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Nr. 101
Der Schulweg
Es wurde nicht geklopft. Kaum hörte man die Stimmen, da traten die Männer auch schon herein, den Vater zwischen sich. Hans sah sie durch die offene Küchentür. Zwei waren in Zivil, atvei in Uniform.
Er steckte rasch den letzten Wiffen in den Mund, aber er wollte nicht rutschen. Er fdhvemmte ihn mit einem Schlud Kaffee hinab. Mutter", rief er halblaut.
"
Die Mutter fam aus dem Schlafzimmer und fah mit einem Blic, was los war. Große Ehre, meine Herren! Sie haben sich wohl schon lange nicht mehr blamiert?"
Einer der Uniformierten schritt drohend auf fie zit. Aber der ältere der Zivilisten winkte: Lassen Sie die Frau. Was die redet-1" Gr wandte sich um: ,, Nun, Kerner, wollen Sie gleich auspacken oder müssen wir die Sachen selbst finden?"
Der Vater schaute ihm einen Moment in die Augen; dann zuckte er die Schultern, ohne Antwort zu geben. Sie haben mich aus der Fabrik geholt", sagte er zur Mutter.
Hans stand die ganze Zeit stumu neber seinem Stuhl. Was wird das geben? Was wer den sie mit Vater anfangen? Er wußte von vie len Vätern, die man geholt hatte. Einige waren zurüdgefommen.
Sann fuhr er zusammen. Die Mutter hatte ihn angeschrien: Was stehst du da rum und hältst Maulaffen feil? Kümmere dich nicht um diese Geschichten, sondern sorg dafür, daß du in die Schule kommst! Denkst du, ich will immer die Scherereien mit deinem Lehrer haben? Wenn du heut wieder zu spät kommst, seyt's was!"
Sie griff hinter den Küchenschrank und schmetterte seinen Schulranzen auf den Stuhl vor ihm. ,, Los, los, mach dich auf die Beine."
Sie rig die Korridortür auf: Da sind zwanzig Pfennig; du kannst über den Markt gehen und dir eine Orange mitnehmen. Aber jetzt ab!" Er bekam einen Puff in den Nüden, die Tür fiel zu. Mit dem letzten Blick sah er noch, wie sie drinnen Schränke und Schubladen aufriffen.
Komisch; Mutter war sonst nicht so grob. Und die zivanzig Pfennig eine wirkliche leberraschung; das war nicht ihre Gewohnheit. Er ging langsam die Treppe hinab. Wenn sie nur nichts finden!
Plötzlich blieb er stehen: Jetzt begriff er alles. Warum er so schnell herausgeschmissen wurde, warum er auf den Marlt durfte, warum jein Schulranzen ihm so schwer vorkam. D. S., sagte er sich, wird gemacht!
An der Haustür standen svei in Uniform. Niemand darf das Haus verlassen."
,, Heil Hitler !" sagte Hans. Aber wenn Sie mich nicht durchlassen, krieg ich das Fell voll. Der Lehrer ist mir sowieso nicht grün."
So? Bist wohl ein Schulschvänzer, tvas? Na, los, lauf!"
,, Dankeschön!" rief Hans und schlug Tempo an. Er sah die dicke Frau Metzler schon von weitem hinter ihrem Obst- und Gemüsestand. Morgen!", rief er. Eine Orange hätt ich gern." Und während er die Früchte abtastete, um eine mit recht dünner Schale zu finden, sagte er: Jaso, beinahe hätte ich's vergessen. Mutter schidt Ihnen Altpapier. Sie kommt heute ettvas später; wir haben Besuch bekommen."
Samstag, 30. April 1938
Deine ganze Kaufkraft der Genossenschaft!
KONSUM- S
SSENSCHAFT
DIE KONSUMGENOSSENSCHAFTEN SIND EINE WIRTSCHAFTLICHE STÜTZE DER ARBEITENDEN VERBRAUCHER IN STADT UND LAND
Die starke Wehr der organisierten Verbraucher
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Seite 7
Antreten zur Exekution!
Von Norbert
Vier Tage nur waren wir jenseis des Piave gewesen. Soweit wir dies von unserem Bataillonskommando aus beobachten konnten, stand die Sache schlecht. Leichen verwesten in der Junihiße, Ipir frochen angsterfüllt hinter die Straßenböschungen, denn zeitweise regnete es Granaten und die italienischen Flieger brachten Unheil.
Aber der Weg zurück war noch schwieriger als der Vormarsch. Am Beginn der Offensive hatte uns das eigene, lang andauernde Trommelfeuer so etwas wie Zuversicht eingeblasen. Es böls Terte zwanzig Kilometer in der Breite. Vorher gab es Patetchen und Briefe von daheim und man verteilte Rum. Die Bosniaken, regimenterweise vorgeschict, sollten uns Bahn brechen. Ileber die Pontons, über die Dämme. Vorwärts!
Dann aber: über die Pontonbrücken, über bie Dämme zurück. Das war kein Vergnügen. Am wenigsten für jene Schwärme, die verwundete Offiziere im Verfolgungsfeuer bei dreißig Grad Size über den Fluß mitnehmen mußten. Um einen Kilometer mit den Tragbahren zurückzuTegen, waren Stunden nötig.
Eine zermürbie Armee suchte sich zu retten...
Wir starrten vor Schmutz, der Hunger wühlte in den Gedärmen, Rucksack, Karabiner und Telephongeräte scheuerten den Körper wund. Angeblich war das Hochwasser an dem Debakel schuld. Andere sprachen von den schweren Batterien hinter dem Montello. Mancher tuschelte über Verrat.
Schließlich sammelten sich Armee und Troß In den rüdwärtigen Dörfern. Jedermann war froh, irgendwvo eine Ecke zu finden. Kaum lag man und schon tam der Schlaf.
Es ist ein schönes Gefühl, ohne Stahlhelm, ohne Kommisschuhe, mit dem Gefühl der Sicher= heit schlafen zu können. Und sei es auch auf einer Tenne, unter einem umgefägten Weinstoc. Der Mensch taucht aus der grellen Kriegslandschaft unter sein Zeltblatt und zieht so eine Grenze zwi= fehen sich und der unangenehmen Welt.
Bis zum nächsten Alarm:
,, Alles antreten mit Gewehr!"
Bald war die breite Dorfstraße mit Militär gefüllt. Stompagnie stand dicht bei Stompagnie. Alles mußte diesmal ausrücken: die Schuster, die Leichtmaroden, die Ordonanzen, sogar die Köche mußten die Schürze an die Deichsel hängen und mitfommen.
Was war denn da eigentlich los? Warum dieses Massenaufgebot?
Wieso gönnte man den todmüden Truppen, den ausgepowerten Plänklern feine Ruhe?
Gerade unserem Standort gegenüber befan ben sich neben der Munizivalität drei hohe, starke Bäume. Es erschienen Offiziere und Soldaten in der typischen Etappenausrüstung, die sich unter der grünen Baumgruppe zu schaffen machten.
Man wartete noch eine Viertelstunde. Dann erfuhren wir alles: Während der Kämpfe waren Zu jeder Zeit, die wie die unftige von poli- Die tragende und die erfolgbringende Kraft der vier Legionäre gefangen worden. Jetzt befanden fischer Unrast erfüllt ist, wo die verschiedenartig- Bewegung, das war und das ist der unbeugsame sie sich in der Gewalt der Desterreicher. Und da ften Umschichtungsprozesse vor sich gehen, wo ins- und unwandelbare Wille aufgeklärter, von führte man sie auch schon durch das Spalier vorbesondere die Ereignisse des Tages und die Idealismus und Mut erfüllter Männer und bei zur Nichtstätte uns gegenüber. Stellungnahme der Zeitgenossen zu ihnen in den Frauen, sich mit eigenen Mitteln ein Stück WirtVordergrund gerückt sind, ist es am Plaze, daß fchaft zu errichten, das ihnen gehört und in dem mit schmetternder Stimme eine Proklamation. Kommandos erschollen. Ein Offizier verlas jede Bewegung, welche darauf Anspruch erhebt, niemand anderer als sie selbst zu bestimmen haben. um ihrer Ziele und Ideale willen im Volfe verIch hörte nur den Lärm, aber ich verstand antert zu sein, diese Ideale und Ziele scharf umSelbstbestimmung und Selbst- feines der Worte. Und ich konnte auch den Einverwaltung sind untrennbar mit dem Be- zelheiten der Erefution an den drei Menschen reißt. Der wäre charafterlos, der wie ein schwantend Rohr im Winde jeder Regung von außen Verbraucher verbunden. Nicht das, das der auf- Laut und Klage, still und stumm auf das Gerüst griff einer freien Genossenschaftsbewegung der nicht folgen. Nur so viel wußte ich: sie waren ohne her nachgebend, heute abschwörte, was er gestern geklärte Verbraucher in der Konsumgenossen- gestiegen. Jeder stand mit dem italienischen Helm Frau Mekler zudte mit feiner Miene... Gib als richtig erkannte, ohne daß sich das Wesen der schaftsbewegung rein äußerlich sieht die gut und der italienischen Uniform aufrecht da die her", sagte sie. Wo hast du's, im Ranzen?" Sache, zu der er stehen soll, nicht geändert hätte. funktionierende und kostensparende Verteilungs- Schlinge ein Ruck ein Zucken durch den Sie öffnete die Klappe, nahm den Baden heraus Mögen die Zeitläufte sich wie immer gestal maschinerie- macht das Wesen konsumgenossen- Störper aus war es. und legte ihn neben ihren Stuhl. Die alten Zei- ten, der Wesensinhalt jeder echten schaftlicher Arbeit allein aus. Viel mehr, und in Drei Tage ließ man die vier Gehängten an tungen, die da schon lagen, obendrauf. fonsumgenossenschaftlichen Ar- erster Linie ist dies die Marfchrichtung, den Bäumen. Große Papiertafeln mit Inschriften ,, Da, nimm nur noch eine dazu. Nein, fein beit um diese handelt es sich hier, so wie welche die Bewegung einschlägt. Das Riel aller hingen an den Leichen als Warnung für die Geld! Du hast mir ja das Einividelpapier ge- er durch die antitapitalistische Zielseßung und durch die Auswirkungen des Kapitalismus betrofe anderen. bracht. Lauf, damit du in die Schule kommit!" durch die wirtschaftliche Leistung gekennzeichnet ist, fenen Menschen muß die Abschaffung dieses ver- Den Kriegsartikeln, der militärischen DisziHans zog ab. So, nun mochten sie daheim ist un verrück bar; von diesem Weseninhalt derblichen Wirtschaftssystems sein, welches der plin, der Staatsraison war Genüge getan worden. die ganze Wohnung auf den Kopf stellen; es wahrer Genossenschaftsarbeit wird um fein Jota Menschheit Hunger, Krieg und Elend bringt. An Tagelang gab es zwischen uns jungen Leu würde ihnen nichts nüßen. Und den Vater muß abgewichen. diesem hehren Ziele mitzuarbeiten ist die geschichts ten erregte Gespräche. Draußen an den drei ten sie freilassen. Er blieb, hinter einem Ver- Jeder aufgeklärte Arbeiter weiß, wie es aur liche Sendung der freien Genossenschaftsbewegung Bäumen hing der Anlaß. In diesen Gesprächen- die tschechischen kaufsstand versteckt, stehen und sah zu, wie Frau Konsumgenossenschaftsbewegung gefommen ist: der Verbraucher. Kameraden sagten nichts dazutauchten mit Meyler Obst abivog, geschickt Tüten wickelte und Die Klassenlämpfe um die Jahrhundertwende mit harter Notivendigkeit viele Fragen auf, denen man die Früchte aus der messingenen Waagschale dem bewußten Streben nach Befreiung aller von sonst aus dem Wege ging. hineinrollen ließ, oder ein Vündel Lauch und der Wirtschaft des Kapitalismus abhängigen und Petersilie in ein Stück Papier schlug. Sie nahm durch diese unterdrückten Menschen sind die Ges Papier nicht immer von der gleichen Stelle. burtshelfer der Konsumgenossenschaftsbewegung Meistens von oben, wo die alten Tageszeitungen gewesen. Stein teuflicher Plan etwa, die Händler lagen, die sie selbst mitgebracht hatte. Aber vier- und Gewerbetreibenden zu vernichten, sondern die oder fünfmal sah Hans sie rasch zwei Griffe offenbare Notwendigkeit, sich als Verbraucher von machen, einen nach unten, einen nach oben, und den Auswirkungen des tapitalistischen Wirtwußte: nun befam wieder eine Kundin, in den schaftssystems zu schüßen, haben zu den ersten „ Anzeiger" geschlagen, eines der Blätter, die Konsumvereinen geführt und weiters die Erkennt er gebracht hatte. Frau Meßler kannte ihre nis, daß die bestehende kapitalistische GesellschaftsLeute; es war alles in Ordnung. und Wirtschaftsordnung aus eigenem nie und nimmer die Lebensinteressen des werktätigen Vol tes wahrnehmen wird.„ Hilft uns niemand, so werden wir uns denn, so gut es geht, selber helfen." Unter dieser Losung begann di: Konsumgenossenschaftsbewegung ihr Aufbauwert, unsicher Es war viertel Neun, als er ins Massenanfangs und mit mancherlei bitteren Enttäuschun zimmer trat. Er machte die Tür hinter sich zu und drehte sich um. Der Lehrer stand, leicht gen und Erfahrungen, dann aber schritt sie z te l- borgeneigt, am Pult, die Hände auf den Rücken und wegbewußt auf der Straße gelegt. Komm her, du Früchtchen!" sagte er, des Erfolges. Teise zwischen den Zähnen.
Nun mußte er sich aber auf die Socken machen. Als er um die nächste Ecke bog, schlug es acht. Er zuckte die Schultern: nun war's schon egal; da brauchte er nicht mehr zu heßen.
Wenn du wüßtest, dachte Hans. Und während er zögernd auf ihn zuging: Na, ich werd's schon aushalten. Max Barth.
Von unten auf wurden die Konsumgenossen schaften geschaffen, von unten auf werden sie durch die Treue Hunderttausender ihrer Mitglieder getragen, von unten auf müssen sie auch gegen jeden Zugriff äußerer Gewalten verteidigt werden.
Nicht eine seelen- und willenloſe Warenvertei lungsmaschinerie wollen die Konsumgenossenschaf ten sein, sondern eine von ihrer höheren Zieliebung beseelte Kampforganisation für die Lebensrechte und die Lebensinteressen der werktätigen Verbraucher.
Die Genossenschaftsbewegung der Verbraucher von jeglichen autoritären Einflüssen freizuhalten, muß die ernste Pflicht aller sein, denen die Stonsumgenossenschaften mehr sind als Unternehmungen, welche die Mitglieder mit guten und preiswürdigen waren versorgen.
Der Konsumgenossenschaftsbewegung
Was ist dieses Oesterreich eigentlich?- Warum wird es von den Tichechen gehaht? Was wollen die überhaupt? Was sollen wir Deutschen tun?
Manche verteidigten die Erekution und schmähten die drei Gehängten.
Ich trat solchem Gerede mit den zornigen Worten entgegen: Sie sind tapfer für ihr Volk gestorben!""
Sofort deckten mich die Nationalisten und Patrioten zu. Man schrie hin und her, bis die Unteroffiziere brüllten:
..Ruhe dort hinten!"
Wir mußten schweigen. Maulhalten und weiterdienen. Bald wurde diese Episode durch andere grelle Ereignisse aus dem Gedächtnis verdrängt. Die vier Toten, irgendwo aus Tabor oder der Sitschin, wurden durch andere Tote, gefallen in Verbraucher ist mit keinem Feiertags den nächsten Kämpfen am Piave, abgelöst. Manch Das, was die Konsumgenossenschaftsbetei de a lis mus gedient. Hier geht es in mal aber muß ich, wenn im Kreise meiner gung geworden ist, das verdankt sie ausschließlich erster Linie darum, ihre wirtschaftliche Kraft zu Freunde die Rede auf den Krieg kommt, an die ihren eigenen Kräften. Niemand, und auch kein wahren und zu mehren; die Verteilungsstellen der grüne Baumgruppe in dem italienischen Dorfe sozialer" Schönredner, hat ihr dabei geholfen. Konsumgenossenschaften sind wochentags geöffnet. Ibenken.