistische Spitzel, und man mußte sich sehr in Acht nehmen, um nicht in die Fallen der Provokateure zu gehen. Die Grausamkeiten der faschistischen Offiziere Ivar grenzenlos. Eines Tages, als eine Gruppe Arbeiter hingerichtet werden sollte, rief einer:„Es lebe die Republik !" Sofort ließ der Offizier, der die HinrickstustgSkoloune kommandierte,, die Exekution aufschiebcn. Er ging auf den Arbeiter zu, dec gerufen hatte, und schlug ihm mit gewaltiger Kraft die Faust ins Gesicht. Nachdem er daö Gesichts des unglücklichen Arbeiters zerschlagen hatte, führte er die Hinrichtung durch. Sieben Rot-Kreuz-Krankenpflegerinncn, die nicht rechtzeitig aus der Stadt entkommen konnten, sind auch erschossen worden. Bon den Faschisten ist keine Gnade zu erivarten und sie machen vor Frauen und Kindern keine Ausnahme. Der Bischof von Palma predigte eines Sonntags in der Kirche, er segnete die Faschisten und erklärte „ES reicht nicht aus, die Roten selbst auSziirot- ten, auch ihre Brut muß getötet, muß auSgctilgt werden"." Anwerber am Golf von Guinea Ein Sklavenhändler erzählt MTP Tualn(Franz. Acquatorial-Afrika ) Der Tropenabcnd hatte sich auf die Meeresküste und den nahen Urwald gesenkt. Die Veranda des einsam gelegenen hölzernen Kolonialhauses war nur noch von dem Widerschein des fcuerfar- benen Streifens erhellt, der am westlichen Horizont flammte und blaßgoldene Lichtkegel hinauf in daS bleiche, Perlmutthast leuchtende Blau deS ZenjthS warf. Hinter dem Bretterhaus lag das Pflanzcndickicht des Urwaldes bereits im tiefen Dunkel des dichten ViätterdacheS der Vaumriejen, aus dessen Fläche, wie Riffe aus einem Meer, die Kronen vereinzelter Kokospalmen herausragten; und vor der Wohnstätte dehnte sich, jenseits des breiten, flachen SandstrandeSj die träge, milchiggraue abendliche See. Bald hatte sich das letzte Leuchten, daS letzte, gleichsam die Luft erfüllende matte siicht der kurzen tropischen Abende verflüchtigt, und die afrikanische Nacht sank herab, legte sich wie eine schwere samtene Decke auf alles Lebende, ließ Pflanzen und Tiere einschlummern, dämpfte alle Geräusche, wiegte die Menschen in erholende Lässigkeit. Auf der Veranda wurden leise, langsame Schritte vernehmbar: ein schlanker Neger mit ruhig.teilnahmslosem Antlitz brachte die Petroleumlampe. In ihrem Schein zeichnete sich nün da-.scharsgeschnittene Profil, meines Gastgebers ab.„Sie sind mir noch die versprochene Erzählung schuldig", unterbrach ich das Schweigen der Tropennacht.„Was Sie in dieser Gegend treiben. Sie sind„Anwerber". Wack bedeutet das? Was tun Sie? Wie kamen Sie dazu?" Mein Gastgeber, ein verschlossener, hagerer Mann.mit stechenden Augen In dem halbbraunen Gesicht, schenkte sich nachlässig einen Whisky ein,, schaute einen Augenblick lang wägend vor sich hin, und begann zu erzählen:„Gut, ich habe es Ihnen versprochen I Sie wissen, daß ich vor ungefähr neun Jahren nach Kamerun , nach Duala kam, als man in Europa noch glaubte, daß man in den Kolonien leicht und in kurzer Zeit reich werden könnt«, während infolge des damals bereits begonnenen Preissturzes der Kolonialprodukte die heutige Krisenperiode angesetzt hatte. Selbst die Hoffnung, eine Stellung finden zu können, mußte ich bald aufgeben, und so setzte ich mich kurz entschlossen eines Tages, um aus diesem von europäischer Kultur und Not erfaßten Stück Afrikas zu entfliehen, auf einen soeben entladenen Lastkraftwagen eines Pflanzers, der längs der Küste weiter nach Süden, fern von dem Handelszentrum Duala fuhr. „So wurde ich nach Bata verschlagen, wo mich schließlich ein Portugiese aufnahm, der eine Jagdkonzession des Gouverneurs der Kolonie besaß und der mich in seinem Handwerk anlernte. Später wurde ich allein ins Innere auf Jagd geschickt: mit abgezählten Patronen, in Begleitung einiger Neger; ich hatte die Beute abzuliefern und Rechenschaft über die verbrauchte Munition abzulegen. Sie sehen: auch in Afrika braucht man heutzutage AmtSstempel und muß Gebühren entrichten, und selbst das.Jagen im schwarzen Erdteil ist industrialisiert l Trotzdem ist dieses Leben abenteuerlich und gefährlich genug gelvesen: oft konnte ich nicht vor Einbruch der Dunkelheit biS zur nächsten Eingeborenensiediung gelangen, mußte im Urwald übernachten, und ich kann von Glück sprechen, daß ich kein Opfer der giftigen Tropenivelt geworden bin. „Aber ich hatte eine gute Schule durchge« macht, verstand jetzt, mit den Schwarzen umzugehen, so daß mich die Behörden als einen sachkundigen, zuverlässigen Menschen einzuschätze» begannen, der weder Unbequemlichkeiten noch Gefahren scheute. „Jy dem hiesigen Gebiet nun Ist die Bekämpfung der Malaria und der Schlafkrankheit noch nicht wirkungsvoll durchgeführt; aus den l benachbarten Kolonien verdingen sich die schwarzen Arbeiter ungern zu uns, und die Eingeborenen aus dem Innern ziehen e- vor, ihr altgewohntes Leben bei ihren Stämmen zu führen,§ls bei den Weißen an der Küste zu arbeiten. Daher: Arbeiterinangel. Für die Anwerbung eines Negers aus dem Innern werden ansehnliche Prämien bezahlt, und so faßte ich den Entschluß, mich um eine Konzession als„Anwerber" zu bemühen. „WaS ich als solcher zu tun habe? Ich ziehe Ins Innere, von Ncgerdorf zu Negerdorf, freunde mich mit dein StamineSältesten an, verhandele mit ihm— eine umständliche und langwierige Prozedur!—bis er sich gegen Bezahlung eines entsprechenden Preises dazu bereitfindet, einen oder mehrere junge Neger mit mir ziehen zu lassen. Die Neger, die sich verdingen, werden hierzulande immer seltener: sie bleiben lieber bei ihrem Stamm... der afrikanische Boden gibt ihnen ihre gewohnte Nahrung— Brotfrucht und Vuca— wozu sollten sie bei den Weißen Geld verdienen?" „Aber eS besteht für sie die Heiratsfrage I Die Sitte schreibt den hiesigen Stämmen vor, daß der Bräutigam den Vater der Begehrten, wen» er ihn nicht mit ein paar Stück Vieh bezahlen kann,, mit einem Betrag von ungefähr 800 Francs abfindet. Und Iver glücklicher Besitzer von 1200 Francs ist, kann sich zwei, wer 1800 Francs hat, kann sich den Luxus dreier legitimer Gattinnen leisten. Der„arme" Neger jedoch muß sich, um heiraten zu können, zur Arbeit bei den Weißen an der Küste oder auf den Plantagen verdingen." „Seinen Lohn erhalt er erst nach Ablauf der Jahre, zu denen er sich bei der zuständigen Kolynialbehörde verpflichtet hat, und nicht selten kommt es vor, daß— wenn er schlecht gearbeitet und im HanS oder in der Pflanzung Schaden angerichtet hat— er den entsprechenden Betrag vom Lohn abgezogen bekommt und der Nest dann so gering ist, dgß er sich ein weiteres Jahr verpflich ten muß, um das Geld zu bekommen, da- er be nötigt, um die heißbegehrte Tochter seinem zukünftigen Schwiegervater abzukaufen. Auf diese Weise— verstehen Sie mich recht— wird bei der Beschaffung von Arbeitskräften nachgeholfen." „Sie wundern sich, daß die Burschen nicht fortlaufen? Nein, daS kann sich der Neger nicht leisten: er könnte, bricht er sein dem Siammcs- ältcstcn gegebenes Wort, nicht zu den Seinen zurück; er würde ausgestoßen, von allen gemieden werde». Auch bei fremden Stämmen könnte er sich nicht halten. Es würde bald bekannt werden, daß er ein Wortbrüchiger ist: mit unheimlicher, für uns Europäer fast unbegreiflicher Geschwindigkeit verbreiten sich in Afrika die die Eingeborenen interessierenden Nachrichten und Neuigkeiten... ohne Telegraph, Post oder Radio... ES ist dies für viele Weiße eines der Geheimnisse des Urwaldes, dessen Mechanismus wir, die wir feit Jahren hier leben, ebenfalls nur ahnen." „Sie werden nun auch verstehen, lveshalb für die Negerstämme des hiesigen Gebiets ein gegebenes Wort eine bindendere, heiligere Verpflichtung ist, als es für den Weißen der zivilisierten Länder Gesetz und Vertrag sein können. Fast Neun Jahre lebe ich nun schon unter den Schwarzen und habe noch keinen Mord gesehen, kaum habe ich es erlebt, daß sich im Innern Neger geschlagen hätten. Ihre Streitigkeiten tragen sie mittels— allerdings oft endloser— Diskussionen aus." „Kürzlich wollte ich mich zur Erholung ein paar Monate in Europa aufhalten... und fuhr nach vierzehn Tagen wieder nach Afrika zurück: ich farrd mich in der Welt der Weißen nicht mehr zurecht. Der schwarze Erdteil hat mich erfaßt, ich lebe seinen Rhythmus, ich bin zu einem Menschen geworden, der sich von seinen Gesehen, seiner schweren, lastenden Ruhe und' seinem Geheimnis nicht mehr loSreihen kann. In der Kühle des Morgengrauens wache ich auf, sinke mittags mit der Hitze in müde Erschlaffung und erhebe mich abends wieder, wenn die lastende Glut weicht. Könnte ich j anderswo glücklicher fein?" L. St.
Ausgabe
18 (6.1.1938) 4
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