SozialdemokratZentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen RepublikErscheint mit Ausnahme de» Montag täglich friih/ Einzelpeei« 7S HellerRedavionu.Verwaltung: PragXll.,Fochova62-Telephon 53077-Herausgeber: Siegfried Laub-Verantwortlicher Redaveur: Karl Kern, PragAus dem Inhalt:Oesterreichs Arbeiterschaftkommt In BewegungRegierungserklärungerst nächste WocheTeruel geräumtDeutsches PostflugzeugabgestUrzt18 JahrgangMittwoch, 23. Feber 1938Nr. 45Eine Kundgebung des Ministerpräsidentender dramatischesten Ereignisse, dir das Parlamentseit langem erlebte. Man mutz bis zum Jahre1024 zurückgehen, um in der Debatte um denSinowjew- Brief Ähnliche Angriffe auf einenChef der britischen Regierung lMardonald) zubegegnen. Obwohl der allgemeine Eindruck sehrstart ist und die Regierung zweifellos stark anAnsehen eingebüßt hat» dürfte ste dennoch mitRuhig in die ZukunftlEin ausländischer Historiker aus der ZeitGeorgs von PodLbrad hat gesagt, daß eS genügthat, dem Lande und seiner Regierung seine natürlicheAufgabe eines Wahrere der Ordnung und der allgemeinen Sicherheit zuriickzugeben und das Land vereinigte um sich große Mengen Volkes und»neckte inihnen dal nationale Empfinden auf Kosten dessen,was man heute als ideologische Kämpfe bezeichnet.Auch auf diesem Vorbild haftet der Blick unsererGeneration. Daher unsere nchige feste Bereitschaftbei der Wahrung unserer Positionen, daher unsereinnere straft und daher die Fähigkeit zur Einigung-Daher unser klarer und ruhiger Blick in die Zukunft,daher unser festen und sicheren Hände.ihrer eigenen Volksseele quillt, ist sie zur Selbstdisziplin und zum Ausgleich zwischen den Teilinter»essen und jenen des Kollektivum- fähig und befähigtauch zur Zusammenarbeit. Wir haben also eine disziplinierte und kooperative Demokratie. Danim istdie tschechoslowakische Demokratie immer fähig zustaatspolitischer Gegenseitigkeit und solidarischer Verantwortlichkeit.Kultur nur in der DemokratieDer tschechoslowakisch« Staat stünde vor einerunerfüllbaren Aufgabe, ivenn in der geistigen Komposition seine- Volke- und daher auch in seiner Politik das traditionelle nationale Schaffensgefühl oderdie Demokratie fehlte. Wir kennen keinen Nationalismus ohne Demokratie, keine Demokratie ohneNationalismus. Ohne unseren kulturellen, modernenNationalismus besäßen wir nicht jenen geistigenQuell, aus welchem jedes Volk schafft und mich zuden gemeinschaftlichen Menschheitsidealen beiträgt.Die internationale Zusammenarbeit muß auf dengereiften und Dauernd wirksamen nationalen Kulturen beruhen und wir gehören in ihre Reihe.Wir bilden einen Staat und tragen auch in derRichtung für ihn die Verantwortung, daß er seinestaat-politischen Aufgaben auch gegenüber dm Angehörigen anderer national-kultureller Einheiten,welche au- hlstorischm oder geopolitischen Gründenzu unserem Staate gehörm, erfüllen soll. Ein Nationalismus aber, dem der demokratische Sinnund die demokratische Kultur fehlen, ist nichtImstande, im rigmm Staate die nationalen Rechteder anderen zu begreifen, um so wmigrr dir Zusammenarbeit mit ihren Trägem zu organisieren.Sturm gegen ChamberlainBewegte Sitzung im UnterhausZusammenstoß mit Lloyd GeorgeAls später Lloyd George Eden seine Sympathien aussprach, ereignete sich ein Zwischenfall.Ehamberlain unterbrach den Redner»nit der Feststellung, daß Grand! ihn bereits Sonntagfrüh davon verständigt habe, daß Italien denbritischen Spanien-Vorschlag annehme; er habedaraufhin die Negierung informiert. Da erhobsich Eden unter dem Jubel der Opposition underklärte, er habe bis zu seinem Rücktritt leineoffizielle Veralautbarung von der italienischen Re«gierung in diesem Sinne erhalten. Er wußtevon nichts und habe auch von Chamberlain nichtsersahren.— Chamberlain reagierte auf dieseFeststellung nicht.Jin Anschluss daran kam rö zu ungewöhnlichschweren Zusammenstössen zwischen Chamberlainund Lloyd George, der immer wieder betonte, dassder Ministerpräsident Eden von diesrin wichtigenDokument hätte sofort unterrichten müssen.Die unerwartete Auseinandersetzung zwieiner beträchtlichen Mehrheit aus diesem Treffenhervorgehen.Schützenhilfe Mussolinisfür ChamberlainIn Withe Hall ist, wie auf Anfrage bekanntgegeben wird, noch nicht festgestellt worden,ob Mussolini tatsächlich die Einstellung der antibritischen Rundfunksendungen von Bari verfügthat und ob dies auch tatsächlich durchgeführtwurde. Jedenfalls hat aber die Meldung des deritalienischen Botschaft nahestehenden„EveningStandard" über die Einstellung der antibritischenRundfunkpropaganda sensationell gewirktund dabei naturgemäß dir Lage Chantüerlainswesentlich unterstützt.Die tschechoslowakische Ausfuhr betrugt1933.». 8.900 Millionen Krone«1937«-« 11.970 Millionen KronenSie stieg also um 6070 Millionen Krone« oder 702 Prozent.Die deutsche Ausfuhr betrugt1933..... 4870 MiMonen Mark1937 5910 Millionen MarkSie stieg also um 1040 Millionen Mark oder 21 Prozent.Die Zunahme der Ausfuhr ist in der Tschechoslowakeifünfmal so groß wie in Deutschland!Hodza:„Wir bleiben der Demokratie treu!“Ministerpräsident Dr. Hodla wurde amDienstag zum Ehrendoktor der Philosophie ander Prager KarlS-llniversität promoviert. Erhielt aus diesem Anlaß eine programmatisch«,politische Rede,' dir wir folgendes entnehmen:Synthese von Demokratieund NationalismusNoch im Jahre 1848 verurteilte Engels dieösterreichischen Slaven mit dem Tadel, daß ste derReaktion gegen die demokratische Entwicklung dienen.Wie gründlich hat die Entwicklung diesen Tadelwiderlegt! ES ist wichtig, wenn ein un» sicherlichfremder alt-österreichischer Hiswriker, ich meineSpringer(unter diesem Pseudonym schrieb einstder sozialistische Staatsmann Karl Renner. DieRedaktion.), bestätigt, wie„selbstverständlich eS war,wenn sich HavliöekS nationale Bewegungg der allgr»meinen liberalen Strömung anschloß, die Europadurchlief"; oder wenn er HavllöekS„tiefe Neber«zeugung" konstatiert,„daß die nationalen Interessennur durch einen Sieg der demokratischen Grundsätzegewahrt werden können"; oder, daß„die tschechischenParteien als die berufenen Vorkämpfer für die Freiheit des Bauernstandes erscheinen": und schließlich,daß auch„die Religionsfreiheit unter ihnen uner«schrockene Verteidiger gefunden hat". Karel Hav«llöek Borovskls stand aber nicht allein. Schon vomJahre 1848 an meldet sich zum europäischen bürgerlichen Liberalismus trotz ihrer zahlenmäßig unbedeutenden Stärke auch di« tschechische Stadt mit Dr.Brauner. In die europäische Entwicklung zum Nationalismus und zur Demokratie gliederten sich auchdie Slowaken ein. Die geistige Entwicklung der Tsche-chosiowakei verläuft also seit mehr als 00 Jahrenauf nationalistischem wie demokratischem Geleise.Diese traditionelle Synthese von Nationalität undDemokratie hat auch für die Gegenwart entscheidendeBedeutung.Die disziplinierte DemokratieDie Tschechostowakei formt ihr modernes demokratisches System mit eigenen sittlichen, sozialen undgeschichtlichen Kräften und gliedert sich als charakteristische Komponente in die europäische und die Weltdemokratie ein. Ihr Ursprung liegt in der Sehnsucht und im historisch-beglaubigten Kampf unsere-Volkes, um die Freiheit des Einzelnen,seine Menschenwürde, die bürgerlich«Gleichheit und die nationale Wohlfahrt. Da die tschechoslowakische Demokratie auSVie deutsche WirtschaftHitler hat in seiner ReichStagSrede vom 20.Feber eine ganze Stunde lang Zahlen über Zahlen vorgelesen, die den Wirtschaftsaufschwung unddie Erfolge der nationalsozialistischen Wirtschafts«und Sozialpolitik in den letzten fünf Jahren belegen sollen. Da war nichts vergessen, was geeignet erschien, auf unkritische Zuhörer Eindruckzu machen: weder die Produktion von Dieselöl,noch die Förderung von Schwerspat, weder dievon der Reichsbahn geleisteten Betriebstonnen-Kilometer, noch die Zahl der Postscheckkonten,weder die Zahl der Veranstaltungen von.Kraftdurch Freude", noch der Absatz der Volksempfänger.Es waren alles amtlich« Zahlen, Zahlen desStatistischen Rcichsamtes und niemand hat dieMöglichkeit, diese Zahlen nachzuprüfen; niemandhat das Recht, in Deutschland eine eigene Statistik durchzuführen. Und doch kann man beweisen,daß diese Zahlen ein unrichtiges und schiefes Bildgeben. Um mit einer unkontrollierbare» Staltslikzu spielen, braucht man ihre Zahlen keinesivegrplump zu fälschen, man braucht die Statistik nurentsprechend anzulegen. An zwei Beispielen kannleicht gezeigt werden, wie das in Deutschland gemacht wird und wie dadurch die Ergebnisse derStatistik jeden inneren Wert verlieren: bei denPreisen und bei den Löhnen.Hitler sprach von der„fast vollkommengleichbleibenden Höhe des allgeineinen Lebensindex. Er betrug im Jahre 1032 120.8 und 1037128.1." So steht eS auch in der Statistik und dasergibt eine allgemeine Preissteigerung seit demUnisturz um nur vier Prozent. Der deutsche Arbeiter und die deutsche Hausfrau, die Jahr fürJahr mitansehen müssen, wie alles immer teurerwird und wie sie sich für ihr Geld immer wenigerkaufen können, werde» eö allerdings nicht glaubenwollen. Wahrscheinlich ist die Statistik aber nichtgefälscht, man hat sie nur so durchgeführt daßdas Ergebnis tzcn gewünschten Eindruck macht.Der Index berücksichtigt nur die amtlichenHöchstpreise. Jedermann in Deutschland weiß aber,daß man viele Waren zu diesen amtlichen Höchstpreisen nicht mehr kaufen kann, sondern daß mandafür im Schleichhandel„hintenherum" weient-lich höhere Preise zahlen muß. Jedermann weißauch, daß es seit Jahr und Tag in Deutschlandeine indirekte Preissteigerung in der Form gibt,daß die Qualität der Waren sich verschlechtert,ohne daß die Preise herabgesetzt werden. Ganzzu schweigen von all den hundertfachen sonstigenFormen, in denen die Anordnungen des Preis-kommissarS umgangen werden. Die amtliche Statistik aber nimmt davon keine Notiz. Die Folgeist, daß die amtliche Preisstatistik jeden Wert verliert und daß ihre Ergebnisse mit der Wirklichkeitnichts mehr zu tun haben. Wie groß die wirklichedeutsche Preissteigerung in den letzten fünf Jahren ist, läßt sich nur schätzen. Vorsichtige, objektiveBeobachter stimmen darin überein» daß die Preiseim Durchschnitt um mindestens 20 Prozent gestiegen sind. Hitler aber sprach nur von vierProzent.Aehnlich steht eS mit den Löhnen. Nachder deutschen Statistik sind die Löhne heute fastgenau so hoch wie vor fünf Jahren. Auck im Ausland hat sich die Vorstellung gebildet, daß diedeutschen Nominallöhne unverändert geblieben undnur die Neallöhne gesunken sind. Die meistenArbeiter in Deutschland können sich aber noch sehrgut erinnern, daß sie sich vor dem Umsturz fürihren Lohn nicht nur mehr kaufen konnten, son-London.(Eigenbericht.) Während Mini»hcrpkäsident Ehamberlain durch die Maschinerieseiner Partei die konservativen Abgeordneten zurAbstimmung«egen den MisstraurnSantrag derLpposition befiehlt, wächst im Lande die Miss stimmung gegen die Schwenkung der englischenAußenpolitik. Der Labour-Abgeordnete Green-w o» d hat dm MisstraurnSantrag der Oppositionmit dem Hinweis darauf begründet, daß dasSchicksal der ganzen Welt jetzt in den zittrigenHänden deS britischen Premierministers liege.Arrenwood habe der Antwort, die Chamberlainauf die Rede Edenv erteilte, starr vor Schreck gr-lauscht. Wenn auch zu ermatten ist, daß fürEhamberlain eine Mehrheit zu bekommen ist, darfman damit rechne», dass die Mehrheit deS Bollesfeine Politik nicht billigt.Bedeutsam sind auch dir Stimmen auS Ame rika, die von einer Kapitulation der Eng länder vor dem faschistischen Block sprechen undAmerika dir Rückkehr zur JsolirrungSpolitik. scheu Lloyd George und Chamberlain war eine-empfehlen. Auch angesehene englische Zrftungenwie„Manchester Guardian" bezeichnen den Rück-tritt EdenS alb einen Triumph der Diktaturen»ad in der gleichen Weise werden die Ereignisse»an Moskau gewertet.„Manchester Guardian"ist der Meinung, dass alles Entgegenkommen vonDeutschland und Italien nur vorgetäuscht werde.Ehainbexlain antwortete in einer neuenRede auf die Angriffe der Opposition. Er sagte,England sei heute lediglich vor die Frage gestellt,ob eS verhandeln wolle oder nicht. Wenn eS ver handeln wolle, dann je eher desto besser. DaS Ge rede über die britischen Opfer an die Diktaturenlasse ihn völlig unberührt. Es überzeuge ihn imGegenteil von einer Situation, in der die Größeund die Macht Englands anerkannt werden. WerAnspruch auf die Führerschaft erhebe, müsse Be schimpfungen ignorieren.Nichts sei hinter dem Rücken Frankreichs ge schehen, auch Frankreich habe darauf bestanden,daß ein Ausgleich in der Spanien-Politik m diegemeinsam gewünschten Verhandlungen ringe«schlossen werde. Das Ziel der Verhandlungen feinicht nur eine Verbesserung des englisch-italien'.«scheu Verhältnisses, sondern eine umfassende Be-ftiedung des Mittelmeeres. An dieser sei auchFrankreich interessiert.Die internationale Lage habe sich grund legend geändert. Man könne sich nicht selbst unddie schwächeren Nationen dadurch betrügen, daßman sie denken lasse, sie könnten vom Völkerbundgegen Angriffe geschützt werden; von einem Völ kerbund, aus den: eine Anzahl von Großmächtenausgetreten ist, könne man keine volle Leistungverlangen.Nach Chamberlain teilte KingsleyGriffith mit, daß die oppositionellen Libe ralen für den Mißtrauensantrag stimmen wer den. Man dürfe die Rechte des NeguS nicht fürein geändertes italienisches Radioprogramm ver kaufen.Der Widerstandswille der tSRDann erklärte Churchill, für Verhandlungenmit Italien seien die Beweise mangelnder ita lienischer Gutwilligkeit noch zu frisch.Anders lväre es. wenn Italien die S t r e s a-Verpflichtungen hinsichtlich O e st er reich S erfüllen und dadurch einen aktiven Bei trag zum Frieden leisten würde.Zu begrüßen sei die Erllärung Chamber lains über die unveründertr Freundschaft mitFraickreich, denn von Frankreichs Armee hängedn Frieden Europa- ab.Wir wissen nicht, sagte Churchill, wann dieTschechosk o w a k r i der Gegenstand rlnrSähnlichen Angriffe- fein wird. Dieses Keine Landhat seinen Widerstandswillen erllärt» und wennes Widerstand leistet, so kann daraus dieFlamme eines Krieges entstehen,dessen Grenzen niemand vorauSfehe» kann!