Seift* Freitag, 7. Jänner 1938 Nr. 8 Zum Gedächtnis Pernerstorfers Der juitflcn Arbeitergeneration ist Perner- storfer nur wenig bekannt. Kaum dem Namen nach. Die sudetendeutschen junge» Arbeiter wissen wenig von ihm, weil er, der Wiener , so ganz deutschösterreichischer Politiker war, wohl gelegentlich auch vor sudetendeutschen Proletariern sprach, aber sich so recht zu Hause doch nur in Wien fühlte. Mit der Generation, für die daalte Oesterreich mehr war als ein Bericht der Schulbücher, die in diesem Oesterreich lebte, kämpfte, Politik machte, mit dieser Generation verschwindet auch die Erinnerung an die großen politischen Führer jenes Staates. Und Perner- storfer, der vor zwanzig Jahren starb, am 7. Jänner 1918, schied gerade in einer Zeit aus dem> Leben, aus einem ebenso kampsreichen wie froh I genossenen Leben, als auch dieses alte Oesterreich sich seinem Ende zuneigte. Aber heute an Pernerstorfer erinnern: daist nicht nur Erfüllung einer Pietätspflicht. An Pernerstorser erinnern: das ist Hinweis auf einen Deutschen , der gerade deshalb, weil er dem deutschen Volk und der deutschen Sprache in leidenschaftlicher Liebe anhing, auch leidenschaftlicher Demokrat war, den sein Deutschtum zum In, ternationalisten, seine Volksliebe zum Sozialdemokraten gemacht hatte. Erinnerung an einen solchen Mann, an einen echten deutschen Demo« traten, an einen deutschen Sozialisten, in dem NationZlicbe und Liebe zur Menschheit zu wunderbarer Harmonie verschmolzen waren,— solche Erinnerung ist höchst notwendig in einer Zeit des ekelsten Mißbrauche- der Begriffe Nation und Sozialismus zu der demagogisch-lügnerischen Verbindung»Nationalsozialismus ",— in einer Zeit, da Demokratie als»undeutsch" und der Rassenaberglaube al- Grundlage des Deutschtums erklärt wird. Erinnerung an Pernerstorfer stimmt freilich auch recht wehmütig. Sie ist ja auch Erinnerung an eine bester« und schönere deutsche Vergangenheit. Wo sind heute Deutsche von Pernerstorfer- Art? Engelbert Pernerstorser, in Wien geboren am 27. April 1850, Sohn einer Hau-mcisterin und Näherin, die sich schwer plagen mußte, um ihrem Sohn den Besuch de- Gymnasium- ermöglichen zu können, hat schon al- Diittelschüler einen Freund gewonnen, der ihm treu blieb, dem er treu blieb bi- zum Tode: Viktor Adler . Freilich, so sehr beide übereinstimmten in der Liebe zur Freiheit, in der demokratischen Gesinnung, in der Liebe zu den Armen und in der Liebe zum deutschen Volk(damals war es aller Welt, war eS Deutschen ebenso selbstverständlich wie Juden, daß deutsche Juden— Deutsche waren), sie gingen al- junge Politiker doch bald verschiedene Wege. Zunächst freilich waren beide und mit ihnen auch Schönerer, der spätere Alldeutsche und bornierte Rasteantisemit, und Lueger , der spätere christlichsoziale Führer,„Deutschnationale", und da- war damals etwas ganz andere- als heute. Sie blieben es ziemlich lange. Noch 1882 arbei- tclen Pernerstorser und Adler gemeinsam mit Frirdjung. dem späteren Historiker, und Steinwender das Programm des Deutschnationalen Verein- au-, das, weil e- von einer großen Volksversammlung in Linz genehmigt wurde, da- Linzer Programm genannt wurde. Bald aber wanderte Adler ganz in- Lager der Arbeiter ab, während Pernerstorser noch geraume Zeit deutschnationaler— man kann wohl sagen: deutschdemo» kratischcr— Politiker blieb. Er wurde 1885 in I Wiener-Neustadt al- Kandidat der Tvutschnatio- nalen in den ReichSrat gewählt, dem er bis 1897 angehörtc. In diesem Jahre kandidierte er bereits als Sozialdemokrat in der fünften Kurie, fiel durch, wurde aber schon bei den nächsten Wahlen wiedergewählt und gehörte dann dem österreichischen Parlamente bi» zu seinem Tode an. Der Weg vom Deutschnationalen zum Sozialdemokraten war für Pernerstorfer nicht schwer. Wer sich in den siebziger und achtziger Jahren de- vorigen Jahrhunderts deutschnational nannte, war demokratisch, und Pernerstorfer, selber Arbeiterkind, hatte immer im Aufstieg der Arbeiter, in ihrem sozialen und kulturellen Aufstieg, die Vollendung der Nation gesehen. Al-»deutschnational" gleichbedeutend zu sein begann mit reaktionär, als gleichzeitig sichtbar wurde, wie sehr die junge sozialdemokratische Bewegung Kulturbewegung»var, da schloß sich Pernerstorfer der sozialdemokratischen Partei an— und Victor Adler - Jugendfreund wurde nun auch Adler- Partei- genoste. Als dcutschnationaler Abgeordneter hatte Pernerstorfer— so wie der tschechisch-bürgerliche Abgeordnete M a s a r y k und der Wiener kleinbürgerliche Demokrat Kronawetter— immer für di« Arbeiter gesprochen, für ihre sozialen Forderungen, für ihre wirtschaftlichen Rechte. Der Sozialdemokrat Pernerstorfer setzte die Tätigkeit de- Deutschnationalen Pernerstorfer fort. Pernerstorfer- Au-spruch:»Ich bin ein guter Internationalist, aber ich bin deutsch bi- in die Knochen" ist oft zitiert worden, zustimmend und ablehnend. Nun, man würde heute wohl kaum da- gleiche Bekenntnis zur Nation und zur Menschheit in dieselben Worte fasten. Aber den Weg, den Pernerstorfer gegangen ist, werden noch gar manche gehen: jene, die ihr Volk wirklich lieben und wissen, daß diese- ihr Volk sich vom Nationalismus loslösen muß und sich in die Völkergemeinschaft eingliedern, wenn e- nicht ins Verderben gehen will. Und jene, die erkennen, Berans Torpedo In der Brünner sozialdemokratischen Rov- nost beschäftigt sich Bürgermeisterstellvertreter Dr. Gier ausführlich mit der NeujahrSkund« gebung de- Obmannes der republikanischen Partei, Abg. Beran, die er als ein gegen die bestehende Koalition gerichtetes Torpedo bezeichnet. Eier schreibt u. a.: Die heutige Koalition ist trotz ihrer Mängel und ihrer Schwerfälligkeit im ganzen«in guter Ausdruck des Kräftegleichgewichte- in diesem Staate. Wir sind für ihre Erhaltung. Sie hat sich bewährt in den schweren Zeiten de- Staate» mit Ausnahme de- peinlichen Zeitabschnitte« der Präsidentenwahl. Die heutigt Koalition ist ohne die Partei de»„Närodnl sjedno« renl", ohne die slowakische Volk-Partei, ohne Kommunisten und selbswerftändlich auch ohne Unterstützung Henlein » au-gekommen. ES liegt kein Grund vor, di« Koalition zu erweitern. Collie trotzdem«ine Erweiterung der Koalition für notwendig befunden werden, dann natürlich in einer anderen Richtung al««S sich Herr Abgeordneter Beran vorstellt. Wenn Herr Abgeordneter Beran die 1J4 Million der Henleinwähler positiv einschätzt, dann irrt er sich. Ich glaub«, daß die 850.000 kommunistischen Wähler vom Standpunkt der inneren und äußeren Sicherheit de- Staate-, vom Standpunkt der sozialen Mission der Repu blik eine positivere Macht darstcllen, als die Hen- daß die Arbeiter die zukunfl-gestaltende Kraft der Nation sind— allen gogenlvärtigen Entrechtungen, zum Trotz. Auch seine innige Kulturverbundenheit hat Pernerstorfer, In dem heiße Liebe zur deutschen Dichtung lebte, zum Sozialdemokraten gemacht. Tie Volk-gesamthelt sollte zur Kultur cmporge- führt werden: »ES gibt keinen Idealismus, wenn man nicht satt ist und kein Dach hat. Aber vergeffcn Sie nicht, daß e- über der Praxis noch etwas anderes gibt, die Welt der höchsten Güter, und das sind schließlich nicht die Güter der technischen Kpltur — das sind nur Mittel, außerordentlich hochgeschätzte— über ihnen steht di« Kunst... Vergessen wir nicht, daß wir hinauf wollen mitunserem ganzen Bolle auf eine höhereStufe der geistigenKultur." So sprach Pernerstorfer, und diese Worte verdienen, lebendig zu bleiben in unseren Reihen. Und auch jene- schöne Bekenntnis zum Sozialismus als dem Befreier der Persönlichkeit: »Je höher der einzelne sich entwickelt, desto mehr ist er eine Besonderheit, desto mehr wird er Individuum. Nun will der Sozialismus die höhere Entwicklung der Menschheit. Ja, die Möglichkeit einer solchen Entwicklung vorzubereiten, ist sein eigentlicher Sinn. Er lehnt e- ab, ettva aus hungernden Herdentieren satte Herdentiere machen zu wollen. Er will den freien und selbstbewußten Menschen schaffen." Den freien und selbständigen MenschenI Den Menschen, der Deutscher sein will auf seine Art, nicht genormt nach Führerbefehlt Trn alle Kulturgüter mitgenleßenden Menschen! Wir wollen ihn schaffen— durch Selbsterziehung und durch unteren Kamvf um die Beseitigung aller Hindernisse des Aufstieges aller, durch unseren Kampf für den Sozialismus,— und in diesem Kampfe wollen wir immer wieder uns auch Engel, bert Pernerstorfers erinnern. J. H. leinwähler, von welchen wir übrigen- nicht wissen, wie viele«S heute sind. Der vom Herrn Abgeordneten Beran dargestellte Plan ist gefährlich. Es hat keinen politischen Sinn, diesen Plan mit Jammer, mit Beschimpfungen und mit Borwürfen der Undemokratie und deS Undanks gegenüber dem deutschen AktiviSmuS zu bekämpfen. Dieser Plan ist der Ausdruck gewisser materieller und Klasseninter« essen. Seine Durchführung setzt eine bestimmte Gruppierung der reaktionären Kräfte Vorau -. Seine Durchführung kann nur durch eine Gegenaktion und durch die Gruppiening von Kräften mit gegenteiligen, und politischen Vorzeichen vereitelt werden: Der Versuch einer auf die Hilf« der Henleinpartei gestützten rechten Regierung-« block- mit der Perspektive der späteren Teilnahme dieser Partei an der Regierung-macht wird ein elementare» Bedürfnis einer neuen Gruppiening der demokratischen und sozial fortschrittlichen Volkskräfte in diesem Staate Hervorrufen. Ich wiederhole: Wir sind für die Erhaltung der heutigen Koalition. Sollt« sie aber von der agrarischen Rechten torpediert werden, dann werden sich die Interessen der Tschechoslowakischen Republik eine solche neue Gruppiening der politischen Kräfte erzwingen, daß dieser Plan gegen die Sicherheit de- Staate» zunichte gemacht wird. Die agrarische Rechte hat eS schon einigemale für richtig gehalten, trotz ihrer Teilnahme an der Koalition und der Verpflichtungen, die sich gerade "Der Kampf“ Sozialistische Revue Heft 1, Jänner 1938, hat folgenden Inhalt: Gregor Bienst»ck: Rußland- Schicksal. Julien Kerflan(Part»)r Dir neue Mitte k Frankreich . Flavin «: Da-„Dritte Reich "— rin Anwalt ter Minderheiten? Joseph Bloch: Au- einem Briefe über da» Judentum. I. Falkenierg: Deutsche Autarkie. Fritz Weise: Die Lohnentwicklung im Konjunk- turauftchwung. Politische Bemerkungen:„Pressesrirden* mit dem Dritten Reich?— Auf Wilson» Spu- rrn?— Brvilkerunglpolttik und Sudetrndrutsch- tum— Portugal . Au» dem geistigen Leien: Unsere Theater — Ph. Dr. h. e. F.«.«refft. Bstchrrschan. Prei» de» Hefte» 8 XL, JahrrStezugSprei» 80 XL. Redaftion und Verwaltung: Prag II., Lützowova 37. für sie al» Partei de» Regierung-Vorsitzenden ergeben, mit außerhalb der Koalition befindlichen Elementen zu kokettieren. Dr. Eier nimmt nun diese taktische Bewegungsfreiheit, die sich der Bor« ttzende der Agrarpartei erlaubt, auch für sich in Anspruch. Praktisch allerdings ist der ideologische Entwicklungsprozeß der Kommunisten noch nicht so weit gediehen, daß diese für eine positive politische Arbeit in Betracht kommen. Die 850.000 Stimmen können für die Demokratie nicht so ausgenützt werden, wie er notwendig wäre. ES ist nur zu hoffen, daß diese große Anzahl von Walern allmählich für die positive Politik de» demokratischen Sozialismus gewonnen werden oder daß die kommunistischen Wähler«ine Führung zum Teufel jagen, welche nach den Bedürfnissen deS russischen Diktator», aber nicht nach den LcbenS- interessen der tschechoslowakischen Demokratie ihr Borgehen bestimmt. Der Präsident der Republik empfing am 6. Jänner 1988 den außerordentlichen rumänischen Gesandten und bevollmächtigten Minister George P. S. Aurelian in Audienz. Weiter empfing der Präsident den Prlmator der Stadt Prag , Doktor Peter Zenkl, der dem Präsidenten im Namen der Hauptstadt die Neujahrsglückwünsche überbrachte. Budapest.(MTJ) Im Wahlbezirke Bonhsad wurde Donnerstag der Kandidat der Kleinen Landwirte-Partei Anton Klein mit 10.580 Stimmen zum Abgeordneten gewählt. Sein Gegenkandidat, der Volksdeutsche Dr. Georg Goldschmidt erhielt nur 2506 Stimmen. Warschau . Dlättenneldungen zufolge wird noch im Jänner der Chef de» reichkdeutschen Militärflugwesens General Milch mit mehreren höheren Offizieren der reich-deutschen Luftflotte zu einem offiziellen Besuch in Warschau eintreffen. Bekanntlich weilte vor kurzem der Chef deS polnischen Militär« slugtvesens General Rayski zu einem offiziellen Besuch in Deutschland . ihr laßt den Armen schuldig werden... Von Nordorete Neumann Einen Augenblick steht Loisl, bringt sein AeuhercS in Ordnung. Mit dem Taschentuch wischt er den Schweiß vom Gesicht, streift die Handschuhe von den Händen, der eine ist blur- bcspritzt. Auch daS berührt Loisl nicht, er steckt die Handschuhe in die linke Rocktasche, kontrolliert seine Hose, sie ist rein, Blutflecke nur vorne am Rock. Hastig trocknet sie Loisl mit dem Taschentuch ab. Der Rock hat schon viele Flecke, niemandem werden die neu dazugekommenen auffallen. Loisl geht ohne Hast über die Treppe, vorbei an der Türe der Witwe, noch eine Treppe, rauS aus dem Tor. Die LengSfeldstraßc mündet in eine Seitengasse, Loisl geht ganz langsam, wenig Menschen gehen um diese Zeit durch die Nebengassen. Bald ist Loisi in einem breiten, sehr belebten Geschäft-Viertel, dort beachtet ihr niemand, denn alles eilt zur Straßenbahn,'zum Omnibus, es ist die Mittagspause, sie muß ausgenützt werden. So kam daß die Binder, die um viertel 1 Uhr bei Weiler vor der Türe steht, niemand aus der Treppe begegnet ist, Loisl Ivar zehn Minuten vorher schon aus dem Hause. Loisl ist zu Hause, er gibt den kleinen Brüdern zu dem Malzkassce(das Mittagmahl) ein Stück Kuchen. Er hätte so gern alles mitgebracht, was in den Auslagen der Lebensmittelgeschäfte zu sehen ist, aber die Vernunft sagt ihm: Vorsicht! Genug de» Fragen- der beiden Kleinen, von wo der gute Kuchen sei. Um halb 2 Uhr gehen die Brüder zur Schule. Loisl ist endlich allein. Sperrt die Türe ab, sucht in der Brieftasche. „Gott sei Dank, der Vertrag!" Jetzt löst sich die Spannung, Loisi laufen Tränen über die Wangen. Den Vertrag steckt er in den Ofen, viel Papier dazu, dann etwa; Aeste, die er aus dem Wiener Wald mühsam zusammengeklaubt hatte, irgendwie muß man ja den Winter durchhalten. Hoch schlägt die Flamme. Wärme und Harzgeruch erfüllen den Wohnraum. Ein blutbespritztes Taschentuch, ein Paar Handschuhe? Nichts bleibt übrig davon. „Den Schmuck muh ich vergraben! Die Brieftasche mit dem anderen Zeug noch verbrennen." Wieder verzehrt das Feuer einen Zeugen der Tat. Mit dem Schmuck und den Sparkassenbüchern(sie kann Loisi nicht brauchen, das Geld bekommt man nur gegen Losungswort) wird er zum Reserl fahren. Irgendwo vorher au-steigen, die Schmucksachen im Wald vergraben. Die Büchel aber? Bergraben? Keinen Sinn! Wieder brennt etwa» lichterloh im Ofen— am heften so. Das Bargeld? Soviel hat Loisl in seinem ganzen Leben nicht beisammen gehabt. Einige Tausend Schilling. „Gott sei Dank, lauter kleine Scheine!" Die verwahrt Loisi in der Wohnung, bei sich behält er nur das, was er glaubt, vor der Mutter verantworten zu können. Die Mutter! Die arme, verkrüppelte Mutter soll einige der Posten aufgeben. Nicht alle, daS würde auffallen, nur die schlechtesten soll Mutter absagen. Wie der Tag vergeht, Loisi weiß eS nicht. Er lebt wie im Traum. Abends schickt er den einen Kleinen um eine Zeitung. Vor dem Mord noch nichts zu lesen? Doch, in ganz großen Lettern die Tatsache: . Ermordet aüfgefunden. Die Binder und die Heimarbeiterin Bergner wurden verhaftet, schwere Verdachtsmomente liegen gegen die beiden Frauen vor." Regt sich etwas in dem wirklichen Täter? Nein! Hauptsache: auf ihn fällt kein Verdacht, kann keiner fallen. ES kommt alles darauf an, das Leben neu zu gestalte», aber vorsichtig, niemand— nur Reserl— weiß, daß er mit Weiler in Beziehung stand. „Reserl!" Leben kommt in den Jungen. Morgen, gleich früh, wird er losfahren. Aber zwischen dem Morgen und Heute liegt noch ein langer Abend. Dunkle Straßen will Loisi heut, kein Licht. Und vergessen l-„Kino! " Ein amerikanischer Film, die Sahne fliegt nur so, die dicke Köchin hat von de.u schlimmen Jungen eine- Portion mitten in- Gesicht abbekommen. Loifl lacht am hellsten, seine Nachbarn vor und hinter ihm, steckt er an. Wie befreiend quisit.daS Lachen au- LoisiS Brust. Weiler? Vertrag?' DaS ist weit, ganz weit entfernt. Unterwegs nach Hause aber überfällt eS den Jungen. So jäh, so stark, daß er nicht weiter kann. „Zwei Ünschuldige sitzen! Man wird sie verurteilen! Sie— htnrichtenl" Loisl zittert am ganzen Körper, daran hat er nicht gedacht. Er rennt durch Wien - Straßen, wie ein Wahnsinniger. Einmal aber muß er doch nach Hause. Neben der ahnungslosen Mutter schläft Loisl. Er hat sich ganz leise entkleidet, ist vorsichtig über die beiden Brüder gestiegen. Kaum hingelegt, schläft er. Sein Gesicht ist so ruhig— ja, der Mutter, die ihn mustert— scheint eS. Loisi lächelt. Abgearbeitete Hände, verkrüppelte Finger strecken die Bettdecke hoch, Loisl hat sich nicht mal richtig zugedeckt. Am anderen Morgen: „Mutterl, Glück hab ich endlich g'habt, ab Montag fang ich im Elektrizitätswerk an!" DaS Glück macht die Mutter ganz närrisch. Sie küßt den Loisi und dann wird Familienrat abgehalten. „Bon dem ersten Wochenlohn kriegen die Buben neue Wäsche, dann Schuhe, Anzüge. Später kommst du dran und dann ich, Mutterl!" „Ob es nur längere Zeit dauem wird mit der Stellung?" „Sicher Mutterl! Ich hab die feste Zusage!" , Wieder ist Loisl allein. Er besorgt eine Tageszeitung. Sein Gesicht wird ganz blaß al» er liest, die Binder habe gestanden. Er greift n:it der Hand nach der Stirne. „Hab ich geträumt? War ich«S, war eü die Binder?" Dann wieder die entsetzliche Angst. DaS Geständnis ist sicher nur eine Falle. Man will damit den wirtlichen Täter fangen. Aber nein! Es steht doch, die Binder habe eine genaue Schilderung der Tat gegeben? „Nur nicht verrückt werden!" fioifl verbrennt die Zeitung. WaS wollte er doch nur tun? Richtig, zum Reserl fahren. Reserl empfängt Ihn init großer Freude. Sie sind lang beisammen, allein. Reserl fragt viel, denn auch sie hat von dem Mord an Weiler durch die Krankenschwester erfahren. „Also hat den alten Geizhals das Schicksal gerichtet. Ich kann kein Mitleid empfinden, Loisl. ES war ein schlechter Mensch!" DaS sind für Loisl Woä«, di« er in sich aufnimmt, die ihn beruhigen, neue Kraft zum Leben geben. Er fährt beruhigt zurück. Die Stelle, wo er auf dem Weg zur Heilanstalt den Schnwck vergraben hat, wird er sich für immer merken. Einmal werden die Jahre vergehen, Gras über die Sache wachsen. Die Polizei, die der Binder wahrscheinlich das Geständnis erpreßt hat, wird nicht Siegerin bleiben. Beim Prozeß wird e» sich rauSstesien, daß die beiden Frauen unschuldig sind. Ja, muß sich herauSsteflen. DaS glaubt Loisi jetzt felsenfest und wird innerlich ganz ruhig. So vergehen viele Monat«. Loisl gibt der Mutter regelmäßig am Wochenende seinen „Lohn". Er besucht Reserl, mit der eS bergab geht. Der Arzt hat ihn mal zu sich bestellt. „Sie müssen auf«NeS gefaßt sein!" .(Fortsetzung folgt.)!
Ausgabe
18 (7.1.1938) 5
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