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Mittwoch, 11. Mai 1088

Nr. 110

Haus- und Grundbesitzer, Gewerbetreibende und Handelsleute aiiSgeliefert. Und es in u ft in diesen ernsten Stunden gesagt werden, daß unsere deutschen Gemeinden und ihre verant­wortungsvolle Sachwalter trotz alle» Schwie­rigkeiten Große» geleistet, mit unermüdlichem Fleiß, unübertrefflicher Zähigkeit und nnrr- schiitterlichem Optimismus eine BerwaltuugS- und Aufbauarbeit leisteten, für die ihnen der Staat und die Bürger tiefgefühlten Dank zol­len müßten, wenn noch Sinn für reale Wirklichkeit und sachlich-gerechte Anerkennung menschlicher Lei­stungen vorhanden wäre und sich Geltung ver­schaffen könnte. Wer nimmt aber heute von den Leistungen der Sozialdemokraten in den Gemeinden seit ISIS und ihren unablässigen Bemühungen um ein vernünftiges Finanzgcsetz, um staatliche För­derung der kulturellen und soziale» Einrichtungen noch Kenntnis? Wo findet der erfolgreiche Kampf um die Regelung der AnstellnngS- und Entlohnungsvcrhältnisse der Gemeindeangestell- ten und Arbeiter, der Ausbau der Gemeindebe» triebe und Anstalten, deö Armen«, Fürsorge- und Gesundheitswesens Anerkennung? WaS tsche­chische und deutschbürgerliche Gesetzgebung im Jahre 1927 verbrochen hat, WaS die Wirtschafts­krise an Unglück und Not verbreitete, wurde in wirksamen Agitationsstoff geaen die Sozialdemo­kratie umgemünzt, bringt den Schuldigen poli­tischen und neuen wirtschaftlichen Gewinn und den Irregeleiteten wieder nur Unfreiheit und Verderben! Dieselben bürgerlichen Kommunal­politiker, die über dieAuögabenwirtschaft der roten Gemeindeverwaltungen" kein gutes Wort fanden, den Wohnungsbau bekämpften, gegen jedes gröbere soziale oder sanitäre Werk die Nasen rümpften und das finanzielle Gleichge­wicht des Gcmeindehaushaltes auf Kosten der Armen und Bedürftigen, der Gemeindearbeiter und sozialen Einrichtungen Herstellen wollten, die anstatt zu arbeiten Sabotage trieven und Reden hielten,känwfen" nun in den Reihen der SdP um die Belange des deutschen Volkes und die Herrschaft in den Gemeinden. Die Wahrheit ist Freiwild, Recht ist Unsinn, Terror, GewistcnS- zlvang, Demagogie, Lüge und Verleumdung sind Trümpfe geworden, die mit demFührer" von der Masse des sudetendeutschen Volkes in einem unerhörten Götzendienst angebetct werden. Doch wir wissen, das; wieder vielleicht nach schweren Enttäuschungen und größten Opfern eine Ernüchterung kommen muß. Der reichsdeutsche Nationalsozialismus hat es zivar zustande gebracht, die politischen Parteien und die freien Gewerkschaften zu vernichten, die Ar­beiter zurGefolgschaft", mit Pflichten gegen­über der Nation zu machen» auS deren Schweiß die Eisen- und Stahlberge von Waffen entstehen, die gegen andere Völker in Bewegung gesetzt wer­den sollen, aber er hat der kapitalistischen Wirt­schaftsordnung, mit der das Massenelend un­trennbar verknüpft ist, bisher kein Leid zugesügt. Anhäufung von Reichtum und Ueberfluß ist bei denFührern" ebenso vorhanden wie bei den fetten Kohlen- und Jndustriebaronen, nur mit dem Unterschied, daß die Anhäufung des national­sozialistischen Reichtums und derEhren " auch nock offiziell und mit überschwenglichsten Tönen verherrlicht wird. Die Eingriffe in die Privat­wirtschaft hat der deutsche Nationalsozialismus nicht vollzogen, um der Allgemeinheit das Leben zu erleichtern, sondern um die Kriegsmaschinerie in kolossalen Dimensionen auszubauen und den

Völkern Europa » Angst und Schrecken einzujagen. Der sudetendeutsche Nationalsozialismus hat die­selben Eltern wie der reichsdeutsche und unsere sudctendeutschen Arbeiter werden bald Gelegen­heit bekommen zu beobachten, wie es die Ver­treter der SdP in den Gemeinden mit der Be­seitigung der Freunder!« und Protektionswirt­schaft, der Austilgung des Eigennütze- und der Günstling-» und Parteibuchwirtschaft eigentlich meinen. Ein Rückblick in der Geschichte zeigt uns die Verhältnisse in den Gemeinden zur Zeit des Privi- legienwahlrcchtcv nach einem für die Stande deS Besitzes ausgeklügelten Wahlkörpersystcm: Keine Arbeiterpolitik, dafür aber um so mehr Gcmeindelvirtschaft zugunsten der Fabrikanten, Hauö- und Grundbesitzer. Der Blick auf die Ge­meindearbeit in der Nachkriegszeit zeigt uns in Aussig , Bodenbach , Teplih, Komotau , Eger, Jägerndorf und überall, wo die Sozialdemokraten wirkten, die Zeugen ihrer fleißigen, uneigennützigen Arbeit: prächtige Wohnhäuser mit modernen, gesunden Wohnungen, Kranken- und Siechenhäuser, Fvrsorgeanstalten, Ferienheime, Bäder,

Textilarbeiterinternationale beim Staatspräsidenten Der Präsident der Republik empfing Diens­tag die Vertreter de» Ausschusses der Internatio­nale der Textilarbeiterschaft, der in diesen Tagen gerade in Prag tagt. Die Deputation führten die Vertreter der tschechoslowakischen Organisa­tionen, Abg. Jakob P o I a ch aus Brünn und Anton Roscher aus Reichenberg. Für die ein­zelnen Länder waren anwesend: England: Tom Shaw, Arthur Shaw. I. Hindle, A. Mortished, I. Sa re. Tschechoslo­wakei: Jakob Polach, Anton Roscher. Bel­ gien : Anton Segler, Michael Torcg. Däne­ mark : Ehr. Nielsen. Frankreich : M. Del« kobeke Gabriel Eoisnc. H o l l a n d: G. Rengekink. Polen : Ant. Szerowikn, Emil Zerbe. Schwe­ den : Gösta Wenktröm, Martha Holmström. S ch w e i z: E. Moser. Nach der Ansprache de» Abg. Polach dankte der Präsident der Republik tschechisch, englisch, französisch und deutsch für die Kundgebung der Deputation und ließ sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Länder informieren. 2n der nachfolgenden freien Unterredung sprach der Präsident der Republik über die allgemeine europäische Situation und über die Lage der Tschechoslowakei . Die Tschechoslowakei , die durch kühle Ueberlegung und sachliche Arbeit den Schwierigkeiten entging, mit denen einige ander« Lander kämpfen, und ihre ersten zlvei Dezenten in vollkommener Ruhe verlebte, wird auch ihre einzige ernste Frage, das Nationalitätenproblem, gerecht und vernünftig lösen. In den Bemühun­gen nm eine Annäherung der einzelnen Länder, die in der letzten Zeit unternommen wurden, er­blickt der Präsident einen grundlegenden Beitrag zur Befriedung Europa ». Wenn wir den Frieden auch nur für die nächste Zeit erhalten, gewinnen wir damit zugleich die Möglichkeit einer Arbeit für die Friedensbedingungen für einen weiteren längeren Zeitraum. Bei der Lösung seiner Pro­bleme muß jede» Land von den ihm eigenen Bedingungen au-gehen und die einzelnen Länder müssen einander gegenüber tolerant sein. Der Sekretär der Tcxtilinternationale in London , der ehemalige englische Minister Tom

Sport- und Spielplätze, Anlagen zur Erho­lung, schön gepflasterte Straßen, gut« Belruch- . tung, neue Schulhäuser, au-gelaute Jndstrie- «nternehmungen ete. und eine trotz allen Schwierigkeiten nnd erhöhten Ausgaben für Armenwesen und Arbeitölosenfürsorge ge­regelte Finanzwirtschafti Unzählige Millionen Kt habt» die deutschen Ge­meinden unter sozialdemokratischer Führung für nützliche Einrichtungen auSgcgeben und mit größter Umsicht dazu beigetragen, dem wirklichen Volk, der Arbeiterschaft, den Weg des.Aufstieges zu den Höhen der Kultur und des Menschentums zu ebnen und die Not zu lindern. Die nächste Zu­kunft wird lehren, ok> die unter der Fahne de» Hakenkreuzes in die Gemeindestuben einziehenden Vertreter diese großzügige Aufbauarbeit fort­setzen werden. Da» SchlagwortVolksgemeinschaft" kann einen Sozialdemokraten nicht verivirren und den Blick für die wahren politischen Zustände und Klassenverhältnlsse trüben. Die freie Selbstver­waltung steht und fällt mit dem wachsenden oder sinkenden Einfluß der sozialistisch denkenden Ar» bciterklaffe. L. P.

Shaw, dankte sodann dem Präsidenten der Re« publik im Namen der fremden Delegaten und sagte, daß alle Anwesenden da» gleiche Interesse an der Zukunft der Tschechoslowakei haben, daß sie sie lieben, daß sie ihr aufrichtig eine gesunde und glückliche Entwicklung wünschen, und daß sie den gleichen Glauben an eine bessere Zukunft ha­ben wie der Präsident selbst.

Jetek Gesundheitsminister Prag . Der Präsident der Republik hat fol­gende Handschreiben erlassen: Herr Minister Dr. D i t e t, In Entsprechung Ihres Ersuchens enthebe ich Sie von der Leitung de» Ministeriums für öffent­liche- Gesundheitsioesen und Körpererziehung. Dr. HodZa m. p. Dr. Edvard Denei m. p. Herr Minister I e j e t, ich betraue Sie mst der Leitung de- Mini­sterium- für öffentliche- Gesundheitswesen und Körpererziehung. Dr. Hodja m. p. Dr. Edvard Bene- m. p.

50*KC-Noten als Kleingeld Ein neuer Regierungeentwurf Im Parlament hat die Regierung am Dien-tag den bereits angekündigten Gesetzent­wurf über die Neuregelung des Klelngeldsystema vprgelegt.,. Die wichtigste Aenderung besteht darin, daß nun auch die 80-Ui-Banknoten in die Kategorie det Pavierkleinaelde» einaereibt werden; sie werden also künftig nicht in den deckungSpflichtiaen Noten­umlauf eingerechnet werden. Stach dem Motivenbericht handelt e» sich um etwa 840 Millionen. Der auf diese Art freigewordene Geldbetrag bildet eine E i n» nähme de» Staates; er wird zur Prä­gung neuer öO-Ai-Sirbermünzen, der verbleibende Rest zur Herabsetzung der kurzfristigen Schuld der Staatskasse verwendet. Das zulällig« Kleingeldkontingent beträgt der­zeit 1200 Millionen Ab, da» sind etwa 80 Ai aus den Kopf der Bevölkerung. Diese» Kontingent wird durch'die Uebernabme der L0-Kk-Noten auf runv 1740 Millionen erhöht, da» sind 116 KC auf den Kopf. Al» zulällige Höchstgrenze für den Kleingeld»

NoCI-Baker In Komotau (Schluß von Seite 1.) Die Stärke aller friedliebenden Völker muß vereint werden, um jeden Angreifer zu fesseln, dir einen Krieg beginnen will. Sobald ein solches§l>- stem geschaffen ist, wird keine Notwendigkeit niehr bestehen, zu kämpfen. Wirtschaftliche Maßnahmen könnten zu Instrumenten de» Frieden» gemacht wer­den. Für diese» Gesetz, für diese» Shstem der kollek­tiven Sicherheit aller friedliebenden Nationen müs­sen wir die Kraft de» Gewissens und de» Willen» der Dkassen der Menschheit mobilisieren. Ich wei- ger« mich zu glauben, daß diese Aufgabe über unsere Kräfte geht. Ich wage zu behaupten, daß da» Ge­wissen der Menschheit schon heute durch die Kriegi- schrecken in Abessinien, Spanten und China aufge­rüttelt ist. In jedem Lande ist das Volk müde der Furcht und de» Elend», die das KrirgSsystem schafft. Sie sehnen sich nach dem Tage, da ihre Regierungen die falschen Götter der Gewalt und de» Prestige» stürzen werden, vor denen sie sich heut« noch beu­gen. Die sehnen sich nach dem Augenblick, da ihr« Regierung Ihnen nicht die Waffen der Zerftöning, sondern Arbeit und Frieden geben wird. Ich glaube, daß diese Sehnsucht in jedem Lande ohne Ausnahme in« gegenwärtigen Zeitpunkt lebendig ist.

umlmtf überhaupt lverden 160 KL pro Kopf der Be­völkerung festgesetzt. Eine Erhöhung über den esfek- iiven Stand vom Tage deS Inkrafttreten» der Vor­lage darf aber nur aus Grundlage durch die National­bank festgestellten tatsächlichen Bedarf«» erfolgen. Di« neuen 80-Ki-Silbermünzen werden au» einer Legierung von 800 Teilen Silber und 100 Teilen Kupfer bestehen und 20 Gramm schwer sein. Die bisherigen silbernen 20-KL-Stücke bleiben, die Silbermünzen zu 10 und 8 KL durch solche aut reinem Nickel ersetzt. Di« bisherigen Ill­und V-KL-Silbermünzen sowie die unpopulären 25< Helkerstiicke tverden zu einem vom Finanzminister zu bestimmenden Termin eingezogen; bi» dahin blei­ben sie gesetzliche» Zahlungsmittel. Gedenk­münzen zu 80 und 20 KL können au» beson­deren gesamtstaatlichen Anlässen jeweils bi» zu einer Höbe von 80 Millionen KL ausgeprägt werden. Sie werden nicht in den Kleingeldnmlmif eingerechnet, da sie gewöhnlich al» Andenken thesauriert werden. Sollten sie aber an einer öffentlichen Kaffe einaezablt werden, so wird die Nationalbank diese Münzen aut dem Umlauf ziehen. Vie Richtlinien für den Staatsvoranschlag 1939 Vom Finanzministerium wurden den ein­zelnen Ressorts der Staatsverwaltung bereit» die Richtlinien für die Aufstellung des nächstjährigen Staatsvoranschlages mitgeteilt, der niedriger sein soll al» der Voranschlag 1088. Dieser Grundsatz gilt auch für die einzelnen Kapitel, wobei alle jene Posten, die in den letzten zwei Jahren zwar im Budget vorgesehen waren, aber nicht verwen­det wurden, überhaupt.ausgelassen werden solle». Neue Ausgaben können nur dann'ausgenommen werden, wenn die gesetzliche Voraussetzung ge­geben ist, oder wenn die vorherige Genehmigung der Regierung vorliegt oder der Finanzminister bis 15. April seine Zustimmung erteilt. Alle Ausgaben von SubventionScharaktcr sind ans ein Mindestmaß einzuschränken und sie dürfen nicht mit anderen Ausgaben vermischt tverden. Aus­gaben für Staatsbauten finden, lvenn die Bau­pläne wie die Bedeckungspläne von der Regie­rung bereits genehmigt wurden. Eine Ausnahme ist nur zulässig, wenn dem Staate aus der Nicht­aufnahme irgendeine Gefahr oder ein Nachteil erlvachscn könnte, und wenn die Ziistimnliing des FinanzministcrS gegeben wird.

L I! Aber sie, aber sie sie hörte nicht auf, ihre Wunden offcnzuhalten. Begriff sie, was er sagte? Sie legte den Finger auf die Lippen. Schon hoffte er: Jetzt, jetzt! «Gnädige Frau", begann er. Ehe er fort­fahren konnte, tvar sie schon wieder in sich hin­eingesunken. Nein, das war ein Irrtum. Seine Narben vernarbten auch nicht. Er wollte die Frau mit Behaglichkeit vcr- Ivöhncn. Doch sie berührte nur das Nottvcndigste von Speisen und Trank. Er ließ ihr Gewänder binlegen, um daö zerrissene und zerknüllte Kleid zu ersetzen. Sie rührte nichts davon an. Auch die­ses Rätsel, daß an ihren weißen Fetzen die Makel­losigkeit stets vollkommen war, löste er nicht. Nützlich machte sie sich im Hauö, nnd es war gut mit ihr umzngeken, zumal da sie hier half nnd da half, da sie überall dort half, wo eines nicht mehr weiter konnte oder überdrüssig gewor­den war. Da sie jede Arbeit annahm und mit ihrer stummen Emsigkeit bat, daß man ihr viel Arbeit aufbürde, war ihr Brot nicht zuviel. Zm ganzen Hau» des Kaiser » herrschte ein Hang, irgend etwas Außerordentliche» an Men« schensreundlichkeit zu tun. Seitdem der Maschi­nenmeister zerschmettert war, dieser Fröhlichste und Erfinderischste, bemächtigt« sich deS Gesindes von Juste gewaltige- Mitleid. Mitleid, daS sie an sich selber übten, weil nach dem Beispiel deS Jo­hanne» keiner von ihnen mehr sicher war, daß ihm in der nächsten Stunde nicht auch ein Dachziegel den Schädel zertrümmert«. Dem stummen Findling au» dem Volk von

Estremadura wurde das Mitleid erst recht nicht verweigert und Doktor Matthy- sogar darin be­lobt und sogar darin unterstützt, daß er die un­ermüdlich Fleißige behütete. Sie begruben den Meister Johannes. And ihr Mitleid wuchs, ihr Mitleid mit sich, ihr Mit­leid mit dem stummen Findling, ihr Mitleid end­lich auch mit dem Kaiser, besten Medikamente sie hackten nnd lochten, besten Roscnzuckcr sie rieben, die einzige Nahrung, die der Herr noch vertrug, dessen Salben und Pflaster sie vorbereiteten. Der Kaiser tvurde täglich kränker. Er nährte sich nur noch von dem, was kleine Kinder nährt. Er war die Sorge de» Gesinde». Er war der Inhalt ihrer Gebete. Schon geißelten sich im Kloster Juste die Mönch«, damit dem Kaiser Erleichterung werde. Schon tvar durch das ganze Land die Losung aus­gegeben tvorden, daß nicht nur die Geißeln:^; der Gelveihtcn der Majestät nützen werde. Auch in den Häusern, auch in den Hütten, wollte man sich geißeln. Sie waren unschuldig an den Leiden deS Kaisers, aber sie wünschten schuldig zu sein, um ieilzuhaben an seiner Qual. Selbst die Toledaner hatten längst die Mar­ter vergessen, die ihnen von ihrem König angetan worden Ivar, Was die Geschichte geschrieben hatte, der Sand war über diese Blätter geschüttet. Und sie geißelten sich in ganz Spanien , damit ihr König, der Kaiser der ganzen Welt, geheilt werde. Es geißelten sich selbst dse Krüppel und die Kinder für den kranken Kaiser und König. Hätte man ihnen den Schmerz erspart, noch krüppliger und kindischer würden sie sich gefühlt haben. Da» Volk von Estremadura , da» die gleiche Luft mit dem Kaiser am nächsten geatmet hatte, geißelte sich am wildesten. Sie hatten all« den Kaiser auf der Terrasse seines Hause» erblickt. Jeder einzelne war dessen gewiß geioorden, als Antwort auf seinen Liebc-blick die Huld und da» kaiserliche Versprechen empfangen zu hahen, daß e» ihrem Land herrlich ergehen würde, wxnn der Kaiser lange lebte. Auch sie würden lange leben.

Sie hofften, indem sie sich die Körper peinigten, bessere Stund« wird kommen, Märchenstunde. lieber da» Strohdach streicht der Wind. Der alte Vater öffnet den zahnlosen Mund. Doch er braucht nicht mehr den bitteren Lattich de» Lebens zu schmecken. DerAlte erzählt den Enkelkindern: »Ihr Lieben, wir sahen die Halbheit der Majestät von Angesicht» zu Angesicht. Die Gewißheit haben wir deshalb, daß unsere Kirschbäume üppiger wachsen werden als je. Unsere Mandelbäume werden duftiger duften als je. Roggen und Wei­zen und Mais und Lämmer werden riesig, riesig, rsesiger al» je, unzählbar, fruchtbar. Keine Miß­ernten werden mehr zu fürchten sein." So geißelte und so tröstete sich das Volk von Estremadura und von Toledo und von ganz Spanien . xin. Da» Klatschen der Geißeln, der Kaiser hörte e- nicht. Das Verzweifeln der Nonne Theresa Cepeda, es tvar nicht seine Verzweiflung. Sie, die Geweihte, die durch immer neue Qualen sich Weihende, sie wand sich in der Be­trübnis, daß noch so wenige Scheiterhaufen brann­ten. Wurden sie überhaupt schon angezündet? Nein, nein! Der Kaiser hatte den Befehl gegeben, aber wie lau, aber wie listig! Es brenzelte nicht- in der Luft von Ketzerfeuern. Man versprach die Ketzerfeuer, man drohte mit ihnen, man mutzte aber guten Grund haben, nichts zu unternehmen. Wahrhaftig, man berief sich daraus, datz der Kaiser kält, kalt blieb, kalt in Anbetracht der von Tag zu Tag sich mehrenden Ketzergreuel. Dse Lutherischen nannten sich überall, noch katholisch. Lügner, Lügner! Ebenso unatembar die Luft, weil in ihr noch viel schlimmeres Un­wesen atmete. Da waren die ganz Unterirdischen, die Kreuzbespeier, die Hostienschänder, die Kinder­blutsauger, die Marannen. Sie bildeten ein Heer, so unzählbar, daß Theresa Cepeda selbst in ihrem Beichtiger, selbst in dem verloschenen Arbeiter, der still das Unkraut aus dem Garten des JosefSklo»

ster» jätete, die Mannschaft der Hölle vermutete. Je mehr Theresa Cepeda über ihren Bcsub beim Kaiser nachdachte, desto klarer kmn sie zu der Erkenntnis O» das stach tief, das wühlte die Angst zuoberst jeder andern Regung auf 1 desto klarer kam sie zu der Erkenntnis, daß der Kaiser mit ihnen allen hielt, mit den Lutherischen, mit den Marannen, den verkappten Inden. Und sollt« sie auch verkannt werden in dieser unge­heuerlichen Erkenntnis, sollte man jedes ihrer Worte auch mißdeuten gegen sie und zugunsten deS Kaisers, ihr Entschluß war gefaßt. DaS Sanctum officium der Inquisition mußte erfahren, wer mif dem Schlafberg in Juste das Christentum verwüstete. Sie wanderte, sie schürte. In den Festun­gen Gotte», die sie bmite, klatschten auch die Gei­ßeln. Christi Jungfrauen wollten sich gern zer­fleischen und vernichten, wenn der Kaiser nur» erstehe, um den Triumph der Scheiterhaufen zu besiegeln. Aber eS kmn kein Echo vom Schlafberg. Da entschloß sie sich zu dem nicht mehr zu Vermeidenden. Der Gesalbte am Kreuz forderte e- ja von ihr. Er litt ia wieder. Au» seinen Folterqualen ergötz sich ja wieder daS Rinnsal. Und eS strömte auch wieder auS ihr, au» ihrer Angst,.aus ihren Hüften, aus ihren Schläfen. Wie sehr hatte Gott sie geliebt, die ersten Menschen, die von den ersten Gezeugten und die von den Gezeugten Stammenden! Da sie aber geketzert, die erste Mutter und der erste Vater, batte Gott da nicht selbst sein Gericht über sie ge­halten, trotz seiner Liebe? Hatte Gottvater nicht selbst da» feurige Schtvert in die Hände der Engel gegeben, um sie zu richten, um sie zu verjagen auk dem Eden der Seligkeit? Und das Richtschwert der Engel, hat es sich nicht vererbt auf Ihn, den Gottessohn, damit Er es weitervererbe auf Apo­stel und Jünger? Und hatten schließlich die Ge­weihten nicht geschworen, da- Schwert niemals aus der Hand zu legen? Seit nun bald 1600 Jahren?.(Fortsetzung folgt.),