Nach der Konfiskation zweite Ausgabe

Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republikr Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh Einzelpreis 75 Heller

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Redaktion u. Verwaltung: Prag XII., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub - Verantwortlicher Redakteur: Karl Kern, Prag 18. Jahrgang

Samstag, 19. März 1938

Aus dem Inhalt:

Ministerrat beschließt

18. Feber- Richtlinien

SdP gegen DAG Rundfunkbeilage-

Wochenprogramm

Die Bombardierung

Barcelonas

Nr. 66

Bis zum Aeußersten verteidigen"! In schicksalhafter Stunde

Die Entschließung unserer Reichskonferenz

Die gestrige Reichskonferenz der DSAP nahm einstimmig folgende Resolution an: Desterreich ist von der Landkarte verschwunden, es ist ein Teil des Dritten Reiches geworden! Der Faschismus hat einen neuen Sieg errungen!

Die Totalität zwinat ihn, auf dem betretenen Wege fortzuschreiten!

Die deutsche sozialdemokratische Arbeiterschaft unseres Landes ist fest entschlossen, gemeinsam mit den demokratischen Kräften des tschechischen Volkes und gestützt auf unsere Bündnisse, die Selbständigkeit unseres Landes bis zum Aeußersten zu verteidigen!

Genossen! Genossinnen!

Was auch immer kommen mag, wir führen unseren Kampf für die Arbeiterklasse und den Sozialismus, nicht zuletzt aber für unser sudetendeutsches Volk, für seine völlige nationale und wirtschaftliche Gleichberechtigung und für den Frieden fort! Den Kampf vor allem gegen die Sudetendeutsche Partei , die unser Volk in den Krieg und damit in namenloses Unheil führt!

Zu diesem Kampfe rufen wir Euch in dieser ernsten Stunde auf! Die Reichskonferenz der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik

Polnisches Ultimatum

Zweck: ,, Einführung normaler diplomatischer Beziehungen"

bis Samstag abends

Kaunas . In hiesigen eingeweihten Krei­sen wir bestätigt, daß das polnische Ultimatum der litauischen Regierung durch Vermittlung des litanischen Gesandten in Tallinn am Donnerstag abends um 21 Uhr übergeben wurde, so daß die Frist am Samstag um 21 Uhr abläuft.

Warschau . Freitag gegen 20 Uhr wurde in Warschau der Inhalt der polnischen Note an die litauische Regierung offiziell bekanntgegeben. In der Note heißt es u. a.:

die Lage für ebenso kritisch, wie bisher, zumal wie aus dem Inhalt der polnischen Note hervor geht, die polnische Regierung entschloffen ist, auf feine Verhandlungen einzugehen, sondern nach erfolglosem Ablauf der gestellten 48­ftündigen Frist zur Anwendung eigener Mittel, einschließlich militärischer Sanktionen, übergehen

will.

Das litauische Parlament ist für Samstag einberufen, um über die Antwort auf das pol­nische Ultimatum zu beraten. Um einer Erhöhung der Spannung vorzubeugen, hat die litanische Regierung polenfeindliche Demonstrationen ver­

boten.

Czech über die politische Lage

In der Reichskonferenz der Partei erstate| Armee auf Hitler , die Besetzung Oesterreichs durch tete der Parteivorsitzende Dr. Ludwig Czech reichsdeutsche Soldaten und Polizisten, die sich im einen Bericht über die politische Lage, dem wir Bligtempo vollziehende Gleichschaltung der Geiez­folgendes entnehmen: gebung durch Eingliederung der Nürnberger Ges jezze. Welch' ein Triumph des deutschen Natio­nalsozialismus, der nicht nur dem Weimarer Regime, sondern selbst Bismard versagt war!

Wir haben in den letzten Tagen ein erschüt terndes Drama erlebt, dessen Tragik uns noch immer in Atem hält, da es noch nicht abgeschlossen ist und die atembeklemmenden Ereignisse einans Durch volle zwei Jahrzehnte hat man im der förmlich überſtürzen. In den Ausmaßen und Völferbund und bei zahllosen internationalen Auswirkungen wurde, was sich in den letzten Ta Konferenzen das Schicksal Desterreichs verhandelt gen vor unseren Augen abspielte, nur noch durch und selbst den leisesten Versuch der Angliederung den Weltkrieg überboten, falls es, was wir mit Desterreichs an Deutschland als Kriegsfall er= jeder Fiber unseres Herzens ersehnen, im Zuge flärt, der von Schober und Curtius geplanten der weiteren Entwicklung nicht gelingen sollte, Boll- Union ein Veto entgegengeschleudert und nun den Brandherd Desterreich zu lokalisieren und der vollzieht sich der Anschluß im Zeichen des Haken­leidenden Menschheit eine neue Weltfatastrophe kreuzes in einem noch nie dageweſenen Begei zu ersparen. sterungsrausch des Nationalsozialismus vor den Um die letzten Ereignisse in ihrer ganzen Augen der ganzen Welt, die dieses schicksalsschwere Bedeutung und Tragweite würdigen zu fönnen, Ereignis mit verschränkten Armen als ein unab erscheint es uns notwendig, sie, soweit sie sich bewendbares Fatum über sich ergehen läßt. Wer reits zu festen und vielfach sogar vollendeten Tata schert sich da um die österreichisch - ungarischen­sachen verdichtet haben, genau festzuhalten. italienischen Römerpafte, um den österreichisch­Das Entscheidende ist, daß deutschen Vertrag vom 11. Juli 1936. Heber alles bies gleitet die Geschichte faltblütig hinweg, im geichen der Safenfreuzfahnen, die in Desterreich weithin sichtbar in den Lüften flattern.

die Landkarte im Herzen Europas eine gerade zu schicksalsschwere Aenderung erfahren hat. Desterreich hat zu bestehen aufgehört, es

vom Nationalsozialismus anneftiert. Deutschland hat einen gewaltigen machtpolitischen und strategischen Zuwachs erhalten. Seine Gren­zen haben sich bis an Italien , Jugoslawien und Ungarn geweitet, wobei sich die tschechoslowati­schen Grenzen gegenüber Deutschland um 558 Stilometer verlängert haben. Die Donau ist in ihren wichtigsten Punkten in den unmittelbaren Bereich Deutschlands geraten. Das von den Un garn heiß umstrittene Burgenland ist in den Be­jiz Deutschlands gekommen, das einen Machtzus wachs von 83.000 Quadratkilometern und einen Bevölkerungszuwachs von 6.5 Millionen erhält. Dazu kommt noch, daß die Wirtschaft und Wäh rung nunmehr unter deutscher Führung steht. Mitten in diese geradezu sinnverwirrende Tats fache fällt die Vereidigung der österreichischen

Ministerrat beschließt Feber- Richtlinien Steuer- Refundierungen für Export

Prag . Der Ministerrat hielt am 18. März d. J. eine Sigung ab und traf folgende Ent­schlüsse:

Genehmigt wurden die Nichtlinien für die Durchführung des Regierungsbeschlusses vom 18. Feber 1937 über die Minderheitenpolitik, soweit es sich um die Aufnahme von Kräften in den Staatsdienst handelt.

Es ist sicher, daß auch

auf Schuschnigg ein großes Stück der Schuld und Verantwortung

fällt, es wäre viel zu kurzsichtig, zu übersehen, daß durch das Versagen der europäischen Demo­fratie, das Verhalten Italiens , das Desterreich einfach seinem Schicksal überließ, das Schicſai Desterreichs und auch Europas für immerwäh­rende Zeiten belastet ist.

Das Schicksal Desterreichs ist also besiegelt und nun stürmen die anderen großen internatio nalen Probleme auf uns ein und vor allem die Sorge um unser eigenes Land, dessen Schidsal in diesem Augenblick im Mittelpunkt des inter nationalen Intereſſes iſt.

Doch vor allem ein Wort über die interna tionale Lage. Das Martanteste an ihr ist, daß ihre Führung in dieser Stunde bei der faschisti­ſchen Machttruppe liegt, die der internationalen Politit Weg und Richtung und die Gesetze des Handelns aufzwingt. Der Machtbereich dieser Gruppe und ihre Einflußsphäre werden angesichts des steten Zustromes der fleineren Staaten an die faschistische Front immer größer. Es genügt

institute( Geseb über die Regelung des Kredit hier auf Ungarn , auf große Teile des Balkans, marties), genehmigt.

Weiters der Geseßentwurf, durch welchen das Gesetz über die Unterbringung von länger dienenden Unteroffizieren geändert wird und der Gefeßentwurf, durch welchen die Vermögens­abgabe und die Wertzuwachsabgabe bei beschlag­nahmtem Vermögen geregelt wird.

auf Portugal und einen großen Teil von Spanien zu verweisen, dessen Schicksal uns in dieser Stunde mit größter Sorge erfüllt und dem sich unsere Herzen nicht nur mit dem stärksten Interesse. sondern auch mit innigster Teilnahme zuwenden. Auch dort in Spanien wird sich ein Stück des europäischen Schicksals mit entscheiden.

Die polnische Regierung kann den litau­ischen Vorschlag vom 14. März 1938 nicht an­nehmen, da dieser keine genügenden Garantien zur Sicherheit für die Zukunft bietet. Die einzig richtige Lösung, welche dem Ernst der Lage ent­spricht, bietet nach Ansicht der polnischen Regie­rung die sofortige Anknüpfung von normalen di­plomatischen Beziehungen ohne jedwede Vorbe­halte. Nach der Ueberzeugung der polnischen Ne­gierung ist dies der einzige Weg zur Regelung der nachbarlichen Fragen, wenn man tatsächlich be­strebt ist, Ereignissen vorzubeugen, welche für den Frieden gefährlich sein könnten. Zur Annahme dieses Vorschlages gewährt die polnische Regie­rung Litauen eine 48stündige Frist, gerechnet vom Augenblicke der Ueberreichung der Note an den litanischen Gesandten in Tallinn durch den polnischen Gesandten. Die Affreditierung der Gesandten in Kaunas und in Warschau müsse noch vor dem 31. März 1938 erfolgen. Der Aus­tausch der Noten, in welchen die Anknüpfung von Von den Vorlagen für die Nationalver­Unter solchen Umständen ist es nur bers normalen diplomatischen Beziehungen und die ſammlung wurde der Gesetzentwurf über die Bewilligt wurden die Mittel zur Fortsetzung Errichtung der beiden Gesandtschaften festgescht Pflicht der Institute, Unternehmungen, Fonds der Verpflegs- und Brotaktion für die Arbeits- ständlich, wenn die demokratische Machtgruppe, wird, müsse noch am 19. d. M. vor Ablauf der und gewisser sozialer Einrichtungen, einen Teil lofen. Zur Kenntnis genommen wurde der Be- die bisher nur im Schatten der faschistischen 48ündigen Frist stattfinden. Der Text dieser der Mittel in Staatsanleihen anzulegen, über die richt über die Verhandlungen der Minister Politik stand, nun die größten Anstren­Note wurde dem Ultimatum beigeschlossen. Die vorübergehende Beschränkung der öffentlich- recht komitees, insbesondere wegen der Steuerrefun- gungen machen muß, um sich, wenn schon polnische Regierung fonstatierte ferner in ihrer lichen Korporationen bei der Vereinbarung von dierungen im Export, und zwar für die Textil- nicht zu einer dominierenden Stellung, so doch Note, daß die eben genannten Vorschläge nicht Anleihen und über die Revision gewisser Geld- und Zuckerindustric. wenigstens zur alten Machtposition heranzuarbei den Gegenstand einer Debatte über Inhalt oder ten. Am schwierigsten wird es hiebei die Sowjet Form bilden fönne; das heißt, daß sie unverän­Union haben, die durch die inneren Stämpfe in dert akzeptiert werden muß. Das Ausbleiben ihrer Machtstellung, aber auch im internationalen Ansehen im hohen Maße geschwächt, Mühe haben wird, sich in der internationalen Politik jene Po sition wiederzuerringen, die ihr nicht nur als ins ternationaler Machtfaktor, sondern auch kraft ihrer europäischen Bündnispolitik mit Frankreich und unserem Lande gebührt. Niemand beklagt mehr als die sozialistischen Parteien, was sich int lezten Jahr in der Sowjet- Union abspielte und was ihre internationale Wertung und Bedeutung in einem Augenblick herabdrückt, da sie berufen wäre, den Gang der Dinge in der internationa Ten Politit mit zu beeinflussen.

einer Antwort auf dieſe tote, bzw. Bufatsanträge Pausenlose Bombardierung Barcelonas

oder Vorbehalte werden von der polnischen Re­gierung als Absage aufgenommen werden. In diesem Falle wird die polnische Regierung mit cifernen Mitteln die begründeten Interessen ihres Stantes sichern."

Freitag abends:

Die Lage noch kritisch Warschau . Die Freitag in Umlauf ge­wesenen Gerüchte, welche besagten, daß die litauische Regierung in ihrer freitägigen ganz­

1200 Tote und 3000 Verwundete unter den Trümmern

Barcelona . Die Bombenabwürfe auf Barcelona wurden Freitag vormittags fortgesetzt. Alle drei Stunden erschienen Flieger der Aufstän= dischen über der Stadt. Die Zahl der Opfer wurde in den Mittagsstunden auf 1200 Tote und 3000 Verwundete geschätzt.

Im Laufe des späten Nachmittags und des | Abends erfolgten die Fliegerangriffe schon fast

tägigen Beratung die Forderungen der polnischen ohne Unterbrechung. In dieser Hölle Regierung bereits angenommen habe, wurden an hält sich die Bevölkerung bewundernswert ruhig, Warschauer amtlichen Stellen nicht befie hilft den Krankenträgern und Straßenarbei= stätigt. In Warschauer politischen Kreisen, tern, die Opfer der Bombardierung aus den die der Regierung nahestchen, verlautet, daß bis Trümmern der zerstörten Häufer bergen. zu später Abendstunde eine Annahme der polni- Innerhalb von 36 Stunden, erklärten Ver­schen Forderungen durch die litanische Regierung treter der fatalanischen Generalidad, die in Paris noch nicht erfolgt ist. Man hält daher weilen, wurde Barcelona se chzehnmal von

deutschen und italienischen Fliegern angegriffen.

Auch andere Orte wurden bombardiert. In Castellon zerstörte eine Bombe das Haus, in welchem sich das tschechoslowakische Konsulat befindet, in Vinaroz wurde der französische Konsularvertreter durch eine Bombe getötet.

Fliegerangriffe auf Madrid wurden ab­

gewehrt.

Und trotzdem glauben wir keinen Augenblick, daß das Wort Mussolinis, Europa werde faschis stisch werden, in Erfüllung gehen wird. Wir sind Auf der Straße von Alganiza nach Morella viel zu sehr von dem festen Glauben an die Siege wurden die Aktionen der Aufständischen abgeschla- haftigkeit der Demokratie und des Sozialismus gen. Caspe und Alcoris an der Ostfront durchdrungen, als daß wir uns nur einen eina wurden nach wiederholten Angriffen der Franco- zigen Augenblick von dem Gefühl der Ungewiss Truppen von den Regierungsabteilungen geheit, der Schwäche und Angst beschleichen ließen. räumt.

Darin bestärit uns die Treue, und unverbrüchlicha