Sozialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früh/ Einzelpreis 75 Heller

Redaktion u. Verwaltung: Prag XII., Fochova 62- Telephon 53077- Herausgeber: Siegfried Taub- Berantwortlicher Nebatteur: Rarl Rern, Brag 18. Jahrgang Donnerstag, 12. Mai 1938

Keine Kantonalverfassung

Eine amtliche Feststellung aus Genf Genf. ( Tsch. P.-B.) Der ständige Dele­gierte der Tschechoslowakischen Republik beim Völlerbund informierte sich an den kompetente­sten Stellen des Sekretariates des Völkerbundes über die Richtigkeit der Informationen betref­fend den Standpunkt des Sekretariates des Völkerbundes zum tschechoslowakischen Minder. heitenproblem, die Frau Tabou is in der Dienstagnummer des Blattes ,, L' Deuvre" als angeblich aus dem Völkorbundsekretariat stam­mend veröffentlicht hat.

An den erwähnten Stellen wurde dem Dele­gierten fategorisch erklärt, daß das Völkerbund­fefertariat mit den erwähnten Informationen absolut nichts gemein hat und daß es von einem derartigen Standpunkt zu der tschecho­jlowakischen Minderheitenfrage weit entfernt fei.

Frau Labouis hatte gemeldet, daß man in Kreisen des Völkerbundsekretariats der Tschecho flowakei nahelegen wolle, der Republik eine San­tonalverfassung nach Schweizer Muster zu geben.

Paris - Rom

Philipp Noël- Baker

Aus dem Inhalt:

Heute Wählerversammlung in der Prager

Der Papst

Produktenbörse

gegen die Rassenlüge

Faschistenputsch in Brasilien niedergeschlagen

Kalinin bekräftigt

die Sowjethilfe

In zwölfter Stunde!

Nr. 111

In dem Roman Verzauberte Seele" von Zeit der Gleichschaltung abspielte und all das, Romain Rolland wird u. a. geschildert, wie in dessen Zeugen wir jetzt im sudetendeutschen Ge einer füdfranzösischen Kleinstadt, in dem ein neues biet findes läßt uns jene Schilderung des Lazarett errichtet wurde, eine Abteilung verwun- großen Dichters nacherleben.

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deter deutscher Soldaten empfangen wird: die Die Schuster, Schneider, Kaufleute, die Leh­honetten Bürger und Bürgerinnen, die sonst die rer, Aerzte, Advokaten, die Gemeinde- und Staats­Wohlanständigkeit verkörpern, haben sich vor dem angestellten, die mißbrauchten Proletarier, die Lazarett versammelt. Flüche steigen aus der Bauern und Beamten alle diese sonst so stillen, Menge auf, da die Deutschen erscheinen. Am umgänglichen und menschenfreundlichen Sudeten­schlimmsten gebärden sich die Frauen: sie besput- deutschen, die jest nach dem Blute der Juden und fen die Verwundeten und bewerfen sie mit Stet- Marristen verlangen und in stumpfsinnigem na­nen. Die braven Bürger und Bürgerinnen haben fionalen und politischen Haß die Vernichtung des fich in reißende Tiere verwandelt, bereit, die wehr fen fordern, was man ihnen als schädlich, als losen Feinde zu vernichten. Da werfen sich zwei feindlich bezeichnet, alle diese Sudetendeutschen tapfere Frauen zwischen die tobende Volksmenge find doch nicht in ihrem Wesen verwandelt! Sie und die Soldaten: Der Franzose achtet den be find ganz einfach Irant, angesteckt von der ver siegten Feind, er mißhandelt ihn nicht!" Die heerenden Epidemie, Nationalsozialismus ge Menge ftust, aber der sittliche Ernst der Beiden bändigt sie. Und eine der Frauen aus der Volks- rat ausschaltet und das Herz schwächt. nannt, erfaßt von dem Fieber, das den Denkappa­menge, pflegt eine halbe Stunde später in rührens der Hingebung die verwundeten Feinde. Die Wir­tung der Massenpsychose war verflogen.

Das ist nicht eine weltfremde Ausgeburt dich­terischer Phantasie, sondern erlebte Wirklichkeit, Was sich in Deutschland und in Desterreich zur

Wiederaufnahme der Verhandlungen Noël- Baker und Jaksch in Warnsdorf

R v m.( Savas). Außenminister Graf Ciano empfing Mittwoch um 17.45 Uhr den französischen Geschäftsträger Blondel. Dadurch wurden die französisch- italienischen Befprechun gen zweds Normalisierung der Beziehungen zwi­schen den beiden Staaten wieder aufgenommen.

Um die Neutralität

der Schweiz

Sinter ihnen dröhnt der Propagandalarm, den die Erziehungs"-Maschinerie des Dritten Reiches vollbringt. Staum hören sie noch ihre eigene Stimme. Die Mahnung der Gesundgeblie benen dringt faum noch an ihr Ohr. Die durch Druck und Terror Vergewaltigten schweigen. die einzige Institution aber, die mächtig und einfluß= reich genug wäre, der epidemischen Krankheit zu stettern, nämlich die demokratische Staatsautorität, macht mit den Kranken gegen die Gefunden ge meinsame Sache oder tut zumindest nichts, diese Gewaltige Kundgebung der sozialistischen Arbeiterschaft vor der Vergewaltigung durch jene zu schüßen. Warnsdorf.( Eigenbericht.) Die Bes| trauensmann Eger eröffnete mit herzlichen Bes Sätte sie den Willen und die sittliche Straft, ein zirksleitung der Partei in Warnsdorf hatte Ende grüßungsworten an die englischen Gäste und an hörbares a It!" au rufen, das Rieber würde voriger Woche die Vertrauensmänner der Be- den Parteivorsisenden die Kundgebung, worauf rasch hinten, die ruhigen Sudetendeutschen würden wegung zu einer Bezirksplenarversammlung für Jalsch nach einleitenden Worten Noel- Bater das sich wieder ihrer selbst und ihres friedlichen Tag­Mittwoch eingeladen, für welche der Parteivor- Wort ließ. Vielhundertstimmige Freiheitsrufe werks erinnern. fivende Abg. I atsch und der englische Labour - begrüßten den englischen Gast. Einen großen Ungeheuerliches begibt sich in den deutschen Abgeordnete Noel- Bater ihr Erscheinen Teil seiner Rede trug Noel- Baker in deutscher Landstrichen der Repubfit! Eine regelrechte SA­augesagt hatten. Als inzwischen das Versamm Sprache vor, der englische Teil der Rede wurde Armee, der nur noch die Waffen fehlen, macht lungsverbot aufgehoben worden war, mußte die von Rehtvald übersetzt. die Straßen der Städte und Dörfer unsicher. Des Bezirksleitung, dem Drängen der Parteimits Nun tam, abermals mit stürmischen Frei- nachts marschiert sie zu militärischen Uebungen alieder nachgebend, statt der geplanten Funktiv- heitsrufen begrüßt, Abg. Jakich zu Worte, der aus. Marristen, Juden und Tschechen sind der närtonferenz eine großze öffentliche Kundi in längeren Ausführungen mit den politischen schärfften Boykott Propaganda ausgesetzt und wer­gebung veranstalten. Verhältnissen des In- und Auslandes beschäfs den tätlich oder durch den Hinweis auf die be­Das Vereinshaus war Mittwoch der Mittel- tigte. Seine Rede wurde oftmals von Beifall vorstehende Abrechnung" bedroht. In vielen Orten unterbrochen und auch nach Schluß der Rede er lönnen angesichts der Boyfottposten der SdP die tönten wiederum Beifallstürme und Freiheits- Konsumvereinsläden nur des nachts heimlich be rufe. sucht werden. Sozialdemokratische Gemeinderats Dann ergreift Noel- Bater nochmals das fandidaten werden unter den wildesten Drohungen Wort, um in deutscher Sprache die Grüße der zum Rücktritt von der Kandidatur gezwungen. englischen Labour- Party zu überbringen. Er( Das illustriert den politischen Wert dieser meint, daß es nicht gelte, den nächsten Strieg zu Wahl" am trefflichsten.) Die Sdp, die jeden gewinnen, sondern ihn zu verhindern. Auch Sudetendeutschen in ihre Reihen zu zwingen Noel- Bater wurde neuerlich stürmisch altlamiert. Strachtet, hat eine eigene Parteigerichtsbarkeit fta­Besondere Befriedigung rief seine Versicherung tuiert, deren wichtigste Grundlage die Bestim hervor, daß die englische Arbeiterpartei uns in mung ist, daß den SDP- Mitgliedern das Anrufen unserem schweren Kampfe stets unterstüßen wird. der öffentlichen Gerichte verboten wird. Edp= Nach einem anfeuernden Schlußtvort Löwis Amtswalter wagen es, den Behörden mit Ver­wurde die eindrucksvolle Kundgebung mit dem geltungsmaßnahmen zu drohen, wenn die Polizei " Lied der Arbeit" und begeisterten Freiheits- nicht aufhöre, zu provozieren"; als eine solche " Provokation" wird das selten genug vorkommende rufen geschloffen. Einschreiten gegen Gesetz übertretun gen bezeichnet! Die Behörden lassen sich diesen Brefinn widerspruchslos gefallen. Sudetendeutsche Lehrer begehen die Schande, jüdische Kinder zu diffamieren und sie von den arischen" nach dem betannten streicherschen Vorbild abzusondern, Ar­beiter werden in ihrem Betrieb von politischen Gegnern niedergeschlagen und fühlen sich so schußs

Genf . In einer öffentlichen Sißung des Völ­terbundrates gab der Schweizer Delegierte Motta eine prinzipielle Erklärung zu dem Schweizer Neutralitätsansuchen ab. Er betonte insbesondere die Stellung der Schweiz , die keine grundsäglichen Vorteile zu ungunsten anderer punkt einer der herrlichsten und eindrudsvollsten Staaten erreichen tolle. Die Schweiz werde aus Rundgebungen unferer Partei. Der Saal konnte dem Völkerbund nicht austreten. Die Schweiz die Menschenmassen nicht faffen und, obwohl alle müsse, insbesondere nach den nach dem Friedens- verfügbaren Nebenräume und auch das Vorhaus schluß gesammelten Erfahrungen zu ihrer abfo- dicht gefüllt waren, mußten viele Teilnehmer Iuten Neutralität zurücfehren. Dus wieder weggehen, weil sie feinen Platz mehr fin­Ideal der internationalen Zusammenarbeit, das den konnten. Die sterbende Sozialdemokratie der Völkerbund vertritt, sei auch das Ideal der hat nun, wenige Tage nach der imposanten Mai­Schweiz. Der Beitrag der Schweiz für den Völ - feier, neuerlich einen Lebensbeweis erbracht, der terbund werde sich in den Fragen nüßlich erwei- die anderen zum Nachdenken zwingen wird. sen, die die Schweizer Neutralität nicht betreffen. Mit einem wahren Vegeisterungssturm Nach der Rede Mottas dankte der Vorsitzende wurde Ialsch, Noel- Bater und deſſen des Völkerbundrates, der lettländische Minister Gattin sowie Franz Nehwald, Reichenberg, Munters, dem Delegierten der Schweiz und erteilte empfangen. Nach einem Fanfarenruf der Atus­dem sowjetrussischen Volkskommissär für Auswär- Jugend überreichten ein Atus- und ein SI­tige Angelegenheiten, Litwinow , das Wort. Mädel den Gästen tote Nelken, worauf die Ich würde wünschen, sagte dieser zum Schluß, daß Staatshymnen gespielt wurden. Der Bezirksver­der Berichterstatter sich sämtliche juristischen Gut­echten, die er als notwendig ansieht, beschafft, um festzustellen, ob der Rat kompetent ist, eine der­artige Entscheidung zu treffen, ohne die Völker­bundversammlung zu befragen.

Präsident Vargas schlug den faschistischen Putsch nieder

Faschistenputsch

in Brasilien niedergeworfen

Mio de Janeir v. Die faschistische von Marinetruppen unterstützt, deren Menterei los, daß sie es nicht wagen, sich zu beschweren. Partei der Integralisten hat mit Unterstühung aber durch Abteilungen des Heeres niedergeschla- Man hat harmlose jüdische Hausierer aus einzel­eines Teiles der Garnison von Nio de Janeiro gen wurde, das vorbehaltlos zum Präsidenten nen Orten zu treiben versucht. Besucher sozialiſti- v versucht, den Präsidenten Vargas zu stürzen. Der hielt. Alle Führer der Aufständischen werden im scher Versammlungen werden demonstrativ und Aufstand wurie jedoch dank dem energischen Ein- Laufe von 24 Stunden von dem Gerichtshof für unter Drohungen" registriert. Ganze Schulflaffen greifen des Präsidenten selbst in kurzer Zeit nie- nationale Sicherheit abgeurteilt werden. Es wur- erweisen unter Anführung der Lehrer der deuts ben zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. schen Weltanschauung", nämlich dem Nationalso­bergeschlagen. Der Aufstand begann kurz nach Ueber den Faschismus in Brasilien schreibt zialismus, ihre Ehrerbietung. Der Deutsche Turn­Mitternacht auf Mittwoch mit einem Angriff auf der Evening Standard". Präsident Vargas verband soll, nach den Anfündigungen der Hen­die Residenz des Präsidenten. Präsident Vargas habe im vergangenen Herbst erkannt, daß die lein- Häuptlinge, zu einer Zwangsorganisation für mußte sich und feine Familie mit dem Revolver in faschistischen Kräfte in Brasilien , deren Entwick- die ganze sudetendeutsche Jugend werden. Künfts der Hand gegen die meuternde Palastwache verteilung er als Prellbod gegen den Bolschewismuster, die ihre Straft einer staatlich- demokratischen digen. Der Kriegsminister wurde während des begünstigt habe, zu einer Gefahr für jeden ton- Einrichtung, nämlich dem deutschen Sender, zur Angriffes auf das Präsidentenpalais verwundet, ftitutionellen Präsidenten werden könne. Die Verfügung stellen, werden unter llebertretung des der Führer der Aufständischen, ein ehemaliger jogenannte Integralistenpartei der faschistischen Terrorgefeßes und unter Duldung des Zensors Marineoffiziers namens affelmann, wurde Grünhemden befize eine Million Mitglieder und bloßgestellt, beschimpft und bedroht. Der Weber­getötet. Der Kriegsminister veranlaßte sofort die foll von europäischen Diktatoren beträchtliche mut halb to üchiger Bursch en schießt Besetzung der strategisch wichtigen Punkte der Waffensendungen erhalten haben. Die 48 Millio- üppig ins Kraut; ganz abseits von politisch- diplo Stadt durch Sonderpolizei und Abteilungen des nenbevölkerung Brasiliens umschließt zwei Mil- matischen Verhandlungen über die sudetendeutsche Heeres. Auch der Generalstabschef und verschiedene lionen Italiener, eine halbe Million Sowjets und Frage wird dieser Uebermut, der immer andere Generale wurden in ihren Wohnungen an- etwa eine Viertelmillion Japaner, von denen viele offener zur Anarchie treibt, als politische Realität gegriffen, konnten sich jedoch der Aufständischen Faschisten find. Großbritannien hat in Brasilien gewertet, vor der die Staatsgewalt im Interesse erwehren. Die faschistischen Putschisten wurden 800 Millionen Pfund Stapital veranlagt. Ides Friedens" zurüdweichen müsse. Und die Ver­